Poonal Nr. 037

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 37 vom 30.03.1992

Inhalt


GUATEMALA

EL SALVADOR/GUATEMALA

EL SALVADOR

PANAMA

CHILE

VENEZUELA

KOLUMBIEN


GUATEMALA

Junge Offiziere drohen mit Staatsstreich

(Guatemala, 26. März 1992, Cerigua-POONAL).- Mit einem Staatsstreich hat eine Gruppe junger Offiziere der guatemaltekischen Streitkräfte gedroht, falls von Soldaten verübte Menschenrechtsverletzungen aufgeklärt und bestraft werden sollten. In einem Kommunique kündigen die „Jungen Offizieren der Streitkräfte“ unverblümt an, „wir sind bereit, die Geschichte der Militärstreiche fortzusetzen, falls eine Untersuchungskommission für Menschenrechtsverletzungen einberufen wird“. Die Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen durch eine unabhängige Kommission ist einer der zentralen Punkte, über die die Regierung und die Streitkräfte mit der Aufstandsbewegung „Nationale Revolutionäre Einheit Guatemalas“ (URNG) verhandeln. Eine Untersuchung der Verbrechen hat die URNG wiederholt als eine Voraussetzung für die Beendigung des seit über dreißig Jahren währenden Bürgerkriegs bezeichnet.

Seit 1954, als putschende Generäle mit US-amerikanischer Unterstützung den gewählten, refomorientierten Präsidenten Jakobo Arbenz stürzten, hat das Militär die Macht in Guatemala fest in den Händen. Auch nach der Übergabe der Macht an eine zivile, gewählte Regierung im Jahr 1985 verstanden es die Streitkräfte, eine strafrechtliche Verfolgung für Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Folter, außergerichtliche Exekutionen, Verschleppungen und Morde durch Todesschwadronen zählen in Guatemala heute wieder zum Alltag, die Aufklärungsrate tendiert gegen Null. Doch der internationale Druck auf Guatemala wächst. Insbesondere die Weigerung der Regierung, auf die Forderung der Guerilla einzugehen, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und zu bestrafen, haben den Ruf der Regierung nachhaltig lädiert. Als standfestes Bollwerk gegen grundlegende Veränderuungen, die eine Befriedung des Landes ermöglichen würde, traten bislang vor allem die Streitkräfte in Erscheinung. Die Putschdrohung der Offiziere ist nun offensichtlich eine unmißverständliche Mahnung eines Teils der Streitkräfte, an dem bisherigen Kurs festzuhalten.

Militärputsche waren in der Vergangenheit häufig ein Mittel der Streitkräfte, um die von ihnen begangenen Greueltaten vergessen zu machen. Menschenrechte sind in den vergangenen 38 Jahren beständig ignoriert worden. In diesem Zeitraum sind rund einhunderttausend Guatemaltek*innen umgekommen. Deswegen ist es nicht verwunderlich, wenn die Streitkräfte nun versuchen, eine Aufklärung der Massaker, Folterungen etc. zu verhindern. Und sie drohen, die Macht wieder ganz an sich zu reißen. Die Drohung eines Militärputsches durch Offiziere, die sich der Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen widersetzen, werden die Verhandlungen zwischen der Regierung, den Streitkräften sowie der Guerilla über die Beendigung des seit dreißig Jahren währenden Bürgerkriegs gefährden. Andererseits zeigt die offfene Putschdrohung deutlich, warum in den bisherigen fünf Gesprächsrunden noch kein Abkommen über die Einhaltung der Menschenrechte getroffen wurde – weil die Streitkräfte es blockieren. In diesem Sinne müssen die die Erklärungen von Seiten der Regierung, „jetzt“ ein Abkommen schließen zu wollen, neu bewertet werden. Denn die Streitkräfte, so ist zu befürchten, werden alle Mittel einsetzen, um eben dies zu verhindern.

Wohnraumprobleme verstärken Proteste in Guatemala

(Guatemala, 25. März 1992, NG-POONAL).-Polizisten haben am 19. März rund 1500 Familien, die am Rande der Hauptstadt Land besetzt hatten, vertrieben und die notdürftigen Unterkünfte zerstört. Nach Informationen der Besetzer*innen kam ein vier Monate altes Baby während der Räumung um. Bereits wenige Stunden nach der Räumung besetzten die Familien den Ackerstreifen erneut und begannen, ihre Hütten wieder aufzubauen. Rund 300 mit Schlagstöcken, Hunden und Tränengasgranaten bewaffnete Polizisten stürmten am frühen Morgen die provisorischen Hütten aus Wellblech und Karton und verwüsteten sie vollständig. Nur wenige Tage zuvor hatten die Familien friedlich einige Gebiete der Kolonie Villalobos III in der Zone 12 der Hauptstadt besetzt. „Sie haben sich widerrechtlich Privatbesitz angeeignet“, lautete die Begründung im Räumungsbefehl des Richters der Ersten Instanz von Amatitlan, Rigoberto Vargas Morales. Kein Wort verlor der Richter über die Notlage der Familien, die aus Verzweiflung über die Wohnungsnot in der guatmaltekischen Hauptstadt die brachliegende Fläche besetzt hatten. „Mit Traurigkeit und Schmerz sehen wir Armen Guatemalas, welche Antwort der Präsident Jorge Serrano Elias auf unsere Forderungen gibt“, verkündete am folgenden Tag der Nationale Rat der Vertriebenen Guatemalas (CONDEG) in einem Pressekommunique. Er verurteilte die Haltung der Regierung gegenüber, die von der Presse der Rechten als „Eindringlinge“ bezeichnet werden.

Die Familien pochen jedoch weiterhin auf ihr Recht, einen kleinen Streifen Land zu bekommen, auf dem sie eine Hütte errichten können. Von Anfang an hatten sie vorgeschlagen, daß die Familien die Fläche in Ratenzahlung – je nach den finanziellen Möglichkeiten – kaufen wollten. Ins Zentrum der Proteste ist die Nationale Bank für Wohnraum (BANVI) gerückt, die als „uneffizienter Bürokratieapparat“ bezeichnet wird. Vor knapp einigen Monaten waren hohe Funktionäre von BANVI, einschließlich des ehemaligen Generaldirektors, aus ihrem Amt entlassen und einem Gericht unterstellt worden. Ihnen werden Betrug und die Veruntreuung des Eigentums der Bank vorgeworfen. Die Regierung zeigt sich bislang unfähig, die Ursache der Landbesetzungen zu bekämpfen: die dramatische Wohnungsnot in Guatemala-Stadt. Experten schätzen, daß in Guatemala rund eine Millionen Wohnungen fehlen – insgesamt leben in Guatemala 9,5 Millionen Menschen. Jedes Jahr werden 40.000 neue Häuser gebraucht, allein 10.000 in der Hauptstadt. Während die Regierung 1980 noch 5554 Häuser bauen konnte, waren es zehn Jahre später, mit einem größeren Defizit und bei höherer Nzchfrage, nur 4002 neue Häuser. Schätzungen gehen davon aus, daß in den fünf Jahren der Regierungszeit der Christdemokraten (1986- 91) lediglich 15.000 von 50.000 im Nationalen Wohnraumplan vorgesehenen Häusern gebaut wurden. Die Aktivitäten von BANVI begrenzten sich darauf, einige kleine Grundstücke zu übergeben, ohne diese zu finanzieren. Offizielle Zahlen weisen darauf hin, daß nur 15 Prozent der Guatemaltek*innen eine eigene Wohnung besitzen. Und eine Besserung ist kaum in Sicht.

„In Guatemala haben eine Million Menschen kein Dach über dem Kopf, und wenn sie darum bitten, wird ihnen mit dem Knüppel geantwortet“, sagte der Präsident der Menschenrechtskommission des Parlaments, der Geistliche Andres Giron, bitter, während er die Vertreibung aus Villalobos III ansah. Die „Pobladores“, wie die Wohnraumbedürftigen genannt werden, haben sich mit der Räumung indes nicht abgefunden. Die 1500 Familien warteten nur einige Stunden, dann besetzten sie erneut einige angrenzende Gebiete. Weitere Repressalien der Polizei wollen sie nicht tolerieren. „Wenn sie Krieg wollen, werden wir ihnen Krieg bieten“, so der Führer einer anderen Bewegung von Pobladores, die Land in der Nähe des Peripherieringes der Stadt besetzt halten. Andere Gruppen von Pobladores bestätigten ebenfalls ihre Bereitschaft, einem Überfall der Polizei entgegenzutreten und ihr Recht aufrechtzuerhalten, um Wohnraum mit billigen Krediten und zu gerechten Preisen zu erhalten. „Wir wollen nichts Geschenktes, wir wollen bezahlen, aber unseren Möglichkeiten angemessen“. Dies ist die Hoffnung von Tausenden von Guatemaltek*innen, die kein Dach über dem Kopf besitzen; Die Regierung kannte jedoch bislang nur eine Antwort auf dieses elementare Recht: Gewalt.

EL SALVADOR/GUATEMALA

Handel ohne Grenzen

(San Salvador, 24. März 1992, Salpress-POONAL).- Guatemala und El Salvador haben ein Freihandelsabkommen vereinbart. Die Staatspräsidenten Alfredo Cristiani (El Salvador) und Jorge Serano (Guatemala) unterzeichneten am 17. März zum Abschluß eines zweitägigen Besuchs des salvadorianischen Präsidenten in Guatemala das Abkommen. Beide Staaten verpflichten sich, alle Hindernisse im gegenseitigen Handel auszuräumen und ein gemeinsames Infrastrukturprogramm zu entwerfen. Zudem wollen beide Länder bei der Bekämpfung des Drogenhandels zusammenarbeiten. Der Vertrag muß vor Inkrafttreten noch von den Parlamenten der beiden Länder verabschiedet werden.

EL SALVADOR

Radios der FMLN legalisiert

(San Salvador, 23. März 1992, Salpress-POONAL).- Die Rebellensender Radio Farabundo Marti und Radio Venceremos können von April an legal ausstrahlen. Justo Sierra von Radio Farabundo Marti kündigte an, „dieses Radio wird ein offenes Ausdrucks- und Kommunikationsmedium für verschiedene politische Strömungen sein, deren Ziel die Erfüllung der Friedensabkommen ist.“ Radio Farabundo Marti wird von einem am Rande der Hauptstadt gelegenen Vulkan aus senden, sagte der Direktor Ricardo Sivrian. Währenddessen kündigte eine bislang unbekannte rechte Geheimorganisation mit dem Kürzel CCPD an, den „Propagandamedien“ der FMLN mit einem klandestinen Raidosender entgegenzutreten. Joaquín Villalobos, Mitglied der obersten Führung der FMLN, qualifizierte die Erklärung als Gefahr für die Abkommen zur Beendigung des Krieges und warnte vor möglichen Anschlägen gegen die Radiosender der FMLN.

Destabilisierungsplan der Regierung

(San Salvador, 25.März 1992, Salpress-POONAL).- Arturo Pena, Mitglied der Führung der Aufstandsbewegung Frente Farabundo Marti (FMLN), hat die salvadorianische Regierung beschuldigt, das Friedensabkommen gezielt zu unterlaufen. Die Regierung verfolge einen Plan zur Destabilisierung der Situation. Pena warf der Regierung vor, an „kollektiven Morden und Festnahmen von Oppositionsmitgliedern“ beteiligt zu sein und die Lebensmittellieferungen in die Zonen, in denen die Guerrilla Frente Farabundo Marti (FMLN) konzentriert ist, zu blockieren. David Gavidia vom politischen Komitee der FMLN bezeichnete die Militärpatrouillen auf der Strecke zwischen Santa Ana und San Salvador als eine Provokation

Behörden wollten UNO-Beobachter ausweisen

(San Salvador, 25. März 1992, Salpress-POONAL).- Die salvadorianischen Behörden haben versucht, einen Berater der UNO- Beobachterkommission (ONUSAL) auszuweisen. Offiziell verlautete, der UNO-Berater habe kein gültiges Visum besessen. Nach Informationen von ONUSAL befindet sich der Berater bereits seit August 1991 im Land. Die UNO-Organisation versicherte zudem, sie habe volles Vertrauen in die professionelle Kompetenz des Spezialisten. Staatspräsident Cristiani versuchte inzwischen, den Eklat herunter zu spielen. „Es handelt sich um ein Mißverständnis aus Mangel an Dokumenten und wird geregelt.“ Beobachter sehen in der versuchten Ausweisung eine Reaktion der Behörden auf die Kritik der UNO-Beobachter, die die Einhaltung des Friedensabkommens zwischen der Regierung und der Frente Farabundo Marti (FMLN) überwacht.

PANAMA

Ein besetztes Land

Quito, März 1992, Alai-POONAL).- „Wenn auch die Truppen in den Straßen nicht zu sehen sind, ist Panama zur Zeit ein besetztes Land“, sagt der panamaische Historiker Ricaurte Soler. In einem Interview mit der Agentur 'Alai' äußerte er sich zu den Folgen der US-Invasion im Jahr 1989, zu den politischen Machtverhältnissen im Land und zu den Chancen einer Demokratisierung.

Frage: Hat die US-Invasion in Panama Auswirkungen auf die heutige Lage im Land?

Die aktuelle Situation in Panama ist nur vor dem Hintergrund der Invasion zu verstehen. Es gibt keine wissenschaftlichen Daten über die Opfer der Invasion, aber auf der Basis der gesamten verfügbaren Informationen müssen wir von von zwei bis viertausend Toten ausgehen. Das Verhältnis von militärischen und zivilen Toten verdeutlicht folgendes Beispiel: In einem Massengrab fand man 121 Leichen, darunter waren 80 Zivilisten. Das bedeutet, daß doppelt soviele Zivilpersonen starben wie Soldaten. Es gibt zudem noch Massengräber, die nicht geöffnet wurden. Der Invasion ging eine ökonomische Agression der USA voraus. 1988, ein Jahr vor der Invasion, sank das Bruttoinlandsprdukt Panamas um 25 Prozent. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt auf Haiti beispielsweise sank um 4 Prozent, in Peru um 7 Prozent, in Nicaragua, wo Krieg herrschte, um 12 Prozent. Die Invasion machte Plünderungen möglich, die auf rund 800 Millionen US-Dollar geschätzt werden. Und die USA reduzierten die versprochene Hilfe von einer Milliarde Dollar später auf 420 Millionen Dollar. Davon muß ein beträchtlicher Teil für den Schuldendienst verwendet werden. Die Arbeitslosigkeit schnellte nach der Invasion auf 33 Prozent. Heute ist eine leichte Erholung eingetreten, dennoch sind immer noch über 20 Prozent ohne Arbeit. Panama ist zur Zeit ein besetztes Land, auch wenn man keine Truppen sieht. Ein beträchtlicher Teil der panamaischen Bevölkerung hatte Hoffnungen, daß sich die Situation nach dem Sturz von Noriega verändere. Geändert hat sich jedoch wenig. Umfragen zufolge ist die gegenwärtige Regierung sehr unpopulär. Ein Großteil der Bevölkerung hat die Ursprünge dieser Regierung nicht vergessen. Sie nahm ihr Amt in einer nordamerikanischen Militärbasis auf, in Fort Clayton.

Frage: Welcher politischen Kraft trauen sie zu, Veränderungen durchzusetzen?

Panama ist ein Land, das radikale Veränderung benötigt. Der Einzige, der diese realisieren kann, ist Ruben Blades. Er führt die Partei Mama Egoré, was Mutter Erde bedeutet. Blades hat seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen für 1994 angekündigt. Er hat keine politischen Verpflichtungen gegenüber der Oligarchieauch nicht gegenüber den Nordamerikanern. Aber wir wissen, daß es sehr schwer sein wirrd, grundlegende Veränderungen durchzusetzen.

Frage: Halten Sie es für möglich, daß die Christdemokratie aus der Regierung austreten könnte? Wie beurteilen Sie deren Position?

Es gab interne politische Widersprüche, die nicht sehr durchsichtig sind. Die Christdemokratie hat viel Hilfe von der deutschen Christdemokratie erhalten; in anderen Worten, es gibt wirtschaftliche Hilfe von den deutschen Christdemokraten erhalten; das hat wesentlich zu ihren Erfolgen beigetragen. Anfänglich präsentierte die Christdemokratie in Panama ein Programm, das eine Alternative zum Kommunismus und zum Kapitalismus anstrebte. Aber das ist schon Vergangenheit. Heute stellt sie keinerlei Alternative mehr dar.

Frage: Was ist die Basis von Ruben Blades und welche Vorschläge hat er präsentiert?

Bisher hat er noch keine sehr konkreten Vorschläge gemacht. Wir wissen, daß er ein grosser Musiker ist, daß seine Texte von Antiimperialismus und den Ursachen der Armut handeln. Aber ich weiß nicht, wie weit sein Antiimperialismus reicht. Den Rückhalt hat er in den Volksbewegungen. Die letzten Umfragen räumen ihm Vorteile gegenüber jedem anderen Kandidaten ein.

Frage: Welchen Einfluß besitzen die Volksbewegungen?

In Panama haben sich die Volkssektoren auf nationaler Ebene traditionell nicht in einheitlicher Form organisiert. Einige Studentenorganisationen haben viel Kraft verloren. Die Regierung hat sie mit dem Vorwurf, Anhänger Noriegas zu sein, sehr geschwächt. Mit derselben Verleumdung wurde die Organisation der öffentlichen Angestellten (FENASEP) mundtot gemacht. Auch anderen Organisationen wurden in gleicher Weise heftige Stöße versetzt. Zudem hat die Regierung gerade rückwirkend ein Gesetz verabschiedet, das ihr erlaubt, öffentliche Angestellte zu entlassen, die im Verdacht stehen, gegen die Regierung zu konspirieren. Dies schädigt den öffentlichen Sektor stark, der sehr wichtig ist. In einem kleinen Staat sind 150.000 öffentliche Angestellte eine sehr bedeutende Kraft. Die indianischen Organisationen fordern Land, aber ihr Gewicht ist sehr begrenzt. Die indígena-Bevölkerung hat einen Anteil von 5 Prozent an der Gesamtbevölkerung (Panama hat 2.400.000 Einwohner*innen). In Panama ist die Bevölkerung nur wenig organisiert. Ich glaube, daß in den kommenden Wahlen die organisierte Bevölkerung nicht ausschlaggebend sein wird, sondern eher die nichtorganisierten Wähler. Und es ist nicht ausgeschlossen, daß diese für Ruben Blades stimmen.

Frage: Welche Themen bestimmen zur Zeit die öffentliche Meinung?

Es wird viel von Verfassungsreformen geredet. Es ist jedoch wichtig – wenn von öffentlicher Meinung gesprochen wird – herauszustellen, daß es nicht eine einzige regierungskritische Tageszeitung in Panama gibt. Die Opposition publiziert in einigen Zeitschriften oder in unregelmäßigen Printmedien, die auftauchen und verschwinden. Es gibt auch nur einen oppositionsnahen Radiosender. Und das nennt sich Pressefreiheit.

CHILE

Staudamm gefährdet Indigena-Volk

(Santiago, März 1992, ANCHI-POONAL).- Der Plan des chilenischen Elektrizitätsunternehmen Pangue, den Fluß Bio Bio aufzustauen und ein Wasserkraftwerk zu errichten, droht verschiedenen Gemeinschaften der Indígena-Ethnie Pehuenches die Lebensgrundlage zu entziehen. Im Zentrum der Auseinandersetzungen steht der Bau eines hydroelektrischen Staudamms für umgerechnet 470 Millionen US-Dollar. Das Projekt würde 500 Hektar des Flußbeckens in Anspruch nehmen und 90 angrenzende Grundstücke. Nach Schätzungen einer ökologische Aktionsgruppe, die sich für den Erhalt des Flußbeckens einsetzt, wird der Staudamm negative ökologische und soziale Auswirkungen von großem Ausmaß haben, die langfristig nicht mehr rückgängig zu machen seien. Rodrigo Valenzuela, der die Kulturen des Hohen Bío Bío studiert und beauftragt wurde, die Auswirkungen des Stausees auf die Ökologie der Region zu untersuchen, kam zu dem Ergebnis, daß das Projekt die Gesellschaft und Kultur der Pehuenches zerstören würde. Die Indígenas ihrerseits bestätigten, daß das Werk „uns verpflichtet, unsere Erde zu verlassen und das natürliche Medium, in dem wir leben, zu zerstören.“ Die Führer*innen der Pehunches-Gemeinden haben sich gemeinsam mit den Mapuche-Organisationen von Temuco und der Spezialkommission der Indígena-Völker dafür ausgesprochen, daß das Projekt sofort suspendiert wird. Zudem weist die Spezialistin Katherine Bragg darauf hin, daß das Flußbecken des Bío-Bío ein unschätzbarer Lebensraum sei, welcher die Existenz eines einzigartigen Ökosystems garantiere.

VENEZUELA

Soziale Konflikte häufen sich (Teil 3)

(Quito, März 1992, Alai-Poonal).- Interview mit Ligia Bolivar, einer Mitarbeiterin des „Venezolanischen Programmes zur Bildung in Menschenrechten“ über die Perspektiven der Opposition. Das Interview wurde zwei Tage vor dem versuchten Militärputsch am 4. Februar geführt. Wir veröffentlichen in dieser Ausgabe den dritten Teil, in den Ausgaben Nr. 35 und 36 von POONAL sind die ersten beiden Teile dokumentiert.

Frage: Welche Auswirkungen hat die Bewegung um Arturo Uslar Pietri und seine Kritik an der Korruption gehabt?

Die Bewegung von Uslar Pietri hat einige Probleme benannt, die wahr sind. Nun, die entscheidende Frage ist, bis zu welchem Punkt ist die Gruppe fähig, die um sie herum zerstreute Protestbewegung zusammenzubringen. Uslar Pietri stammt aus einer der reichsten Familien des Landes. Er zählt nicht zu den „Neureichen“, sondern kommt aus einer Familie, die traditionell viel Geld hat und die sich traditionell herzlich wenig um die Armut gekümmert hat, welche die Bevölkerungsmehrheit erleidet. Deswegen erachte ich es für unwahrscheinlich, daß Uslar Pietri jene Gruppen zusammenführt, mit denen er sich zuvor nie identifiziert hat. Ich glaube, seine Kritik hat einen anderen Beweggrund: Es gibt einige wirtschaftliche Gruppen, die glauben, daß ihre traditionellen Anrechte bei der Verteilung des Kuchens übersehen wurden, sie fühlen sich benachteiligt.

Frage: Wie beurteilst Du die politische Stabilität? Ist die Demokratie gefestigt, werden die Menschenrechte beachtet?

Der Repressionsapparat wurde in Venezuela seit langer Zeit aufgebaut, er trat bislang jedoch wenig in Erscheinuung, da er nicht gebraucht wurde. Als jedoch die wirtschaftliche Krise einsetzte und die Regierung einen harten Sparkurs einleitete, konnte die Regierung die politische Stabilität nur noch durch Repression bewahren. Als die Regierung im Februar 1989 die Suspendierung von sozialen Garantien beschloß, begegnete sie den aufkeimenden Protesten mit einer Härte, die vergleichbar mit der Repression im Cono Sur und in Mittelamerika ist. Menschen wurden gefoltert, insbesondere der militärische Geheimdienst erwies sich als effiktivstes Instrument der Repression. Für die unmittelbare Zukunft sehen wir keinen Raum mehr für Verhandlungen. Die famose Konzertation, von der Präsident Carlos Andres so viel Gebrauch gemacht hat, ist gescheitert und einer Militarisierung gewichen. Verschlimmert wird dies durch die Absicht der Regierung, von dem den wirtschaftspolitischen Kurs nicht abzuweichen. Die Bevölkerung ist müde, es fehlt jeder Respekt gegenüber den Maßnahmender Regierung, da sie die unmittelbaren Interessen der Bevölkerung verletzen. Seit Beginn des Jahres 1992 tritt der militärische Geheimdienst wieder verstärkt in Aktion, protestierende Menschen wurden gezielt und selektiv verhaftet. Und es hat sich gezeigt, daß kaum eine gesellschaftliche Kraft ein wirkungsvolles Gegengewicht gegen das Vorgehen der Regierung darzustellen vermag. Das Parlament könnte ein solches Gegengewicht sein, oder die Gewerkschaftsbewegung, die jedoch sehr an Ansehen verloren hat. Diese Kräfte haben jedoch nicht das notwenige Prestige, um der Regierung Einhalt zu gebieten. Es hat sich aber ein interessantes Phänomen entwickelt. Die Kirche hat eine wichtige Rolle angenommen: Sie benennt die Probleme und nimmt eine unabhängige Position gegenüber der Regierung und den Unternehmern ein. Bislang hat die Kirche die wirtschaftlichen Maßnahmen eindeutig zurückgewiesen und die Korruption angeklagt. Und sie hat die Regierung sehr energisch aufgefordert, sich den Problemen der ärmeren Bevölkerungsschichten zuzuwenden. Die Tatsache, daß die Kirche diese Rolle angenommen hat, ist sehr wichtig: Sie ist derzeit die einzige Institution, die mit Recht diese moralisierende Haltung einnehmen kann, ohne sich zu diskreditieren, wie Uslar Pietri. Nun ist abzuwarten, wie weit die Kirche sich vorwagt. Schließlich genoß sie lange Zeit Privilegien. Es ist nicht abzusehen, ob sie sich von Drohungen und der Beschneidung ihrer traditionellen Vorrechte wird bremsen lassen.

KOLUMBIEN

Zwölf Vorschläge zur Konstruktion einer Friedensstrategie

(Mexiko, März 1992, ANCHI-POONAL).-Ein wichtiger Erfolg der Friedensgespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und der „Guerillakoordination Simon Bolivar“ (CGSB) in Caracas war die Ausarbeitung eines Katalogs von Verhandlungsthemen, die über rein militärische Fragen – zum Beispiel den Abschluß eines Waffenstillstands – hinausgehen und dadurch zur Behebung der nationalen Krise beitragen könnten. In dem Abkommen wird betont, daß alle Gruppierungen, die einen Beitrag zum Frieden leisten wollen, an einem breitangelegten Dialog teilnehmen sollen: Regierung und Guerrilla, Unternehmer*innen und Arbeiter*innen, Politiker*innen und Militärs, Kirchliche und Weltliche, Studenten*innen, Künstler*innen, Intellektuelle, Journalist*innen, Indígenas und Landarbeiter*innen. Es wurden drei Gesprächsrunden vereinbart, in denen ein „Nationaler Dialog“ über die grundlegenden Probleme der kolumbianischen Gesellschaft eingeleitet werden soll. In diesem Rahmen wäre die Einberufung zu regionalen Friedensgesprächen sehr bedeutend, um auch regionale Besonderheiten zu erfassen und ein authentischeres Meinungsbild zu gewinnen. (…) Wir bitten um Aufmerksamkeit für unsere Meinungen bezüglich der in der Agenda von Caracas eingeschlossenen Themen.

Authentische Entwicklung

1. Ersetzung der wirtschaftlichen Öffnung durch eine Politik, die in erster Linie die nationale Industrie und die Landwirtschaft und Viehzucht stimulieren. Die Erlangung von Krediten, der Aufbau der Infrastruktur, Importe moderner Technologie und der Marktzugang für unserer Produkte sollen erleichtert werden. Diese neue Politik, in der Entwicklung und wirtschaftlicher Fortschritt gesellschaftliches Wohlergehen bedeuten, sollte den Respekt gegenüber den Rechten der Arbeiter*innen und Angestellten einschließen, sie sollte auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze abzielen und genossenschaftliche Arbeitsformen und Kleinunternehmen fördern. Unsere Eingliederung in den Weltmarkt kann sich nicht in der Durchführung von IWF-Schocktherapien erschöpfen. Sie muß vielmehr Resultat einer nationalen Reflexion darüber sein, wie die wichtigsten Zweige der nationalen Produktion geschützt werden. Es ist unausweichlich, die Auslandsverschuldung zu verhandeln und den Export von Kapital zu verhindern, das wir für die eigeneEntwicklung benötigen.

Die nationalen Ressourcen verteidigen

2. Die nationalen Ressourcen Kolumbiens sollen nach patriotischen Kriterien ausgebeutet, verwaltet und kommerzialisiert werden, indem wir unsere Position als deren EigentümerIn geltend machen. Die Gewinne aus der Produktion von Erdöl, Kohle, Gold, Silber, Nickel, Kupfer etc. sollen in erster Linie in die Entwicklung der Regionen reinvestiert werden, als Ergebnis eines nationalen Konzertationsplans. Es müssen Verträge mit multinationalen Unternehmen mit dem Ziel verändert werden, daß auslaufende Konzessionen an den kolumbianischen Staat zurückgehen und nicht in Privathände. Wir sollten unsere eigenen Raffinerien und eine Petrochemieindustrie aufbauen, um so der Selbstversorgung näherzukommen. Die nationale Energiekommission soll die Energiepolitik des Landes planen.

3. Die gesellschaftliche Funktion des Staates soll gestärkt werden, indem seine Verwaltungseffizienz garantiert wird. (…) Der Staat soll Gesundheit, Erziehung, Lebensraum, Transport, Kultur, Erholung, ökologisches Gleichgewicht und durch öffentliche Dienstleistungen das Wohlergehen aller garantieren.

4. Die Korruption in der Verwaltung ist einer der prinzipiellen Gewaltfaktoren in unserem Land. Es müssen Kontrollmechanismen der Bevölkerung gestärkt werden; die Strafen für Korruption müssen erhöht und diejenigen vor Gericht gebracht werden, die sich an öffentlichen Geldern bereichern.

Gültigkeit der Menschenrechte

5. Der kolumbianische Staat soll seine militärische Kriegspolitik ändern. Die Anwendung der Doktrin der Nationalen Sicherheit in der Form des Krieges niedriger Intensität hält nach Beendigung des Ost-West-konfliktes an und führt zu Haß und Tragödien in unserem Land. Wir müssen das nationale Leben entmilitarisieren: Der Wiederaufbau des Landes muß von einer einer demokratischen, nationalistischen und patriotischen Doktrin geleitet sein, welche verschiedenen Denkströmungen Raum gewährt. Die Ausgaben müssen reduziert werden, die Geheimdienste aufgelöst, die Nationalpolizei der Kontrolle des Regierungsministerium unterstellt und die Partizipation Kolumbiens in den internationalen Militärpakten eingefroren werden.

6. Die paramilitärischen Verbände müssen abgeschafft werden. Die Verantwortlichen – Geldgeber und Drahtzieher – sollen ebenso bestraft werden wie die Verantwortlichen für die Morde und Massaker. Die öffentlichen Insitutionen müssen von den Mitgliedern gereinigt werden, die in den schmutzigen Krieg verwickelt sind.

7. Die Menschenrechte in Kolumbien sollen wieder Gültigkeit erlangen, sie sollen den Bürger*innen Ehre, Respekt und die Grundbedingungen für ein menschenwürdiges Leben garantieren.

8. Die Straffreiheit soll beendet werden. Das Rechtssystem muß revisiert werden und ihm alle Möglichkeiten zugestanden werden, die eine schnelle, effiziente und unparteiliche Rechtssprechung ermöglichen. Die militärischen Sonderrechte sollen liquidiert werden, denn sie waren der Hauptfaktor für die existierende Straffreiheit.

(Fortsetzung folgt)

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