Poonal Nr. 007

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 7 vom 18.04.1991

Inhalt


EL SALVADOR

HONDURAS

NICARAGUA

GUATEMALA


EL SALVADOR

Verhandlungen und Tod

(San Salvador, 16. April 1991, Salpress-POONAL) – In El Salvador scheint alles darauf hinzuweisen, daß jedes Anzeichen, demzufolge sich der Krieg auf politischem Verhandlungsweg lösen könnte, ein Ansteigen der bewaffneten Konfrontation und die Radikalisierung der ultrarechten Sektoren zur Folge hat.

Parallel zu bedeutenden Erfolgen bei substantiellen Vereinbarungen in den Verhandlungen zwischen Regierung und der Guerilla plant und führt die Armee eine breite Militäroperation gegen die von Aufständischen kontrollierten Zonen durch und ermordet den Guerilla-Kommandanten Jesus Rojas. Dieser Guerilla-Chef, Teilnehmer bei den Verhandlungen als Berater auf seiten der FMLN, war offizieller Sprecher der Verhandlungsdelegetion im Inneren des Landes, was den Mord in ein besonderes Licht rückt.

Die Guerilla sieht hinter dem Mord zwei Motive: In erster Linie soll die Aktion die Aufgabe der am 4. April mit UNO-Beobachtung wiederbegonnenen Verhandlungen provozieren. Genau im Moment neuer Impulse in der politischen Dynamik des Landes, in die sich die FMLN integrieren würde, versucht der Mord die FMLN zu zwingen, am Verhandlungstisch eine überstürzte Reaktion zu zeigen und die militärische Konfrontation zu verlängern. Zum anderen glaubten die Mörder von Jesus Rojas wahrscheinlich, daß durch diese Aktion ihre Bemühungen zur Wiedererlangung der verlorenen Machtpositionen begünstigt würden; da die Demokratie im Land neue Impulse erhalten hat, war die Partizipation verschiedenen politischer und sozialer Kräfte möglich geworden.

Sein Tod kann auch noch ein weiteres Ziel gehabt haben – zu leugnen, daß die FMLN Kontrolle über Territorium, Bevölkerung und Militär hat, was bei den Verhandlungen über einen Waffenstillstand von Bedeutung ist. Die Möglichkeit einer Vereinbarung bei den sensiblen Punkten der Verhandlungen – insbesondere bezüglich der Verfassungsreform, der Streitkräfte und des Waffenstillstands – provoziert die Ultrarechte und verleitet sie, öffentlich Drohungen gegen die großen Sektoren auszusprechen, die für friedenbringende Reformen eintreten.

Während das Ende des Krieges heute so nahe scheint wie nie zuvor, existiert innerhalb der priviligiertesten Sektoren eine starke Ablehnung gegen eine friedliche Lösung, die ihre Bereitschaft zeigt, die ihnen zur Verfügung stehenden Gewaltmittel einzusetzen, um eine Demokratisierung zu verhindern.

HONDURAS

Streikbewegung setzt Regierung unter Druck

(Tegucigalpa, 15. April 1991, SHN-POONAL) – Tausende von hondurenischen Arbeiter*innen des öffentlichen Dienstes, organisiert in der Federación Central de Sindicatos Libres de Honduras (Zentrale Vereinigung der freien Gewerkschaften von Honduras – FECESITLIH), traten in Streik, um Lohnerhöhungen von 60 Prozent, die Wiedereinstellung von 6.000 in den vergangenen sechs Monaten Entlassenen, ein Einfrieren der Preise für Basisprodukte und das Ende der Privatisierungsversuche bei mehr als 400 Staatsunternehmen zu fordern. Der Präsident Rafael Callejas erklärte den Streik sofort für illegal und drohte den Streikenden, ihre Organisation aufzulösen und diejenigen zu entlassen, die am Streik teilnehmen.

Diese Bewegung entstand am 9. April mit der friedlichen Besetzung verschiedener öffentlicher Einrichtungen, unter ihnen die fünf wichtigsten staatlichen Gesundheitszentren und das Ministerium für Kommunikation, Öffentliche Dienste und Transport. Wenige Stunden nach Beginn dieser Druckmaßnahmen räumte die Armee das Kommunikationsministerium, in dem sich rund 500 Arbeiter*innen befanden, während Callejas die Gewerkschaftsführer*innen aufforderte, den Streik zu beenden, da er den Interessen des Landes schade, und erklärte, „die Regierung könnte diese Gewerkschaftsorganisation auflösen“.

Diese Bewegung umfasste ca. 39.000 Arbeiter*innen, deren Führer*innen die ursprünglich von der Regierung vorgeschlagene Lohnerhöhung schließlich akzeptierten, die zwischen 13 und 23 US- Dollar im Monat schwankt, weit weniger als sich die Beschäftigten erwartet haben. Die Regierung verpflichtete sich, keine Repressalien gegen die Streikenden anzuwenden, einige der Entlassenen wieder einzustellen und die massiven Personeleinschränkungen im Öffentlichen Sektor zu stoppen. Diese Vereinbarungen sind von der Gewerkschaftsbasis kritisiert worden; sie klagt ihre Führer*innen an, sich auf ein Manöver eingelassen zu haben, mit dem das öffentliche Image der Regierung aufbessert werden soll, aber keine sozialen Verbesserungen bringt.

Mord an zurückgekehrtem politischen Flüchtling

(Tegucigalpa, 15. April 1991, SHN-POONAL) – Carlos Alvarenga, einer der politischen Exilierten, die zu Beginn des Jahres nach Honduras zurückgekehrt sind, wurde am 19. März im Department Olancho, im Osten des Landes, ermordet. Die Information wurde vom Dokumentationszentrum Honduras (CEDOH) an die Medien weitergegeben.

Alvarenga, der Mitglied der Revolutionären Partei der Arbeiter Zentralamerikas und ein Führer innerhalb der Bauernbewegung war, kehrte nach Honduras zurück aufgrund offizieller Versprechungen des Staatspräsidenten Rafael Callejas und von Seiten der militärischen Oberbefehlshaber.

Im vergangenen Januar kehrten mehrere Führer*innen der Nationalen Einheitsdirektion, in der verschiedene Aufstandsbewegungen zusammengeschlossen sind, nach Honduras zurück. Zuvor war mit Präsident Callejas ein Abkommen geschlossen worden, in dem das Leben der Rückkehrenden garantiert wurde. Diese wollten im Gegenzug den bewaffneten Kampf aufgeben und sich ins zivile Leben eingliedern.

Der Mord an Alvarenga verstößt gegen das Abkommen und ist von großer Bedeutung für Oppositionsführer*innen, die noch im Ausland sind, aber ebenfalls zurückkehren wollen.

NICARAGUA

Verhandlung über Abrüstung gescheitert und Enthüllungen

über Drogenhandel

(Managua, 16. April 1991, CERIGUA-POONAL) – Mit einem unscheinbaren Komunique gingen die zwei Tage dauernden Verhandlungen über Abrüstung in Mittelamerika zuende. Das Treffen, genannt '4. Zusammenkunft der Kommision für Abrüstung und Sicherheit in Zentralamerika', fand am 13. und 14. April in Managua statt, mit Teilnahme der Außen- und Verteidigungsminister aller Länder der Region, einschließlich Panama.

Die Verhandlungen sind Teil der Präsidentenvereinbarungen von Esquipulas II, die auf einen Vorschlag von Nicaragua und Guatemala im Jahre 1985 zurückgehen, als noch die Gespräche der Contadora- Gruppe stattfanden.

Den Informationen zufolge geriet die Diskussion in eine Sackgasse, da das Zustandekommen eines rationellen Kräftegleichgewichtes nur möglich ist, wenn vorher die materiellen Ausgangsbedingungen geklärt sind. Momentan haben Guatemala uns El Salvador die größten Armeen in Mittelamerika mit durchschnittlich 60.000 Soldaten. Danach kommen Honduras, Nicaragua (das einzige Land, in dem die Zahl der Soldaten von 90.000 auf 28.000 reduziert worden ist) und Costa Rica (wo lediglich Polizeieinheiten, genannt „Guardia Civil“, existieren, die jedoch mit Kriegswaffen ausgerüstet sind).

Das Scheitern der vierten Verhandlungsrunde über Abrüstung wurde in einem Dokument mit dem Hinweis bezeugt, das die Verhandlungen bis Juni offen bleiben. Aus Interviews mit einigen der Teilnehmer geht hervor, daß Guatemala und El Salvador sich weigerten, den Bestand an Soldaten und Kriegsmaterial, über den ihre Heere verfügen, offenzulegen. Begründet wurde dies mit der Gefahr, die die Streitkräfte der Guerillaverbände in ihren Ländern darstellen. Unter diesen Umständen beschloß die Kommision für Abrüstung und Sicherheit einen Zeitraum festzulegen, in dem die Militärarsenale in der Region ausgebaut werden können.

Für den Vize-Außenminister von Nicaragua, Ernesto Leal, ist der Verhandlungsprozeß über Abrüstung in Mittelamerika aufgrund der Situation von El Salvador und Guatemala gehämmt, während sein guatemaltekischer Amtskollege Antonio Arenales sagte, daß „weder Guatemala noch irgendein anderes Land sich vorstellen kann, welche die endgültigen Grenzen der Bewaffnung schließlich sein können“.

Andererseits enthüllte der Konflikt der verschiedenen Fraktionen an der nicaraguanischen Atlantikküste, daß wichtige Regierungsfunktionäre an der Korruption und dem Drogenhandel teilhaben. In diesem Zusammenhang wurde Leonel Panting, Gouverneur der Atlantikküste, angeklagt, Geschäfte im Fischereisektor mit Beteiligung der in Maimi ansitzenden Firma Ice Marines Inc. zu betreiben, als deren Eigentümer Anastasio Somoza Portocarrero, Sohn des nicaraguanischen Ex-Diktators, entlarvt wurde. Steadman Fagoth, einer der Chefs der Misquito-Contra, verteidigte Panting und beschuldigte die Entwicklungsminister der Region und das Nationale Fischereiinstitut , Brooklin Rivera und Javier Morales, sie stünden mit den Kartellen von Cali und Medellin in Sachen Drogenhandel in Verbindung.

Fagoth, der auch Direktor der Naturreservate an der Atlantikküste ist, übergab den Regierungsverantwortlichen eine Liste der Namen der involvierten Funktionäre und der Eigentümer der Schiffe, die am Handel beteiligt sind. Obwohl diese Nachricht die direkte Beteiligung von hohen Funktonären der nicaraguanischen Regierung am Drogenhandel enthüllt, ist weiterhin bekannt, daß an diesem Geschäft die Organisationen der Contra bis 1989 mit Erlaubnis der US-Regierung beteiligt waren, die aus den Gewinnen Waffenkäufe finanziert hatten.

Die Vorgänge an der Atlantikküste entsprechen dem alten lateinamerikanischen Sprichwort:“Sie gaben den Dieben ihren Schlüssel“ – in dem Sinne, daß bekannten Contrachefs die entscheidenden Posten zugespielt worden sind.

GUATEMALA

Mögliche Verhandlungen zwischen URNG und Regierung vom 22.

bis 25April

(Guatemala, 16. April 1991, NG-POONAL) – Am vergangenen Montag haben sich eine Delegation der Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas (URNG) und der Nationalen Versöhnungskonferenz (CNR) in Mexiko getroffen. Ausgetauscht wurden Vorschläge über die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen, durch die der bewaffnete Konflikt beendet werden soll. Wie in den mexikanischen Tageszeitungen berichtet wurde, hatten beide Seiten ihre Vorschläge dem Vorsitzenden der Versöhnungskonferenz, Monse~nor Rodolfo Quezada übergeben. In Guatemala informierte Staatspräsident Jorge Serrano über seine Bereitschaft, einen Vorschlag der Aufstandsbewegung zu direkten Friedensverhandlungen zwischen dem 22. und dem 25. April zu akzeptieren. Obwohl über den Verhandlungsort offiziell nichts bekannt wurde, wurde in der Presse auf Mexiko getippt. Eines der großen Hindernisse, das in der neuen Verhandlungsphase aus dem Weg geräumt werden muss, besteht in den unterschiedlichen Auffassungen zur Entmilitarisierung des Landes. Der Präsident hatte bereits versichtert, dass die Existenz der Streitkräfte nicht zu verhandeln sei.

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