Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 75 vom 21.12.1992
Inhalt
GUATEMALA
URUGUAY
ECUADOR
Lateinamerika
PERU
HAITI
GUATEMALA
Illegale Abholzungen in Naturschutzgebiet
(Guatemala, 15. Dezember 1992, Cerigua-POONAL).- Am 2. Dezember wurden ein Journalist und seine Begleiter Opfer von Mißhandlungen, weil sie illegale Abholzungen in der Provinz Petén beobachtet hatten. Der Journalist der Tageszeitung Siglo XXI, Omar Cano, die Vertreter des Nationalrates für Naturschutzzonen (CONAP), Rafael Luna und Spencer Kris, der Inspektor des Institutes für Anthropologie und Geschichte (INAH), Obed Gálvez, sowie drei Zollpolizisten wurden von der Armee festgenommen, nachdem sie ein „heimliches“ Sägewerk entdeckt hatten. Durch den Vorfall wurde gleichsam die Verwicklung der Streitkräfte in illegale Abholzungen in der Region enthüllt. Das Sägewerk liegt inmitten eines rund 1,5 Millionen Hektar großen Naturschutzgebietes in der Provinz Petén. Wenige Tage vor dem Fund hatte der Kongreß das Dekret 72-92 erlassen, das die Versteigerung von konfisziertem Holz aus der Naturschutzzone erlaubt. Armeeangehörige und Unbekannte überraschten die Gruppe und schleppten sie gewaltsam zu einer Militärstation, die an einem Ort mit dem Namen „Paso Caballos“ liegt. Dort wurden sie vor den Augen des befehlshabenden Offiziers mißhandelt. Die Fotoausrüstung des Journalisten wurde zerstört. Wieder in Freiheit, teilte der Journalist Omar Cano mit, die Gruppe habe die massive und illegale Abholzung wertvoller Hölzer entdeckt. Die Vertreter der CONAP identifizierten die Holzschmuggler als Mitglieder der sogenannten paramilitärischen Zivilpatrouillen. Studien ökologischer Organisationen besagen, daß die Abholzung dieses Naturschutzgebietes durch die Ausdehnung der Agrarzonen und den Bau einer Landstraße forciert wurde. Die Landstraße ist für die Ausbeutung dieser Region von großer Bedeutung. Mit der Erschließung des Gebiets geht auch die Jagd auf seltene Tiere wie Papageien oder Jaguare sowie die Vernichtung wilder Pflanzenarten einher. Für Offiziere bedeutet der Einsatz in der Militärzone des Petén nicht nur eine Beförderung, sie bietet ihnen auch schier unendliche Möglichkeiten der Bereicherung durch Holzschmuggel und den Handel mit wilden Tieren. Ende Oktober berichtete eine internationale Agentur über ein Flugzeug der guatemaltekischen Streitkräfte (FAG), das zynisch „Arche Noah“ genannt wird. Es startet jede Woche von der militärischen Landebahn des Petén, vollbeladen mit illegal erlegten Tieren. Wie Militärsprecher Julio Yon mitteilte, wurde die Gruppe anonym mit dem Tod bedroht, falls sie ihre Arbeit gegen die illegalen Abholzungen in dem Lebensraum der Maya fortsetzen. Das verwundert nicht, denn gerade den Streitkräften dürfte es sehr ungelegen kommen, daß ihre Verwicklung in illegale Abholzungen in dem Naturschutzgebiet enthüllt wurden.
Streitkräfte blockieren Friedensabkommen
(Mexiko, 15. Dezember 1992, NG-POONAL).- Mit unverhohlener Abneigung blicken guatemaltekische Offizieren seit geraumer Zeit auf das Nachbarland El Salvador. Das Friedensabkommen, daß die Guerilla und die Regierung in dem Nachbarland im Januar dieses Jahres geschlossen haben, drängt die guatemaltekischen Hardliner zunehmend in eine isolierte Position. Der guatemaltekische General Carlos Enrique Pineda versicherte unlängst nach einem Treffen mit Vertreter*innen der Guerilla vor der Presse, das Militär des Landes werde sich nicht unter Druck setzen lassen, um den nunmehr über 30-jährigen bewaffneten Konflikt zu beenden. Die guatemaltekischen Militärs wehren sich aus einem einfachen Grund dagegen, den salvadorianischen Friedensschluß als Vorbild für Guatemala zu nehmen: Ein Friedensabkommen würde ihre nahezu schrankenlose Macht erheblich einschränken. Sie sehen ihre ökonomischen Privilegien in Gefahr, sie müssen fürchten, daß die Streitkräfte, die bislang kaum von der Justiz belästigt werden, wegen Korruption und Verletzungen der Menschenrechte bestraft werden. In den letzten drei Jahrzehnten sind die Militärs faktisch die einzige „Regierungspartei“ gewesen und der Staat diente ihnen als willfähriges Instrument, um sich zu bereichern. Die Streitkräfte klammern sich verzweifelt an ihre Privilegien. Ihre Position in den Verhandlungen mit der Nationalen Revolutionären Einheit Guatemalas (URNG) haben sich derart verhärtet, daß eine Beendigung des Bürgerkriegs in weite Ferne gerückt ist. Für sie gibt es nur eine Option: Die bedingungslose Kapitulation und Entwaffnung der Guerilla. Sie sind nicht bereit, auch nur ein Minimum an Reformen zuzulassen. „Ich denke, daß sich die Militärs mit aller Kraft gegen eine Beendigung des Konfliktes wehren werden, bei der sie sich auf die Anklagebank setzen müßten, wie dies in El Salvador geschehen ist,“ so ein guatemaltekischer Bürger. „Je mehr sie sich der Scheußlichkeiten bewußt sind, die sie wehrlosen Menschen angetan haben, – und sie sind sich darüber tatsächlich sehr im Klaren – umso mehr waschen sie ihre Hände in Unschuld.“ Trotzdem rechnen nicht wenige Bürger*innen dieses Landes damit, daß die Lösung des bewaffneten Konfliktes entscheidend davon abhängt, ob die Zivilbevölkerung Druck auf die Verhandlungen zwischen Armee und URNG ausüben kann. Andere argumentieren, daß die Zukunft Guatemalas nicht mehr in den Händen der Militärs alleine liege, „umso mehr, als sie sich als alleinige Retter des Landes darstellen,“ vielmehr habe sich ein breites soziales Spektrum in Bewegung gesetzt; „die Zeiten, in denen das Militär alles alleine entscheiden konnte, sind vorbei.“ Es ist eine verbreitete Meinung, daß die oberen Armeeangehörigen sich ihren Traum erfüllt haben, zur Oligarchie zu gehören, indem sie die militärische Macht mit wirtschaftlichen Privilegien verquickt haben. Die guatemaltekischen Generäle wehren sich insbesondere gegen ein Abkommen über die Menschenrechte, da sie unverzüglich auf der Anklagebank landen würden und zudem ihrer willkürlichen Terrorherrschaft ein Ende gesetzt wäre. Ebenso vehement wehren sie sich dagegen, die Rechte der indigenen Bevölkerung anzuerkennen und die Landfrage zu lösen. Denn eine Landreform würde auch etliche hochrangige Offiziere, die sich durch eine Art „militärischer Landreform“ selbst große Besitztümer einverleibt haben. Die Aussichten auf eine Verbesserung scheinen gering. „Die 'chafarotes' (Militärs) werden weiterhin Repression ausüben und Menschen massakrieren,“ kommentiert ein guatemaltekischer Flüchtling, „um so ihre Position in den Verhandlungen zu stärken und zu verhindern, daß ihnen das gleiche geschieht, wie ihren Kollegen in El Salvador.“
URUGUAY
Auswirkungen des Neoliberalismus
(Ecuador, Dezember 1992, alai-POONAL).-Die Volksabstimmung über die Privatisierung von Staatsunternehmen am 20. Dezember, die in Uruguay zu einem Politikum geworden ist, führt die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Privatisierungsprozesses vor Augen. Durch diese Volksabstimmung könnte die Opposition die von der Regierung Lacalles durchgeführte Privatisierung zumindest teilweise stoppen (siehe POONAL Nr.72). Demoskopen sprechen der Opposition eine Mehrheit zu In Uruguay wurde das neoliberale Wirtschaftsmodell genauso wie in ganz Lateinamerika aufgrund der Auflagen der internationalen Finanzorganisationen wie dem Internationalen Währungsfond (IWF), der Weltbank, der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IBD) usw. eingesetzt, ohne die wirtschaftliche und soziale Lage in dem Land zu berücksichtigen. Das „Rezept“ beinhaltet liberalisierende Wirtschaftsmaßnahmen, die wirtschaftliche Öffnung und die Beteiligung am Mercosur (der Freihandelszone zwischen Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay). Es müssen Bedingungen erfüllt werden, um Zugang zu den Fonds dieser Organisationen zu erhalten, damit die Auslandsschuld bezahlt werden kann und um weitere private Investitionen zu bezuschussen.
Volksabstimmung über Privatisierung von Staatsunternehmen
Das Modell hat vor allem die internationalen Banken und die Exportindustrie privilegiert. Durch den Verkauf der öffentlichen Unternehmen, durch den vor allem die Auslandsschuld bezahlt werden soll, hat das Land auch einen großen Teil seiner Souveränität an ausländisches Kapital abgegeben. So wurden einträgliche staatliche Wirtschaftsunternehmen aus den Bereichen Energie, Telekommunikation und Versorgung an ausländische Kapitalgeber verkauft. Der gewünschte Erfolg ist bis heute ausgeblieben. Ein Beispiel ist die Fleischindustrie, die in private Hände übergegangen ist und bereits bankrott ist. Jetzt muß sie vom Staat bezuschußt werden. Die Erwartungen der Regierung an der Beteiligung Uruguays am Mercosur wurden ebenfalls nicht befriedigt. „Die wirtschafltiche Situation Uruguays ist sehr zerbrechlich und unsicher. Uruguay ist kein Land, das die Vorreiterrolle auf dem regionalen Markt spielen kann, viel weniger noch auf dem internationalen Markt,“ erklärte der Franziskanermönch Jorge Peixoto der ALAI. Er ist Mitarbeiter an Programmen zur sozialen Förderung, der Volkserziehung und der ökologischen Forschung. Peixoto ist der Meinung, daß die Arbeitslosigkeit fast wie eine Notwendigkeit erscheint, damit Uruguay den Forderungen des Mercosur gerecht wird. Arbeitslosigkeit bedeutet jedoch auch Armut, Landflucht und Wachstum der Elendsgürtel um die Städte. Der soziale Einbruch ist insgesamt so groß, daß er sich beispielsweise an einer auffälligen Zunahme der Prostitution von Frauen und Mädchen zeigt. Auch hat die Drogenabhängigkeit sowie die Zahl der Straßenkinder zugenommen; die Unterernährung ist gestiegen, auch die Kindersterblichkeit hat wie alle sozialen Probleme, die durch die Verarmung immer größerer Teile der Bevökerung provoziert werden, stark zugenommen. Die Stadt wird zunehmend zum sozialen Brennpunkt, während das Land durch Abwanderung zunehmend verödet
Die Krise der Landwirtschaft
Die Wirtschaft Uruguays hängt zu einem großen Teil von der Land- und Viehwirtschaft ab, da das Land weder stark industrialisiert ist noch große Rohstoffreserven hat. Die landwirtschaftliche Leistungsfähigkeit könnte sehr groß sein. Uruguay besitzt bei einer Gesamtfläche von 17 Millionen Hektar rund 16 Millionen Hektar kultivierbaren Landes. Dieses Potential wird jedoch laut Walter José Guimaraenz, dem Führer der „Bewegung für das Land“ (Movimiento Por la Teirra) nicht ausgenutzt. „Uruguay ist ein leeres Land, wie eine Eierschale ohne Inhalt,“ so Walter José Guimaraenz. Aufgrund der großen Konzentration des Landeigentums und der Randstellung der ländlichen Gebiete lebt die Mehrheit der Bevölkerung in den Grenzgebieten. An der Grenze konzentriert sich der Handel, in den Küstenstädten ist der Tourismus die Einnahmequelle und in der Hauptstadt ist die Möglichkeit eine Arbeit zu finden immer noch größer. Guimaraenz erklärt, daß trotz der großen Fläche an kultivierbarem Land, die Uruguay besitzt, nur einige hundertausend Personen als Landarbeiter*innen oder Kleinbauern und -bäuerinnen in der Landwirtschaft arbeiten. „Diese Situation ist eine Konsequenz der Konzentration des Landbesitzes mit einem extensiven landwirtschaftlichen Produktionssystem. Dieses System ist das rentabelste für die kapitalistischen Landeigentümer*innen und es ist gleichzeitig das System, das die wenigsten Arbeitskräfte benötigt.“ Der Führer der MPT erwartet eine Erhöhung der Arbeitslosigkeit und der Landflucht. „Die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft – dem wichtigsten Wirtschaftssektor des Landes – werden immer weniger. Vor allem die extensive Viehzucht (eine ungelernte ArbeiterIn pro zwei oder dreitausend Hektar), die Reis- und Zuckerproduktion und der intensive Obst- und Gemüseanbau für den Export werden heute mit der Mechanisierung und den Anforderungen des Mercosur konfrontiert.“
ECUADOR
Anstieg der Menschenrechtsverletzungen
(Ecuador, November 1992, alai-POONAL).- Drei Monate nach der Amtsübernahme der Regierung Sixto Durán Ballén ist in Ecuador eine Verschlechterung der Menschenrechtsituation zu beobachten. Sie ist vielleicht noch schwerwiegender, als die wirtschaftliche Situation der Mehrheit der Bevölkerung. Die wirtschaftspolitischen Beschlüsse vom vergangenen 3. September haben die Bevölkerung hart getroffen und die angekündigten Maßnahmen zum sozialen Ausgleich sind bis heute noch nicht durchgeführt worden. Seit der Machtübernahme der Rechten hat sich in Ecuador die Vorherrschaft der Oligarchie mehr und mehr verstärkt. Die Situation erinnert an die Zeit unter der christlich-sozialen Regierung León Febres Corderos (1984-88). Die Sicherheitskräfte scheinen schon wieder Straffreiheit zu genießen und Teile der Privatunternehmer*innen und Funktionär*innen betrachten den Staat als ihr Privateigentum.
Einschüchterungen und anonyme Drohungen
Als ergänzende Maßnahme zum Wirtschaftspaket vom 3. September ordnete der Regierungschef die Militarisierung des Landes an, um „zu verhindern, daß der öffentliche Frieden gestört wird“. Einen Monat später wurde eine ähnliche Maßnahme erlassen, aber in größerem Ausmaß, um eine Demonstration von Indígenas am 12. Oktober, dem Jahrestag der Entdeckung Amerikas, zu verhindern. Es gab sporadische Proteste gegen die Erlasse und in den ersten Oktobertagen blockierten einige indigene Gemeinschaften die Straßen. Die Polizei ging unverhältnismäßig rüde gegen die Demonstrant*innen vor. Anfang Oktober zirkulierten Gerüchte und Pressemeldungen über aufständische Gruppen im Land. Angeblich seien auch Guerillagruppen der Nachbarländer wie der Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad) aus Peru und die FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) aus Kolumbien in Ecuador präsent gewesen. Die Polizei nahm mehrere „Verdächtige“ fest, unter anderem Mitglieder einer Straßentheatergruppe, die in Quito ein Theaterstück zur Unterstützung der Indígenas aufführten. Sie wurden gefoltert und anschließend freigelassen, ohne daß irgendein Beweis subversiver Aktivität gefunden werden konnte.
Pressefreiheit wird eingeschränkt
Auch die Journalist*innen entkommen dem Druck nicht. Die Pressefreiheit ist eingeschränkt. Einige Journalist*innen wurden eingeschüchtert, weil sie die Regierung kritisierten hatten. Andere erhielten anonyme Drohungen. Zudem haben journalistische Gremien mitgeteilt, mehrere ihrer Mitglieder, die in öffentlichen Einrichtungen arbeiten, seien aus politischen Motiven entlassen worden. In dieser Atmosphäre der Repression floh am 5. Oktober der General Gilberto Molina, ehemaliger Generalkommandant der Polizei, der seit 13 Monaten in einem Polizeiquartier unter Arrest stand, da er in den Fall der Kinder Restrepo verwickelt war. Diese waren im Januar 1988 festgenommen, von der Polizei gefoltert worden und anschließend „verschwunden“. Drei Tage vor seiner Flucht beschuldigte der Generalstaatsanwalt Alfredo Alvear den General des Mordes, weil er über das Schicksal informiert war, das den Geschwistern Restrepo bevorstand, und nichts unternahm, um es zu verhindern. Molina hinterließ eine Nachricht, in der er ankündigte, er werde fliehen, weil er nicht an die ecuadorianische Justiz glaube. Das Ungewönliche des Falles – außer der besorgniserregenden Tatsache, daß ein Polizeichef nicht an die Justiz glaubt – ist, daß er trotz Arrest unbehindert die Polizeistation verlassen konnte und in sein Auto stieg, das ihn wie jeden Tag an der Tür erwartete. Die Regierung hat zwar die Auslieferung Molinas aus Kolumbien verlangt, wohin er offensichtlich geflohen ist, spricht sich jedoch selbst von jeder Verantwortung für die Flucht frei. So erklärte der Polizeiminister: „Für Handlungen können nur Menschen und nicht Institutionen verantwortlich gemacht werden.“ Für die Ordensschwester Elsie Monge, Präsidentin der Ökumenischen Menschenrechtkommission, ist die Flucht nicht nur eine Konsequenz der Unregelmäßigkeiten dieses Falles. „In diesem Prozeß,“ versicherte sie, „wurden Beweismittel versteckt oder zerstört, Tatsachen verdreht, Anschuldigungen gegen die Familie erfunden und die Angeklagten wurden nicht in das öffentliche Gefängnis gebracht, wie es rechtens gewesen wäre.“ Nach diesen Erklärungen wurde die Schwester per Telefon bedroht und es wurde versucht, in ihr Haus einzudringen. Auch die Repression gegen die wöchentliche Demonstration der Eltern der Opfer, die jeden Mittwoch gegenüber dem Regierungspalast durchgeführt wird, wurde verstärkt.
Austritt aus der OPEC?
Präsident Durán Ballén genießt unter der Bevölkerung, die ihn mit einer Zweidrittelmehrheit an die Macht gebracht hat, weiterhin eine gewisse Popularität. Von seiner Politik kann das nicht behauptet werden. Der unternehmerfreundliche Charakter seiner Regierung widerspricht dem versprochenen „neuen Kurs“ und den sozialen Implikationen. Die Ankündigung, aus der OPEC auszutreten, rief im Land großes Erstaunen hervor. Ehemalige Energieminister, ehemalige Leiter und Präsidenten des staatlichen Ölunternehmens und Expert*innen kritisierten und tadelten ausnahmslos den Beschluß. Trotzdem ratifizierte der Energieminister Andrés Barreiro (der zugibt, wenig über Öl zu wissen) die Entscheidung und erklärte, es gebe „niemanden, der sagt, wir hätten Gründe, in der OPEC zu bleiben.“ Auf Beschuldigungen, unter ihren Funktionär*innen gäbe es erhebliche Interessenskonflikte, reagiert die Regierung nicht. Der neue Präsident des Staatsunternehmens Petroecuador, Ricardo Estrada, hat angeblich in jüngster Zeit Beziehungen zu den ausländischen Eigentümer*innen des Unternehmens EMELEC gehabt. Dieses Unternehmen ist jedoch in einen Rechtsstreit gegen den Staat sowie gegen ein anderes Unternehmen, das Petroecuador Dienste anbietet, verwickelt. Es wird befürchtet, daß die Privatisierungspolitik der Regierung mit dieser Art von Komplizenschaft vorwiegend einen begrenzten Sektor des Privatunternehmens begünstigt. Aber bis jetzt haben die sozialen Kräfte, statt Transparenz zu fordern, die ein demokratisches System vorsieht, sich eher dafür entschieden, an den Edelmut und die Besonnenheit des Präsidenten zu appellieren.
Lateinamerika
Bringt Clinton Tauwetter?
(Managua, 4. Dez. 1992, Apia-Poonal).- Die Außenpolitik war im Wahlkampf des neuen US-Präsidenten kein Thema, und die künftigen Beziehungen zu Lateinamerika noch weniger. So können auch vorerst nur vage Vermutungen darüber angestellt werden, was sich ändern könnte in diesen Beziehungen – eine besonders für Nicaragua existentielle Frage. Der scheidende Präsident Bush weigert sich auch in der Endphase seiner Amtszeit, den eingefrorenenen 100 Millionen Dollar-Kredit an Nicaragua auszuzahlen. Der Sieg Bill Clintons, nicht zuletzt den Hispanics, den Lateinamerikaner*innen in den USA zu verdanken, ist in Lateinamerika mit besonderem Interesse und mit sehr gemischten Gefühlen aufgenommen worden. Die fast alle ideologisch mit Bush identifizierten Regierungen der Region bedauern mit kaum verhohlener Unruhe die vorzeitige Pensionierung ihres „großen Freundes“ in Washington und befürchten die protektionistischen Tendenzen, die unter Clinton und den Demokraten im allgemeinen zu erwarten sind. Eine näherere Betrachtung der Beziehungen zwischen den USA unf Lateinamerika legt jedoch nahe, daß die Machtablösung im Norden wesentlich mehr Positives als Negatives bringen müßte. Die Reaktionen sind natürlich je nach Land und politischen Präferenzen verschieden. In den offiziellen Kreisen Mexikos, die voll und ganz auf den Gemeinsamen Markt des Nordens“ gesetzt haben, ist die Unruhe besonders verständlich, denn nach dem kanadischen Verfassungsreferendum und dem Sieg Clintons könnten für dieses Projekt neue Hindernisse auftreten. In Panama hingegen erinnert man sich mit Verbitterung an die Tausenden Toten der US- Intervention. Die USA stürzten zwar den Diktator Noriega, die Lage der Menschen in dem Land hat sich seitdem aber nicht verbessert.
Unterschiedliche Reaktionen auf Machtwechsel in USA
Höchst unerfreulich ist das Votum der USA für die Regierung des Präsidenten Carlos Menem in Argentinien, der sich als besonders eifriger Schüler der „panamerikanischen Klasse“ hervorgetan hat. Menem lernt jetzt schnell Saxophon, um sich mit dem Nachfolger seines geschätzten Tennispartners Bush besser zu verstehen, spotten politische Beobachter in Buenos Aires. Argentinien, ein Jahrhundert lang das enfant terrible des von Washington gepredigten Panamerikanismus, wurde unter Menem das genaue Gegenteil und ging sogar soweit, zwei Schiffe in den Golfkrieg zu entsenden, aus der Bewegung der Blockfreien auszutreten und den Eintritt in die NATO zu beantragen. Etwas anders ist die Situation in Brasilien, das traditionell der große Verbündete Washingtons in Lateinamerika war, seit Jahrzehnten aber zunehmend gegen den großen Bruder im Norden aufmuckt. Der kürzliche Sturz des korrupten Präsidenten Collor de Mello hat auch zu einer unvermeidlichen politischen Kurskorrektur geführt, die eine stärkere Betonung der nationalen Autonomie als unter dem ultraliberal orientierten Collor erkennen läßt. Mit dem Abgang von George Bush sind nun die zwölf Jahre der „Konservativen Revolution“ zu Ende, die der damalige US-Präsident Reagan einleitete. Darüber können sich im Prinzip die meisten Lateinamerikaner*innen freuen. Die Reagonomiscs haben schließlich im wirtschaftlichen sowie im sozialen und kulturellen Bereich eine alles andere als erfreuliche Bilanz aufzuweisen. Noch schlimmer aber waren deren außenwirtschaftliche Folgen, die achtziger Jahre wurden zum bittersten Jahrzehnt seit den dreißiger Jahren. Von Clinton kann sicher kein radikaler Kurswechsel in den äußerst ungleichen Nord-Süd-Beziehungen erwartet werden, wohl aber eine gewisse Reform ihrer absurdesten Extreme und ein stärkeres Eintreten für demokratische Zustände und mehr Verantwortung gegenüber der Umwelt. Die Ereignisse, die 1992 Länder wie Peru, Brasilien und Venezuela erschüttert haben, zeigen eindeutig, daß die ultraliberale Wirtschaftspolitik á la Reagan auch in Lateinamerika gescheitert ist und sobald wie möglich durch eine andere, mehr keynesianisch und sozial orientierte ersetzt werden muß, wenn kurz- bis mittelfristig schwere soziale Explosionen vermieden werden sollen. Das liegt nicht zuletzt im Interesse der USA, die kaum Vorteile hätten, wenn ihre Handelspartner im Süden des Kontinents in Chaos, blutigem Aufruhr und neuerlichen Militärdiktaturen versinken, wie es bei gleichbleibender Politik als umvermeidlich erscheint. Wenn also nun die USA, wie von Clinton versprochen, ihr eigenes Haus in Ordnung bringen wollen und ihr riesiges Haushaltsdefizit nicht von anderen, darunter den lateinamerikanischen Staaten finanzieren lassen, dann kann das nur eine erfreuliche Nachricht sein. Ein erster Prüfstein und Maßstab für die Lateinamerikapolitik Clintons werden die Beziehungen zu Kuba – die Verschärfung des Embargos hat im Ausland, auch in der EG, scharfen Protest hervorgerufen – und zu Nicaragua sein; seit Monaten sperrt die Bush-Administration einen Kredit über 100 Millionen US-Dollar an das mittelamerikanische Land.
PERU
Polizei und Marine wollen Gewerkschaft gründen
(Managua, Dezember 1992, APIA-POONAL).- Vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Wirtschaftskrise in Peru haben sich nun auch die Polizei und Teile des Militärs organisiert, um ihre Rechte gegenüber der Regierung besser einklagen zu können. Auffallend ist, daß zum erstenmal die Ehefrauen der Polizei- und Marineangehörigen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Organisationsstrukturen übernahmen. Am 5. März 1991 wurde die „Zivile Front der Polizei und des Militärs“ gegründet, eine Organisation, der Familienangehörige sowie Personal im Ruhestand angehören.
Proteste gegen geringen Lohn und Diskriminierung
Am 25. Mai 1983 besetzte das Personal der Nationalpolizei in Lima selbst eine Kommandantur, um gegen die schlechte Behandlung von seiten der Regierung zu protestieren: Überstunden, ungenügende Bezahlung, Diskriminierung und Gleichgültigkeit ihren Interessen gegenüber hatten das Faß zum Überlaufen gebracht. Es war nicht das erste Mal, daß die Polizei protestierte, so hatte sie sich auch an den Kämpfen um die Vierzig-Stunden-Woche beteiligt. Die Streiks und Besetzungen bewegten das Land bereits im Jahre 1960, als die Kaserne El Potao besetzt wurde. Am bedeutendsten waren die Proteste am 5. Februar 1975. Es war ein dreitägiger Streik ausgebrochen, den die Militärregierung unerbittlich niederschlug. Als Konsequenz „verschwanden“ zahlreiche Polizisten und hunderten wurde der Prozeß gemacht, sie wurden inhaftiert und entlassen. Den Witwen wurde empfohlen zu schweigen, wenn sie ihre Ansprüche auf die entsprechenden Pensionen geltend machen wollten. Da sie der Militärrechtsprechung unterstellt sind, haben die Polizisten und Militärs kaum politische Rechte: sie dürfen nicht wählen, sich nicht gewerkschaftlich organisieren oder Petitionen einreichen. Die Einführung dieser Rechte sind heute Teil ihrer Hauptforderungen. Aus dieser Erfahrung entstand die legal konstituierte „Frauenbewegung für die Familien der peruanischen Polizei“ und die Ehefrauen gründeten das geheime „Nationale Exekutivkomitee der Verteidigung der Polizeikräfte“.
„Wir werden betrogen und unterdrückt“
Trotz dieser Anstrengungen, erinnert Oscar Pedraza, Präsident der Zivilen Front, „werden wir nur weiter betrogen, unterdrückt und mit Sanktionen belegt.“ Erneute Demonstrationen, Protestnoten und Proteste ihrer Familienangehörigen wurden mit Repression beantwortet. Die Polizei wird nicht nur von der wirtschaftlichen Krise getroffen, so wie die ganze Bevölkerung, sondern ist zudem täglichen Angriffen der Guerillaorganisation Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad) ausgesetzt. Im Februar 1987 fand ein massiver und spektakulärer Streik der Polizisten gegen die Regierung Alan Garcías statt, der mehrere Tage dauerte. Gekleidet in Zivil, mit ihren Polizeiausweisen in der einen Hand und dem Revolver in der anderen, marschierten hunderte von Polizeibeamten durch die Straßen bis zum Kongreßgebäude. Die Kugeln und das Gas, die Offiziere, Paramilitärs und Sodaten gegen sie abschossen, verwandelten Lima in ein Schlachtfeld. Die Regierung sah sich gezwungen, eine Verhandlungskommission zu bilden, die sich verpflichtete, sich mit den Hauptforderungen zu beschäftigen und keine Repressalien gegen die Führer*innen und Beteiligten an dem Protest einzuleiten. Unter diesen Bedingungen kehrten die Polizisten in ihre Einheiten zurück. Trotzdem wurden alle Anführer*innen eingesperrt, als die Teilnehmer sich zerstreut hatten. Die Forderungen an die Regierung betrafen nicht nur wirtschaftliche und arbeitsrechtliche Aspekte. Es wurde gefordert, die Dienstordnung neu zu strukturieren, „weil sie unser Bewußtsein angreift und uns verpflichtet, die öffentliche Ordnung mit brutalen Aktionen zu verteidigen, die dem Geist der Verfassung und der Menschenrechtserklärung widerspricht. Beide Normen garantieren außerdem das Recht auf Streik und Protestmärsche.“ Die Polizisten wollen „nicht in den 'schmutzigen Krieg' mit hineingezogen werden. Wir lehnen den Genozid in unseren Reihen ab.“ Sie fordern, „die Rechtsprechung durch das Militär abzuschaffen, weil sie repressiv ist und die Polizei ihr eigenes Gesetzbuch haben muß. Die Polizisten sollten an der Ernennung des Polizeipräsidenten und der höheren Dienstgrade teilnehmen können und die Organisierung der Untergebenen solle anerkannt werden. Es muß eine zusammenhängende aufstandsbekämpfende Politik durchgeführt werden und die Friedenschaffung muß auf der sozialen Gerechtigkeit beruhen und nicht nur auf der wahllosen Diskriminierung“.
Rassismus in der Marine
Die neoliberale Wirtschaftspolitik Alberto Fujimoris ließ die Widersprüche auch innerhalb der Streitkräfte anwachsen. Am 28. Februar 1991 fand die erste Demonstration von Ehefrauen und Familienangehörigen des untergebenen Personals der Kriegsmarine statt, laut Pedraza der unterdrückteste Teil der Streitkräfte, denn in dieser Truppengattung ist der Rassismus offener als in jeder anderen. Kurze Zeit später fand in Palomares das erste Koordinationstreffen statt, an dem um die tausend Ehefrauen von Soldaten, Marineangehörigen und Luftwaffenpersonal gemeinsam mit der Polizeiführung teilnahmen. Es wurde ein Streik zur Forderung einer neuen Lohnskala und eines neuen Lohngesetzes durchgeführt, für Arbeitsrechte, soziale und demokratische Rechte. Weiterhin forderte die Plattform, „im Land Frieden durch soziale Gerechtigkeit zu schaffen, durch Verteidigung des Lebens der Polizisten, Militärs und aller Peruaner*innen, um so zu verhindern, daß Gewalt gegen Gewalt gestellt wird und unsere Väter, Ehemänner und Söhne, Polizisten und Militärs als Kanonenfutter mißbraucht werden.“ Sie forderten auch eine Audienz bei Präsident Fujimori. Der Streik wurde durch Flugblätter organisiert, die von Haus zu Haus verteilt wurden. Die Repression ließ nicht auf sich warten und 700 Frauen und Kinder flüchteten in die Kirche Santo Domingo. Die untergebenen Polizisten wurden verpflichtet, die Kirche zu umstellen, während die Offiziere gegen die Frauen und Kinder vorgingen. Señora María Arista, die Ehefrau eines Polizisten, erinnert sich: „Die Offiziere mißhandelten die Frauen und ihre Kinder auf dem Hochaltar. Das werden wir nie vergessen.“ Das Marinepersonal organisierte Blitzveranstaltungen zur Unterstützung ihrer Ehefrauen und mehr als ein Schiff trug Spruchbänder mit der Aufschrift: „Es lebe der Streik! Nieder mit dem Rassismus!“ Dieser 5. März wird als das Geburtsdatum der „Zivilen Front der Polizei und des Militärs“ bezeichnet. Die als sogenannte „Wirbelsäule des Staates“ bezeichneten Polizei- und Militärinstitutionen stecken in einer generellen Krise. Weit davon entfernt, eine Einheit zu bilden, spiegelt sich die ungleiche Klassenschichtung der peruanischen Gesellschaft mit ihrem Rassismus in diesen Institutionen wieder. Die unteren Dienstgrade verdienen monatlich weniger als 70 Dollar, müssen aber Nahrung, Uniformen und sogar die Waffen und Kugeln selber bezahlen. Die Generäle erhalten einen Lohn in Höhe von 340 Dollar, außerdem aber noch monatlich 200 Gallonen Benzin, zwei Gehälter für Verwalter und zwei Chauffeure. „Ich habe schreckliche Erfahrungen gemacht,“ sagt Hilda Pérez, deren Familie der Polizei Generationen hindurch angehört hat. „Ich bin Witwe geworden und erhalte 62 Soles (46 Dollar) Pension für die 17 Jahre Dienstzeit meines Ehemannes. Ich habe vier Kinder und bin in der größten Misere.“
Streik wird immer wahrscheinlicher
Eine der Hauptforderungen der Front ist, Mechanismen zur Beendigung der Korruption zu entwickeln. Die schlechte Führung des Wohlstandsfonds ist ständiger Kritikpunkt des Personals, das fordert, an seiner Verwaltung beteiligt zu werden, damit eine Überwachung möglich wird. Eine weitere Forderung der „Zivilen Front“ ist der Kampf gegen den Rassismus. Señora Lidia Wong, deren Ehemann von der Marine in den Ruhestand getreten ist, erklärt, daß ein Jugendlicher keine Chance habe, in die Offiziersschule dieser Truppengattung aufgenommen zu werden, wenn er nicht die geforderten wirtschaftlichen Ressourcen und einen „noblen“ Namen nachweisen kann. Die „Zivile Front“ will auf diesem eingeschlagenen Weg weiterkämpfen und ihre Mitgliederzahlen erhöhen. Ihre Mitglieder wissen, daß es in Europa Polizeigewerkschaften gibt und auch, daß ihr eigenes Beispiel dem Kampf um Demokratisierung dieser Institutionen in Brasilien, Venezuela und Argentinien ein Vorbild gegeben hat. „Es ist notwendig, die Rolle zu ändern, die Polizei und Militärs traditionell in Lateinamerika spielen,“ meint Pedraza. Und Señora Acosta fügt hinzu: „Es sieht so aus, als würde die jetzige Regierung auch mit einem Streik konfrontiert werden. Die Unzufriedenheit wird immer größer.“
HAITI
Angriff auf demokratische Hochschulstrukturen
(Port-au-Prince, Dezember 1992, HIB-POONAL). Die Regierung Haitis hat unter dem Vorwand einer angeblichen „Anarchie“ an der Université d'Etat d'Haiti entschieden, den gewählten Direktionsrat dreier Fakultäten abzusetzen. Dies ist ein Angriff auf die demokratische Bewegung an den Hochschulen. Die Absetzung des Rates löste eine Mobilisierung unter den Student*innen und Gewalttätigkeiten durch den Staat aus. Von allen Seiten – Professor*innen, Student*innen, Volksorganisationen, politische Parteien, Parlamentarier*innen, Menschenrechts- und auch eine Reihe internationaler Organisationen – wurden die Vorfälle verurteilt. „De-facto-Premierminister Marc L. Bazin versucht alles niederzumachen, was die demokratische Konsolidierung beschleunigen könnte,“ sagte der Abgeordnete Samuel Madistin, ein Mitglied des Bildungskomitees und des Menschenrechtskomitees der Abgeordnetenkammer. Die politische Partei KONAKOM verurteilte in einer Stellungnahme die Gewalt und verlangte, die „Praktiken der Willkür“ zu beenden. „Es ist ein Angriff gegen die Demokratie innerhalb der Universität,“ so der Geschichtsprofessor Roger Gaillard. Da die Rückkehr des demokratisch gewählten Präsidenten Aristide immer wahrscheinlicher wird, steht die de-facto Regierung Haitis mit dem Rücken an der Wand. In diesem Zusammmenhang müssen auch die Aktionen gegen die demokratischen Organisationen der Universität gesehen werden, die als pure Provokation zu werten sind Die Universität ist aus zwei Gründen strategisch wichtig: Erstens ist es ein aktives Zentrum des Widerstandes und der Kritik, in dem demokratische Freiheiten existieren; dieses Zentrum will die Regierung neutralisieren. Die Universitäten könnten andere gesellschaftliche Gruppen, die für die gleichen Ideale kämpfen, beeinflussen. Die Regierung fürchtet, daß sich eine umfassende Bewegung entwickelt, die nicht mehr zu kontrollieren wäre. Zum zweiten ist die Universität als Experimentierfeld für die Bildung der ideologischen, moralischen und intellektuellen Entwicklung der zukünftigen Generationen Haitis von Bedeutung. In diesem Bereich ist es für die Regierung entscheidend, die Kontrolle wiederzugewinnen, die die Duvaliers einmal hatten.
Kreolische Zeitung wieder zugelassen
(Port-au-Prince, 6. Dezember 1992, HIB-POONAL).- Die einzige Wochenzeitung Haitis, die in kreolisch herausgegeben wird, erschien am 25. November zum ersten Mal seit dem Putsch im vergangenen Jahr wieder. Die Zeitung wurde von der Armee am 30. September 1991 geschlossen, nachdem 43 Ausgaben erschienen waren. Vier Mitarbeiter*innen wurden zur Flucht gezwungen. Das Militär schloß auch viele Radiostationen kreolischer Sprache mit dem Ziel, die demokratischen Volksbewegungen zu zerstören. Trotz der andauernden Repression entschieden sich die Journalist*innen dafür, aktiv an der Widerstandsbewegung teilzunehmen und damit ihre Sicherheit zu riskieren. Die haitianische Bevölkerung spricht kreolisch; nur zehn Prozent sprechen Französisch. Die haitianischen Zeitungen erscheinen jedoch vorwiegend auf französisch. Über 2000 Exemplare der Zeitung wurden gedruckt und in der Hauptstadt verteilt. In einer Straße eines armen Viertels wurden 310 Exemplare in weniger als einer Stunde verkauft.
Mitglieder einer Oppositionspartei entführt und ermordet
(Port-au-Prince, 6. Dezember 1992, HIB-POONAL).- Drei Mitglieder der politischen Oppositionspartei KONAKOM wurden entführt und zwei Tage später tot aufgefunden. Der vierzigjährige Jacques Derenencourt wurde am 2. Dezember von bewaffneten Männern angegriffen, als er vor einer Schule auf seinen Sohn wartete. Er wurde gezwungen, mit ihnen wegzufahren. Am nächsten Tag wurde er tot in seinem Auto in Mon a Kabrit aufgefunden, einer verlassenen Gegend in der Nähe der Hauptstadt, die als Ort bekannt ist, an dem Opfer der Repression wieder aufgefunden werden. Derenencourt war der Kopf der Agentur „Agence de Developement Communautaire Integree“, die mit Landorganisationen arbeitet. Zwei weitere Mitglieder KONAKOMs, der 29jährige Justin Bresil und der zwanzigjährige Wesner Luc wurden am 22. November aus Carrefour entführt. Die Leiche Lucs wurde zwei Tage später in einem Zuckerrohrfeld nördlich der Hauptstadt aufgefunden . Bresil gilt noch als vermißt. KONAKOM, der Nationale Kongreß Demokratischer Bewegungen, ist Mitglied der Sozialistischen Internationalen. Er entstand 1987 auf einem nationalen Kongreß und ist eine der Parteien, die die Nationale Front für Änderung und Demokratie (FNCD) bilden. Diese Koalition unterstützte den gewählten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide.
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