Internationale Untersuchung des Mordes an Berta Cáceres gefordert

Von Ute Löhning

(Berlin, 14. März 2016, npl).- Bewaffnete Killer erschossen die international geschätzte Menschenrechtsverteidigerin Berta Cáceres am 2. März in ihrem Haus. Der Mexikaner Gustavo Castro und weitere Aktivist*innen in Honduras sind bedroht. Die Feministin und Umweltaktivistin hatte den Widerstand gegen das Staudammprojekt Agua Zarca auf dem Gebiet der indigenen Lenca organisiert. Forderungen nach Aufklärung durch eine internationale Untersuchungskommission und nach Rückzug von Siemens/Voith Hydro aus dem Megaprojekt werden laut.

Mitbegründerin und tragende Figur beim Indigenenrat COPINH

Berta Cáceres spielte eine tragende Rolle in den politischen und sozialen Kämpfen des Landes. Sie stand für den Kampf der bäuerlichen und indigenen Bevölkerung für ihr Recht auf Land und auf ein selbstbestimmtes Leben. Und das seit Jahrzehnten. Bereits 1993 war sie Mitbegründerin des Zivilen Rates der populären und indigenen Organisationen in Honduras COPINH (Consejo Cívico de Organizaciones Populares e Indígenas en Honduras). Für ihre Arbeit wurde sie international geschätzt und mit etlichen Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erhielt sie 2015 in den USA den Goldman-Umweltpreis.

Von Anfang an bedroht

Seit Beginn ihrer Menschenrechtsarbeit war Berta Cáceres aber auch Bedrohungen ausgesetzt. „Als die Regierung realisierte, dass COPINH keine folkloristische Organisation ist, sondern konkrete Forderungen stellt, begann sie uns zu drohen. Das hält bis heute an.“ berichtete die Menschenrechtsaktivistin 2012.

Bereits seit 2009 hatte die Interamerikanische Menschenrechtskommission CIDH der honduranischen Regierung auferlegt, Berta Cáceres durch geeignete Maßnahmen unter effizienten Personenschutz zu stellen. Amnesty International startete mehrere Urgent Actions zum Schutz des Lebens mehrerer COPINH-Aktiver. In den letzten Jahren hatte es mehrere Attentatsversuche auf Berta Cáceres gegeben, das letzte im November 2015.

Megastaudammprojekt Agua Zarca am Río Gualcarque

Am Gualcarque-Fluss, in einer Region im Nordwesten von Honduras, in der seit vorkolonialen Zeiten das Volk der Lenca lebt, will ein honduranische Konsortium, die Aktiengesellschaft mit Namen Energetische Entwicklung DESA (Desarrollo Energético S.A.)das Megastaudammprojekt Agua Zarca bauen. Der indigenen Bevölkerung droht dadurch die Vertreibung. Sie wurden zu dem Projekt weder konsultiert noch in die Entscheidungsprozesse einbezogen: Entsprechend den Richtlinien der Internationalen Arbeitsorganisation, der Ilo-Konvention 169, die Honduras bereits 1994 unterzeichnet hat, eine illegale Landnahme. Aus Deutschland sind die Firma Siemens und das Joint Venture Voith Hydro als Vertragspartner der honduranischen Betreibergesellschaft DESA am Agua Zarca Projekt beteiligt. Sie sollen die Turbinen für das Kraftwerk liefern.

COPINH-Anhänger*innen hatten das Baugelände des Staudamms lange blockiert und den Bau dadurch zeitweise lahmgelegt. „Auf dem Gebiet der Lenca kamen sie nicht voran.“ So beschrieb Berta Cáceres ihren Erfolg 2013 und weiter: „Die Bevölkerung leistet dort großen Widerstand und verteidigt ihre Ressourcen gegenüber dem Wahnsinnsvorhaben sehr entschlossen.“

Im Zuge des Staudammprojekts Agua Zarca kam es mehrfach zu massiven Menschenrechtsverletzungen – bis hin zur Ermordung mehrerer Gegner des Megaprojekts. Nach Angaben der Organisation Global Witness ist Honduras das gefährlichste Land für Umweltschützer*innen und Menschen, die für die Rechte indigener Gemeinschaften kämpfen. Zwischen 2002 und 2014 wurden 111 Menschenrechtsverteidiger*innen in Honduras ermordet.

So zogen sich einige internationale Financiers im Jahr 2013 aus dem Agua Zarca Projekt zurück, darunter die Weltbank und das chinesische Konsortium Sinohydro. Nicht so die holländische Entwicklungsbank FMO oder der finnische Finanzierungsfond Finnfund, und auch nicht die Firma Siemens und Voith Hydro.

Kritische Aktionäre fordern Rückzug von Siemens, Voith Hydro

“Voith Hydro und Siemens ziehen sich darauf zurück, dass sie nur die Turbinen an die DESA verkaufen.“ Das sagt Thilo Papacek von der NGO Gegenströmung, und weiter: „Die DESA wiederum engagiert mehrere private Sicherheitsfirmen, die sich direkt an den Repressionen gegen die Anti-Staudammbewegung beteiligen.“

Kritische Aktionär*innen fordern seit Jahren den Rückzug von Siemens und dem Joint-Venture Voith Hydro aus dem Agua Zarca Projekt. Andrea Lammers vom Ökomenischen Büro für Frieden und Gerechtigkeit, München, wies bei der Hauptversammlung der Siemens-Aktionär*innen im Januar 2016 darauf hin, dass die Situation seit Oktober 2015 eskalierte.

Eskalation seit Oktober 2015: Berta Cáceres stand auf Todesliste

Andrea Lammers schilderte dem Siemens-Vorstand, „dass es eine Todesliste gab, auf der auch Berta stand, von lokalen Killerkommandos, angeheuert von der Staudammbaugesellschaft DESA, dem Vertragspartner von Voith Hydro/Siemens.“ Insgesamt stünden über 20 Staudammgegner*innen auf dieser Liste.

Eine wahre Hetzkampagne in Zeitungen und Fernsehen gegen COPINH-Aktivist*innen bereitete den Boden für gewaltsame Aktionen gegen Umweltaktivist*innen. In öffentlichen Kommuniqués denunzierte die DESA Berta Cáceres als notorische Lügnerin, die sich nur als Umweltschützerin bezeichnen und Informationen manipulieren würde, um das Staudammprojekt in ein schlechtes Licht zu rücken. Das letzte derartige Rundschreiben erschien am 22. Februar, neun Tage vor Bertas Ermordung.

Doch Siemens/Voith Hydro will sich bisher nicht aus dem Megaprojekt zurückziehen. Andrea Lammers kritisiert den Siemens-Vorstand scharf: „Herr Kaeser hat die Leute vor Ort und hat die Aktivist*innen von COPINH mit seiner Haltung, dass es dort keine Menschenrechtsverletzungen gibt, quasi freigegeben für jegliche Art von Übergriffen.“

Weitere Aktivist*innen sind bedroht

Aktuell sind weitere Aktivist*innen bedroht, darunter die anderen auf der „Todesliste“ genannten Personen und vor allem auch der Mexikaner Gustavo Castro Soto. Der 51-jährige Soziologe und Menschenrechtsverteidiger ist Mitarbeiter von Bergbau- und Großprojekt-kritischen Netzwerken wie M4, Otros Mundos/Friends of the Earth, REMA.

In der Nacht des Attentats hielt er sich in Berta Cáceres‘ Haus auf, wurde verwundet, überlebte aber und machte später Aussagen zum Vorgang. Als Hauptzeuge ist er bedroht, will Honduras dringend verlassen und nach Mexiko zurückkehren. Die honduranischen Sicherheitsbehörden hindern ihn aber derzeit an der Ausreise.

In Urgent Actions wird die honduranische Regierung aufgefordert, Gustavo Castro unverzüglich nach Mexiko ausreisen zu lassen, da er sich in Honduras in Lebensgefahr befindet. Auch die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte spricht sich für die sofortige Ausreise Gustavo Castros aus und fordert darüber hinaus Schutzmaßnahmen für die Mitarbeiter von COPINH.

Internationale Untersuchungskommission gefordert

Aus Sicht vieler Menschenrechtsaktivist*innen können ausschließlich honduranische Untersuchungen keine wirklichen Erkenntnisse über die Urheber des Mordes an Berta Cáceres bringen. „Es wird irgendwelche Bauernopfer geben, die werden wahrscheinlich ganz schnell verhaftet werden,“ sagt die Journalistin Erika Harzer und weiter: „Aber wer dahinter steckt, das wird, wenn es nur von Honduras aus untersucht wird, nie aufgeklärt werden.“

Nur eine internationale Untersuchungskommission könnte in der Lage sein, die geistigen Urheber dieses Mordes ans Licht zu bringen und dem System der Straflosigkeit in Honduras etwas entgegenzusetzen.

Den Audiobeitrag von Radio onda zu diesem Artikel findet ihr hier.

 

 

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