Poonal Nr. 072

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 72 vom 30.11.1992

Inhalt


GUATEMALA

URUGUAY

HAITI

KUBA


GUATEMALA

Serie von Morden an Kindern und Jugendlichen

(Guatemala, 23. November 1992, Cerigua-POONAL).- Am 13. November haben sich in der Hauptstadt Guatemala eine Gruppe von Müttern versammelt, um von der Polizei die Befreiung ihrer minderjährigen Kinder zu fordern, die diese willkürlich auf der Straße festgenommen hatten. Vor der obersten Justizbehörde beschuldigten sie die Polizei, die Papiere der Kinder und Jugendlichen beschlagnahmt und sie anschließend zerrissen zu haben. Sie sehen darin eine Verletzung der Menschenrechte ihrer Kinder.

Schülerinnen werden entführt, vergewaltigt und ermordet

In der Stadt Mazatenango südwestlich von Guatemala-Stadt wandte sich ein Dutzend Mütter an die Behörden, um die Entführung ihrer Kinder im Alter von zwei bis zehn Jahren anzuzeigen. Weiterhin liegen Anzeigen über die Entführung und Vergewaltigung minderjähriger Schülerinnen vor. Diese waren an den Ausgängen ihrer Schulen oder in deren Nähe entführt und vergewaltigt worden, viele wurden später ermordet aufgefunden. Sämtliche Verbrechen haben eines gemeinsam: Die Täter blieben bislang ungestraft. Und in den meisten Fällen gibt es deutliche Hinweise, daß Angehörige von Armee und Polizei in die Fälle verwickelt sind. Die Verbrechen an Kindern und Jugendlichen haben bei den Minderjährigen selbst und bei den Eltern große Angst hervorgerufen. Sie sehen sich gezwungen, ihre Kinder nicht mehr auf die Straße zu lassen. Zumal Kinder und Jugendliche weiteren Gefahren ausgesetzt sind: Entführungen, Kinderhandel und Zwangsrekrutierungen durch das Militärs. Um seine Reihen zu füllen, nimmt das Militär die Jugendlichen an den Ausgängen von Stadien oder Vergnügungszentren fest. In den letzten zwei Monaten hat sich die Gewalt gegen die Heranwachsenden zu einer regelrechten Mordwelle entwickelt. Wie die Presse berichtete, gab es in den ersten vierzehn Tagen dieses Monats 22 Morde an Kindern zwischen zwei und vierzehn Jahren. Bislang wurden von offizieller Seite keinerlei Untersuchungen eingeleitet. Die Attentate an den Kindern wurden der Presse zufolge vorwiegend von „unbekannten Männern“ begangen. Sie fuhren in Autos ohne Nummernschilder und schossen aus ihren Wagen mit Maschinengewehren auf die Opfer, die in den Gärten oder auf den Bürgersteigen vor ihren Häusern, zum Teil in Gegenwart ihrer Eltern, spielten. In anderen Fällen drangen Männer mit Kapuzen über den Köpfen oder Unbekannte in die Häuser ein und die Kinder um, ohne daß die Motive zu erkennen waren. Einer der Fälle, die die guatemaltekische Bevölkerung am meisten bewegt und in Schrecken versetzt hat, war der Fund der Leiche eines zweijährigen Babys mit eindeutigen Folterspuren. Die Leiche wurde vor einigen Monaten an der Landstraße nach Antigua Guatemala-Stadt gefunden.

Der Staat bleibt untätig, die Täter ungestraft

Ein weiterer erschütternder Fall ist der des zehnjährigen Selvin Rodríguez Argueta, der im Haus seiner Eltern spielte, als ein Killerkommando eindrang und ihn vor den Augen seiner Mutter mit Maschinengewehren erschossen. Die Gründe für die Tat sind nicht bekannt. Angesichts der Zunahme der Delikte gegen Minderjährige fordern nun auch offizielle Stellen die Bestrafung der Täter, doch blieb es bislang bei bloßen Lippenbekenntnissen. Regierung und Staatsanwaltschaft zeigen sich nach wie vor untätig gegen den Terror. Die Straffreiheit ist weiterhin ein unüberwindbares Hindernis für die Rechtsprechung. Selbst der guatemaltekische Präsident Jorge Serrano mußte zugeben: „Gegenüber der Straffreiheit sind meine Hände gebunden.“

Hindernisse bei der Rückkehr der Flüchtlinge

(Guatemala, 24. November 1992, NG-POONAL).- Vor zehn Jahren flohen tausende von Guatemaltek*innen, vorwiegend Indígenas, nach Mexiko, um den grausamen Massakern zu entgehen, die das Militär unter der verarmten und verschreckten Bevölkerung anrichtete. Seit fünf Jahren kämpfen die Flüchtlinge in Mexiko für ihre Rückkehr nach Guatemala. Vor über drei Jahren formulierten Bedingungen, die eine sichere und würdige Rückkehr garantieren sollten. Unter anderem forderten sie eine organiserte, kollektive Rückkehr, die von internationalen Organisationen überwacht werden sollte. Zudem forderten sie Sicherheitsgarantien von der guatemaltekischen Regierung sowie die Zusicherung, daß sie in ihre Heimatdörfer zurückkehren könnten und ihre Ländereien wiederbekommen. Mit diesen Bedingungen wandten sie sich an die Nationale Versöhnungskommission (CNR), eine guatemaltekische Einrichtung, die aus dem regionalen Friedensprozeß durch die zentralamerikanischen Abkommen von Esquipulas hervorgegangen ist.

Durchbruch nach Jahren der Stagnation

Im Oktober dieses Jahres schien nach Jahren der Stagnation in den Verhandlungen endlich ein Durchbruch gelungen. Die Regierung akzeptierte die Bedingungen der Flüchtlinge für die Rückkehr. Doch in einer Stellungnahme vom 21. November beklagen die Ständigen Kommissionen der Flüchtlinge (CCPP), die Spezialkommission für Rücksiedler (CEAR) der guatemaltekischen Regierung versuche, die schriftlich fixierten Verpflichtungen zu umgehen. „Die Ständigen Kommissionen haben seit Beginn der Gespräche mit der Regierung Offenheit und Flexibilität signalisiert; aber unter Beachtung der Würde, die uns als guatemaltekischen Bürger*innen zusteht,“ erklärt das Kommuniqué der Ständigen Kommissionen. Die Flüchtlinge hatten bereits vor einem halben Jahr zurückkehren wollen, mußten den Termin jedoch verschieben, da die Regierung die Rückkehr blockierte. Und auch nach der Unterzeichnung eines Abkommens versucht sie, die Rückkehr zu hintertreiben. So zeigt sie sich nicht einverstanden mit der Route, die die Flüchtlinge vorschlugen oder gibt nur vage Andeutungen, wie sie die Sicherheit der Rückkehrer schützen will oder wie das Landproblem gelöst werden kann.

Rückkehr im Januar trotz bestehender Probleme

Trotz weiterhin bestehender Probleme wollen die Flüchtlinge am 13. Januar in ihre Heimat zurückkehren. Die Vertriebenen „können nicht mehr länger warten“, heißt es in der Erklärung der Ständigen Kommissionen. Die Flüchtlinge fürchten, daß die Streitkräfte trotz der bestehenden Abkommen in den Gemeinden intervenieren und ihre Sicherheit bedrohen wird, wenn sie erst einmal in Guatemala sind. Die Ständigen Kommissionen versichern, daß „die fundamentalen Rechte der Flüchtlinge nicht angetastet werden dürfen,“ insbesondere das Recht auf Versammlungsfreiheit, auf Leben, körperliche Unversehrtheit und das soziale Zusammensein. Diese Bedingungen sollen die repressiven Kräfte daran hindern, den prominenten Mitgliedern der Gemeinschaften, die zurückkehren werden, nach dem Leben zu trachten.

URUGUAY

Volksabstimmung über die Privatisierung

(Ecuador, November 1992, alai-POONAL).- Am 20. Dezember wird die Bevölkerung Uruguays in einer Volksabstimmung über die Privatisierung von Staatsunternehmen abstimmen. Es wird nicht ausgeschlossen, daß die Pläne der Regierung, den Staat aus der Wirtschaft weitgehend zurück zu ziehen, einen derben Dämpfer erhalten. In dem Referendum wird die Bevölkerung über ein umstrittenes Gesetz befinden, das die Grundlage der Privatisierung bildet. Mit dem hauchdünnen Vorsprung von nur einer Stimme hatte das Parlament im September des vergangenen Jahres den Entwurf verabschiedet. Hatnäckig hielten sich Gerüchte, daß Abgeordnete bestochen wurden, damit sie für das Privatisierungsgesetz stimmten. Denn vor der Abstimmung zeichnete sich eine klare Mehrheit gegen die Regierungspläne ab. Ein Flügel der Regieruungskoalition, der zuvor vehement gegen das Gesetz polemisiert hatte, schwenkte jedoch in letzter Sekunde um.

Referendum im zweiten Anlauf durchgesetzt

Für eine Volksabstimmung hatte sich das Linksbündnis „Frente Amplio“ sowie eine Gruppe von Abgeordneten, Bürgermeister*innen und Gewerkschafter*innen eingesetzt, die sich gegen den Verkauf von Staatsbetrieben aussprechen. Um eine ein Referendum duchzuführen, müssen zunächst 40 000 Unterschriften vorgelegt werden. Dann müssen sich in einer Abstimmung mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten – das sind in Uruguay rund 580 000 Wähler – für die Volksabstimmung aussprechen. Im ersten Anlauf am 5. Juli dieses Jahres verfehlten die Privatisierungsgegner die Marge um 100 000 Stimmen. Interne Streitigkeiten und Querelen hatten die Mobilisierung behindert. Beim zweiten Urnengang stimmten dann jedoch über 30 Prozent für eine Volksabstimmung über die Privatisierungspolitik der Regierung – im Vergleich zur Beteiligung an Parlamentswahlen eine erstaunlich hohe Quote. Die zweite Befragung fand in einem durch Empörung und Wut gereizten Klima statt. Berichte über die Auswirkungen der Privatsierung in Argentinien, wo Massenentlassungen und Korruptionsskandale für negative Schlagzeilen sorgten, heizten die Atmosphäre an. Die Regierung geriet zudem unter Beschuß, da mehrere Fabriken aufgrund des gemeinsamen Marktes mit Argentinien, Brasilien und Paraguay (Mercosur) schließen mußten, wodurch viele Menschen ihre Arbeitsstellen verloren.

Die Optionen: Stop oder Korrektur der Privatisierungspolitik

Sowohl im Juli als auch im Oktober standen der Bevölkerung zwei Möglichkeiten zur Wahl: Sollte in der Volksabstimmung nur über eine teilweise Aufhebung des Privatisierungsgesetzes befunden werden – eine Position, die von der Kommission für die Volksabstimmung unterstützt wurde -, oder sollte über die völlige Annullierung des Gesetzes abgestimmt werden, was vor allem die Gewerkschaft der höheren Angestellten in der staatlichen Luftfahrtgesellschaft „Pluna“ lautstark forderte. 97 Prozent derer, die im Oktober für die Volksabstimmung stellten die Privatisierung nicht grundsätzlich in Frage, sondern wollten nur verschiedene Artikel streichen. Unter anderem sollen die Befugnisse der Exekutive beschnitten werden. Außerdem wird der Verkauf der staatlichen Telefongesellschaft ANTEL verhindert werden, die als Modellunternehmen für die Privatisierungen fungiert und die bereits zum Teil in private Hände gegangen ist. Mit dem Angebot von zwei verschiedenen Positionen (völlige oder teilweise Aufhebung) versucht die Regierung offensichtlich, die oppositionellen Kräfte in zwei Gruppen zu spalten und sie zu schwächen. Der Opposition ist es jedoch gelungen, sich auf eine Kompromißformel zu einigen, ohne Spaltungen hervorzurufen. Danach bleibt das Privatisierungsgesetz als Ganzes bestehen, aber seine Grundlagen werden zerstört. Der Verkauf von Staatsbetrieben, verbunden mit einer energischen Öffnung des heimischen Marktes, ist einer der wichtigsten Punkte der wirtschaftspolitischen Strategie der Regierung. Uruguay, das dem Mercosur angehört, hat wie sämtliche Länder Lateinamerikas eine konsequente neoliberale Wirtschaftspolitik übernommen, die mit einer drastischen Kürzung der Staatsausgaben einhergeht und gleichzeitig die Zahlung der Auslandsschuld ermöglichen soll. Diese Maßnahmen ziehen jedoch schwerwiegende soziale Konsequenzen nach sich. Auf der anderen Seite besteht in Uruguay ein für Lateinamerika typisch gewordenes System einer formalen Demokratie, das durch die starke Stellung der Sicherheitskräfte kontrolliert und eingeschränkt wird. Die oppositionellen Kräfte versuchen, die Räume zu nutzen, die ihnen diese Demokratie gewährt und sind dabei, Terrain zu gewinnen.

Privatisierungspläne vorerst auf Eis gelegt

Die politische Oppositon hat im Lauf der Kampagne ihre Fähigkeit wiedergewonnen, die Bürger*innen zu mobilisieren. Sie hat es geschafft, die Bevölkerung für die überlebenswichtige Frage nach der wirtschaftlichen Strategie zu interessieren. Der hauptsächliche Antreiber der Befragung war eine Koalition aus linken Kräfte, die „Frente Amplio“. Diese Partei erhielt in den letzten Wahlen 21 Prozent der Stimmen und war damit die drittstärkste politische Kraft im Land. Die Gewerkschaften spielten ebenfalls eine wichtige Rolle bei dieser Initiative, ebenso wie andere Oppositionsparteien. Sogar ein kleiner Flügel innerhalb der Regierungspartei hat sich gegen das Gesetz ausgesprochen und die Durchführung der Volksabstimmung vorangetrieben. In Uruguay gibt es viele oppositionelle Bewegungen, die sich bald zu einem Aktionsbündnis gegen die gesamte neoliberale Politik der Regierung zusammenschließen wollen. Diese finden hauptsächlich in der Forderung nach einer Demokratisierung der Gesellschaft einen gemeinsamen Nenner. Sie fordern Demokratie unter Beteiligung des Volkes, die den Kampf und die Konfrontation gegen die machthabende Klasse möglich macht. Im Moment wird die Regierung von Lacalle ihre Pläne vorerst auf Eis legen und den Privatisierungsprozeß bremsen müssen. Nach dem fehlgeschlagenen ersten Wahlgang am 5. Juli hatte die Regierung die Privatisierungen forciert, da sie die schwache Beteiligung als eine stillschweigende Annahme des Gesetzes deutete. Heute, kaum mehr drei Wochen vor der Volksabstimmung, muß die Regierung indes damit rechnen, daß die Opposition die teilweise Aufhebung des Privatisierungsgesetzes erreichen wird. Und damit eine der fundamentalen Stützen der Wirtschaftsstrategie der Regierung annuliert.

HAITI

Kritik an Vatikan wegen Anerkennung der Putschisten

(Port-au-Prince, 9. November 1992, HIB-POONAL).- In den vergangenen zwei Wochen wurde der päpstliche Nuntius Bischof Lorenzo Baldisseri bei zwei voneinander unabhängigen Gelegenheiten für die Haltung des Vatikans kritisiert, als einziges Land der Welt das illegale Regime in Haiti anerkannt zu haben. In einer Rede, die am 2. November in der Nähe des Bischofssitzes des offen als Unterstützer Aristides bekannten Bischofs Willy Romulus von einem Gläubigen gehalten wurde, wurde darauf aufmerksam gemacht, daß mit dem Anerkennungsschreiben des Vatikans die Angriffe der Armee auf die Kirche und ihre Anhänger*innen wieder zunahmen. „Die Menschen verlieren jedes Vertrauen in den Papst: Die Armee nimmt ständig Priester gefangen und hätte am 24. September beinahe Bischof Romulus umgebracht. Statt ihm zu helfen, versucht der Papst, ihn zu entmutigen“, sagte der Redner. „Wir sind sehr verletzt und getroffen, weil der Papst uns im Stich läßt. Darum hoffe ich, Sie (der päpstliche Nuntius) überbringen ihm, was wir zu sagen haben.“ Der Redner endete damit, den Nuntius an die über 3.000 Menschen zu erinnern, die seit dem Staatsstreich umgekommen sind. „Das Blut der Opfer wird wie Wasser sein, das auf eine Pflanze des Widerstandes gegossen wird, um eine echte Demokratie zu bringen. Herr Nuntius, es ist nicht zu spät für Sie, Ihre Meinung zu ändern und für die Menschen Haitis einzutreten.“ Eine Woche zuvor, am 25. Oktober, hatten Menschen in Port-au-Prince Baldisseri vor der Kirche mit Steinen beworfen. Bei dieser Gelegenheit war auch eine Kiste mit Bildern des Papstes, die verkauft werden sollten, verschwunden.

Militärchefs treiben Schutzgelder ein

(Hanse a Galets, 5. November 1992, HIB-POONAL).- Das Leben der 100.000 Bürger*innen auf der Insel La Gonave steht unter der totalen Kontrolle der Armee. „Es gibt keinerlei Rechtssystem hier,“ sagte ein Landarbeiter. Momentan gibt es noch einen Gerichtshof in einem Dorf am anderen Ende der Insel, aber hier in der größten Stadt entscheiden die Soldaten, was „rechtmäßig“ ist. Der obere Gerichtshof wurde geschlossen, als zwei Richter flohen. Auf dem Land kontrollieren die regionalen Armee-Machthaber, die sogenannten „Sektionschefs“, die Passant*innen und nötigen sie, illegale „Steuern“ zu zahlen. Zum Beispiel muß ein Bauer jedes Mal, wenn er sein Land verläßt, um ein Tier zu verkaufen, mindestens 50 Gourde (50 Centavos) bezahlen. Er bezahlt noch einmal, um in die Marktstadt zu kommen und erneut, wenn er La Gonave verlassen will. Schließlich muß er auch noch Gebühren für den Verkauf des Tieres bezahlen. Das System der Sektionschefs wurde von Präsident Aristide abgeschafft und von de-facto- Premierminister Jean-Jacques Honorat wieder zugelassen. Seitdem gebähren sich die regionalen militärischen Chefs wie die eigentlichen Machthaber im Land. Im vergangenen Oktober luden sie die örtlichen Polizeirichter vor, um ein neues Schutzgeld auszuhandeln.

Armee geht gewaltsam gegen Student*innen vor

(Port-au-Prince, 23. November 1992, HIB-POONAL).- Das haitianische Militär versucht weiterhin, die Aktionen der Student*innen im Kampf für Demokratie mit Gewalt zu unterdrücken. In diesem Monat wurden eine Pressekonferenz, Demonstrationen und Presseerklärungen organisiert. Am 12. November kesselten Soldaten Student*innen einer öffentlichen Hochschule ein und schikanierten sie. An einer Universität nahmen sie sechs Menschen fest, unter ihnen zwei Journalisten. Gleichzeitig wurde das Militäraufgebot auf den Straßen vergrößert. Seit dem Putsch im letzten Jahr zählen die Universitätsstudent*innen zu den hartnäckigsten Fürsprecher*innen der Demokratie, obwohl sie wiederholt von der Armee und der Polizei angegriffen werden. Dennoch halten die Proteste gegen die Putschregierung an. Am 12. November ist am „Lycee Alexandre Petion“, der größten öffentlichen Hochschule der Hauptstadt Port- au-Prince, eine studentische Demonstration gegen die Militarisierung der Universitäten gewaltsam aufgelöst worden. Es war das zweite Mal innerhalb einer Woche, daß die Armee auf dem Campus intervenierte.

Militarisierung der Universitäten

„Es fehlt an allem. Es gibt nicht genug Lehrkräfte, nicht genügend Stühle und keine Tafeln,“ sagte ein Student. Ein anderer fügte hinzu: „Auf dem ganzen Gelände patrullieren Soldaten und passen auf, was man sagt.“ Bei der Demonstration verteilten die Student*innen Flugblätter, in denen sie die Rückkehr zur Demokratie fordern und die Studienbedingungen kritisierten. Sie beschuldigten den Direktor der Universität, Clerisson Mozart, mit den unrechtmäßigen Machthabern zu paktieren. Am gleichen Tag nahmen mehrere SudentInnenorganisationen und zahlreiche Journalist*innen an einer Konferenz in der naturwissenschaftlichen Fakultät teil – Parole: „Demokratie oder Tod! Nieder mit Bazin (Regierungschef) und Cedras (Befehlshaber der Armee)! Nieder mit den amerikanischen Imperialisten!“ – und diskutierten über die Repression und die geplante Privatisierung staatlicher Industrien. „Die Privatisierung ist Teil einer globalen Logik,“ sagte ein Student. „Es ist ein Entwicklungsmodell, das den armen Ländern aufgedrückt wird.“ Etwa eine Stunde, nachdem die Veranstaltung begonnen hatte, umstellten Soldaten das Gebäude und schossen in die Luft, um die Teilnehmer*innen einzuschüchtern. Die Soldaten nahmen zwei Reporter und vier Student*innen fest. Drei Stunden hielten die Soldaten die Menschen in dem Gebäude mehrere Stunden buchstäblich als Geiseln fest, darunter auch ein US-amerikanischer Journalist, der Presseattacheé der französischen Botschaft und ein Vertreter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Das Verhalten der Armee rief nationale und internationale Kritik von Menschenrechts- und JournalistInnenorganistationen hervor.

Proteste weiten sich aus

An der öffentlichen Hochschule in Gonaives, der drittgrößten Stadt Haitis, haben Student*innen ebenfalls ihren Unmut über die Präsenz von Soldaten in ihren Vorlesungsräumen geäußert. Sie zeigten darüberhinaus Entschlossenheit, den Kampf für Gerechtigkeit und Demokratie fortzusetzen. „Die Mobilisierung wird nicht beendet,“ sagte ein Student, „Wir haben ein Widerstandskommitee in jeder Hochschule, die noch geöffnet ist, aber einige Student*innen haben Angst vor der Repression. Wir bereiten uns auf den 28. November vor, weil genau an diesem Tag vor sieben Jahren Soldaten drei junge Student*innen erschossen haben.“ Die Demonstration im Jahre 1985 war der Anfang des „dechoukaj“, jener Volksbewegung, die den Diktator Jean-Claude Duvalier aus dem Präsidentenpalast vertrieb und den offenen Kampf für Demokratie in Gang setzte.

KUBA

Die Folgen des US-Embargos

(Havanna, 24. November 1992, Prensa Latina-POONAL).- Während viele

Länder das neue Jahr 1993 mit einer wachsenden Liberalisierung ihres Handels beginnen werden, wird Kuba aufgrund der Ausweitung des Wirtschaftsembargos, das die Vereinigten Staaten über die Insel verhängt haben, mehr Einschränkungen auf diesem Gebiet hinnehmen müssen. Offizielle Stellen Havannas begründen diese Annahme mit den Auswirkungen der Verbote Nordamerikas in jüngster Zeit. Bereits Anfang der sechziger Jahre verhängten die Vereinigten Staaten ein Wirtschaftsembargo gegen die Karibikinsel. Vor wenigen Wochen zog die Supermacht erneut die Daumenschrauben an. 23. Oktober unterzeichnete der nordamerikanische Präsident Bush das sogenannte Troicelli-Gesetz, das die Blockade weiter verschärfen wird. Dieses Gesetz verbietet unter anderem Tochterfirmen von Unternehmen der Vereinigten Staaten, die ihren Sitz im Ausland haben, mit Kuba Handel zu treiben und verweigert Schiffen, die kubanische Häfen anlaufen, innerhalb von 180 Tagen den Kontakt mit den Vereinigten Staaten.

Verluste in Millionenhöhe durch Handelsblockade

Carlos Lage, der Sekretär des Exekutivkommitees des Ministerrats in Kuba, hat vor kurzem vor der Presse mit verschiedenen Beispielen dargelegt, wie Washington die Wirtschaft der Insel zu behindern versucht. Er erklärte, daß das Land in diesem Jahr ca. 30 Millionen Dollar zusätzlich für Fracht und Transport für die Lebensmittelimporte ausgegeben hat, da es diese Produkte auf weit entfernten Märkten kaufen mußte. Das gleiche Problem zeigt sich beim Kauf von Öl. Die Ausgaben für den Ölkauf werden auf sechs Milliarden Dollar geschätzt, sie haben sich damit aus den gleichen Gründen um 40 Millionen erhöht. Aber das Embargo wirkt sich nicht nur auf die Importe der Insel aus, sondern auch auf die Exporte, vor allem auf den bedeutendsten Wirschaftszweig, die Zuckerproduktion. Der größte Teil des Zuckers wird an der New Yorker Börse gehandelt, zu der Kuba durch die Verbote der Vereinigten Staaten keinen Zugang hat. Die kubanische Industrie müsse daher ihren Zucker mit Preisnachlaß verkaufen, sagte Lage und bezifferte die Einbußen in diesem Jahr auf rund 40 Millionen Dollar.

Einschränkung bei Ein- und Ausfuhren

Nach Informationen des Finanzministeriums der Vereinigten Staaten erreichten die Geschäfte zwischen kubanischen Unternehmen und nordamerikanischen Tochterfirmen im Jahre 1991 ein Volumen von 718 Millionen Dollar. Für 383 Millionen Dollar hatte Kuba Waren gekauft, davon allein 347 Millionen für Lebensmittel. Kuba werde in Zukunft bei den Importen noch stärker eingeschränkt sein, sagte Lage. Es gebe für das Land keinerlei Handelserleichterungen mehr, auch könne es seinen Handel nicht mehr in US-Dollarn bestreiten. Ungeachtet der lautstarken Forderungen nach einer Liberalisierung des Handels drängen die USA mit aller Macht danach, die kubanische Wirtschaft durch das Embargo in den Ruin zu treiben. Auf nicht absehbare Zeit wird die Karibikinsel auf sich allein gestellt sein.

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