Poonal Nr. 146

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 146 vom 07.06.1994

Inhalt


GUATEMALA

ECUADOR

PERU

HAITI

KUBA

MEXICO

KOLUMBIEN


GUATEMALA

Gewerkschafter ermordet

(Guatemala, 3. Juni 1994, NG-POONAL).- In der Provinz Solola wurde die Leiche des Gewerkschaftsführers German De León Parajón von der Einheit der Arbeiter*innen von Quetzaltenango (UTQ) gefunden. Er war am 1. Juni von drei Personen entführt worden, die in einem Wagen mit abgedunkelten Scheiben fuhren. Einer der Entführer trug nach Berichten die Uniform der Nationalpolizei. De León Parajón war auch Leiter einer Bildungseinrichtung in Quetzaltenango. Er hinterläßt Frau und drei Kinder.

Menschenrechtsbeauftragter kritisiert Armee

(Guatemala, 3. Juni 1994, NG-POONAL).- Der guatemaltekische Menschenrechtsbeauftragte García Laguardia beschuldigte die Armee, ihre Befugnisse zu überschreiten. Konkret warf er ihr Feindseligkeiten gegen die Siedler*innen mehrerer Gemeinden in der nördlichen Provinz Petén vor. Er erläuterte, Vertreter*innen aus 21 Gemeinden im Bezirk Sayaxché hätten ihm mitgeteilt, vom Militär in der Zone eingeschüchtert zu werden. Sie sollten sich in den sogenannten Komitees für Frieden und Entwicklung organisieren, die den paramilitärischen Zivilpatrouillen gleichen.

García: „Das ist eine deutliche Verletzung der Verfassung dieser Republik, die den Beitritt als frei und freiwillig bezeichnet.“ Er nannte es bedauerlich, daß die Militärpatrouillen vor Ort die Gemeinden als „Subversive“ beschuldigten. Er habe auch einen Bericht über Drohungen der Armee gegenüber den Mitgliedern der Komitees des Vertriebenenrates. Der Menschenrechtsbeauftragte bat den Präsidenten und den Verteidigungsminister öffentlich, die entsprechenden Untersuchungen einzuleiten, um dieser Art Einschüchterungen ein Ende zu setzen.

Privatisierungsversuch im Straßenbau

(Guatemala, 3. Juni 1994, NG-POONAL).- Der Minister für das Verkehrs- und Straßenbauwesen, Jorge Erdmenger und seine Stellvertreterin Sheri Ordoñez versuchen mit einer Reihe von Manövern das guatemaltekische Straßenbauwesen zu privatisieren. Dieser Auffassung ist die Gewerkschaft der Behörde. Auf einer Pressekonferenz im Sitz der Einheit für Gewerkschafts- und Volksaktionen (UASP) informierte der Generalsekretär der Gewerkschaft, Arnulfo Díaz, das Ministerium habe der Straßenbaubehörde seit März kein Geld mehr gegeben. Damit solle die Notwendigkeit privater Investitionen gerechtfertigt werden.

Der Minister sei dabei, das staatliche Unternehmen an die Privatwirtschaft zu verkaufen. Gleichzeitig würde Erdmenger private Firmen mit der Instandhaltung des Straßennetzes beauftragen, was hohe Kosten für den öffentlichen Haushalt bedeute. Díaz nannte unter anderem ein Beispiel aus der östlichen Provinz Jalapa. Dort berechnete ein privates Unternehmen nach seinen Angaben allein für die Pläne eines Straßenbauabschnittes das Zwanzigfache dessen (etwa 200.000 Dollar), was die Behörde dafür kalkulierte. Díaz berichtete, einige Mitglieder und Führer*innen der Gewerkschaft hätten aufgrund der Opposition ihrer Organisation gegen die Privatisierungspläne ihrer Organisation telefonische Drohungen erhalten. Sie wurden aufgefordert, ihre Haltung aufzugeben. Andernfalls drohe ihre Ermordung.

ECUADOR

Große Verluste der Regierungspartei bei Parlamentswahlen

(Quito, Mai 1994, Alai-POONAL).- Die Teilwahlen für Parlament und Regionalregierungen vom Mai haben die politische Landschaft in Ecuador verändert. Von 65 neu zu vergebenen Abgeordnetensitzen gewann die oppositionelle sozialchristliche PSC 22. Die regierende Partei der Republikanischen Einheit (PUR) des Staatspräsidenten Sixto Durán Ballén konnte nur zwei Sitze erringen, nachdem ihr Anteil in der letzten Amtsperiode noch bei zehn von 65 Sitzen gelegen hatte. Die mit ihr verbündete konservative Partei des Vizepräsidenten Alberto Dahik konnte sich allerdings von vier auf fünf Sitze leicht verbessern.

Was die Vielzahl der anderen Parteien angeht, so lassen sich zwei Entwicklungen hervorheben: Die linke Demokratische Volksbewegung (MPD) war die große Überraschung des Wahltages. Sie erreichte statt vorher zwei jetzt sieben Sitze bei den freiwerdenden Parlamentsplätzen. In der Hauptstadtprovinz Pichincha erhielt General Frank Vargas Pazzos die meisten Stimmen. Der General war die treibende Kraft eines Militäraufstandes gegen den ehemaligen Präsidenten León Febres Cordero (1984-1988). Direkten Einfluß auf die Regierung haben die Wahlen vorerst nicht. Vielmehr wurde das schlechtes Ansehen deutlich, den das institutionelle System erlitten hat. Der Wahlkampf war wie nie zuvor von Gleichgültigkeit und Apathie gekennzeichnet. Werbeanzeigen ersetzten die Programmatik und politische Debatten. Mit 23 Prozent machten die ungültigen und weißen Stimmzettel sogar noch drei Prozent mehr aus, als die siegreiche PSC durchschnittlich erhielt.

Siegreiche PSC steht der Regierung ideologisch nahe

Die Sozialchristen befinden sich praktisch seit zwei Jahren im permanenten Wahlkampf. Damals verlor ihr Präsidentschaftskandidat Jaime Nebot Saadi gegen Durán Ballén. Inzwischen konnte sich die Partei jedoch in allen Regionen des Landes stärken. Sie besitzt örtliche Führer*innen und bevorzugt einen populistischen Diskurs, um aus der Unzufriedenheit der Bevölkerung über die Regierung Profit zu ziehen. Allerdings steht die PSC der derzeitigen Regierung ideologisch relativ nahe. Im Regierungskabinett und auf anderen hohen Posten sitzen ehemalige Mitarbeiter*innen der sozialchristlichen Regierungen von Febrero Cordero. In der Praxis hat die PSC in den letzten zwei Jahren eine Art Co-Regierung ausgeübt, weil sie die wichtigste Unterstützerin des Regierungschefs bei der Verabschiedung von Gesetzesinitiativen war. Dies wurde ihr mit gewaltigen öffentlichen Geldern für die Regionalregierungen unter ihrer Kontrolle entgolten. Dennoch gelang es der PSC, geschickt das Bild der wichtigsten Oppositionskraft zu „verkaufen“, indem sie die fehlende Sensibilität der Regierung auf sozialem Gebiet kritisierte. Der jetzt erreichte Triumph fiel nicht so umfassend aus, wie es die Umfragen vorhersagten. Aber es hat die Präsidentschaftskandidatur von Jaime Nebot für die Wahlen von 1996 gestärkt. Momentan ist er der einzige aussichtsreiche Kandidat.

PERU

Selbstverwaltung der Indígenas

– Interview mit Jorge Dionicio Espíritu von der Konföderation der

Amazonasvölker Perus (CONAP)

(Peru, Mai 1994, Alai-POONAL).- Eines der Probleme der Indígena- Bewegung – und der sozialen Bewegungen generell – ist die Abhängigkeit von externen Finanzquellen. Alai sprach darüber mit Jorge Dionicio Espíritu von der Konföderation der Amazonasvölker Perus (CONAP).

Frage: Lange Zeit war innerhalb der Indígena-Organisationen das vorherrschend, was wir die Projektlogik nennen könnten. Jetzt spricht CONAP vom Selbst-Unterhalt als Hauptkriterium für ihre Aktionen. Was ist damit gemeint?

Seit ihrer Gründung sind die Indígena-Gemeinden, ob organisiert oder nicht, mehrheitlich von Institutionen geformt worden, die ihrer Realität fernstanden. Einige durch den Staat – wie im Fall von SINAMOS während der Militärdiktatur – , andere durch Nicht- Regierungsorganisationen, durch die Kirche und durch Institutionen, die immer gekommen sind, um auf eine paternalistische Art zu helfen. Das hat der Amazonasbevölkerung großen Schaden zugefügt. Ich meine das in dem Sinn, daß dies lediglich den Interessen dieser Institutionen gedient hat, die Führer*innen zu kaufen und diese ihr Volk vergessen zu lassen.

Die Idee von CONAP ist jetzt die Entwicklung mit unseren eigenen Mitteln. Das heißt für uns, Eigenfinanzierungsmöglichkeiten zu suchen. Auf welche Art? Wir im Urwald haben viele Naturschätze, wir müssen uns nur organisieren…, die Organisationen selbst müssen die Verpflichtung fühlen, auf den Lebensstil ihrer Führer*innen zu achten, müssen verstehen: der/die FührerIn ist Teil der Mystik des Volkes… Daran arbeiten wir und die Bevölkerung ist dabei, es zu verstehen. Bis jetzt haben wir Dank der Unterstützung der gesamten Bevölkerung mehrere Bezirke und Provinzen in der Qualität von Lokalregierungen erobert. Wir haben bereits verschiedene Treffen mit mehreren Bürgermeister*innen gehabt, damit diese von den Staatszuweisungen einen Teil des Geldes für die Schaffung kleiner Unternehmen bereitstellen. Diese ^sollen mit dem Geld arbeiten, es vermehren. Soweit sind wir im Moment. Zur Zeit wollen wir die Türen für die internationalen Hilfsorganisationen schliessen, denn das hat uns auch geschadet, denn es richtet die Indígenas zugrunde.

Frage: Inwiefern?

Da die Sachen ohne irgendwelche Kosten kommen, uns nichts kosten, geben wir ihnen wenig Wert. Das ist das, womit wir aufhören wollen: Sie reichen uns die Hand, um uns den zubereiteten Fisch zu geben und zeigen uns nicht, wie wir fischen können. Wir üben daher Druck auf den Staat selbst aus. In dem Sinne, daß es seine Pflicht ist, bei der Bildung, der Gesundheit, der Ernährung, der Produktion und der Vermarktung zu helfen. Wir fordern von unseren Organisationen, daß sie immer brüderlicher werden, damit wir bei den uns gestellten Zielen nicht gegeneinander arbeiten.

Frage: Wie sieht der Druck auf den Staat aus? Ist eine direkte politische Beteiligung inbegriffen?

Also gut, bei diesem Verfassungskongreß haben wir die Initiative ergriffen, wir sind in einem Marsch zum (Regierungs-)Palast gekommen. Aber aufgrund fehlenden Wissens, weil wir viele Regeln nicht kennen, haben sie viele von uns benutzt. Die Regierung hat uns ganz intelligent in ihre Partei eingeladen. Am Ende mußten wir sehen: Wir haben nichts erreicht. Darum: Wenn wir einmal ins Parlament wollen, dann mit der Kraft des Volkes, nicht als eine Bewegung der politischen Parteien. Wir wollen als die kommen, die wir sind.

Aber dank der Erfahrung dieses Scheiterns sammeln wir uns erneut. Wir machen unsere eigenen Entscheidungen mit dem Willen vorwärts zu kommen. Wir fordern auch von den Regional- und Gemeinderegierungen, die in unseren Gemeinschaften liegen, daß sie als Regional- und Gemeinderegierungen investieren. Wenn sie etwas erreichen, müssen wir es mit festem Willen aufrecht erhalten.

HAITI

Die „Vier Freunde“ drohen mit härteren Maßnahmen

(Port-au-Prince, 4. Juni 1994, Hib-POONAL).- Obwohl die Elektrizitäts- und Grundnahrungsmittelversorgung gesichert scheint, kennzeichnet sich die Marionettenregierung der Militärs durch, so ein Beobachter, den „Gestank einer verrottenden Ordnung“. Trotz der nationalistischen Warnungen des Regimes warnten die „vier Freunde“ (Kanada, Frankreich, USA, Venezuela) und Argentinien am 3. Juni die Militärs erneut. Sie drohten mit der Einstellung jeglichen Flugverkehrs und auch der Geldtranfers. Obwohl kein exaktes Datum genannt wurde, nennen bereits verschiedene Quellen Mitte Juni als Datum für das Inkrafttreten der neuen Maßnahmen.

Gleichzeitig scheinen die USA eine Militärintervention vorzubereiten. Obwohl sich viele lateinamerikanische Länder weiterhin gegen die Anwendung von Gewalt ausgesprochen haben, würden die „Freunde“ nicht im Weg stehen, so informierte Kreise aus den Vereinten Nationen. Trotz Berichten, er würde eine US- Invasion begrüßen, sagte Präsident Jean-Bertrand Aristide noch am Morgen des 4. Juni: „Wir wollen keine militärische Besetzung. Wenn ich um eine militärische Intervention bitten würde, würde ich von der haitianischen Verfassung zur Rechenschaft gezogen.“ Dennoch fordert Aristide nach wie vor eine undefinierte schnelle „Aktion“ innerhalb der Vorgaben der Vereinbarung von Governor's Island. „Wenn die internationale Gemeinschaft eine Operation unternehmen will, so haben sie ein unterschriebenes Abkommen in den Händen“, so Aristide in einem Radio-Interview.

Regime droht der Opposition mit Zwangsarbeit

Um die Öffentlichkeit an ihre Existenz zu erinnern, sendet das kontrollierte nationale Fernsehen, wie die neuen „Minister“ sich gegenseitig gratulieren. Die Untertitel auf dem Bildschirm enthalten Drohungen und Warnungen. Am 23. Mai brachte das Regime die Warnung heraus, alle Bürger*innen, „die gegen die Staatssicherheit vorgehen und sie behindern“ und sich der „öffentlichen Autorität“ widersetzen würden, mit Strafen wie beispielsweise Zwangsarbeit belegt werden können. Am 31. Mai kündigte das Regime an, alle Mitglieder von Robert Malval's zurückgetretenem Kabinett dürften das Land nicht verlassen – „wegen des legitimen Interesses, das Wohl der öffentlichen Verwaltung und der Nation zu garantieren“. Es wurden ebenfall seine Reihe Regierungsanstellter entlassen.

Ein neuer de facto-Rektor (der Universität) droht damit, alle Verwaltungsräte der Fakultäten zu entlassen. Im Informationsministeriums wurden die Leute scharenweise entlassen. Der de facto-Informationsminister will alle ausländischen Journalist*innen registrieren. Er droht an, die Präsenz der Berichterstatter*innen auf „Pressezonen“ zu beschränken. Unbeeindruckt von diesen Aktionen schließen sich mehr und mehr traditionelle Parteien, die Gewerkschaften und Organisationen gegen das neue Regime zusammen. Sie lassen es mit dem Oberkommando des Militärs, einigen Senatoren und Abgeordneten sowie der paramilitärischen Front für den Haitianischen Fortschritt (FRAPH) und ihren Unterstützer*innen allein.

Embargo zeigt Wirkung

Die erhöhten Sanktionen beginnen in der Hauptstadt zu wirken. Die Benzinpreise auf dem Schwarzmarkt stiegen bereits um ein Drittel, eine weitere Verteürung wird erwartet. Die beiden Hauptgrenzübergänge zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik sind angeblich geschlossen. Dort sollen 1.500 dominikanische Soldaten stationiert sein. Straßensperren der „attaches“ haben die Medien jedoch die meiste Zeit daran gehindert, zwei traditionelle Umschlagplätze zu besuchen.

Wenn die Flüge und Geldtransfers gestoppt werden, kann dies bedeutende Folgen haben. Der Kurztrip nach Miami ist für die Elite pychologisch wichtig. Noch entscheidender sind die Auslandsüberweisungen (bereits 1984 bei 90 Millionen US-Dollar) der schätzungsweise 1 Million Haitianer*innen außerhalb des Landes. Für hunderttausende Familien ist dies wichtig. Eine andere bisher unbekannte Tatsache ist die Kooperation der Dominikanischen Republik. Die Bevölkerung weigert sich, die Ergebnisse der betrugsverdächtigen Wahl anzuerkennen, die der 86jährige Joaquin Balaguer gewonnen haben will. Während Balaguer erklärt, seine plötzliche „Kooperation“ habe nicht mit der Situation zuhause zu tun, gehen viele Beobachter*innen davon aus, daß er darauf setzt, die internationale Gemeinschaft werde ihm eine weitere Amtsperiode ermöglichen, wenn er die Blockade Haitis unterstützt. Aber trotz möglicher undichter Stellen ins Nachbarland: die wachsende Isolierung des Regimes und das strenge Embargo zeigen Wirkungen auf die gesamte Bevölkerung – die ländliche und städtische, die reiche und arme.

Ungewisse Zukunft für die Flüchtlinge

(Port-au-Prince, 2. Juni 1994, Hib-POONAL).- Hunderte von Flüchtlingen werden nach wie vor zwangsweise zurückgeschicht oder verhaftet und geschlagen, bevor sie auf wartende Boote an der Küste kommen. Die „neue“ US-Politik, die fast vier Wochen vorher angekündigt wurde aber noch nicht in Kraft getreten ist, verspricht: Flüchtlinge werden auf einem Kreuzer oder in einem Camp befragt, um die Möglichkeit des politischen Asyl zu prüfen. Seit der Ankündigung sind nach Angaben der „Nationalen Koalition für die Haitianischen Flüchtlinge“ jedoch 1.567 boat-people zurückgebracht worden. Mindest 80 der Verhafteten blieben bis zu einer Woche in Haft. Alle wurden registriert und mußten sich Fingerabdrucke nehemen lassen.

Der Bericht, daß das UNO-Flüchtlingskomissariat (UNHCR) mit den USA auf einem Marineboot und einem Kreuzer der Ukraine vor Jamaica zusammenarbeiten will, um die Flüchtlinge zu überprüfen ist von Flüchtlingsanwälten mit Bestürzung aufgenommen worden. Es ist erst einige Wochen her, seit das UNHCR die Repatrierung verurteilt hatte und die Meinung vertrat, allen sollte ein „sicherer Hafen“ gegeben werden. „Sie beschmutzen ihre Hände mit einer Operation, die sie verurteilt haben“, sagt der Anwalt Michael Ratner vom Zentrum für Verfassungsrechte in New York. Paul Dejean vom der Plattform der Haitianischen Menschenrechtsorganisationen stimmt zu: „Das Geld wird dafür gebraucht, die Aufmerksamkeit vom wirklichen Problem hier abzulenken. Das Traurige ist, die USA haben jetzt in der UNO einen Komplizen gefunden.“

Vier Aktivisten getötet

(Port-au-Prince, 25. Mai 1994, Hib-POONAL).- Nach Berichten der Internationlen Zivilen Mission von OAS und UNO wurden am 23. Mai vier männliche Mitglieder aus der Demokratiebewegung getötet. Sie alle kamen aus Cite Soleil, dem Stadtviertel, das wiederholt Ziel der Armee und ihrer Helferhelfer ist. Drei der Opfer wurde aus der Nähe in den Kopf geschossen, während ein Opfer sich auf den Boden legen mußte und mit einer Maschinengewehrsalve ermordert wurde. Ein fünfter Mann konnte fliehen und wird behandelt. Die Zivile Mission gab bekannt, daß in derselben Nacht mindestens sechs weitere Personen bei Angriffen verwundet worden seien. Sie schrieb die Ereignisse „der Logik von der systematischen Auslöschung der Mitglieder der Volksorganisationen zu, die für die Rückkehr zur verfassungsmässigen Ordnung sind“.

KUBA

Castro: Cuba wird Kein Drogen- und Prostitutionsparadies

(Varadero, Mai 1994, prensa latina-POONAL).- Im Mai versammelten sich 960 Tourismusexpert*innen aus 26 Ländern im cubanischen Küstenort Veradero zur 25. Tagung Cuba-Tourismus '94. Auch Fidel Castro nahm an der Konferenz teil. Auf die Frage, ob der Gewinn in der Tourismusbranche bereits kurzfristig die Einnahmen in der Zuckerindustrie übertreffen könne, sagte er: „Wir hoffen das.“ Es gebe eine wachsende Nachfrage und Cuba verfüge über qualifiziertes Personal, um diese Nachfrage zu befriedigen. Im Hinblick auf den Zuckersektor erinnerte er daran, daß dieser (mit seinen Gewinnen) bis jetzt die Entwicklung des Tourismus unterstützt habe. Nun hoffe man, daß in der Zukunft der Tourismus der Zuckerindustrie helfen könne. Der Tourismus habe die ersten Schritte zu gemischten Unternehmen und ausländischen Investitionen geebnet. Castro unterstrich, diese Schritte bedeuteten in keinster Weise eine Absage an die Idee des Sozialismus. „Wir haben uns einfach an den Realitäten ausgerichtet, in denen wir leben. Sie zu ignorieren wäre nicht sozialistisch, sondern blödsinnig.“

Auf die Frage, welches touristische Bild von Cuba im Ausland gefördert werden solle, meinte der Staatschef: Cuba wolle nicht das Image eines Spiel-, Drogen- und Prostitutionsparadieses, sondern das einer Nation mit viel Kultur und der Fähigkeit, den Besucher*innen den Aufenthalt angenehm und freundlich zu gestalten. Castro gestand ein, ein Teil der Bevölkerung habe es nicht verstanden, warum die Entwicklung des Tourismus so betont worden sei und darum sei Aufklärungsarbeit notwendig gewesen. „Ich versichere Ihnen jedoch, wir sind dabei, diesen Kampf vollständig zu gewinnen“, so Fidel Castro.

MEXICO

Falsche Hypothese: Schrumpfende Bevölkerung eliminiert Armut

– Von Alicia Yolanda Reyes

(Mexiko-Stadt, 26. Mai 1994 SEM-POONAL).- „Sprechen wir über die Bevölkerung“ hieß ein Seminar, das der internationale Frauennachrichtendienst SEM und die mexikanische Nicht- Regierungsorganisation CIMAC durchführten. Etwa 50 mexikanische Journalist*innen und Journalistikstudent*innen nahmen daran teil. Ziel war es, die Teilnehmer*innen besser über die Themen zu informieren, die auf der Weltbevölkerungskonferenz der UNO im September dieses Jahres in Kairo behandelt werden. Sie sollten auch besser die Nachrichten verstehen und bearbeiten können, die derzeit zu diesem Thema veröffentlicht werden. Normalerweise finden sich diesbezügliche Meldungen auf den letzten Seiten der Tageszeitungen oder werden als Lückenfüller für die Nachrichten in Radio und Fernsehen gebracht. Die Konferenz wird seit 1974 alle zehn Jahre veranstaltet. In Kairo werden zum ersten Mal Nicht- Regierungsorganisationen an der Weltbevölkerungskonferenz teilnehmen.

Auf dem Seminar in Mexiko stellte die Wissenschaftlerin Brígida García vom Colegio de Mexico die zentralen Themen/Ziele der Bevölkerungskonferenz vor: Bildung (in erster Linie für Mädchen), Reduzierung der Mutter- und Kindersterblichkeit und die Verbesserung der Familienplanung. René Jiménez vom Sozialforschungsinstitut der mexikanischen Nationaluniversität (UNAM) hob hervor, daß in Kairo unbedingt eine falsche Hypothese angesprochen werden müsse: der Kampf gegen das Bevölkerungswachstum eliminiere die Armut. Der Experte wies darauf hin, in Mexiko habe sich die Wachstumsrate der Bevölkerung in den letzten 20 Jahren um die Hälfte reduziert, die Armut sei jedoch nicht geringer geworden. Die Mehrheit der Teilnehmer*innen stimmte darin überein, daß jedes Jahr zusätzliche Schulbildung bei den Fraenn mit einer fünf bis zehn Prozent geringeren Kindersterblichkeit verbunden sei. Besonders sei dies in den armen Ländern der Fall, in denen die Gesundheitsversorgung sehr begrenzt sei. In Mexiko ergab 1987 eine landesweite Umfrage für die Jahre 1977 bis 1987: Die Kindersterblichkeit im ersten Jahr war bei Müttern ohne Schulbildung dreimal höher als bei Müttern, die weiterführende Schule besucht hatten. Steigende Schulbildung sei ebenfalls mit einer geringeren Anzahl von Kindern verbunden, da das Lebensprojekt sich nicht nur auf die Mutterrolle beschränke, wie es vorher der Fall war.

Die Seminarteilnehmer*innen wandten sich dagegen, daß die Frauen bei den Verhütungsmitteln als Versuchskaninchen benutzt werden. Wenn es darum ginge, die Geburtenrate zu verringern, müßte ihre Meinung gehört werden. Die Soziologin Pilar Muriedas vom Zentrum für die Intergrale Betreuung der Frau (SIPAM) bemerkte, derzeit würden Verhütungsmittel benutzt, die das Immunsystem der Personen angreifen und deren Folgewirkungen unbekannt seien. Sie erklärte, daß in Mexiko viele Frauen in gebärfähigem Alter sterilisiert würden, ohne eine wirkliche Aufklärung darüber zu erhalten. Wenn sie wegen einer Geburt oder einer Fehlgeburt in ein Krankenhaus der (staatlichen) Sozialversicherung kämen, würden die Ärzte die Eileiter durchtrennen. Thaís Aguilar, die SEM-Koordinatorin für Lateinamerika und die Karibik, erinnerte daran, daß die Bevölkerungsdiskussion außer der Familienplanung andere Probleme wie die Umweltverschmutzung, das Recht auf Ausübung der Sexualität und das Recht auf Reproduktion „mit offizieller Unterstützung“ umfasse. Sie kündigte für die kommenden Monate zwei SEM-Seminare über diese Themen an.

Die Teilnehmer*innen des Seminars befanden, daß das Thema Bevölkerung von den Medien zu wenig beachtet werde. Bevölkerungswachstum werde oft undifferenziert und pauschal als Ursache für Hunger und Kriege herangezogen, ohne die Zusammenhänge genau zu prüfen. Andere soziale Probleme, die die Frauen fundamental beträfen, wie Sexualität, Reproduktion, Abtreibung, Unterernährung, Umweltverschmutzung oder Bildung fänden offenbar kein Interesse. Der stellvertretende Chef der mexikanischen Tagezeitung „El Universal“ versprach auf dem Seminar, sich für eine stärkere Präsenz dieser Themen einzusetzen. Die CIMAC- Direktorin Sara Lovera berichtete, sie sei „als Verrückte bezeichnet worden“, als sie versuchte, die mexikanischen Medien auf die Wichtigkeit des Themas Bevölkerung für die Information und Bildung der Bürger*innen aufmerksam zu machen. Doch „glücklicherweise sind es jeden Tag mehr Kolleginnen und Kollegen, die diesen Problemen ihre angemessene Bedeutung geben“.

KOLUMBIEN

Staat ist verantwortlich für die meisten Menschenrechtsverletzungen (Teil 2)

– Rede des Generalsekretärs der kirchlichen kolumbianischen Menschenrechts-

kommission Justicia y Paz, P. Javier Giraldo.

(Bogotá, Mai 1994, AC-POONAL).- P. Javier Giraldo, Generalsekretär der kirchlichen kolumbianischen Menschenrechtskommission Justicia y Paz, berichtete auf einem Kongreß in Bern über die Menschenrechtssituation in dem südamerikanischen Land. Den ersten Teil der Rede, in der er sich gegen eine klischeehafte Begrenzung der Problematik auf den Terror von Drogenmafia und Guerilla wendet, veröffentlichten wir in POONAL Nr. 145. In dieser Ausgabe publizieren wir den zweiten Teil des Vortrags: „Seit 1988 hat unsere Kommission Justicia y Paz große Anstrengungen unternommen, um Informationen über die Opfer von Gewalt zu sammeln und zu klassifizieren. Diese Informationen publizieren wir seit sechs Jahren alle drei Monate in einem Bulletin. In unserer Datenbank haben wir in diesen sechs Jahren 19 655 Morde und Fälle von „Verschwindenlassen“ aus politischen Motiven registriert. Ein großer Prozentsatz dieser Verbrechen war die Folge von geplanten Strategien der staatlichen Sicherheitsdienste (Armee, Polizei und Geheimdienste), sei es, daß sie direkt die Verbrechen verübten oder indirekt durch paramilitärische Gruppen in diese verwickelt waren.

20 000 Morde und Verschwundene in sechs Jahren

Außer diesen erwähnten Fällen haben wir weitere 24 215 Fälle registriert, die wir als ungeklärte Morde bezeichnen. Trotz der mangelhaften Information, die wir über diese Fälle besitzen, zeigen sie Merkmale, die es unmöglich machen, diese Morde als gewöhnliche Kriminalität oder Verbrechen der Drogenhändler zu klassifizieren. Die Merkmale weisen eher auf ein politisches Motiv oder tragen Merkmale der sogenannten „sozialen Säuberung“. Meist werden die Leichen von Unbekannten auf Müllhalden, entlegenen Wegen oder Plätzen oder in Flüssen aufgefunden, die Identität kann in der Regel nicht aufgeklärt werden. Sehr wahrscheinliche ist die Mehrzahl der Verschwundenen unter diesen namenlosen Toten zu suchen. Im Jahr 1992 konnten in 30 Prozent der Fälle die Täter eindeutig identifiziert werden. Es ergab sich ein erstaunliches Bild: In 52 Prozent der Fälle waren staatliche Sicherheitsbeamte für die Tat verantwortlich, in 30 Prozent wurden die Verbrechen von paramilitärischen Verbänden verübt, die in enger Verbindung mit den staatlichen Sicherheitsdiensten arbeiten; für 13 Prozent der Taten waren Guerillagruppen verantwortlich (sonstige Täter: drei Prozent).

Für die Hälfte der Verbrechen waren 1992 Sicherheitsbeamte verantwortlich

Um die Gewalt in einem Land zu verstehen – von der ein hoher Prozentsatz, wie oben erklärt wurde, von staatlichen Sicherheitsbeamten verübt wird -, das in den letzten Jahren keine Militärdiktatur hatte und gar international über das Image eines demokratischen Staates verfügt, ist es angebracht, die grundsätzlichen Züge der verschiedenen Repressionsstrategien des Staates zu erläutern. Ich möchte auf drei Grundmodelle der Repression seit den 70er Jahren hinweisen:

1.) Zentralisierte und institutionalisierte politische Repression

Bereits seit den 40er Jahren lebte Kolumbien gewöhnlich unter dem Ausnahmezustand. Der Ausnahmezustand wurde jedoch nur für kurze Zeitspannen von wenigen Monaten aufgehoben, bis 1991 insgesamt lediglich sieben Jahre. Diese erlaubte die Entwicklung einer breiten repressiven „Ausnahme“-Gesetzgebung. Ziel war die Bekämpfung der politischen Opposition und der sozialen Protestbewegungen. (…)

Unter der Regierung von Turbay Ayala (1978 – 82), die dieses Modell besonders stark ausbaute, wurden mehr als 20 000 politische Gefangene in vier Jahren gezählt. Die meisten wurden verschiedenen Formen der Folter unterworfen. Die zunehmende Folterung von Intellektuellen im Jahr 1979 brachte die Regierung in Verrruf, da diese Gesellschaftsschicht über bessere Möglichkeiten für internationale Anklagen verfügte als die Bauern und Gewerkschafter, die zuvor vor allem Opfer der staatlichen Gewalt waren. (…)

2.) Die paramilitärische Repression

Die Regierung von Präsident Betancur (1982 – 86) brachte einen neuen politischen Diskurs, die ersten Friedensgespräche zwischen Regierung und Guerilla waren die Folge. Aber zur gleichen Zeit, in der sich eine politische Öfnung anzudeuten schien, wurde ein neues Repressionsmodell entwickelt: Als Hilfskräfte der Armee wurden paramilitärische Organisationen gebildet. Sie sollten Aktionen durchführen, die durch kein Gesetz gedeckt werden konnten. Während in der vorangegangenen Phase willkürliche Verhaftungen, Folter und Prozesse vor Militärgerichten gängige Praxis waren, so häuften sich nun das „Verschwindenlassen“ und die Ermordung von Oppositionellen und Aktivist*innen von Volksorganisationen. Ab 1985 nimmt diese Gewalt ein skandalöses Ausmaß an, dies dank der Allianz zwischen einigen paramilitärischen Gruppen mit Teilen des Drogenhandels. In dieser Zeit fließen Gelder aus dem Drogenhandel in den Kauf von modernen Waffen, Transportmitteln etc und sogar in die Bezahlung internationaler Söldner aus Israel, Australien und England, die die paramilitärischen Milizen ausbildeten.

Ab 1985 neue Eskalation der politischen Gewalt

Hohe Führungskräfte in den Streitkräften verteidigen öffentlich die paramilitärischen Organisationen, die beschönigend „bäuerliche Selbstverteidigungsgruppen“ genannt werden. (…) In dieser Phase wurden die meisten politischen Verbrechen verübt – im Geheimen und unter dem Schutz der Straffreiheit.

3.) Die Übertragung des bewaffneten Konflikts auf die Justiz

Die Regierungen Barco (1986 – 90) und Gaviria ((1990 – 94) haben den Paramilitarismus weiter begünstigt, gleichzeitig aber auch vom Ausnahmerecht Gebrauch gemacht, um eine repressive Gesetzgebung gegen den sozialen Protest und die politische Opposition zu entwickeln.

Schon 1988 wurden besorgniserregende Justizreformen durchgeführt, die darauf abzielten, die Unabhängigkeit der Justiz einzuschränken, manipulierbare Straftatbestände einzuführen und das Recht auf einen korrekten Prozeß auszuhöhlen. Diese Reformen wurden zwar eigentlich mit dem Inkrafttreten der neuen Verfassung unwirksam, die Regierung fand jedoch eine Möglichkeit, mit Hilfe eines Übergangsartikels die in den vergangenen sieben Jahren des Ausnahmezustands entwickelte repressive Gesetzgebung zu „retten“.

Nach dem Scheitern der Gespräche zwischen der Regierung und der Guerillakoordination, die in Caracas (Juni/November 1991) begonnen hatten und in Tlaxcala/Mexico (März/April 1992) weitergeführt worden waren, erließ die Regierung im Oktober 1992 eine Kriegserklärung gegen die Rebellen. Das Militärbudget wurde übermäßig erhöht, die für den Anti-Guerillakampf spezialisierten Militäreinheiten wurden vervielfacht und erneut wurde der Ausnahmezustand eingesetzt, der jetzt unter der neuen Verfassung „Zustand innerer Unruhe“ genannt wurde.

Es wurde ein Zweig der Justiz geschaffen, der weitgehend von der Regierung manipuliert ist, um als Waffe in diesem Krieg eingesetzt zu werden. Es gelten andere, von der ordentlichen Justiz abweichende Rechtsnormen, die Rechte der Angeklagten sind stark eingeschränkt und die Ermittlungen werden in der Praxis von der Armee geleitet.

„Extreme Niederträchtigkeit in der Justiz“

Einer der wichtigen Neuerungen war die Schaffung eines neuen Straftatbestandes: der Terrorismus, der extrem ungenau definiert ist, und daher auf nahezu alle Formen des sozialen Protest angewendet werden kann. (….) Wir sind zu einer Situation extremer Niederträchtigkeit in der Justiz gekommen: Militärs kaufen mit Geld „Zeugenaussagen“ sogenannter „Informanten“, um mit diesen Aussagen willkürliche „gerichtliche Beweise“ zu schaffen, die als genügend angesehen werden, um Haftbefehle und lange Inhaftierungen von Gemeindeführer*innen, Gewerkschafter*innen, Mitglieder legaler oppositioneller Kräfte und Menschenrechtsorganisationen zu begründen.

Diese Strategie bezeichne ich als Übertragung des bewaffneten Konfliktes auf die Justiz. Diese Beschreibung wurde vom Innen- und Justizminister bei einer Parlamentsdebatte am 13 Oktober 1993 benutzt, und wenige Tage zuvor – am 9. September – hatte Präsident Gaviria wörtlich gesagt: „Wir sind dabei, enge Formen der Zusammenarbeit zwischen der Armee und der Staatsanwaltschaft zu entwickeln, um so die Verbrecher vor die Richter zu führen und sie im Prozeß zu besiegen. (…) Dank diesem Vorgehen sind in den Gefängnissen des Landes rund 2000 Personen inhaftiert, die angeschuldigt werden, Guerillagruppen anzugehören.“

Der Menschenrechtsbeauftragte des Präsidenten erklärte bei der gleichen Feier gegenüber der Presse: „Diese 2000 unter der Macht der Staatsanwaltschaft stehenden Personen sind die Kehrseite für die Verminderung der Fälle von Verschwindenlassen, Folterungen und außergerichtlichen Hinrichtungen.“

Es handelt sich also um eine bewußte Strategie der Regierung, den Krieg, der bis jetzt mit weltweit geächteten Mitteln geführt worden ist, ins Feld der Justiz zu verlegen. Und bei der Staatsanwaltschaft werden Vorgehensweisen des militärischen Kampfes eingeführt. (…)

Schmutziger Krieg der Justiz

Diese Übertragung des Krieges auf die Justiz ist bereits auswertbar. Es läßt sich sagen, daß die schmutzigen Methoden des Krieges zu schmutzigen Methoden der Justiz geführt haben, so zum Beispiel: Kauf von Zeugenaussagen, die als angeblicher Verrat präsentiert werden; Untersuchungsprozesse, die von der Armee manipuliert werden; die Schaffung eines spezialisierten Arms der Justiz mit geheimen Richter*innen, geheimen Zeug*innen und geheimen Beweisen; Haftbefehle aufgrund falscher, durch Geld erkaufter Aussagen; die Schaffung von unklaren Straftatbeständen, die der Willkür der Richter*innen Tür und Tor öffnen; Verlängerung der Haftdauer von Personen, gegen die keinerlei Beweise vorliegen; die Umwandlung des Prinzips der Annahme der Unschuld in das Prinzip der Annahme der Schuld.

Der renommierte Soziologe Alejandro Reyes Posada kommt zu folgendem Schluß: „Die Resultate sind klar sichtbar: Seit 1991 wurden 6500 Guerilleros verhaftet – nach der Schätzung des Oberkommandierenden der Armee gibt es in Kolumbien aber insgesamt nur 6000 Rebellen. Entweder gehört die Mehrheit der Inhaftierten nicht zur Guerilla, sonderrn zu dem unklaren Spektrum des sozialen Protests und der Volksorganisationen, oder die Guerilla hat die bemerkenswerte Fähigkeit, sich alle zwei Jahre durch neue Rekruten zu erneuern.“

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