Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 41 vom 27.04.1992
Inhalt
GUATEMALA
KOLUMBIEN
MEXIKO
MEXICO
GUATEMALA
Einschüchterungskampagne gegen Katholische Kirche und StudentInnen
(Guatemala, 23. April 1992, Cerigua-POONAL).- Zwei Aspekte ragen in der Situation der Gewalt, die in Guatemala herrscht, heraus. Zum einen war die Woche vor Ostern, die „Semana Santa“ von verschiedenen Einschüchterungsaktionen bestimmt; andererseits berichten StudentInnenorganisationen von einer Terrorkampagne. Zu Beginn der Osterwoche forderte das Menschenrechtsbüro des Erzbischofs von der Regierung Maßnahmen, damit Polizei und Militär das Leben und die Freiheit der Guatemaltek*innen schützen. Zur Osterfeier drückten die Gläubigen verschiedener Konfessionen, die gemeinsam die „Friedenstage“ (Jornadas por la Vida y la Paz) begingen, ihre Solidarität mit den Teilen des Volkes aus, die unter dem Machtmißbrauch der Sicherheitskräfte leiden. Tage danach wurden Attentate gegen katholische Gläubige verübt. Militärs schossen auf Kirchenbesucher*innen, die aus einer Kirche in Chimaltenango im Osten des Landes kamen. Unbekannte drohten, mehrere Bomben unter zwei Plattformen explodieren zu lassen, die die Andächtigen am Karfreitag traditionell in Prozessionen durch die Straßen der Hauptstadt tragen.
Priester der Kirche Santa Clara in Guatemala Stadt zeigten am 21. April den Raub verschiedener antiker Gold- und Silbergegenstände an, deren Wert unschätzbar ist. Ebenso wurde das Geld gestohlen, das am Ostersonntag gesammelt worden war. Als Teil der Einschüchterungskampagne gegen die Gläubigen der Hauptstadt bezeichnete der Erzbischof Prospero Penados auch den Brand der Kirche Santa Clara, wenige Tage vor dem Überfall. Desweiteren wurde ein versuchter Brandanschlag im Tempel El Gallito und der Raub von vier religiösen Ölbildern, die 10 Millionen Dollar wert sind, bekannt. Der Erzbischof erklärte, Guatemala lebe in einem Klima der Gewalt, das deutlich mache, daß sich die Politik des Militärs und der Regierung immer weiter von den Bedürfnissen der Mehrheit entfernt. In den „Jornadas por la Vida y la Paz“ fordern die Christ*innen die Beendigung der Repression und der Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Sicherheitskräften. Die religiösen Vereinigungen stimmen darin überein, daß die Menschenrechte völlig respektiert werden müssen, damit Frieden in Guatemala herrschen kann.
Eine andere, fast hundertjährige Tradition in Guatemala sind die Aktionen, die die Student*innen vor der Osterwoche veranstalten – die sogenannte „Huelga de Dolores“. Diese Aktion schließt Kritik an der Regierung, am Heer und an der gegenwärtigen Lage des Landes mit ein. Bei ihrer Vorbereitung wurde ein Student getötet und sieben weitere durch Polizei und Heer verletzt. Die Vereinigung der Universitätsstudent*innen klagte, daß ihre Organisation Ziel von Einschüchterungen durch Bombenexplosionen und Truppenaufmärschen in Gebäuden und auf dem Universitätsgelände gewesen ist. Das jüngste Attentat gegen die Universität geschah in Quetzaltenango, einer Stadt im Osten des Landes, wo ein Gebäude in Brand gesteckt wurde, in dem sich ein öffentliches Büro und ein Institut für experimentelle Erziehung befand. Offizielle Stellen, Student*innen und Universitätsangestellte forderten die Einstellung der Gewaltwelle gegen ihre Organisationen. Diese Aktionen der Feindseligkeit gegen Gläubige und die Katholische Kirche, sowie gegen die Student*innen legen nahe, daß sie Teil einer Terrorkampagne sind. Diese Vorfälle als Kriminalität ohne jegliche Beziehung untereinander zu bezeichnen, ist eine Lüge. Ihre Aufeinanderfolge läßt darauf schließen, daß im voraus geplant wurde, die Kritiker*innen der Regierung und der Sicherheitskräfte Guatemalas zu zermürben.
Flüchtlinge kehren zurück
(Guatemala, 20. April 1992, NG-POONAL).- Bei der letzten Versammlung von Flüchtlingsvertreter*innen und der Regierung Guatemalas verzeichnete der Verhandlungsprozeß einige Fortschritte. Zwei von sechs Punkten, die die Ständige Kommission der Flüchtlinge (CCPP) für notwendig erachtet, um unter sicheren und würdigen Bedingungen nach Guatemala zurückkehren zu können, wurden gebilligt. In einem Interview mit Mitgliedern der CCPP hat Noticias de Guatemala einige Meinungen über die unmittelbar bevorstehende Rückkehr zusammengetragen.
Die Täuschungen und die Risiken
Seit Beginn der Repatriierung unter der Regierung des Präsidenten Vinicio Cerezo sind die aus Mexiko zurückkehrenden Flüchtlinge durch Versprechungen über vermeintliche Vorteile und Aufmerksamkeiten von Seiten dieser Regierung getäuscht worden. Genau wie jetzt wurde ihnen medizinische Versorgung, Lebensmittel, Kredite und Land zur Bewirtschaftung versprochen. Der damalige Abgeordnete Obdulio Chinchilla Vega stellte in diesem Zusammenhang klar: „Die aktuelle Lage der Zurückgekehrten entspricht nicht den Absprachen, und davon kann sich jedeR an den Orten überzeugen, wo sie untergebracht worden sind.“ Bis heute verfolgt die Regierung von Serrano Elias die gleiche Linie der individuellen Repatriierung. Die letzte Gruppe, die zurückgekehrt ist, besteht aus 30 Familien, die auf verschiedenen Kooperativen nahe des Flusses Usumacinte verteilt worden waren. Die gleichen Versprechungen führen zu den gleichen Täuschungen. Dies hat dazu geführt, daß trotz der Fortschritte in den Verhandlungen und des Wunsches der Flüchtlinge, zurückzukehren, eine gerechtfertigte Skepsis anhält. Deshalb sehen die CCPP und ein großer Teil der Flüchtlinge in der Rückkehr nicht das Ende sondern den Anfang einer neuen Etappe in der Entwicklung ihres Kampfes.
„Wir leiden lieber in unserer Heimat“
Eine kleine Holzhütte und ein Dach aus Wellblech , ein Tisch und zwei verkümmerte Bänke, einige Stämme, die in Form von Stühlen aufgestellt sind – das ist das Büro der CCPP, wo wir empfangenwerden. Herminio Cardona Diaz erzählt uns: „In Chiapas, dem südlichsten Staat Mexikos, ist die Situation am schwierigsten. Es gibt Ortschaften, in denen die Flüchtlinge aus ihren Häusern vertrieben werden, wo sie einen oder zwei Tageslöhne für eine Handvoll Brennholz zahlen müssen, wo sie das Land des Patrons bearbeiten müssen, damit er ihnen weiterhin Unterkunft gewährt. Den Kindern geben sie keine Geburtsurkunde, aus Angst, sie könnten sich erheben, um ihre Rechte einzufordern.“ Maria Teresa Aguilar fügt hinzu: „Seit letztem Jahr bekommen wir keine Hilfe mehr von der Flüchtlingskommission der Vereinten Nationen (ACNUR). Wir müssen die Pacht für das Land bezahlen, für Wasser, Ausbildung, Gesundheit aufkommen; es gibt keine Ärzt*innen mehr und wenn sie uns ein Rezept geben, müssen wir die Medizin bezahlen. Das Problem besteht auch in der Qualität des Landes, das wir zur Verfügung haben: Die Mexikaner*innen bearbeiten es nicht, weil es sehr trockenes Land ist und große Investitionen nötig sind, um eine Infrastruktur zu schaffen, die sie fruchtbar macht.“
Andrés Claudio Sales erklärte uns, daß die Mais- und Bohnenernte dieses Jahr aufgrund der Trockenheit und der Unwetter verloren ging. Und er kommt zu dem Schluß: „Die Leute halten es nicht mehr aus. Was sie wollen, ist zurückkehren. Wir leiden hier in Mexiko – lieber gehen wir in unsere Heimat und leiden dort.“ Die mexikanische Flüchtlingskommission Comar und ACNUR können die Flüchtlinge nicht mehr ihr ganzes Leben lang unterstützen. Laut Informationen der mexikanischen Zeitschrift „Proceso“ am 30. März ist die Abnahme der internationalen Hilfe „dramatisch“. Emeldina Gaspar Hernandez versichert in dieser Ausgabe der Zeitschrift: „1985 bekamen wir Früchte, Gemüse, Hühnerfleisch in Dosen und Milch, jetzt geben sie uns monatlich nur noch zwei Kilo Mais pro Person, ein bißchen Zucker und ein wenig Öl.“
Die Rückkehr
Diese neue Etappe wurde aufgrund des immer stärker werdenden Drucks wird eingeleitet. Unter diesen Umständen haben sich bei den Flüchtlingen drei Tendenzen herausgebildet. Diejenigen, die sofort zurückkehren wollen – nach Angaben der CCPP ca. 1000 Familien, die aus dem mexikanischen Bundesstaat Campeche kommen. Voraussichtlich wird die erste Gruppe im Mai oder Juni diesen Jahres zurückkehren. Außerdem wird geschätzt, daß 1993 eine größere Anzahl Familien nach Guatemala zurückkehren wird, weil viele von ihnen Kinder haben, die zur Schule gehen. Sie möchten, daß ihre Kinder das Schuljahr beenden, damit sie nicht in ihrer Ausbildung unterbrochen werden. „Diejenigen, die zurückkehren wollen, gehen nicht losgelöst von den anderen Flüchtlingen. Sie gehen organisiert und zudem gibt es Mitarbeiter*innen der CCPP, die diese Rückkehr anführen,“ erklärt Maria Teresa Aguilar. Die zweite Gruppe sind die, die abwarten, daß die sechs Bedingungen unterzeichnet werden. Aguilar bemerkt: „Es gibt eine große Mehrheit, die zurückkehren will, wenn die Bedingungen, die die sechs Punkte enthalten, akzeptiert werden. Wir haben unseren Leuten gesagt, daß auch trotz der Unterzeichnung der sechs Punkte die Probleme Guatemalas bestehen bleiben, insofern es keine Veränderungen und keine wirkliche Demokratie gibt. Das Volk muß sich darüber bewußt sein und darf nicht glauben, daß sich aufgrund der Unterzeichnung dieser Bedingungen alles ändern wird. Die Strukturen des Landes haben sich nicht verändert.“ Und schließlich gibt es eine Minderheit, die in Mexiko bleiben und sich dort einbürgern will. Zudem gibt es einige, die daran denken, in ein anderes Land zu gehen, da ihre Situation in Mexiko immer unsicherer wird. Die Comar kann ihnen keinen Platz zur Niederlassung anbieten, bis nicht der letzte der Flüchtlinge gegangen ist.
Kontrolle ist notwendig
Unter Beteiligung der CCPP, der Spezialkommission zur Hilfe für Flüchtlinge, Repatriierte und Vertriebene (CEAR), der Vermittlungsinstanz und der BeobachterInnengruppe, die aus Diplomat*innen Schwedens, Frankreichs und Kanadas besteht, fand in Guatemala ein Treffen statt, das gewisse Fortschritte ergab. „Wir sind zufrieden, daß beim letzten Treffen mit der CEAR – die die guatemaltekische Regierung repräsentiert – zwei der sechs Punkte, die wesentlich für den Nationalen Dialog sind, gebilligt wurden“, versichert die CCPP in ihrem Kommunique vom 1. April. Einer der Punkte bezieht sich auf die freiwillige, kollektive und organisierte Rückkehr, die unter sicheren und menschenwürdigen Bedingungen sowie und Leitung von der CCPP stattfinden soll. Der andere bezieht sich auf die Anerkennung des Rechts auf freie Organisation und Versammlung der Flüchtlinge, die in ihre Heimat zurückkehren. Die Diskussion der anderen Punkte war für den 2. April vorgesehen. Das Treffen wurde jedoch auf das Ende des Monats verschoben, da, wie es in dem Kommunique heißt, „wir eine Befragung des Volkes durchführen, um dessen Meinung zu den gebilligten und noch nicht gebilligten Abkommen einzuholen.“
Die Bemühungen der Flüchtlinge zielen darauf ab, Garantien für die Erfüllung der Abkommen zu bekommen. Die bisherigen Erfahrungen verlangen dies. Das Dokument erwähnt die im Lager La Nueva Libertad unterzeichneten Abkommen, die dann durch die nachfolgende Regierung nicht anerkannt wurden,sowie die Situation der Flüchtlinge, die von Honduras zurückkehrten und jetzt in Yalpemech, Alta Verapaz, leben. Sie haben keine Unterstützung von der Regierung erhalten und nur Dank der Hilfe der Kirche und von Nichtregierungsorganisationen überleben können. „Diese Erfahrungen zwingen uns, im den Verhandlungen darauf zu achten, daß Formen und Institutionen geschaffen werden, die die Umsetzung des bereits Verhandelten und die Aufarbeitung der noch ungeklärten Fragen überprüfen,“ führt das Kommunique aus. Schließlich unterstreicht die CCPP ihren Willen, zu Übereinkünften zu kommen, in denen die Interessen der Flüchtlinge im Vordergrund stehen und Wege zu deren Umsetzung gefunden werden. In diesem Sinne sind Kontrolle und Begleitung sowie die internationale Solidarität Elemente, die die CCPP aufgrund der in diesem Land herrschenden Menschenrechtssituation für notwendig halten.
Die internationale Antwort ließ nicht auf sich warten. „Gerade ist eine Delegation der CCPP zurückgekehrt, die in Chicago war, um über den Begleitschutz zu sprechen. Verschiedene kirchliche Organisationen waren durch mehr als 100 Teilnehmer*innen vertreten,“ informiert uns Cardona Diaz. Es gab vier Arbeitstische; die meisten Personen nahmen an den Tischen zum Begleitschutz und zur Bewußtseinsbildung teil. In San Francisco, USA, haben verschiedene Menschenrechts- und Solidaritätsorganisationen eine Kampagne zur Unterstützung der Rückkehr von Flüchtlingen organisiert. Unterstützt durch das Kommitee der Guatemaltekischen Einheit – die die in San Francisco lebenden Guatemaltek*innen zusammenfaßt -, das Movimiento Santuario, das Solidaritätskommitee Guatemala und anderen berät diese Kampagne über verschiedene Möglichkeiten zur Unterstützung und Begleitung der Zurückkehrenden. Zudem soll Druck auf die guatemaltekische Regierung ausgeübt werden, indem Briefe an den Kongreß der Vereinigten Staaten geschickt werden, in denen gefordert wird, Hilfe für Guatemala an die Respektierung der Rechte der Repatriierten zu knüpfen. In Kanada werden ähnliche Aktionen organisiert.
Der Schutz
Die Ausrichtung des Repatriierungsprogramms der guatemaltekischen Regierung zeigt, daß sie sich weder für die organisatorischen Bedürfnisse der Flüchtlinge noch für ihre Idee einer kollektiven Rückkehr interessiert. Ihre Eile, die Repatriierung in kleinen Gruppen durchzuführen und diese in verschiedene Regionen zu verteilen, verdeutlicht die Absicht, eine bessere Kontrolle über diejenigen zu haben, die nach Guatemala zurückkehren. Die CEAR fürchtet die guten Beziehungen der CCPP zu den Volksorganisationen in Guatemala. Deshalb beschränkte sie die Funktionen der Flüchtlingsvertreter*innen „ausschließlich auf den Prozeß der Rückkehr“. Bei der Beurteilung der Situation im Land während ihrer Reisen zu Verhandlungen und Landbesichtigungen sollen die Flüchtlingsvertreter*innen außen vor bleiben. Um diese Beschränkung der CCPP zu vertuschen, beschloß die CEAR, eine RückkehrerInnen-Kommission zuschaffen. Diese Kommission soll die Aktivitäten in Guatemala koordinieren und einen direkten Kontakt mit den Flüchtlingen aufrechterhalten, die weiterhin im Exil sind, um sie zu beraten und ihnen den Weg für ihre Rückkehr zu öffnen.
Wenn mensch diese letzte Information analysiert, entsteht der Eindruck, daß die Regierung einen regelrechten Wettkampf mit der CCPP führt. Sie nutzt die Bedürfnisse und Nöte der Flüchtlinge, die ihre Ursache gerade auch in der individuellen Repatriierung haben, aus, während sie die Diskussion über die noch ausstehenden Konditionen in die Länge zieht. Selbst die Mitglieder der Verhandlungs- und der Flüchtlingskommission haben ihre Vorbehalte in Bezug auf die Respektierung der sechs Bedingungen von seiten der Regierung, sollten sie erst einmal alle unterzeichnet sein. Aber auf dieses große Hindernis zur Verwirklichung eines wichtigen Wunsches der Guatemaltek*innen antworten die Flüchtlinge mit einer Versicherung: Die Rückkehr ist nicht das Ende, sondern der Anfang des Kampfes in diesem Land, um unsere Sehnsüchte zu erreichen.
Wanderung für den Frieden
(Guatemala, April 1992, NG-POONAL).- Die ökumenische Pilgerung für den Frieden und das Leben kreuzte zwischen dem 11. und dem 28. März, aus El Salvador kommend, guatemaltekisches Territorium. Der Marsch begann unter Beteiligung von buddhistischen Mönchen aus Japan, Religiösen verschiedener Ursprünge und Nationalitäten und Menschenrechstaktivist*innen am 20. Dezember 1991 in Panama – dem zweiten Jahrestag der Invasion der Vereinigten Staaten. Sein Ziel ist Washington, wo die Teilnehmer*innen am 12. Oktober 1992 nach einer Strecke von 7 700 km eine Sendung mit Petitionen der Indigenas des Kontinents überreichen wollen. Die Pilgerung ist laut Informationen der Organisator*innen ein wichtiger Ausdruck der Religiosität unserer Völker und spiegeln den Marsch der Armen zur Befreiung wider. Die Mayas sind zu den Bergen gepilgert und machen es immer noch, heute um dem „Herzen des Himmels“ zu huldigen. Das Volk Gottes zog aus Ägypten aus, dem Ort der Sklaverei und des Todes, um in das versprochene Land zu ziehen. In Guatemala fand die Pilgerung innerhalb der Kampagne 500 Jahre Widerstand der Indigenas, Schwarzen und des Volkes statt und wurde begleitet von Mitgliedern des Kommitees der Einheit der Campesinos/as (CUC) und dem Rat der Ethnischen Gemeinschaften „Runujel Junam“ (CERJ). In der Hauptstadt, Tecpan, Nahuala, Cuatro Caminos und Huehuetenango fanden Kundgebungen statt und Sympathiedemaonstrationen am ganzen Weg entlang.
KOLUMBIEN
Krieg und Frieden
(Ecuador, April 1992, alai-POONAL).- Seit Jahrzehnten wird die kolumbinaische Gesellschaft von gewaltsamen Auseinandersetzungen erschüttert, die kein Ende zu nehmen scheinen. Im letzten Jahr verübte die Guerilla die massivsten Angriffe in der Geschichte des Landes und erweiterte ihren Aktionsradius bis in die Hauptstadt. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten übernahm ein Zivilist, Rafael Pardo, das Amt des Verteidigungsministers. Währenddessen verstärken die Streitkräfte ihre Operationen im ganzen Land – eine kriegerische Stimmung beherrscht Kolumbien. Die Regierung des Präsidenten Cesar Gaviria Trujillo beteuert wiederholt ihren „unwiderruflichen Friedenswillen“, und gleich danach führt sie eine Kriegssteuer ein, die den Militärapparat offensichtlich in die Lage versetzen soll, einen langen Krieg führen zu können. In Kolumbien treffen Soldaten und Guerilleros unaufhörlich aufeinander. Im Umkreis von Polizeistationen und von vorübergehenden Guerillacamps kommt es zu Kämpfen. In diesem Klima der Gewalt gehören Anschläge gegen populäre oppositionelle Führer*innen seit Jahren zum Alltag. Und nur selten werden die Verbrechen aufgeklärt und die Verantwortlichen bestraft.
Hoffnungen auf ein Ende des Bürgerkriegs keimten auf, als die Regierung und die Guerilla-Koordination Simon Bolivar im Juni des vergangenen Jahres in Caracas Verhandlungen über ein Friedensabkommen aufnahmen. Doch schon am 10. November wurden der Dialog unterbrochen. Das Kommunique, das beide Seiten unterzeichneten, zeigt die grundsätzlichen Differenzen, die einen Friedensschluß nach wie vor im Wege stehen. Im Juni hatten sich beide Seiten auf einen Katalog von zehn Verhandlungspunkten geeinigt. In der zweiten Verhandlungsrunde, die am 4. September begann, stand Punkt eins auf der Tagesordnung: der Abschluß eines Waffenstillstands. Beide Seiten betonen in der abschließenden Deklaration ihren Willen und die Notwendigkeit eines Waffenstillstands, dennoch konnten die Differenzen nicht überwunden werden.
Immerhin formulierten die Regierung und die Aufständischen 16 Kriterien, die erfüllt sein müßten, um einen Waffenstillstand zu vereinbaren. Das heißt, 16 Unterpunkte stehen allein bei dem Tagesordnungspunkt eins zur Verhandlung. Es scheint wie eine Schnur mit 1000 Fäden, die miteinander verknotet sind und ein zunehmend verwickeltes Bild entstehen lassen. Es gibt Fragen, in denen die Positionen total auseinanderlaufen, wie die Lokalisierung der Guerilla in bestimmten Gebieten. Zudem definiert das Dokument den Waffenstillstand als eine Beendigung der militärischen Konfrontation zwischen der Guerilla und der Regierung, mit dem Ziel, ein Klima des Vertrauens zu schaffen, in dem über die Bedingungen für einen dauerhaften Frieden verhandelt werden kann. Das soll heißen, daß der Waffenstillstand nicht das Ende sondern der Beginn eines Prozesses sein soll, der weitreichende politische und gesellschaftliche Veränderungen als Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden einschließt.
Im Gespräch mit alai sagte der Rebellenkommandant Antonio Garcia, daß es für ein Resummee der Gespräche wichtig ist, vor allem zu betonen, daß die Regierung eine Strategie gefordert hat, die das Waffenstillstandsabkommen als zentrales Zwischenziel ansieht, um später über andere Punkte zu diskutieren. Die Auständischen hingegen lehnen die zeitliche Trennung – erst Waffenstillstand, dann Verhandlungen über weiterreichende Fragen – jedoch ab. Garcia sagte, der Waffenstillstand sei unlösbar an die anderen Themen der Tagesordnung gebunden, wie zum Beispiel die Reformierung der Streitkräfte, die Frage der Menschenrechte und wirtschaftliche und soziale Umgestaltung. Der Kommandant Diego Ruiz sieht gravierende Unterschiede in den Verhandlungen der CGSB im Vergleich zu dem Dialog, den die Regierung mit anderen Rebellenorganisationen in Kolumbien führte. Das Land habe wichtige Änderungen seit der Bezwingung dieser Guerilla-Gruppen erlebt, sagte Ruiz. „Wir glauben, daß sich in der Art, wie sie ihre Waffen und ihre Ideale abliefern, das Verlangen von einzelnen oder Gruppen lösen kann, aber auf keinen Fall die schwere Situation unseres Volkes.“ Warum hat also die CGSB eingewilligt, sich mit der Regierung an einen Tisch zu setzen? Der bewaffnete Kampf scheint jedenfalls keine ausreichende Perspektive zu liefern. „Die Rebellenkoordination hat die Absicht, die Probleme, die die Aufstandsbewegung hervorgerufen haben, zu lösen. Deshalb denken wir, daß die Rebellenkoordination Simon Bolivar die Interessen der ganzen Nation ausdrückt. Wir halten die Verhandlungen nicht für einen ausschließlich militärischen Punkt.“ Selbstverständlich, räumt Diego Ruiz ein, „trachten wir nicht danach, die Revolution am Verhandlungstisch zu machen. Wir wollen, daß hier die Entwicklung einer authentischen Demokratie beginnt.“ In Wahrheit haben bis jetzt die Regierung und die Guerilla nur Schritte zur Annäherung an eine Lösung des Konfliktes getan. Gleichzeitig nehmen die Kämpfe zwischen der Guerilla und den Streitkräften wieder zu. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, Offensiven zu planen und den Bürgerkrieg anzufachen. Die Liste der Toten und Verwundeten wächst an.
MEXIKO
Agrarreformen: Kooperativen droht der Ausverkauf
(Mexiko, April 1992, APIA-POONAL).- Ungefragt versicherte der mexikanische Präsident Salinas de Gortari dem verdutzten Auditorium, wem seine besondere Bewunderung gilt: Emiliano Zapata, dem legendären Revolutionsführer, dessen Bauernarmee in der mexikanischen Revolution erfolglos für die Verteilung des Großgrundbesitzes focht. Die plötzliche Heldenverehrung des Präsidenten hatte einen durchaus eigennützigen Zweck: Er rührte die Werbetrommel für ein Gesetzesvorhaben, das den Landbesitz in Mexiko grundlegend verändern wird – allerdings kaum in dem Sinn des Revolutionärs Zapata. Im März verabschiedete der Kongreß einen vom Präsidenten eingereichten Gesetzentwurf, der das mexikanische Agrarsystem verändern wird. Nationale und ausländische Investoren dürfen sich künftig an den „Ejidos“, einer mexikanischen Variante landwirtschaftlicher Kooperativen beteiligen. Damit, so behauptet die Regierung, werde die Grundlage dafür gelegt, daß die armen Landarbeiter*innen endlich reiche Erträge einfahren könnten. Jetzt endlich werde der mexikanischen Revolution Rechnung getragen, in der die Zapata-Anhänger mit dem Ruf nach Land und Freiheit („Tierra y Libertad“) gegen die Ausbeutung des 19. Jahrhunderts rebellierten. Die Regierung verspricht den Campesinos und Campesinoas eine rosige Zukunft, doch Desinformation und Propaganda berherrschen die Debatte über die Reform des Agrarsystems in Mexiko. Nach der Reform des Artikels 27, der die Ejidos als konstitutionellen Bestandteil des Agrarsystems festgeschrieben hatte, befürchten Kritiker der Reform nun, daß den Kooperativen endgültig der Garaus gemacht werden soll. Unabhängige Organisationen wie die kämpferische Unabhängige Zentrale der Landarbeiter*innen und Campesinos/as (CIOAC) vertreten die Ansicht, die Reform sei eine Falle, denn sie mache glauben – oder möchte glauben machen – daß sie die Situation der Campesinos/as verbessert. In Wirklichkeit werde das neue Gesetz die Landarbeiter*innen jedoch zu Sklaven der finanzkräftigen Investoren machen, die sich künftig an den Ejidos beteiligen dürfen. Nach dem neuen Gesetz dürfen private Gesellschaften nun 2 500 Hektar bewässerten Agrarlandes besitzen, 3 750 Hektar zum Anbau von Baumwolle, 7 500 Hektar für Fruchtbäume, bis zu 20 000 Hektar Waldfläche und eine halbe Million Hektar Weideland.
Die größte Angst ist, daß kleine Bauern aufgrund der schwierigen ökonomischen Situation ihr Land an finanzkräftige Investoren verkaufen und sich als Tagelöhner verdingen müssen; daß die Ejidos privatisiert und von neuen Besitzern kontrolliert werden – von nationalen Investoren und ausländischen – vor allem US- amerikanischen – Gesellschaften. Die Regierung hat vor allem auf Propaganda und Desinformation gesetzt, um ihr Vorhaben durchzusetzen. Die Reformen wurden von einer kleinen Gruppe salinistischer Funktionäre ausgedacht, nur wenige Landarbeiter*innen durchschauen das komplizierte Gesetzeswerk. Bei den Campesinos und Campesinas hinterläßt der Vorstoß des Präsidenten in erster Linie Resignation. Achselzuckend sagten sie, daß sich die Situation der armen Landbevölkerung kaum bessern werde. Salinas denke nicht an die armen Landarbeiter*innen, sondern liefere das Land an die Reichen aus – an die einzigen, die in diesem Land wirklich zählten.
MEXICO
Reformen bedrohen die Souveränität
Interview mit dem oppositionellen Abgeordneten Alejandro Encinas (PRD)
(Mexiko, April 1992, APIA-POONAL).- „Es ist noch sehr früh, um genau zu wissen, wie die Reformen funktionieren werden, denn alles ist in hohem Tempo durchgepeitscht worden und das Volk wurde weder befragt noch informiert,“ sagt der Abgeordnete der Partei der Demokratischen Revolution (PRD), Alejandro Encinas. Die PRD hat das Gesetzespaket der Regierung abgelehnt. „Wir hatten Änderungen vorgeschlagen, aber ohne Reprivatisierung des Landes. Wir glauben, daß es notwendig ist, Mechanismen innerhalb des Privatsektors zu schaffen, damit ausländische Investition ins Land kommen, aber ohne die Souveränität auf dem Gebiet der Ernährung oder des sozialen Sektors zu riskieren,“ erklärt der Agraringenieur. Auf der anderen Seite hält Encinas es für wichtig, eine neue Beziehung zwischen den Produzenten und der Regierung herzustellen: Die landwirtschaftlichen Kooperativen, die sogenannten Ejidos, sollten nicht mehr ein Instrument im Dienste des Staates sein.
Laut Encinas, ehedem Mitglied der nicht mehr bestehenden Kommunistischen Partei Mexikos, kritisiert die PRD vier grundsätzliche Punkte des Reformwerks des Präsidenten Salinas de Gortari. Erstens gebe es im Unterschied zu den Behauptungen der Regierung immer noch große private Ländereien, die verteilt werden könnten. Außerdem besitze der Staat noch viel Land. Die genaue Größe sei nur schwer zu bestimmen, da zwar ein offizieller Bericht über den Landbesitz in Mexiko existiere, aber bislang nicht veröfentlich worden sei und nur der Exekutive zur Verfügung stehe. Zweitens, erklärt Encinas, habe es in der Vergangenheit bereits Handelsgesellschaften gegeben, deren Wiedergeburt einer der Hauptpunkte des Vorschlags von Salinas sei. Bis 1917 hatten diese Gesellschaften die Möglichkeit, Weideland und Waldgebiete zu kaufen. Gegen die Macht dieser Handelsgesellschaften wandte sich die Revolution von 1910. Später wurde die Verfassung geändert, privaten Investoren wurde der Erwerb von Agrarland für sehr spezifische Ziele, wie z.B. die Ansiedlung einer einer Fabrik, erlaubt.
Großgrundbesitzer auf dem Vormarsch?
„Die aufgestellten Grenzen sind trotzdem keine Garantie, daß diese Handelsgesellschaften etwa durch Namensfälschungen nicht ein Gebiet von mehr als 2 500 Hektar bewässerten Landes – was ohnehin schon 25 Mal mehr ist als der Besitz der Kleineigentümer – kaufen werden.“ Die Handelsgesellschaften müssen dem neuen Gesetz zufolge mindestens 25 Partner einsetzen und keiner darf mehr als 100 Hektar erwerben. „Was passieren wird ist, daß die Familienbesitze sich in Handelsgesellschaften umwandeln werden und die bestehenden Großgrundbesitze weiterbestehen werden, legalisiert durch andere Namen.“ Auf der anderen Seite wurde aber auch keinerlei Restriktion für den Aufbau von kontrollierten Gesellschaften oder „Holdings“ geschaffen, die eine Spezie der Landwirtschaftskonsortien sind, die die Produktion in verschiedenen Teilen des Landes kontrollieren können.
Das dritte Problem, das der Abgeordnete und Agraringenieur in den neuen Reformen sieht, hat mit der Veräußerung oder Privatisierung der „Ejidos“ zu tun. Laut der Initiative kann nur privatisiert werden, wenn bei der Versammlung zwei Drittel der Eigentümer*innen anwesend sind. „Das beinhaltet zwei Probleme: die Trennung zwischen denen, die verkaufen wollen, und denen, die sich dagegen wenden. Das wird die Struktur des „Ejido“ extrem schwächen und den Weg für ein doppeltes Phänomen frei machen: Auf der einen Seite wird es Land mit hoher Produktivität geben, also bewässerte Zonen mit günstiger Witterung, auf das die Handelsgesellschaften spekulieren. Auf der anderen Seite wird es wenig produktives Land geben, wo es größere Konflikte wegen des Ehrgeizes der Kaziken und der Kommissare des „ejido“ geben wird, die sich natürlich weiter ausdehnen wollen, denn für sie ist die Kontrolle des Landes auch politische Kontrolle.“ Der Abgeordnete der PRD legt dar, daß es noch ungeklärt ist, unter welchen Bedingungen sich die Vereinigung zwischen den „ejidatarios“ und den privaten Investoren in den Handelsgesellschaften vollziehen wird. „Weil die Investoren keine Eigentümer sein werden, müssen die Assoziationen dem „ejidatario“ Garantien geben, damit er wie ein wirklicher Partner beteiligt ist. Das heißt, es handelt sich nicht nur um eine „verkleidete“ Miete während der Zeit der Abschreibung, die 30 Jahre beträgt. Es ist auch nötig, die Verpflichtung der Investoren klar aufzuzeigen. In dem Moment, in dem sie die Assoziation verlassen, dürfen sie investiertes Kapital nicht aus den Kooperativen abziehen.“
„Die Gringos sind in Feststimmung“
Encina erklärt, daß die jetzigen Änderungen direkt auf die Beteiligung Mexikos an dem bevorstehenden Freihandelsabkommen (TLC) zwischen den Vereinigten Staaten, Kanada und Mexiko (TLC) zurückzuführen sind. Er sagt, es handele sich darum, die Bedingungen für Auslandsinvestitionen zu erleichtern. Eine der Klauseln in dem trilateralen Abkommen ist, daß die Investitionen von außen die gleichen Konditionen haben, wie die der nationalen Investoren.“Die Regierung Salinas will die Türen sperrangelweit für die Investition anderer Länder öffnen. Deshalb möchte er nicht, daß der Landbesitz ein Problem für die Handelsgesellschaften ist. Die Gringos müssen in Feststimmung sein.“
Poonal Nr. 041 von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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