Frauen in Honduras: Zwischen häuslicher und staatlicher Gewalt

von Jutta Blume

(Berlin, 09. Dezember 2015, npl).- Nach Angaben der UNO ist Honduras das Land mit der höchsten Frauenmordrate der Welt. Damit hat es Mexiko und Guatemala diesen traurigen Rang abgelaufen. Sieben von zehn honduranischen Frauen haben in ihrem Leben schon am eigenen Leib Gewalt erfahren. Frauen erleben Gewalt dabei sowohl im privaten Umfeld wie auch von Seiten des Staats, der ihre Rechte immer weiter einschränkt, wobei sich die Situation seit dem Putsch 2009 fortwährend verschlechtert hat. Hinter einem Teil der Frauenmorde vermuten Feministinnen politische Motive.

531 Frauenmorde im vergangenen Jahr

Prominentes Mordopfer wurde am 27. August 2014 die Aktivistin Margarita Murillo, die sich seit ihrer Jugend für das Recht auf Land und für Frauenrechte engagierte. Ein Auftragsmörder erschoss die 56-Jährige bei der Feldarbeit. Mehr als ein Jahr später ist die Tat noch immer nicht aufgeklärt. Der mutmaßliche Killer wurde selbst wenige Tage nach seiner Festnahme tot aufgefunden, nach eineinhalb Monaten die im Fall ermittelnde Staatsanwältin Marlene Banegas ermordet.

Im Jahr 2014 sind nach offiziellen Angaben 531 Frauen ermordet worden. Murillos Fall ist emblematisch für das institutionelle Versagen angesichts der steigenden Zahl von Frauenmorden, denn noch immer bleiben 96 Prozent der Fälle straflos.

Auch vergewaltigte Mädchen müssen Schwangerschaft austragen

Im Jahr 2013 wurde Frauenmord als gesondertes Delikt ins Strafgesetzbuch aufgenommen, doch Strafverfolgung und Opferschutz haben sich seitdem eher verschlechtert. So hat die Regierung von Juan Orlando Hernández die Staatsanwaltschaft für Frauen und den Frauennotruf 114 abgeschafft. Außerdem wurde das Nationale Fraueninstitut in seiner politischen Bedeutung herabgestuft und sein Budget gekürzt.

Frauenmorde, Vergewaltigungen und Missbrauch sind nicht nur Ausdruck einer extrem von Gewalt und Straflosigkeit geprägten Gesellschaft, sondern auch einer Politik, die den Frauen verbietet, über ihren eigenen Körper zu bestimmen.

Allein 5.700 Fälle sexuellen Missbrauchs wurden in den vergangenen zwei Jahren angezeigt, sowie im Schnitt 1.000 Vergewaltigungen pro Jahr. Oftmals sind Mädchen im Alter zwischen zehn und 19 Jahren von sexueller Gewalt betroffen. „Sogar Mädchen von zehn, elf Jahren verbietet man, Notfall-Antikonzeptiva zu nehmen. Die Mädchen alternativlos zur Mutterschaft zu zwingen, ist Folter“, meint Suyapa Martínez vom Zentrum für Frauenstudien CEM-H (Centro de Estudios de la Mujer Honduras).

Abtreibung ist komplett verboten, doch nun wolle die Regierung das Gesetz noch weiter verschärfen, so Martínez: „Im neuen Gesetzentwurf sind fünf Straftaten in Bezug auf den Schwangerschaftsabbruch definiert, eine davon ist Fahrlässigkeit. Das heißt, auch wenn eine schwangere Frau hinfällt, kann sie ins Gefängnis kommen.“

Neue Aggressoren

Auch wenn ein großer Teil von Gewalt sich innerhalb von Familie und Beziehung abspielt, sind neue Aggressoren hinzu gekommen, wie etwa die 2013 geschaffene Militärpolizei oder kriminelle Banden, die ebenfalls über die Körper von Frauen verfügen. Viele Frauen zeigen die Gewalt dieser bewaffneten Akteure aus Angst vor Vergeltung nicht an. Ob von Militärpolizisten begangene Übergriffe geahndet werden, bleibt intransparent, da für deren Vergehen militärische Gerichte zuständig sind.

Die kollektive Angst präge zunehmend die Gesellschaft und damit auch die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, erklärt die Feministin und Menschenrechtsverteidigerin Daysi Flores: „In dem Viertel, in dem ich aufgewachsen bin, haben die Maras immer mehr Einfluss auf die Jungen und Mädchen. Sie lassen ihnen auf der einen Seite keine Wahl, aber auf der anderen Seite hatte ich schon Diskussionen mit Kindern, die mir gesagt haben: ‘Ich will da mitmachen, ich bin gerne dabei.’ “ Eigentlich müsste die Schule den hierarchischen und sexistischen Verhältnissen in der Gesellschaft etwas entgegen setzen, doch die Realität sehe anders aus, unterstreicht Daysi Flores.

Einfluss der Kirchen

Die Lerninhalte sind antiquiert und viele Lehrerinnen und Lehrer vermitteln ihre von der Religion geprägten Moralvorstellungen, meint auch die Soziologin Dilcia Zavala. Die Kinder lernen nur dann etwas über ihren Körper und ihre sexuelle Selbstbestimmung, wenn die Lehrenden dafür aufgeschlossen sind. Seit Jahren wird in Honduras eine Debatte um ein Lehrerhandbuch zum Sexualkundeunterricht geführt, dessen Herausgabe regelmäßig von den Kirchen gestoppt wird. Beanstandet wurde unter anderem, dass die Geschlechtsorgane von Kindern abgebildet wurden. Außerdem vertraten die Kirchen die Auffassung, dass die Kinder mit den Büchern zur Homosexualität erzogen würden, erinnert sich Zavala.

Die mangelnde Aufklärung zieht auch eine hohe Rate von Teenagerschwangerschaften nach sich. Auch hier sind es die Kirchen, die sich vehement gegen die Pille danach aussprechen. Doch nicht nur das: Der Staat konsultiert explizit die Kirche, wenn es um Frauenrechte geht. So bat die Regierung die Evangelikalen Kirchen um eine Stellungnahme zum Zusatzprotokoll zur UN Frauenkonvention. Die Kirchen rieten dann Anfang Mai dieses Jahres von der Unterzeichnung ab, wenige Tage, bevor der Staat die Empfehlungen des UN-Menschenrechtsrats im Rahmen des “Universal Periodic Review” empfangen sollte. Trotz Empfehlung der UN hat Honduras das Zusatzprotokoll bislang nicht unterzeichnet, sondern sich an die Empfehlung der Kirchen gehalten. „Der Staat definiert sich als laizistisch, aber agiert konfessionell“, meint Suyapa Martínez vom Zentrum für Frauenstudien.

Das Land gehört den Männern

Im Panorama der Ungleichheit geht es nicht nur um die Verfügungsmacht über den eigenen Körper, sondern auch um den Zugang zu ökonomischen Ressourcen. Ihre schlechtere wirtschaftliche Situation erschwert es Frauen, aus gewalttätigen Beziehungen zu fliehen.

So hätten die wenigsten Frauen in Honduras Zugang zu Land, erklärt Dilcia Zavala, die sich insbesondere auch für die Rechte von Frauen im ländlichen Raum einsetzt: „Die wenigen Frauen, die Land besitzen, gehören zu Gruppen, die sich dieses wieder angeeignet haben, wie im Aguan-Tal oder im Süden des Landes. Ihre Parzellen sind im Vergleich zu denen der Männer kleiner.“

Zudem fehlten den Frauen oftmals die finanziellen Mittel, um sich ein Haus zu bauen, oder das Land zu bewirtschaften. Die staatlichen Mikrokredite von rund 50 US-Dollar im Programm “CREDIMUJER” reichten bei weitem nicht aus, um aus der Armut zu entkommen, erläutert die Frauenrechtlerin Martínez.

Statt Frauen mit dem Zugang zu Land ökonomische Möglichkeiten zu eröffnen, kriminalisiert der Staat eher diejenigen, die sich für ein Recht auf Land einsetzen. Menschenrechtsverteidiger*innen sind in Honduras in den letzten Jahren vermehrt kriminalisiert, bedroht und ermordet worden. Viele der Menschenrechtsverteidiger*innen, die um wirtschaftliche und kulturelle Rechte kämpfen, sind Frauen, so wie Margarita Murillo. Hinter ihrem gewaltsamen Tod vermutet Martínez staatliche Interessen: „Das Profil unserer Genossin lässt definitiv darauf schließen, dass staatliche Akteure in den Mord verwickelt waren.“ Um Morde wie den an Murillo aufzuklären, fordern Frauenrechtsorganisationen eine spezielle Ermittlungseinheit für Frauenmorde.

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