Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 120 vom 22.11.1993
Inhalt
GUATEMALA
HAITI
ANMERKUNG: Die Mehrheit der Zitate und Hinweise können in dem Buch
KUBA
BRASILIEN
NICARAGUA
KOLUMBIEN
GUATEMALA
Präsident und Kongreß vereinbaren „Neustrukturierung des Staates“
(Guatemala, 16. November 1993, cerigua-POONAL).- Vertreter*innen der Regierung und des Kongresses haben am 16. November eine „Vereinbarung über die Neustrukturierung des Staates“ unterzeichnet. Beide Seiten schließen einen Pakt, um die Regierungsfähigkeit zu sichern und einigen sich auf Neuwahlen für das Parlament. Dieses wird dann über die Neubesetzung des Obersten Gerichtshof (CSJ) bestimmen.
Mit der Vermittlung der katholischen Bischofskonferenz Guatemalas (CEG) durch drei Bischöfe und nach fünf Verhandlungstagen kamen beide Staatsgewalten über eine Reihe von Verfassungsreformen überein. Sie erlauben nach Meinung der Unterzeichner, die politische und institutionelle Krise des Landes zu überwinden.
Überwindung der Staatskrise bleibt fraglich
Beide Seiten einigten sich auf folgende Punkte: „1) Dem Kongreßplenum den Text der Verfassungsänderungen, die wir gemeinsam ausgearbeitet haben, zur Abstimmung vorzulegen, 2) zur Abhaltung von Parlamentwahlen innerhalb der gesetzlichen Fristen aufzurufen, 3) der Verfassungsreform gemäß einen neuen Obersten Gerichtshof zu wählen, 4) die Verfassungsreformen einer Volksbefragung zu unterziehen, 5) die Parlamentstagesordnung festzulegen, um die aktuelle Legislaturperiode durchzuführen“.
Im sechsten Punkt verpflichtet sich die Regierung, „eine große nationale Übereinkunft zu suchen, um einen Pakt zur Regierungsfähigkeit zu erreichen“. Bevor er den Inhalt des Abkommens bekannt gab, sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Monseñor Gerardo Flores, daß er die Haltung der Kirche „als Dienst am Vaterland“ betrachte, „der weit über schmutzigen politischen Absprachen stand, um den Dialog zwischen der Regierungsgewalt und dem Parlament zu fördern.“
Hector Luna seinerseits, der Vorsitzende des Präsidentenbüros, bezeichnet das Abkommen als historisches Ereignis, „denn es erlaubt, einen sehr tiefgehenden interinstitutionellen Konflikt zu überwinden.“ Luna meinte, daß die vom Präsidenten vorgesehene Volksbefragung unnötig sein wird. An seiner Stelle wird das mit dem Parlament vereinbarte Referendum über die Verfassungsreformen stehen.
Verfassungsreform oder Erpressung
Von Francisco Molina (Guatemala, 10. November 1993, NG-POONAL).- Im politischen Streit zwischen Regierungschef und Kongreß fordern die Abgeordneten nun eine Verfassungsreform. Dies kann als Erpressung gegen den Präsidenten Ramiro De Léon Carpio betrachtet werden. Er soll verpflichtet werden, die sie direkt betreffende Volksbefragung zu suspendieren.
Das Bestehen des Regierungschefs auf der Befragung ist ebenfalls Erpressung. De León will die Situation nutzen, um die derzeitigen Abgeordneten abzusetzen (die mit Fug und Recht des Drogenhandels, Schmuggels und der Bestechlichkeit angeklagt werden) und ein ihm genehmes Parlament zu installieren.
Machtkampf zwischen Regierung und Parlament
Aber im Grunde handelt es sich schlicht um einen Kampf um die Macht. Sowohl der Regierungschef als auch der Kongreß repräsentieren vertreten wirtschaftliche Gruppen, die wiederum von Fraktionen der Streitkräfte unterstützt werden. Den rivalisierenden Gruppen geht es um die Verteilung des Staatsvermögens, denn mit der Privatisierung ist eine entscheidende Phase der neoliberalen Umgestaltung angebrochen.
Jeder führt die Verfassung an, um seine Sichtweise zu stützen. Es handelt sich nicht darum, die nationale Krise zu lösen, sondern wohl eher um eine auf lange Sicht entscheidende Kraftprobe.
Die vom Kongreß vorgeschlagenen Reformen zielen darauf ab, die Macht des Präsidenten zu unterminieren. De Léon Carpio schlägt Änderungen vor, die die Privelegien der Abgeordneten betreffen. Das Parlament schlug eine minimale Verkleinerung der Streitkräfte vor, revidierte diese Entscheidung jedoch unverzüglich, was ein Beleg dafür ist, beide Seiten die bestehende politische Struktur nicht verändern wollen.
Abtgeordnete wollen Kontrolle über Haushalt
Die Abgeordneten wollen eine stärkere Kontrolle über den Staatshaushalt erlangen, was die Regierung ablehnt. Sie strebt eine Reduzierung der Abgeordnetenzahl an und will die Kompetenzen der Abgeordneten beschneiden. Der Präsident ist dagegen, daß die Provinzgouverneure durch allgemeine Wahlen bestimmt werden und daß die Position eines Vizegouverneurs geschaffen wird.
Es gibt Übereinstimmung, die Verfahren gegen die in Verbrechen verwickelten Abgeordneten und Regierungsfunktionäre zu überprüfen, die sogenannte Währungsjunta (die beispielsweise über die Devisenpolitik entscheidet; die Red.) zu reformieren, die Banco de Guatemala (das „Pendant“ zur deutschen Bundesbank; die Red.) mit einem Kreditverbot an den Staat zu belegen und die Amtszeiten von Präsident und Parlament zu verkürzen.
Die Meinungsverschiedenheiten behandeln die aufzustellenden Regeln, die die Transparenz bei der Verwaltung des Staatshaushaltes garantieren und die verbieten sollen, daß Geld innerhalb des Budgets ohne Kontrolle umgeschichtet wird. In diesem Sinne wären Transaktionen unmöglich, die es erlauben, für die öffentliche Gesundheit vorgesehenes Geld zur Bezahlung der Auslandsschuld zu benutzen, wie es derzeit geschieht.
De Léon Carpio würde die Abschaffung der vertraulichen Ausgaben zugestehen, die immer geheim gehandhabt wurden. Dagegen akzeptiert er keine Erhöhung auf 10 Prozent (von derzeit 8 Prozent) des Budgetanteils für die Kommunen. Ebenfalls lehnt er ein Gesetz ab, das die Regierung verpflichtet, 10 Prozent der Steuern in der Provinz zu investieren, in der sie eingenommen wurden.
Es gibt Meinungsverschiedenheiten über die Funktionen des Öffentlichkeitsministers (Mischung aus Justiz- und Innenminister, d. Red.) und des nationalen Rechnungshofes. Wie zu sehen ist, wird an keiner Stelle das Haupthindernis für das Land, ein demokratisches System zu entwickeln genannt: die Militarisierung der Gesellschaft und daraus folgend die allgemeine Präsenz des Militärs im politischen und sozialen Leben der Nation.
Ohne dieses fundamentale Element für das Land zu behandeln, fehlt es jeder Verfassungsänderung an Konsistenz. Schwerer wiegt noch, daß die Lösung der nationalen Probleme weiterhin durch den Kuhhandel der Führungsspitzen geschieht. Ohne die entscheidende Beteiligung aller sozialen Sektoren wird es schwerlich eine neue Staatskonzeption geben, die zur Lösung der derzeitigen Krise führen wird.
Armee besetzt den Rückkehrort der Flüchtlinge
(Guatemala, 16. November 1993, cerigua-POONAL).- Nach Angaben der Ständigen Kommissionen (CCPP) der guatemaltekischen Flüchtlinge in Mexiko hat die guatemaltekische Armee einen Ort besetzt, in den Flüchtlinge aus Mexiko zurückkehren wollen. Die CCPP hatten mit der staatlichen guatemaltekischen Kommission für Repatriierte (CEAR), der mexikanischen Flüchtlingskommission (COMAR) und dem Flüchtlingskomissariat der Vereinten Nationen (ACNUR) vereinbart, daß 1844 Flüchtlinge am 22. November 1993 zurückkehren würden.
Die Armee Guatemalas weigert sich jedoch, die Militärkaserne in Tercer Pueblo, den Rückkehrort der Flüchtlinge, zu verlassen, wie die CCPP am 16. November informierten. Der Ort liegt im Zentrum der Ansiedlung Resurrección, Pueblo Nuevo in der Gemeinde Ixcán in der nordwestlichen Provinz Quiché. Die Organisation der Flüchtlinge weist darauf hin, daß die Streitkräfte die Abkommen verletzen, die die guatemaltekische Regierung 1991 und 1992 mit den CCPP und ACNUR unterschrieben hat. Darin wird bestimmt, daß die Flüchtlinge frei und ohne Druck ihren Rückkehrort aussuchen können. Die Rückkehr ins Land soll in Übereinstimmung mit dem zivilen und friedlichen Status der Flüchtlinge erfolgen.
Die CCPP forderten vom Militär ebenfalls, daß es die mit der CEAR am 12. Oktober unterzeichneten Vereinbarungen erfüllt. Darin wurde versprochen, daß, „wenn im Siedlungs- und Arbeitsgebiet eine Militärkaserne existiert“, die Regierung sich verpflichtet, Schritte zu ihrer Verlegung an einen anderen Ort einleitet. Die Flüchtlinge verlangen von Präsident Ramiro De Léon Carpio, daß er in seiner Eigenschaft als Befehlshaber der Streitkräfte den Rückzug des Militärs aus dieser Kaserne befiehlt. Denn mit dieser Haltung der Armee ist die vereinbarte Rückkehr in Gefahr (das Rückkehrdatum 22. November ist inzwischen verschoben worden; die Red.). Sie wiederholten jedoch, daß sie auf ihrer Landstücke zurückkehren werden.
HAITI
Paralellen zur US-Invasion von 1915
(Port-au-Prince, November 1993, HIB-POONAL).- Die aktuelle Situation in Haiti mit einem Dutzend Kriegsschiffen vor der Küste erwecken schlechte Erinnerungen an die Militärinvasion der USA im Jahre 1915 und die nachfolgend 19 Jahre dauernde Besetzung. Etwa 5.000 Personen starben damals im Kampf gegen die US-Marines und Tausende mehr kamen in den von den USA geleiteten Gefängnissen um.
Die Invasion von 1915 wurde sorgfältig vorbereitet und von Präsidenten, Kongressmitgliedern, Pressure Groups und Bankiers in der nordamerikanischen Presse befürwortet. Wie heute wurde die Opposition in Haiti durch eine breite Bewegung in der Bevölkerung unterstüzt, die von Charlemagne Peralte angeführt wurde. Auch in den USA gab es eine anti-interventionische Bewegung, die von der Presse wie beispielsweise der Zeitung „Nation“ und Gruppen wie der Nationalen Bewegung für den Vormarsch der Farbigen Personen (NAACP) geleitet wurde.
Haiti spaltete US-Regierung
Wie 1992 wurde die Angelegenheit von den politischen Parteien aufgegriffen, um sich zu profilieren. Während seiner Präsidentschaftskampagne griff der Republikaner Warren Harding die Marineinfanterie, die unter dem Befehl des demokratischen Präsidenten Woodrow Wilson stand mit den Worten an, sie würde „Haiti vergewaltigen“. Haiti spaltete auch die US-Regierung in zwei Lager: Interventionsbefürworter und „Anti-Imperialisten“.
Die Invasion von 1915 war Teil einer nordamerikanischen Strategie, die komplette Kontrolle in der Karibik und im Pazifik zu etablieren. Von 1867 bis 1915 annektierten, kauften oder besetzten die USA Dutzende von Inseln, Inselgruppen und Territorien wie zum Beispiel die Philipinen, Panama und Alaska. Sie wollten diese Gebiete jeglichem ausländischen Einfluß militärischer, wirtschaftlicher und ökonomischer Art entziehen.
Als 1914 der Panamakanal eröffnet wurde, reagierten die USA schnell, um sich drei strategische wichtige Orte zu sichern: Haiti, die Dominikanische Republik und die Holländischen Antillen. Die haitianische Intervention wurde 1914 vom Aussenministerium geplant, als nordamerikanischen Kriegsschiffe schon eine ständige Präsenz zeigten. Die „National City Bank“ spielte ebenfalls eine nicht unerhebliche Rolle als Unterstützerin dieses Vorhabens.
„National City Bank“ hatte 50prozentige Kontrolle über die haitianische Nationalbank
Der örtliche Vertreter der Bank war der Hauptratgeber der US- Regierung. Die 50prozentige Kontrolle, die die „National City Bank“ über die Nationalbank Haitis hatte, läßt den großen Einfluß, den sie auf die haitianische Regierung ausübte, erahnen. Auf Druck des Repräsentanten der „National City Bank“ wurden 1914 der haitianischen Regierung keine Gelder mehr ausgezahlt, der zudem eine Zollkontrolle verlangte.
Die so provozierte Wirtschaftskrise, wurde von politischen Unruhen begleitet, die in der Hinrichtung des Präsidenten Vilbrun Guillaume Sam gipfelten, der die Ermordung 167 politischer Gefangener befohlen hatte. Draufhin wurden seitens des Vertreters der „National City Bank“ Gerüchte geschürt, die über geheime deutsche „Pläne“ berichteten, was dann im Juli 1915 zum Befehl von Präsident Woodrow Wilson führte, Soldaten an Land gehen zu lassen. Nach ihrer Ankunft arbeiteten die USA daran, jeglichen europäischen Einfluß von Haiti zu verbannen. So wurde die Auslandsschuld Haitis auf die USA übertragen und die Begünstigungsklauseln für Frankreich aufgekündigt.
Deutschland hatte in dieser Epoche mehr Einfluß als andere Länder. Deutsche Geschäftsleute wurden für die politischen Unruhen verantwortlich gemacht, da sie Präsidenten unterstützten und „Revolutionen“ finanzierten. Als der erste Weltkrieg ausbrach, beschlagnahmten die USA das deutsche Eigentum (der offizielle Kriegseintritt der USA war erst am 6. April 1917; die Red.), sperrten 22 deutsche Bürger*innen ein und deportierten danach etwa 50 von ihnen. (Viele Deutsche überschrieben ihre Eigentümer damals ihren Ehefrauen. Daher kommt der Spruch „Die Deutschen sind gute Ehemänner“)
USA hatten anfänglich keine großen wirtschaftlichen Interessen
Die USA hatten wenig wirtschaftliche Interessen auf der Insel, aber sie hofften, ihren Einfluß durch die Ausnutzung der geringen Lohnkosten festsetzen zu können. Den Arbeitern zahlten sie damals 20 Cents für einen 12-Stundentag. „Wenn der Preis der Arbeitskraft künstlich erhöht würde“ so sagte ein Finanzberater 1930 (so wie es heute noch von der staatlichen US-amerikanischen Entwicklungsbehörde AID erklärt wird), „würde das Kapital dahin gehen, wo es die für sich günstigsten Bedingungen vorfindet.“
1918 gab die neue vom nordamerikanischen Aussenministerium geschriebene haitianische Verfassung zum ersten Mal seit 1804 Ausländer*innen das Recht, Land zu besitzen. Für die National City Bank und andere Investoren war die Invasion eine gewinnträchtige Angelegenheit. Während die übrigen lateinamerikanischen Länder ihre Schulden nicht bezahlten, zahlte Haiti zum Schaden der nationalen Entwicklungsprogramme regelmäßig an die Investoren. Der General Smedley D. Butler, der die Invasion leitete, sagte später, daß seine Anstrengungen nur den Bankern von der Wall Street geholfen hätten und daß seine Soldaten nur ausgenutzt worden wären.
Der letzte und unheilvollste Grund für die Intervention war es, die haitianischen Streitkräfte zu trainieren und auszurüsten, und damit in die lage gebracht wurden die US-Interessen zu schützen. Diese Motivation wiederholt sich in der für dieses Jahr geplanten „Professionalisierung“ des haitianischen Militärs. Die amerikanischen Soldaten gründeten somit die Gendarmerie d'Haiti und die haitianischen Streitkräfte, wie sie es auch in Nicaragua, auf Kuba und der Dominikanischen Republik gemacht hatten. Während der Besetzung leiteten die Marines diese Kräfte und entfachten einen Guerillakrieg gegen die nationalistische Caco-Bewegung von Peralte, die zwischen 30.000 und 40.000 Unterstützer*innen hatte.
Die örtlichen Soldaten wurden nicht gut ausgebildet, denn wie es ein US-amerikanischer Oberst einmal ausdrückte: „Einem Nigger mit einem Gewehr kann man niemals vertrauen“. Dennoch, die USA töteten Tausende, etablierten Militärbasen im Land und hinterließen eine Streitmacht, die fähig war, die nordamerikanischen Interessen zu schützen – und zwar durch die Tatsache, „eine Kraft hinter der Administration“ zu sein, wie es ein Oberst formulierte.
„Militärdiktatur ist keine schlechte Sache“ Der General John H. Russell, der Haiti während eines Jahrzehnts regierte, schrieb in seiner Biographie: „Eine Militärdiktatur für ein Land, in dem es die Demokratie noch nicht gibt, ist nicht notwendigerweise eine schlechte Sache.“ Seit dieser Zeit hat das haitianische Militär Ausbildung, Finanzierung, Uniformen und Waffen ausschließlich aus den USA erhalten.
Obwohl damals nur etwa 50 Bürger*innen der USA auf Haiti lebten, rechtfertigte die nordamerikanische Regierung die Intervention von 1915 dennoch mit der Begründung, sie sei verpflichtet gewesen amerikanische Leben und Eigentümer zu schützen. 1912 sprach ein Aussenminister der USA über „die Instabilität“ und „innere Unruhe“ des Landes. Nach der Invasion schrieb die New York Times, daß Haiti „von der Revolution und dem Gesetz der Straße geplagt“ war. Am 26. Oktober 1993 sagte der von Voice of America eingeladene Gast aus einem Studienzentrum, daß das Land im Falle einer Rückkehr Aristides vom „Gesetz der Straße“ regiert werden könnte.
Eine andere interessante Parallele: Der Mann, der 1915 Präsident geworden wäre, war der populäre Nationalist Dr. Rosalvo Bobo. Die USA beschrieben ihn als „von den Armen geliebt“, aber als „idealistisch und einen Träumer“ und „fast verrückt“. Darum installierten die Amerikaner einen anderen Präsidenten. Wenn sie heute wie 1915 über die Instabilität auf Haiti schreibt, bezieht sich die Presse immer auf die Gewalt der Streitkräfte und die Volksunruhen, als ob das nur Ergebnisse interner Faktoren wären. Niemals beschreibt sie die externen Gründe wie die deutschen Geschäftsleute, die „Revolutionen“ finanzieren, die Bankiers der USA, die Druck auf die Regierung ausüben oder kürzlich die US- Regierung, die die Duvaliers und die Streitkräfte unterstützte.
Eine weitere Rechtfertigung für die Interventionen, damals wie heute, war die Notwendigkeit, die Landarbeiter*innen zu schützen und ihnen zu helfen. Wie einer der Marinekommandanten sagte, sind sie „in einem Zustand, der der Sklaverei gleicht zum Nutzen einiger weniger“. Diese Sprache ist der aktuellen ähnlich, wenn von „einer moralisch abstoßenden Elite“ gesprochen wird. Die nordamerikanischen Offiziellen sprachen auch 1915 von humanitären Absichten, um „die Mangelsituation zu lösen“.
Anstatt den Landarbeiter*innen zu helfen, festigte die Invasion von 1915 die Macht in den Händen ausländischer und lokaler Geschäftsleute. Eine heutige Invasion wird das gleiche Ergebnis haben: ausländische Unternehmen bei der Beherrschung der lokalen Wirtschaft unterstützen und Millionen von Dollar an „Hilfe“ geben, die durch die Hände derjenigen geht, die den Staatsstreich unterstützten. 1915 wie heute sagte die Regierung der USA, sie wolle ein „schwarzes Land erster Klasse“ schaffen und, wie es Wilson ausdrückte, die Welt „sicherer für die Demokratie“ machen. Sie sagten, daß wäre möglich, indem Straßen, Brücken, Schulen und Hospitäler gebaut werden. Aber die ausgewählten Projekte und die schlechte Qualität der Arbeit beweisen, daß die USA nicht an einer wirklichen Entwicklung interessiert waren.
Zwangsarbeit oder ganz niedrige Löhne benutzend, konstruierten die Marines mehr als 1.000 Meilen Strasse, aber weniger als fünf Meilen davon waren gepflastert. Der Rest verkam schnell. Sie bauten auch 11 Krankenhäuser, 210 Brücken, einige Vorzeigeschulen und mehr als 1.250 Meilen Telefonleitungen. Alles, um die Kontrolle und eine komplette nordamerikanische Vorherrschaft über alle Aspekte des haitianischen Lebens zu haben und aufrechtzuerhalten. In den 50er Jahren war die Mehrheit dieser Einrichtungen in einem sehr schlechten Zustand.
USA setzten Militärs an die Spitzen der Gemeinden
Die USA schädigten auch die lokalen Einrichtungen, als sie Soldaten als Chefs aller haitianischen Behörden einsetzten. Die nordamerikanischen Bankiers leiteten die wenigen Geldmittel ihren amerikanischen Investoren zu. Der tiefe Rassismus im gesamten nordamerikanischen Personal vereitelte es, mit den haitianischen Gegenübern in der Regierung auf einem Niveau der Gleichheit zu arbeiten.
Obwohl die Marines 1934 das Land verließen, haben die USA während sechs Jahrzehnten einen starken Einfluß in den Streitkräften und den wirtschaftlichen und politischen Angelegenheiten behalten. Sie finanzieren Politiker, bewaffnen Mörder und verkaufen die haitianische Arbeitskraft zu einem ganz billigen Preis.
ANMERKUNG: Die Mehrheit der Zitate und Hinweise können in dem Buch
„The United States Occupation of Haiti, 1915-1934, Hans Schmidt,
Rutgers 1971″ gefunden werden. Auch ein Artikel von Catherine
Orenstein in „Lies of Our Times, November 1993“ war uns nützlich.
KUBA
Städtepartnerschaften helfen, die Blockade zu überleben
(Havanna, 15. November 1993, Prensa Latina-POONAL).- Die Städtepartnerschaften mit 51 Städten aus Lateinamerika und der übrigen Welt tragen dazu bei, der nordamerikanischen Blockade zu widerstehen. Dies bekräftigte der Bürgermeister von Havanna, Pedro Chavez, am Vorabend der Gedenkfeier zum 474. Jahrestag der Gründung Havannas.
Dieser Art von besonderen Beziehungen gibt die Provinzregierung eine große Bedeutung. „Sie gehen über die politischen Grenzen hinaus und drücken sich außerdem in der materiellen Unterstützung aus, die das Land in diesen Momenten so dringend braucht“, sagte er. Chavez erinnerte daran, daß die Hauptstadt in einem so sensiblen Bereich wie dem Transportwesen mehr als 400 Busse geschenkt bekam – hauptsächlich aus Spanien, Italien und Kanada. Außerdem erhielt die Stadt 1.500 Müllwagen (Havanna braucht 20.000 und hat nur 3.500), Abfallkontainer und Ersatzteile für verschiedene Autotypen.
KUBA
Die iberoamerikanischen Gemeinden unterstützen Kuba
Von Raimundo Lopez
(Havanna, 16. November 1993, Prensa Latina-POONAL).- In den Kommunen Lateinamerikas, der Karibik, Spanien und Portugals findet Kuba Unterstützung, um die schlechte Wirtschaftskonjunktur zu überwinden und die nordamerikanische Blockade gegen die größte der Antilleninseln zu überstehen. Mehr als 200 Vertreter*innen aus 15 Ländern dieser Regionen drückten diesen Willen in einer Deklaration am Ende eines Treffens für die Zusammenarbeit und Solidarität der iberoamerikanischen Kommunen mit Havanna aus, das am 11. November endete.
„Wir möchten, daß es nicht bei dieser Geste bleibt, sondern daß sie sich in eine wirkliche Zusammenarbeit umsetzt“, sagte der Präsident der Iberoamerikanischen Organisation für Interkommunale Zusammenarbeit (OICI), der Spanier Tomas Rodriguez Bolanos gegenüber Prensa Latina. Die OICI, 1938 in dieser Hauptstadt gegründet, hatte die Schirmherrschaft über die Veranstaltung übernommen. Diese fand im Rahmen der Feiern zum 474. Jahrestag der Gründung von San Cristobal de La Habana durch die spanischen Eroberer statt und war die Hauptaktivität (Der Ort San Cristobal de La Habana wurde am 16. November 1519 gegründet. Unter seinen historischen Überresten befindet sich die älteste koloniale Festung Amerikas, das „Castillo de la Real Fuerza“).
Wir müssen Sprecher*innen Kubas sein“
„Wir müssen von hier mit der Absicht weggehen“, so Rodriguez Bolanos während des Gesprächs, „uns in Sprecher*innen Kubas zu wandeln. Wir müssen die Pressure Groups bilden, die unsere Staaten für die Zusammenarbeit mit Kuba sensibilieren können. Die Austauschmechanismen zwischen den Kommunen und den zahlreichen Städtepartnerschaften darunter müssen verstärkt werden.“ Diese Absichten fanden Platz in der Abschlußerklärung des Treffens.
Im Dokument heißt es: „Diese Entscheidung wird – gemeinsam mit der Bevölkerung Havannas – dazu beitragen, die Schwierigkeiten zu überwinden, die die aktuelle internationale Konjunktur verursacht.“ Der Text unterstützt die Vorstellung des Dritten Iberoamerikanischen Gipfels vom Juli in Brasilien, alle einseitige Anwendung von Wirtschafts- und Handelsmaßnahmen durch irgendeine Nation gegen einen anderen Staat aufgrund politischer Ziele abzuschaffen.
Der Bürgermeister von Havanna, Pedro Chavez, dankte den iberoamerikanischen Gemeinden für die Entscheidung. Er hob auch die Rolle dieser Instanzen bei der Stärkung der Verbindungen zwischen den Ländern dieser Regionen hervor. „Es fehlen viele für die Bevölkerung notwendige Dinge, aber es gibt genug Mut und Willen, die nationale Souveränität und die im Laufe der drei letzten Jahrzehnte erreichten sozialen Eroberungen zu verteidigen“, führte er aus. Er versicherte gleichzeitig, daß die iberoamerikanischen Gemeinden, die 300 Millionen Bewohner*innen einer Kultur mit gemeinsamen Wurzeln vereinen, eine mächtige Kraft bilden können, die dazu beiträgt, die nationale Unabhängigkeit und den Frieden zu garantieren.
Sowohl Chavez als auch Rodriguez Bolanos forderten eine stärkere Rolle für diese Regierungsinstanzen. „Die iberoamerikanischen Städte und Gemeinden werden jedes Mal größere Befugnisse und eine Vorreiterrolle in der Geschichte unserer Länder erlangen“, meinte Chavez. „Denn sie sind näher an den Bürger*innen, sie sind es, die direkt auf ihre Bedürfnisse und die Verwirklichung ihrer Hoffnungen antworten.“
Die Bürgermeister*innen, Ratsmitglieder und andere Persönlichkeiten der iberoamerikanischen Kommunen kamen auch darin überein, im November nächsten Jahres ein ähnliches Treffen durchzuführen, um den in Havanna angenommenen Vereinbarungen, die Zusammenarbeit mit Kuba zu erhöhen, Kontinuität zu geben.
BRASILIEN
Gründung einer Koordination der Volksbewegungen
Von Frei Betto
(Belo Horizonte, 25. Oktober 1993, Alai-POONAL).- In Belo Horizonte wurde auf dem Ersten Brasilianischen Kongreß der Volksbewegungen vom 28.-31. Oktober die Zentrale der Volksbewegungen gegründet. Brasilien ist eines der Länder, daß die größte Zahl an Volksbewegungen hat. In allen Teilen des Landes gibt es Land-, Wohnungs-, Schwarzen-, Frauen-, Umwelt-, Kooperativen-, Straßenkinder-, Gesundheits-, Stadtviertel-, Bildungs-, Behinderten-, Produktions- und Konsumbewegungen (letztere im Schneiderei-, Wäscherei- und Bäckereigewerbe usw.).
Die Entstehung der Zentrale ist der Höhepunkt einer 13jährigen Mobilisierung der Basis. 1980 gründete in Joao Monlevade eine Gruppe von Gewerkschafter*innen und Aktivist*innen der Volksbewegungen den Nationalen Bund der Volks- und Gewerkschaftsbewegungen (ANAMPOS). Es war eine überpartliche Instanz, der Führer*innen von verschiedenen brasilianischen Parteien angehörten (PT, PDT, PMDB, PSB und PCB). Die Konjunktur erforderte, daß der Bund sich mehr der Gewerkschaftsarbeit annahm. Nach der Spaltung der Gewerkschaftsbewegung, die im Februar 1983 in Praia Grande mit der Gründung der CGT stattfand, konzentrierte ANAMPOS die Anstrengungen auf einen Kongreß, aus dem im August des selben Jahres in San Bernardo del Campo der Gewerkschaftsverband CUT hervorging. Darum ist es nicht übertrieben, zu sagen, daß der CUT eine Tochter von ANAMPOS ist.
Seitdem widmete sich ANAMPOS der Volksbewegung, löste sich aber 1989 auf einem Kongreß in Belo Horizonte auf. Aus diesem ging jedoch die vom aus einer Wohnungsorganisation aus San Bernado del Campo herkommenden José Albino de Melo angeführte Bewegung für eine Zentrale der Volksbewegungen (Pro Central de Movimientos Populares) hervor. Im Laufe der letzten vier Jahre konnte sich diese Bewegung in 18 Bundesstaaten organisieren und versammelte Organisationen, die an der Gründung der Zentrale interessiert waren.
Volksbewegungen sollen autonom, überparteilich und religiös ungebunden sein
Falls der Kongreß, an dem mehr als 1.000 Vertreter*innen der Volksbewegungen aus ganz Brasilien teilnehmen, nichts anderes bestimmt, werden nach den Vorstellungen der Pro Central als Volksbewegungen diejenigen angesehen, die autonom und überparteilich sowie religiös ungebunden sind. Das heißt: Gewerkschaftsbewegungen (die schon ihre Zentralen besitzen), mit privaten und öffentlichen Unternehmen verbundene Bewegungen und die Basisgemeinden der Kirchen (die keine Autonomie haben, weil sie von den Bischöfen abhängen) bleiben außen vor (leider lagen der Redaktion bei Veröffentlichung dieses Artikels noch keine Information über die tatsächlichen Beschlüsse des Kongresses vor).
Das Ziel der Zentrale der Volksbewegungen ist es nicht, die Bewegungen zu vereinheitlichen. Es sollen gemeinsame Plattformen geschaffen werden, damit alle sich unter der selben Fahne versammeln können. So soll vermieden werden, daß beispielsweise die Frauen aus Fortaleza im Kampf für Kindergärten gegen Frauen in Sao Paulo, die für höhere Löhne kämpfen, ausgespielt werden. Es ist auch wichtig, daß es eine Kommunikation zwischen den verschiedenen Bewegungen gibt. So daß beispielsweise der Kampf der Schwarzen von Bahia mit dem Kampf der Straßenkinder verknüpft wird. Die Umweltbewegung von Rio Grande do Sul muß über die Forderungen der Yanomamis aus dem Amazonasgebiet auf dem laufenden sein.
Mit der Gründung der Zentrale können die Volksbewegungen besser der Vereinnahmung durch die Staatsgewalt, der Vereinnahmung (empleismo) ihrer Führer*innen und der Neutralisierung ihrer Aktivitäten widerstehen. Zusammen werden sie ihren Forderungen (Wasser, Strom, Land, Wohnung usw.), ihren Anklagen (Menschenrechte, Umweltschutz, Ausübung der öffentlichen Macht, usw.), ihrer Solidarität (mit den Indígenas, mit den Behinderten, mit den souveränen Nationen, usw.) und der Eroberung der wirklichen, auf der Volksmacht begründeten Demokratie Nachdruck verleihen.
NICARAGUA
Bananenproduktion vor dem Kollaps
Von Michele Faure und Helene Roux
Vor 18 Monaten wurde die nicaraguanische Bananenproduktion privatisiert – jetzt steht sie kurz vor dem Kollaps. Eines der Symbole der Nicaragua-Solidarität, die „Nica-Banane“, wird nicht mehr exportiert. Zwischen 1990 und 1992 ist die Produktion von 6,2 Millionen Kisten auf 3,4 Millionen zurückgegangen.
„Symbol für Unabhängigkeit und Selbstbestimmung“
Früher waren die Bananen für uns das Symbol der Abhängigkeit, der Armut und der Unterdrückung. Hetzt sind sie das Symbol unserer Unabhängigkeit und Selbstbestimmung.“ So hatte 1988 der damalige Direktor der staatlichen Vertriebsgesellschaft BANANIC erklärt. Unter Somoza standen Anbau und Export von Bananen unter der Kontrolle der Standard Fruit Company. Auch während der sandinistischen Regierungszeit gehörte das Plantagenland privaten Grundbesitzern, doch verstaatlichte die Regierung die Produktion und den Vertireb der Bananen. Das Bananengeschäft war – wie viele andere Dinge – für die sandinistische Regierung – Neuland und erforderte große Anstrengungen, um fehlende Erfahrung und Mittel auszugleichen. Das US-Wirtschaftsembargo versperrte ab 1985 den Nica-Bananen den traditionellen und nächstgelegenen Markt. Es gelang jedoch, den Verkauf nach Europa zu verlagern.
Nach dem Wahlsieg der UNO im Jahr 1990 forderten die Grundbesitzer die Privatisierung von Produktion und Vertrieb. Nach schwierigen Verhandlungen zwischen Regierung, Grundbesitzern und der LandarbeiterInnenvereinigung ATC wurde im November 1991 ein Abkommen geschlossen, das für die Plantagenarbeiter*innen relativ günstig war: Sie bekamen das Kaufrecht für 25 Prozent der Produktion und 25 Prozent der Vertriebsgesellschaft zugestanden. Die Privatisierung zeigte jedoch bald die negativen Folgen für die Arbeits- und Lebensbedingungen der 4400 Plantagenarbeiter*innen.
Frühkapitalistische Privatisierung
Die Plantagenbesitzer*innen mißachteten in zunehmendem Maß die Tarifverträge, die in den 80er Jahrren zwischen der Regierung und den Beschäftigten geschlossen worden waren. Als Begründung führten die Besitzer*innen den Produktionsrückgang an. Sozialleistungen wie kostenloser Transport der Arbeiter*innen wurden vollständig abgeschafft. Die ATC ist zu einem ständigen Kampf für die Rechte der Beschäftigten gezwungen. Von den 15 Plantagenbesitzer*innen in Nicaragua haben sieben, die als verhandlungswillig gelten, zugesichert, den in der sandinistischen Regierungszeit eingerichteten kostenlosen Gesundheitsdienst auf den Plantagen zu erhalten. Dennoch gibt es auch hier Probleme. Guadalupe Donaire, die Direktorin der ATC-eigenen gynäkologischen Klinik in Chinandega, beklagt, daß Krankschreibungen oft nicht anerkannt werden, besonders wenn sie von der ATC-Klinik stammten.
Einige Privatbesitzer*innen zeichnen sich besonders durch die Mißachtung der Arbeits- und Menschenrechte aus. Das trifft zum Beispiel auf den Vorsitzenden des UnternehmerInnenverbandes COSEP, Ramiro Gurdián, zu, der den Arbeiter*innen nur den Gegenwert 28 Dollarn zahlt, während die meisten Plantagenarbeiter*innen in Nicaragua 52 Dollar verdienen. Auf seiner Plantage La Candelaria entließ Gurdián im April 1992 widerrechtlich 130 Beschäftigte. Zu den Gekündigten gehörte die gesamte ATC-Leitung. Im Februar 1993 entschied ein Gericht, daß die Entlassungen zurückgenommen werden müßten. Jetzt befindet sich das Verfahren auf Antrag von Guurdián in der Berufung.
Gewerkschaft in der Defensive
Das erste Jahr nach der Privatisierung war von Streiks der Plantagenarbeiter*innen gekennzeichnet, dann standen diezunehmende Produktionskrise und die Angst vor der Arbeitslosigkeit im Bordergrund. Die Entlassungen, die vor allem Mitglieder der ATC betrafen, bewirkten die Auflösung der Betriebsgewerkschaften in drei der 15 Plantagen. Auißerdem wurden die entlassenenen Arbeiter*innen meist durch neue ersetzt, die kein Anrecht auf die 25-prozentige Beteiligung haben. Ihre Arbeitsverträge sind zeitlich begrenzt. Um ihre Arbeit zu behalten, ziehen sie es 'vor, bei Arbeitskonflikten eine vorsichtige Neutralität zu bewahren. Aber trotz alledem sind noch 80 Prozent der Beschäftigten in der ATC organisiert.
Die Plantagenbesitzer*innen klagen über unzureichende Hilfe von Seiten des Staates. Die ATC ihrerseits erklärt, die Plantagen wurden schlecht verwaltet. Arbeiter*innen seien aus politischem Revanchismus entlassen worden. Die besten Fachkräfte seien offtmals entlassen worden, weil sie der sandinistischen Gewerkschaft angehörten.
Nachdem Nica-Bananen einige Zeit lang noch in einige Mittelmeerländer und nach Polen exportiert wurden, hat Nicaragua nun den Bananenexport völlig eingestellt. Dieses Aus für die Exporte kam, als Produzenten in Kolumbien den Vertrag mit Nicaragua über die gemeinschaftliche Vermarktung der Bananen kündigten. Die Kolumbianer*innen füchteten, die gesunkene Qualität der nicaraguanischen Bananen könnte sich negativ auf ihre eigenen Geschäfte auswirken, denn alle Bananen wurden laut Vertrag unter der gleichen Marke vertrieben. Rund 1000 Frauen, die mit dem Versand der Nica-Bananen beschäftigt waren, haben ihre Arbeit verloren – auf dem Spiel stehen aber noch weitere 4400 Arbeitsplätze auf den Plantagen in den Departments Chinandega und León.
KOLUMBIEN
Postgewerkschafter freigelassen, Bürgermeisterinnen verhaftet
(Bogotá, 9. November 1993, AC.POONAL).- 13 Postgewerkschafter sind
nach neun Monaten Untersuchungshaft und eineinhalb Jahre nach Prozeßbeginn wieder freigelassen worden. Am 2. November ordnete der Staatsanwalt an, die Techniker und Ingenieure des staatlichen Fernmeldeunternehmens Telecom auf freien Fuß zu setzen. Die Arbeiter waren im April 1992 nach einer Protestaktion gegen die geplante Privatisierung des Staatsunternehmens verhaftet worden.
Die Staatsanwaltschaft distanzierte sich von ihrer ursprünglichen Beschuldigung, die Postgewerkschafter hätten „Akte des Terrorismus“ begangen. Die Staatsanwalt erhob nun jedoch Anklage gegen die Gewerkschaftsfunktionäre wegen „Störung der Kommunikation“.
Der Verteidiger der Angeklagten, Eduardo Umaña Mendoza hat die Freilassung der Inhaftierten beantragt. Seiner Meinung nach sind die Straftaten, die die Ankläger den Postgewerkschaftern vorwarfen, längst verjährt. Drei Angeklagte traten daraufhin in den Hungerstreik, denn es sei „Absurd, daß wir eineinhalb Jahre nach Beginn der Untersuchungen weiterhin inhaftiert sind, obwohl sogar die Staatsanwaltschaft sagte, daß sie keine terroristischen noch andere Delikte feststellen kann. Nun haben sie nur noch die Möglichkeit, andere Delikte zu erfinden“, sagte Gonzalo Díaz, der Präsident der Vereinigung der Telecom.
Der Fall Telecom rief eine breite Solidarität eines traditionell dem Staat nicht oppositionell gegenüberstehenden Sektors ins Leben. Viele spendeten einen Teil ihres Lohnes, damit die Gerichtskosten bezahlt werden konnten. Der Verteidiger selbst stellte sein Honorar den 13 betroffenen Familien zur Verfügung. Verschiedene Gewerkschaften und Menschenrechtsgruppen solidarisierten sich.
Die Freilassung der Postgewerkschafter ist ein großer Triumpf für die Volksbewegungen ist. Auf der anderen Seite darf dieser Erfolg nicht darüber hinweg täuschen, daß die Kriminalisierung des sozialen Protests unvermindert anhält. Vor allem in ländlichen Gebieten sind Oppositionelle heftiger Repression ausgesetzt. Ende Oktober wurde Juan Manuel Mogollón, der Bürgermeister der Gemeinde Saravena im Department Arauca verhaftet und von der Staatsanwaltschaft als „Helfer der Guerilla“ angeklagt. Die Bewohner*innen der Gemeinde reagierten am 3. November mit einem Generalstreik auf die Festnahme ihres Bürgermeisters.
Der „Rebellion“ und „Unterstützung der Guerilla“ angeklagt
Ebenfalls am 3. November wurden die Bürgermeisterin von Arauquita (ebenfalls im Department Arauca), Elsa Rojas de Fernández, und die ehemalige Gemeindevorsteherin Amparo López Quitián verhaftet. Ihnen wird vom militärischen Strafankläger „Rebellion“ und „Unterstützung der Guerilla“ vorgeworfen. Elso Rojas wurde am 3. November in ihrem Büro verhaftet. Sie ist seit 8 Jahren Bürgermeisterin, zuvor war sie Kongreßabgeordnete der Unión Patriotica. Die beiden Politikerinnen wurden auf Anordnung der Staatsanwaltschaft nach Cúcuta, die Hauptstadt des Departments Norte de Santander, gebracht und dort inhaftiert.
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