von OFRANEH*
(Lima, 09. Oktober 2011, servindi/poonal).- Die rasche Ausbreitung des Anbaus von afrikanischen Ölpalmen, Zuckerrohr, Jatropha und anderen Ölfrüchten in Mittelamerika beschwört gleichzeitig eine bevorstehende soziale Explosion herauf. Deren Ursache liegt in den vielen gewaltsamen Räumungen in Mittelamerika.
Hunderte Familien aus bettelarmen Verhältnissen leiden unter dem Angriff der Sicherheitskräfte zu Gunsten von kleinen Gruppen mit großer wirtschaftlicher Macht. Letztere schrecken auch nicht davor zurück, die Sicherheitskräfte zu Menschenrechtsverletzungen gegenüber der lokalen Bevölkerung anzustiften.
Gewaltsame Räumungen in Guatemala
Im Department Alta Verapaz in Guatemala veranlasste die Familie Widmann – Eigentümerin der Zuckerfabrik Chabil Utzaj – eine gewaltsame Räumung im Tal von Polochic. Dort erlitten am 15. März 2011 mehr als 800 Familien gewaltsame Übergriffe der Sicherheitskräfte und von Paramilitärs. Den betroffenen Familien wurde auch ihre Bitte abgeschlagen, noch ihren Mais und ihre Bohnen ernten zu dürfen, die sie Monate zuvor gesät hatten.
Neben der Familie Widmann, die dem Präsidenten Álvaro Colom und besonders seiner Ex-Frau Sandra Torres sehr nahe steht, spielt auch das guatemaltekische Unternehmen Sugar State eine wichtige Rolle bei den zunehmenden Repressionen im Tal von Polochic. Das Unternehmen Sugar State befindet sich im Besitz der Familie Pellas aus Nicaragua, welche auch die Rechte an der Rum-Marke „Flor de Caña” besitzt und außerdem Ethanol produziert. Die Familie Pellas ist im Laufe der vergangenen Jahre Geschäftspartner der Zuckerfabrik Chabil Utzaj geworden.
Palma Africana auf dem Vormarsch
In Guatemala nimmt der Anbau der Palma Africana, der afrikanischen Ölpalme, „im Rhythmus von durchschnittlich 8.000 Hektar pro Jahr“ rasant zu und „konkurriert dabei um die Anbauflächen anderer landwirtschaftlicher Nutzpflanzen“ [1]. Derzeit werden auf 90.000 Hektar Ölpalmen angebaut, und der ehemalige Landwirtschaftsminister Bernardo López versichert, es seien die Vorraussetzungen gegeben, die Palme auf weiteren 667.000 Hektar auszubringen.
Im Jahr 2008 begannen die Investitionen von US-amerikanischen Hedge-Fonds in Plantagen mit afrikanischen Ölpalmen. Anfangs investierten Green Earth Fuel LLC, die Firmengruppe Carlyle und Goldman Sachs 14 Millionen US-Dollar in Ixcán, einem konfliktreichen Gebiet an der Grenze zu Mexiko [2].
Gewalt gegen Landarbeiter*innen in Honduras
In Honduras hat sich währenddessen das Tal von Aguán in einen Kriegsschauplatz verwandelt. Mehr als 700 Sicherheitskräfte und Militärs sind dort stationiert. Diese räumten am 24. Juni dieses Jahres die Siedlung Rigores und zerstörten dabei unter anderem mehr als 114 Wohnhäuser, Kirchen und Projektzentren des kleinbäuerlichen Anbaus [3].
Die Gewalt in Bajo Aguán forderte im vergangenen Jahr etwa 40 Todesopfer. Militär und paramilitärische Gruppen, die offensichtlich von „kolumbianischen ExpertInnen“ beraten werden, haben indessen Angst und Schrecken verbreitet. Die Medien der Putschist*innen Honduras haben sich gleichzeitig der Aufgabe verschrieben, die Bewegung der Bauernbewegung in Bajo Aguán zu verteufeln. Dabei verweisen sie auf die nicht nachgewiesene Präsenz von Personen aus dem Ausland, die damit beschäftigt seien, eine Guerilla-Bewegung zu gründen [4].
Angriffe unter „Falscher Flagge“
Seit dem Putsch haben sich in Bajo Aguán eine Reihe von Vorfällen ereignet, die sich unter der Bezeichnung „falsche Flagge“ zusammenfassen lassen. Dabei werden Angriffe auf private Wachdienste oder Mitglieder der Sicherheitskräfte verübt, um diese später den Gruppen aus Kleinbauern und -bäuerinnen und den Landerarbeiter*innen zuzuschreiben.
Die Militarisierung und die seit Jahren existente Repression in dem Gebiet verunmöglichten die Existenz bewaffneter Gruppen, behaupten die Tageszeitungen El Heraldo [5] und La Prensa. Beide Zeitungen gehören Jaime Canahuati Larach, einer treibenden Kraft des Staatsstreiches.
Palmenzucht und soziale Spannungen im Bajo Aguán
Das Tal des Flusses Aguán befindet sich im Großgrundbesitz von Reynaldo Canales, Rene Morales Carazo (Bruder des Vizepräsidenten Nicaraguas) und Miguel Facussé, letzterer ist auch unter dem Beinamen „Palmenzüchter des Todes“ bekannt. Laut der Plattform Wikileaks ist Facussé der faktische Machthaber in Honduras und wird von der Plattform außerdem als mutmaßlicher Drogenhändler gehandelt [6]. Allein Facussé besitzt mehr als 17.000 Hektar mit afrikanischen Palmen.
Daneben gibt es in Honduras auch Palmenplantagen, die der Unternehmensgruppe NUMAR gehören, einer der größten Produktionsfirmen für afrikanische Palmen in der Region. NUMAR, mit Firmensitz in Costa Rica, gehört dem Nicaraguaner José Ignacio Gonzales. Gonzales ist Eigentümer der Plantage San Alejo, die sich im Umland der Stadt Tela befindet.
Zunehmendes Interesse an Palmen-Plantagen
Laut einem Bericht der US-amerikanischen Botschaft bestehe in Honduras die Möglichkeit, auf einer Fläche von einer halben Million Hektar Palmen anzubauen [7]. Im Zuge der erst kürzlich erfolgten Verabschiedung eines Gesetzes zu speziellen Entwicklungsregionen RED (Ley de Regiones Especiales para el Desarrollo), zeigt sich auch eine indische Firma interessiert, auf 70.000 Hektar Land Ölpalmen anzubauen.
In Nicaragua besitzt NUMAR nahe der Stadt Bluefields an der Antlantikküste (Hauptstadt der autonomen Region Atlántico Sur) eine Plantage in Kukrahill, die sich gerade im Ausbau befindet. Man geht davon aus, dass NUMAR seine Plantagen an der Atlantikküste vergrößern wird und dabei die Erweiterung des Anbaus von Ölpalmen auf eine Fläche von bis zu 30.000 Hektar in Betracht zieht. In Costa Rica werden auf etwa 50.000 Hektar afrikanische Palmen und auf 52.000 Hektar Zuckerrohr angebaut. In Chiriqui, einer Provinz Panamas, gibt es mehr als 8.000 Hektar Palmenplantagen.
Klimabündnis hält Agrokraftstoffe für nachhaltig
Im Jahr 2008 wird die vom Präsident Obama geförderte US-Initiative ECPA (Energy and Climate Partnership of the Americas) gegründet, einem Energie- und Klimabündnis zwischen Nord-, Mittel- und Südamerika. Die Initiative war Teil der politischen Kampagne Obamas und wurde während des Ministertreffens zu Energie und Klima im April 2010 in Washington weiter vorangebracht. Dort wurde auch vorgeschlagen, die Länder Lateinamerikas sollten ihr Energiemodell ändern.
Im vergangenen April fand in Panama eine Mitgliederversammlung des ECPA statt. Bei den dortigen Verhandlungen um Energie und Klimawandel wurden Agrokraftstoffe als Teil des Pakets nachhaltiger Energien eingeordnet. Dennoch verschärft sich gerade durch den Ausbau von Agrokraftstoff-Plantagen die soziale Krisensituation in Mittelamerika, die im Laufe der vergangenen Jahrzehnte immer mehr verschlimmert hat.
Falsche Lösungen zum Klimawandel sorgen für sozialen Sprengstoff
Leider ist das ECPA Teil der falschen Lösungen zum Klimawandel. Die über 500 Staudämme für Wasserkraftwerke und die eigentumsrechtliche Vergabe von Flussgebieten an Familien, die mit der machthabenden Elite der Region verbunden sind, begleitet von der Zerstörung der Feuchtgebiete und der Inanspruchnahme so genannter „Randgebiete“ [8] formen sich zu einem Komplott gegen die große Mehrheit der Bevölkerung Mittelamerikas, die in menschenunwürdigen Verhältnissen versinkt. Begleitet wird das ganze Szenarium von einer beispiellosen Militarisierung. Diese ist Teil des „Phänomens der Republik Z“, das sich derzeit in Mittelamerika etabliert.
Anmerkungen:
[1] http://www.elperiodico.com.gt/es/20110825/economia/200003/
[2] http://www.elperiodico.com.gt/es/20080701/economia/59513
[3] Anm. d. Poonal-Red.: Nach erfolgter Rückkehr wurde die Siedlung am 19. September erneut von 600 Soldaten und Polizisten überfallen und mehrere Menschen entführt: http://www.prensaindigena.org.mx/?q=content/honduras-rigores-sufre-violento-ataque-de-fuerzas-militares
[5]http://m.elheraldo.hn/1472/sho /f896741e6a5a225d00eba8dee148758e&t=a408af06885c34c96a8dfbe06321aaf2
[6] http://wikileaks.org/cable/2004/03/04TEGUCIGALPA672.html
[7] http://spanish.honduras.usembassy.gov/root/pdfs/econ_afpalm_sp.pdf
[8] Anm. d. Poonal-Red.: Vulkanhänge und fruchtbares Schwemmflachland, die aufgrund ihrer Abgelegenheit bisher in keinen Großgrundbesitz eingegangen sind und vorwiegend von der armen Landbevölkerung zur Subsistenzwirtschaft genutzt werden. Mit der „Inanspruchnahme“ dieses Landes wird die Vertreibung der armen Landbevölkerung auch dort sehr wahrscheinlich.
*Autor: Organisation Gemeinschaft der Schwarzen Honduras OFRANEH (Organización Fraternal Negra Hondureña)
Zum Text: Stellungnahme der Gemeinschaft der Schwarzen Honduras OFRANEH (Organización Fraternal Negra Hondureña) vom 29. September 2011 Jahres zur Ausbreitung der Agrokraftstoff-Plantagen in Mittelamerika.
Weiterlesen:
Guatemala: Sündenfall Agrosprit | von Andreas Boueke (Lateinamerikanachrichten) | April 2011
Agrokraftstoffe verschärfen soziale Krise Mittelamerikas von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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