Poonal Nr. 719

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 30. Mai 2006

Inhalt


MEXIKO

GUATEMALA

VENEZUELA/KOLUMBIEN

PARAGUAY

BRASILIEN

PERU

ARGENTINIEN

CHILE

CHILE-PERU

LATEINAMERIKA-USA


MEXIKO

Regierung Fox: Menschenrechtsagenda nicht umgesetzt

(Fortaleza, 23. Mai 2006, adital).- ZentraleBestandteile der „ehrgeizigen“ Menschenrechtsagenda, die Präsident Fox zu Beginn seiner sechsjährigen Amtszeit vorgelegt hatte, sind nicht umgesetzt worden. Zu diesem Schluss kommt ein Monat vor den Präsidentschaftswahlen eine Untersuchung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. In dem Bericht mit dem Titel „Der unvollendete Wechsel: Fortschritte und Fehler der Regierung Fox auf dem Gebiet der Menschenrechte“ werden die Erfolge und Misserfolge der Menschenrechtspolitik des mexikanischen Präsidenten analysiert. Der Bericht beinhaltet außerdem ausführliche Empfehlungen an den neuen Präsidenten, der am kommenden 2. Juli gewählt wird: Vorschläge zur Konsolidierung der bereits erreichten Ziele und gleichzeitig zur Vermeidung der Fehler des Vorgängers.

Vicente Fox war im Jahr 2000 mit dem Versprechen gewählt worden, das alte politische System, das sich jahrzehntelang in Vertuschung geübt hatte, von Grund auf zu reformieren. Das vorherige Regime war vor allem geprägt durch regelmäßige Verletzung von Gesetzen und Grundrechten und die anschließende Deckung dieser Verbrechen durch die Verweigerung des Zugangs zu grundlegenden Informationen und der Verhinderung einer internationalen Beobachtung der Vorgänge im Land.

Mit den Wahlen im Jahr 2000 schloss sich in Mexiko das Kapitel der Einparteienherrschaft der Partei der Institutionellen Revolution (PRI). Der Übergang zur Demokratie brachte jedoch neue Herausforderungen mit sich: vor allem die Beendigung der systematischen Verletzung von Menschenrechten und deren Vertuschung. Der Präsident brachte zwei wichtige Initiativen ein, die diesen historischen Missstand beheben sollten. Die erste war die Einsetzung eines Sonderstaatsanwalts, der die schlimmsten Verbrechen früherer Regierungen untersuchen sollte. Zentrale Themen waren die Massaker an Studenten 1968 und 1971 sowie das Verschwindenlassen von mehreren hundert Menschen während des „schmutzigen Krieges“ gegen Oppositionelle in den Siebzigern und Achtzigern.

Die Ergebnisse dieser historischen Initiative sind bislang jedoch enttäuschend gewesen. Eine der wichtigsten Ursachen hierfür liegt darin, dass die Regierung die neu geschaffene Behörde politisch, technisch und finanziell nicht in dem Maße unterstützte, wie es notwendig gewesen wäre, um gegen die Widerstände aus Armee und weiteren in Menschenrechtverletzungen verwickelten Behörden anzugehen. Dem Sonderstaatsanwalt gelang es zwar, einige ehemalige Beamte zu verhaften und vor Gericht zu stellen. Doch seine Bemühungen haben bisher nicht zu einer Verurteilung oder zur Aufklärung des Großteils der Fälle geführt, mit denen sein Büro beschäftigt ist.

Die zweite wichtige Initiative von Präsident Fox war der Kampf gegen die Polizeibrutalität und anderen systematischen Machtmissbrauch im Namen der öffentlichen Sicherheit. Als Teil einer größeren Justizreform hatte die Regierung mehrere Maßnahmen vorgeschlagen, um die zwei häufigsten Fälle von Menschenrechtsverletzungen zu bekämpfen: der Einsatz von Folter bei der Erpressung von Geständnissen und der Missbrauch der Präventivhaft. Beide Problembereiche führten u.a. dazu, dass Unschuldige monatelang wie verurteilte Verbrecher behandelt wurden. Diese dringend notwendigen Maßnahmen werden jedoch seit bereits zwei Jahren im Kongress blockiert.

Der Regierung Fox ist es nicht gelungen, die politische Klasse und die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Achtung der Menschenrechte die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet, lautet das Fazit von Human Rights Watch. „Das Fehlen von Fortschritten im Justizbereich ist insbesondere deswegen so frustrierend, weil die Bedingungen für einen echten Wandel in Mexiko tatsächlich gegeben waren“, meinte José Miguel Vivanco, der Leiter der Amerika-Abteilung der Organisation. „Präsident Fox hatte ein eindeutiges Mandat zu einem Wandel und klare Vorstellungen davon, wie dieser umzusetzen sei. Es hat letztendlich jedoch an der Durchsetzungskraft gefehlt.“

GUATEMALA

Basisradios: Menschenrechtskommission legt Vorschlag vor

(Guatemala-Stadt, 25. Mai 2006, púlsar-cerigua).-Die guatemaltekischen Behörden haben drei Basisradios im Bezirk Sacatepequez geschlossen. Dies stellt eine neue Verletzung der Friedensabkommen dar. Die ersten Radiosender dieser Art in Guatemala entstanden nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens im Jahr 1996. Die Sender verfügen jedoch auch nach zahlreichen Verhandlungen mit der Regierung und mit Unternehmern nicht über eine legale Frequenz, da politischen und wirtschaftlichen Interessen Priorität verliehen wird.

Frank La Rué von der Präsidialen Menschenrechtskommission COPREDEH (Comisionado Presidencial de los Derechos Humanos), der seit 21. Mai den Runden Tisch zum Thema Basisradios leitet, brachte nun den Vorschlag hervor, die Radios unter die Kontrolle der Gemeinderäte für Entwicklung (Consejos Municipales de Desarrollo, Comudes) zu stellen, da sie einzig und allein Angelegenheit des Gemeindebezirks seien.

Das Basisradionetzwerk RCC (Red de Comunicación Comunitaria), in der Hunderte freie Radiosender vereint sind, hält den Vorschlag für zweifelhaft. RCC-Sprecher William Mazariegos sagte, dass ein Vorschlag verschiedene Reformen des Telekommunikationsgesetzes einbeziehen müsse. Die Basisradios müssten eine rechtliche Grundlage bekommen, genauso wie dies bereits für kommerzielle, kulturelle und Bildungssender oder Hobbyfunker der Fall ist. Außerdem gebe es „nicht in allen Bezirken solche Gemeinderäte, und dort wo sie bestehen, werden sie von Bürgermeistern geleitet, die solche Medien politisieren würden“.

Óscar Chichilla, Vertreter der nationalen Aufsichtsbehörde für Telekommunikation SIT (Superintendencia de Telecomunicaciones) gab bekannt, dass keine weiteren überregionalen Frequenzen vergeben werden könnten. Aus einer Studie dieser Instanz vom vergangenen Jahr gehe hervor, dass nur 18 freie Sendefrequenzen im UKW-Bereich für die Departements und elf freie Frequenzen für den Gemeindebereich vergeben werden könnten. Es gebe keine verfügbare Frequenz für den Mittelwellenbereich.

Das Problem
der Basisradios wurde bereits vor die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH) gebracht. Diese riet Guatemala zur Überarbeitung der Gesetze, so dass der gerechte Zugang zu den Radio- und Fernsehfrequenzen garantiert werden kann. Die Freien Radios sowie Vereinigung, die diese unterstützen, berufen sich auf den Abschnitt “H” des Abkommens über Identität und Rechte der indigenen Völker. Dieser besagt, dass “die Regierung den Gemeinden und Institutionen der Mayas und anderen indigenen Völkern den Medienzugang ermöglichen muss“.

VENEZUELA/KOLUMBIEN

Uribe der Verantwortung für Morde in Venezuela beschuldigt

(Buenos Aires, 24. Mai 2006, púlsar).- Dievenezolanische Abgeordnete Iris Varela wird beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag Klage gegen die kolumbianische Regierung einreichen. Sie beschuldigt die Regierung, verantwortlich für die Ermordung von mehr als 100 venezolanischen Bauern und Bauernführern durch Paramilitärs zu sein. Varela gab an, dass es in Venezuela 590 demobilisierte kolumbianische Paramilitärs gebe, die vor allem in den Grenzstaat Táchira eingereist seien, also dorthin, wo die genannten Morde stattgefunden haben.

Die Abgeordnete und verschiedene Menschenrechtsgruppen machen den kolumbianischen Präsidenten Álvaro Uribe für die Morde verantwortlich. Varela rechtfertigte die Klage damit, dass „mehr als 100 Menschen aus Táchira von Paramilitärs umgebracht worden sind“ und fügte hinzu, dass „kolumbianische Organisationen Uribe wegen Menschenrechtsverletzungen verklagen werden, weil sie ihn beschuldigen, verantwortlich für mehr als 3000 Tote zu sein und die Paramilitärs durch das `Gesetz für Gerechtigkeit und Frieden` im Mantel der Straffreiheit zu schützen“.

PARAGUAY

Staatlicher Schutz für Indígenas ist Pflicht

(Fortaleza, 25. Mai 2006, adital).- DerInteramerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (CIDH) hat den Staat Paraguay wegen Rechtsverletzungen gegenüber den Enxet-Indígenas verurteilt. Verletzt wurden nach Ansicht des Gerichts das Recht auf Eigentum und auf die Garantien des Rechtsstaats, das Recht auf Leben sowie das Recht auf Begründung einer juristischen Person. Die Enxet-Gemeinschaft Sawhoyamaxa ist am Kilometer 370 auf der Strecke zwischen den Ortschaften Pozo Colorado und Concepción im Bezirk Presidente Hayes angesiedelt. Für die Enxet-Indígenas bedeutet die Entscheidung des Gerichts ein Sieg über die paraguayische Regierung.

Die höchste richterliche Instanz für Menschenrechte ordnete eine Rückübertragung von geforderten 14.404 Hektar Land an die Gemeinde Sawhoyamaxa innerhalb von nicht mehr als drei Jahren an. Die Ländereien bilden derzeit die Landgüter Santa Elisa und Michî und werden als Eigentum des deutschen Viehzüchters Heriber Roedel geführt. Roedel besitzt insgesamt mehr als sechzigtausend Hektar Land.

Dies ist das zweite Mal, dass Rechtsverletzungen gegen Enxet-Indígenas vor dem Interamerikanischen Gerichtshof geahndet werden. Der erste Urteilsspruch gegen Paraguay fiel letztes Jahr im Fall Yakye Axa. Mitglieder der Gemeinde Sawhoyamaxa hatten ihre Klage mit Unterstützung von Anwälten der NGO Tierraviva vor der Kommission des CIDH zu Gehör gebracht.

Der Menschengerichtshofs erteilte dem Staat Paraguay außerdem die Auflage, eine Million Dollar für einen Entwicklungsfond bereitzustellen. Damit sollen Ausbildungs-, Wohn- und Gesundheitsprojekte sowie landwirtschaftliche Initiativen gefördert werden. Außerdem soll das Geld für die Trinkwasserversorgung und den Ausbau eines Gesundheitssystems verwendet werden. Im Hinblick auf die aktuelle Lebenssituation der Gemeinde Sawhoyamaxa sprach das Gericht den Menschen das Recht auf staatliche Hilfe zum Lebensunterhalt zu, bis sich die Ländereien wieder im Besitz der Gemeinde befinden.

Außerdem müssten unverzüglich Maßnahmen für eine dauerhafte humanitäre Unterstützung der Gemeinde ergriffen werden: eine ausreichende Trinkwasserversorgung für Verzehr und Körperhygiene, Gesundheitsversorgung insbesondere für Frauen, Kinder und alte Menschen sowie – unter Berücksichtigung der Gewohnheiten und kulturellen Gebräuche der Menschen – regelmäßige Impfungen und Maßnahmen zur Parasitenbekämpfung.

Der Staat müsse außerdem die Versorgung mit Lebensmitteln in ausreichender Menge und Qualität übernehmen sowie für die Errichtung von Toiletten und akzeptablen sanitären Einrichtungen im Siedlungsgebiet der Gemeinde sorgen. Die Schule in der Siedlung „Santa Elisa“ sei mit ausreichenden Materialien und Lehrpersonal zu bestücken. Für die Kinder des „Kilometer 16“ sei eine provisorische Schule einzurichten.

Einer der Kernpunkte des CIDH-Urteilsspruchs bezieht sich auf den Tod von 18 Kindern der Enxet-Gemeinde Sawhoyamaxa. Das Gericht geht davon aus, dass der Staat Paraguay für den Tod der Kinder verantwortlich ist. Innerhalb eines Jahres müssen daher Entschädigungszahlungen für den immateriellen Schaden sowie entstandene Kosten geleistet werden.

BRASILIEN

Aufstände in São Paulo: Todeskommandos und Polizei verdächtigt

(Buenos Aires, 24. Mai 2006, púlsar).-Menschenrechtsgruppen zufolge waren von den 109 Personen, die nach den Anschlägen der vorletzten Woche von der Polizei getötet wurden, vermutlich mindestens 30 Personen unschuldig. Es besteht außerdem der Verdacht, dass Killerkommandos wieder aktiv sind und sich neue Todesschwadrone bilden.

Nach den Anschlägen der Mafiaorganisation „Erstes Hauptstadtkommando PCC (Primeiro Comando da Capital) wurden 109 Personen von der Polizei von São Paulo erschossen. Laut Polizeiangaben seien diese Personen während der Auseinadersetzungen mit den Kriminellen ums Leben gekommen. Allerdings wurde in einer Untersuchung der Polizei selbst deutlich, dass in zwölf der Fälle die Polizei offiziell gar nicht beteiligt sein gewesen konnte. Auch die Staatsanwaltschaft schreibt die Morde Killerkommandos wie der parapolizeilichen Organisation Scuderie Le Coq zu.

Die Staatsanwaltschaft setzte der Polizei eine Frist von 72 Stunden, um die Liste mit den Namen der 109 Toten einzureichen. Der Gouverneur von São Paulo Claudio Lembo hatte zuvor ausgesagt, er werde die Namen nicht veröffentlichen, um die Intimität der Opfer zu waren. Laut Ariel Castro, Mitglied der Menschenrechtsorganisation „Movimento Nacional de Direitos Humanos”, errege die Tatsache, dass bisher keine Liste mit den Namen vorgelegt wurde, Misstrauen, da es einige seltsame Fälle gebe. Paulo Sérgio Sampaio von der Christlichen Menschenrechtsbewegung (Movimento Cristão de Direitos Humanos) betonte, dass das Ministerium für Sicherheit die Kontrolle über die Situation verloren habe. Dies habe den Raum geschaffen für das Wiederauftauchen der Mini-Todeskommandos.

PERU

Referendum über Freihandelsabkommen gefordert

(Buenos Aires, 25. Mai 2006, púlsar).- TausendeMenschen protestierten gegen das von der Regierung Mitte April unterzeichnete Freihandelsabkommen TLC (Tratado de Libre Comercio) mit den USA. Die Demonstranten forderten ein Referendum, das über die Zukunft des Handelsabkommens entscheiden soll. Indígenas, Bauernverbände, Studenten und Vertreter sozialer Organisationen verlangten von d
en Abgeordneten, den Vertrag, der am 8. Juni im Parlament vorgestellt wird, nicht zu ratifizieren.

Soziale Organisationen, die sich in der Landesweiten Koordination gegen das Freihandelsabkommens zusammengeschlossen haben, wiederholten, dass das TLC „gegen die Interessen eines großen Teils der Bauern verstoße, die zudem nicht in der Lage sind mit den US-amerikanischen subventionierten Produkten zu konkurrieren“. Des Weiteren kündigte der Präsident des Landesweiten Bauernverbandes (Confederación Nacional Agraria de Perú) Antolín Huascar eine Radikalisierung der Proteste an, falls das Freihandelsabkommen im Kongress Fortschritte mache. „Wir werden in der Hauptstadt und in den Provinzen die Strassen sperren, wenn das Freihandelsabkommen im Kongress weiter verhandelt wird. Die Chancen auf einen Dialog nehmen ab und die Parlamentarier drohen uns mit der Verabschiedung des TLC,“ fügte Huascar hinzu.

ARGENTINIEN

Folterer darf Amt als Abgeordneter nicht annehmen

(Montevideo, 24. Mai 2006, ecupress-púlsar).- Dieargentinische Abgeordnetenkammer hat sich gegen die Aufnahme des gewählten Parlamentariers Luis Abelardo Patti ausgesprochen. Dem Politiker werden Menschrechtsverletzungen während der Militärdiktatur vorgeworfen. Patti wurde von der Partei Partido Unidad Federalista (Paufe) aufgestellt und bei den Wahlen im Oktober 2005 gewählt.

Die Debatte im Parlament dauerte mehr als acht Stunden. Die Folter-Vergehen Pattis und die Rolle einiger Abgeordneter als Funktionäre im Militärregime wurden genau beleuchtet. Es gab Stimmen für und gegen den Abgeordneten. Unterstützt wurde die Amts-Verweigerung von den Müttern, Großmüttern und Kindern der Plaza de Mayo und anderen Menschenrechtsorganisationen. Die 164 Stimmen gegen Pattis Einzug in die Kammer übertrafen bei weitem die nötigen zwei Drittel. Für Pattis Zulassung zum Amt stimmten 62 Abgeordnete.

Die Debatte habe einen Konflikt aufgeworden „zwischen dem Respekt vor der Entscheidung der Wähler und der Unterwerfung unter universell gültige Normen, die auf Grund der 1994 reformierten Nationalen Verfassung anzuwenden sind“, brachte es Mario Wainfeld in der Tageszeitung Pagina 12 auf den Punkt. Der Haupteinwand von Pattis Verteidigern war der Respekt vor der Souveränität des Wählers. Wainfeld erklärt allerdings, dass es für dieses Prinzip in der Nationalen Verfassung von 1994 Ausnahmen gibt, „vorausgesetzt man akzeptiert, dass die Mehrheitsregelung angesichts der Verletzung von Menschenrechten an Gültigkeit verliert.“ In der Verfassung von 1994 sind internationale Konventionen verankert, in denen der „Zugang von Folterern, Mördern oder am Verschwinden von Personen Beteiligten zu öffentlichen Ämtern strikten Regeln unterworfen ist“. Um diese Maßnahmen anzuwenden muss die Person nicht unbedingt gerichtlich verurteilt worden sein, schon der „hinreichende Verdacht“ ermöglicht das Ergreifen von Maßnahmen.

Die internationale Konvention zur Verschleppung von Personen, zu der sich Argentinien bekannt hat, habe Verfassungsrang, betont Patti. Die Verfassung schreibe vor, dass Personen, die Menschenrechte verletzt haben, der Zugang zu Ämter versagt werden soll, die ihnen nachträgliche Straffreiheit ermöglichen. Zu diesen Ämtern gehöre auch das des Abgeordneten im Land.

Die von den Abgeordneten getroffene Entscheidung muss als historisch betrachtet werden. Der um sie entbrannte Streit kann diese Betrachtung nicht entkräften. Die harte Vergangenheit und die Straffreiheit, die der unzureichende Justizapparat bis heute ermöglicht, haben den rauen Ton in der Debatte vorhersehbar gemacht. Die endgültige Entscheidung über den Fall wird im Senat gefällt werden.

CHILE

Mapuche-Gefangene im Krankenhaus

(Buenos Aires, 24. Mai 2006, púlsar).- Aufgrundvon Sprechstörungen und Gedächtnisverlust wurden die vier hungerstreikenden Mapuche-Gefangenen in ein Krankenhaus in Temuco verlegt. Nach zwischenzeitlichem Abbruch hatten die Häftlinge, den Hungerstreik für ihre Freilassung am Wochenende wieder aufgenommen. Der gesundheitliche Zustand der Streikenden ist nach mehr als 60 Tage kritisch.

Die vier waren 2005 zu einer zehnjährigen Haftstrafe und zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von rund 650.000 Euro verurteilt worden. Sie wurden im Rahmen eines für zahlreiche Unregelmäßigkeiten bekannt gewordenen Prozesses wegen „terroristischer Brandstiftung“ angeklagt. „Wir werden kriminalisiert und das ist falsch, weil wir die Opfer der Gewalt gewesen sind“, erklärte Cristina Painamal von der Organisation Angehörige und Freunde der politisch gefangenen Mapuches PPM (Familiares y Amigos de los Presos Políticos Mapuches).

Angehörige und Vertreter von Solidaritätsgruppen planen keine neuen Protestaktionen. Sie wollen die Abstimmung einer Parlamentsinitiative abwarten, über die im Juni verhandelt wird. Diese Initiative würde die Exekutive ermächtigen die Freiheitsstrafen auf Bewährung auszusetzen. Die größte Sorge betrifft zur Zeit den Gesundheitszustand von Patricia Troncoso, der einzigen Frau der Gruppe. Ihr Zustand ist sehr kritisch.

CHILE-PERU

Chilenische Justiz lässt Fujimori gegen Kaution provisorisch frei

(Buenos Aires, 18. Mai 2006, púlsar).- Derperuanische Ex-Präsident Alberto Fujimori wurde vom obersten chilenischen Gerichtshof vorläufig freigelassen. Fujimori befand sich seit November 2005 aufgrund eines peruanischen Auslieferungsgesuchs in Haft, wo er wegen zahlreicher Delikte angeklagt ist. Enrique Cury, Präsident des Zweiten Strafgerichtshofs, wies jedoch darauf hin, dass der peruanische Ex-Präsident unter Hausarrest stehen werde und folglich Chile nicht verlassen könne, bis die Justiz über den Auslieferungsantrag entschieden habe.

Die Entscheidung, Fujimori gegen Kaution freizulassen, wurde am 17. Mai 2006 mit vier zu einer Stimme genehmigt, nachdem der Antrag der Verteidigung zuvor mehrmals zurückgewiesen worden war. Fujimori ist in Peru wegen Menschenrechtsverletzungen und Korruption angeklagt.

LATEINAMERIKA-USA

Humanitäre Hilfe für Migranten wird eingestellt

(Guatemala-Stadt, 22. Mai 2006, cerigua).- DieOrganisation No More Deaths aus dem US-amerikanischen Bundesstaat Arizona hat ihre Hilfsaktionen für illegale Einwanderer in die USA eingestellt. Die Organisation entschied sich zu diesem Schritt, nachdem zwei ihrer Mitglieder verhaftet und von den US-Behörden angeklagt worden waren. Darüber informierte in Guatemala die Nachrichtenagentur Univisión. Nach Angaben von Univisión ist es freiwilligen Helfern der Vereinigung seit dem 22. Mai untersagt, kranke Einwanderer aus Lateinamerika in Hilfszentren zu bringen, um „nicht gegen das Gesetz zu verstoßen“.

Nach den neuen Vorgaben von No More Deaths werden die Mitglieder nun dazu angehalten, Grenzpatrouillen zu rufen, wenn sie auf schwer erkrankte Personen ohne Ausweispapiere auf ihrem Weg durch die Wüste von Arizona treffen. Bislang wurden die Migranten in solchen Fällen an einen Ort mit medizinischer Betreuung gebracht. Die jetzige Entscheidung geht auf die von US-Präsident George W. Bush befürworteten Anti-Migrations-Gesetze zurück. Diese schließen eine Militarisierung der Grenze ein. Das wird nach Einschätzung von Experten zu einem Anstieg der Todesfälle in dieser Region führen, da viel
e illegale Einwanderer beim Durchqueren der Wüste der Gefahr des Verdurstens und anderen Leiden ausgesetzt sind.

Die Rechtsberaterin der Vereinigung Margo Cowan bestätigte diese Befürchtung. Sie sagte, dass es den freiwilligen Helfern von No More Deaths nicht erlaubt sei, Kranke zu transportieren, es sei denn es handele sich bei den Helfern um Ärzte oder Krankenschwestern. No More Deaths hatte in der Vergangenheit die lateinamerikanischen Einwanderer in der Wüste von Arizona, die als Hauptregion für die Einreise in die USA gilt, mit Wasser, Lebensmitteln und ärztlicher Hilfe versorgt. Cowan wies darauf hin, dass die Vereinigung weitere Festnahmen in diesem Sommer vermeiden möchte. In dieser Jahreszeit sorgt intensive Hitze dafür, dass das Überqueren der Grenze zu einer noch größeren Gefahr für die Migranten wird. In der Vergangenheit starb durchschnittlich täglich ein Einwanderer im Süden Arizonas. Diese Situation wird sich ohne Hilfe für diese Menschen in diesem Jahr noch verschärfen.

No More Death hatte sich zu dem Schritt entschlossen, nachdem die freiwilligen Helfer Shanti Sellz und Daniel Strauss, beide 24 Jahre alt, verhaftet und vor Gericht angeklagt wurden, gegen das Gesetz der Vereinigten Staaten verstoßen zu haben. Dieses untersagt den Transport von illegalisierten Einwanderern.

Herausgeber: Nachrichtenpool Lateinamerika e.V.
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