Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 16. Januar 2007
Inhalt
MEXIKO
GUATEMALA
EL SALVADOR
COSTA RICA
HAITI
KOLUMBIEN
ECUADOR
BOLIVIEN
BRASILIEN
ARGENTINIEN
CHILE
LATEINAMERIKA
MEXIKO
Calderón mobilisiert Truppen gegen Drogenmafia
Von Lucrecia Maldonado
(Mexiko-Stadt, 15. Januar 2007, cimac-poonal).- Das Haus in Ordnung bringen, Vereinbarungen einhalten, den Verpflichtungen gegenüber den Nachbarn im Norden nachkommen“ – das alles sind Umschreibungen für die neue Gangart der mexikanischen Regierung im Anti-Drogen-Kampf. Felipe Calderón, der vor kurzem den ersten Monat im Präsidentenamt vollendet hat, äußerte sich so: „Wir sind entschlossen, die Sicherheit wiederherzustellen, nicht nur in Michoacán und Baja California, sondern in ganz Mexiko“.
Seit seinem Amtsantritt mobilisiert der Politiker der konservativen Partei der Nationalen Aktion PAN (Partido de Acción Nacional) regelmäßig die Bundesarmee, um gegen die Drogenmafia im Land vorzugehen. Das Einsatzgebiet sind die Bastionen der so genannten „Narcos“: die Bundesstaaten Guerrero, Michoacán, Sinaloa und Baja California. Am vergangenen Wochenende (13. / 14. Januar) kamen Einsatzkräfte insbesondere rund um die Touristenstädte Acapulco und Zihuatanejo (jeweils Guerrero) zum Einsatz.
Am 3. Januar trafen Militärs und Polizeikräfte in der an der US-Grenze liegenden Großstadt Tijuana ein, nachdem im Dezember bereits Truppen im Bundesstaat Michoacán postiert worden waren. Die Drogenbekämpfungsmaßnahme unter dem Namen „Operation Tijuana“ umfasst bis jetzt 500 Polizisten und Soldaten. Die Zahl der Einsatzkräfte soll noch auf fast 3.300 ansteigen. Diese werden zu zwei Dritteln aus Soldaten und zu einem Drittel aus Kräften der Bundespolizei (PFP) bestehen.
Die eingesetzten Truppen sollen nicht nur Wege überwachen und Kontrollpunkte einrichten, sondern auch Haftbefehle gegen Verdächtige umsetzen und Durchsuchungen durchführen. Küstenverbände sollen außerdem in den Gewässern um die Halbinsel Baja California in- und ausländische Schiffe kontrollieren.
Die Aktion an der US-Grenze hat bei einigen Menschenrechtsgruppen Besorgnis hervorgerufen. Es wird befürchtet, dass im Rahmen des Anti-Drogen-Kampfs, dem sich die neue PAN-Regierung verschrieben hat, auch repressive Maßnahmen gegenüber Migranten und Migrantinnen angewandt werden, die zu Menschenrechtsverletzungen führen könnten. Tijuana ist die Eintrittspforte für hunderttausende Menschen, die aus Mexiko und Mittelamerika in die USA migrieren.
Verhaftete aus Oaxaca zeigen sexuelle Übergriffe an
(Buenos Aires, 10. Januar 2007, púlsar-poonal).- Das Forum zur Wahrung der Menschenrechte in Oaxaca kritisierte, dass zumindest 15 der in Oaxaca während der Auseinandersetzungen vom November letzten Jahres verhafteten Personen sexuelle Übergriffe erlitten hätten. Nach Berichten der Familienangehörigen der politischen Gefangenen aus Oaxaca hätten sich die Übergriffe durch die Sicherheitskräfte auf dem Transport zum bundesstaatlichen Gefängnis von Nayarit ereignete. Dorthin war die Mehrzahl der über 200 Verhafteten gebracht worden. Beobachter weisen zudem darauf hin, dass die Beleidigungen und Erniedrigungen der weiterhin in Haft befindlichen Sprecher der Versammlung der Bevölkerung von Oaxaca APPO (Asamblea Popular de los Pueblos de Oaxaca) fortgesetzt würden.
Unterdessen hat die zuständige Staatssekretärin eine für letzten Dienstag (9. Januar) vorgesehene neue Verhandlungsrunde mit APPO-Vertretern ausgesetzt, da die Organisation über kein konkretes Reformprogramm und keine Lösungsvorschläge verfüge. Menschenrechtsvertreter sehen in dieser Entscheidung einen weiteren Hinweis dafür, dass das Bundesinnenministerium die Untätigkeit der bundesstaatlichen Behörden unterstützt, die unter dem Gouverneur von Oaxaca Ulises Ruiz fortwährende Inhaftierungen von Personen unter falschen Anschuldigungen gestattet sowie zur Aufrechterhaltung des allgemeinen Klimas der Vergeltung in dem Bundesstaat beiträgt.
Am Wochenende (13. / 14. Januar) gingen erneut APPO-Aktivisten in Oaxaca auf die Straße. Während einer Mahnwache im Munizip Miahuatlán de Porfirio Díaz in der Sierra Sur de Oaxaca wurden am vergangenen Samstag (13. Januar) mehrere Menschen festgenommen. Für die Freilassung der Festgenommenen demonstrierten am Folgetag rund 3000 Menschen in der Landeshauptstadt Oaxaca. Wie seit dem Beginn des Aufstandes in dem südmexikanischen Bundesstaat im Juni vergangenen Jahres forderten die Demonstranten wieder die Absetzung des repressiven Gouverneurs Ulises Ruiz.
Die Vorsitzende der Sektion Oaxaca der Mexikanischen Liga für Menschenrechte Limeddh (Liga Mexicana por la Defensa de los Derechos Humanos) Yésica Sánchez Maya informierte indes darüber, dass die Behörden sieben „politische Gefangene“ freigelassen hätten, nachdem der Bundesstaat für die Inhaftierten eine Kaution hinterlegt habe. Damit seien jetzt noch 25 der über 200 Menschen inhaftiert, die während der Auseinandersetzungen in Oaxaca-Stadt am 25. November festgenommen wurden, erklärte Sánchez Maya. Insgesamt säßen noch 61 Menschen wegen des Volksaufstands im Gefängnis. Für die nächsten Wochen hat die APPO neue Mobilisierungen angekündigt.
GUATEMALA
Polizei vertreibt Landbesetzer
(Buenos Aires, 10. Januar 2007, púlsar).- 800 Mitglieder der Nationalen Zivilpolizei PNC (Policía Nacional Civil), unterstützt von 150 Soldaten des Marinekommandos der Karibik (Comando Naval del Caribe), haben mehr als 400 guatemaltekische Bauernfamilien vertrieben. Eine guatemaltekische Zeitung bestätigte, dass die Campesinos Ländereien besetzt hätten, welche die Regierung mit einer entsprechenden Genehmigung an die guatemaltekische Nickel-Gesellschaft (Compañ&ia
cute;a Guatemalteca de Níquel), einer Filiale der kanadischen Firma Skye Resources, ausgehändigt habe.
Die Bauern beanspruchen den Besitz der in den Gemeinden La Pista, La Unión und Chichipate, in El Estor, Izabal, gelegenen Grundstücke. Pío Chocoj vom Sekretariat der Organisation für Landwirtschaftliche Angelegenheiten (Asuntos Rurales) erklärte, dass die Männer und Frauen für einen auf ihren Vorfahren basierenden Besitzanspruch kämpften, der vom Nationalinstitut für Landwirtschaftliche Transformation (Instituto Nacional de Transformacion Agraria) anerkannt worden sei. 2006 wurden bereits rund 200 Familien aus der Umgebung von Esmeralda und Revolución vertrieben, die sich ebenfalls in einem ähnlichen Rechtsstreit befinden.
Ein Bericht über die „menschliche Entwicklung“ vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen weist darauf hin, dass zwei Prozent der guatemaltekischen Bevölkerung 72 Prozent des fruchtbarsten Landes und der Parzellen besitzen. Auf der anderen Seite verfügen die Klein-Eigentümer, die 87 Prozent der Bevölkerung stellen, über kaum 15 Prozent der Ländereien. Die Hälfte der landwirtschaftlichen Haushalte bestünden aus Bauernfamilien, die kein Land oder weniger als einen Hektar besitzen und deren Armutsindize bei über 80 Prozent liegt, heißt es in dem Bericht weiter.
EL SALVADOR
Salvadorianer mobilisieren gegen Minenausbeutung
(Buenos Aires, 10. Januar 2007, púlsar-poonal).- Bewohner der Departements Chalatenango und Morazán sowie Umweltorganisationen fordern das Umweltministerium auf, die Einstellung von Abbauarbeiten zu veranlassen, die in dieser Region durch das Minenabbauunternehmen TRIADA durchgeführt werden.
José Serrano, Bürgermeister von San Antonio Los Ranchos, erklärte, seit Jahresbeginn werde angekündigt, dass TRIADA mit den Arbeiten in der Mine Pentacol beginnen werde, ohne zuvor eine Konsultation durchzuführen. “Studien, die in Ländern durchgeführt wurden, in denen in Minen abgebaut wird, weisen darauf hin, dass diese Arbeiten Schäden für Umwelt und Gesundheit sowie eine Wasserverschmutzung verursachte haben,“ fügte Serrano hinzu. Balmore Torres von der Ökologischen Vereinigung von Chalatenango erklärte, dass am 18. Dezember eine Studie über Umweltauswirkungen präsentiert worden sei, um ein weiteres Projekt in Morazán zu lancieren.
Ihr Anliegen sei es, erklärte Torres für die Umweltorganisationen, alle Unternehmen zum Rückzug zu bewegen, die Bergbauprojekte im Land geplant haben. Dies betreffe insbesondere die TRIADA S.A., die versuche, Ressourcen in Chalatenango und Morazán abzubauen. „Wir glauben nicht, dass eine Ausbeutung der Minen einen positiven Beitrag für unsere Leben leisten kann. Es bringt uns nur eine noch größere Zerstörung der Umwelt.“ Gleichfalls bat er den neuen Umweltminister Carlos José Guerrero darum, in seiner Arbeit „konsequent“ zu sein und den Unternehmen die Arbeitsaufnahme zu untersagen.
COSTA RICA
Parlamentsdebatte um TLC beginnt
Von Torge Löding
(San José, 15. Januar 2007, voces nuestras).- Seit Montag (15. Januar) ist in der Asemblea Legislativa, dem Parlament Costa Ricas, die Debatte um den Text des TLC-Freihandelsabkommens (CAFTA) mit den USA eröffnet. Gegner des Abkommens aller Couleur bekräftigten ihre Kritik daran in- und außerhalb des Parlaments. Erstmals meldete sich auch eine Gruppe von bekannten Politikern der regierenden rechtssozialdemokratischen Partei PLN zu Wort. Wortführer ist der ehemalige Abgeordnete und Ex-Präsidentschaftskandidat Rolando Araya, der die PLN-Parlamentarier aufforderte, nicht für den TLC zu stimmen. “Wer sich als Sozialdemokrat versteht, der muss sich gegen diese Bedrohung unseres Sozialstaates wehren”, sagte er.
Gewerkschaften, Studierendenvertretungen, Künstler und andere haben bereits mit der Vorbereitung eines neuen Streik- und Protestags im Februar begonnen. Seine Einstellung zu solchen Protesten hat offenbar auch Oppositionsführer Otton Solis von der linksliberalen PAC geändert. Der TLC-Kritiker und ehemalige Präsidentschaftsanwärter hatte Demonstrationen und Blockaden in der Vergangenheit als nicht adäquat für die demokratische Diskussion bezeichnet und war auf einer Kundgebung von TLC-Gegnern im Dezember dafür ausgebuht worden. Nun erklärte er seine Unterstützung für außerparlamentarische Aktionen. “Ich bin bereit dazu!”, sagte Solis.
Im Parlament verfügen die TLC-Befürworter von PLN und anderen Parteien eine einfache Mehrheit. Die Gegner PAC, Frente Amplio sowie die Partei für Barrierefreiheit PASE kritisieren hingegen, dass ihre Einwände und Änderungsanträge nicht ernsthaft diskutiert würden. Präsident und TLC-Befürworter Oscar Arias (PLN) erwartet die endgültige Parlamentsentscheidung vor Ende April.
HAITI
Kofi Annan empfiehlt, die UNO-Mission weiterzuführen
(Buenos Aires, 5. Januar 2007, púlsar).- Der scheidende UNO-Generalsekretär Kofi Annan hat in seinem letzten Bericht zur Situation in Haiti empfohlen, die Mission zur Stabilisierung Haitis um ein Jahr zu verlängern. Annan erklärte, „die Präsenz von Soldaten und Polizisten der Mission ist weiterhin eine wesentliche Antwort auf die Bedrohung durch die Destabilisierung“.
Der Bericht umfasst die Monate August bis Dezember 2006. In ihm wird betont, dass die Mission während der verlängerten Frist die Truppenstärke stabil halten müsse. Derzeit sind 6600 Soldaten und mehr als 1700 Polizisten im Rahmen der UNO in Haiti stationiert. Dazu kommen noch Zivilisten, die die Bevölkerung unterstützen.
Zu den wichtigsten Herausforderungen für die Zukunft Haitis zählt Annan, ein sicheres Umfeld und zuverlässige Institutionen zu schaffen sowie Fundamente für die sozioökonomische Entwicklung zu legen. In dem Bericht wird außerdem auf die Dringlichkeit hingewiesen, eine Infrastruktur zu schaffen, die Arbeitsplätze zur Verfügung stellt und die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessert.
KOLUMBIEN
Telesur-Journalist mangels Beweisen freigelassen
(Guatemala, 9. Januar 2007, cerigua).- Der Kolumbien-Korrespondent des lateinamerikanischen Fernsehsenders Telesur Freddy Muñoz wurde aus der Untersuchungshaft entlassen. Muñoz war vorgeworfen worden, den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) angehört zu haben. Die Staatsanwaltschaft musste nun jedoch einräumen, dass die Beweismittel nicht ausreichten, um eine entsprechende Anklage zu stützen. Darüber informierte der Anwalt des Journalisten Tito Gaitán.
Die lateinamerikanische Beobachtungsstelle für die Meinungsfreiheit OLA (Observatorio Latinoamericano para la Libertad de Expresión) mit Sitz in Peru berichtete, dass einer der Zeugen Muñoz als Guerillakämpfer der FARC identifiziert habe. Der Zeuge habe seine Aussage aber später zurückgenommen und eingeräumt, den Journalisten nicht zu kennen.
Muñoz war am vergangenen 19. November mit dem Vorfwurf „Aufstand und Terrorismus“ von den kolumbianischen Behörden festgenommen worden. Er wurde beschuldigt, an einem 2002 durchgeführten Attentat teilgenomme
n zu haben, das der FARC zugeschrieben wird. Das Verfahren baute auf die Aussagen von drei ehemaligen Guerilla-Mitgliedern, die sich im Gefängnis befinden. Allerdings wurden ihre Zeugenaussage als ungenau und fragwürdig eingestuft.
ECUADOR
Besprühungen: Correa und Uribe erzielen Einigung
(Buenos Aires, 11. Januar 2007, pulsar-poonal).- Während ihres Besuches in der nicaraguanischen Hauptstadt Managua im Rahmen der Vereidigung Daniel Ortegas zum Präsidenten, erzielten der kolumbianische Regierungschef Álvaro Uribe und der neu gewählte Präsident Ecuadors Rafael Correa eine Einigung in ihrem Streit um die Besprühung von Kokafeldern.
Die Amtsträger trafen sich für etwa eine halbe Stunde, um den bilateralen Konflikt anzugehen, der sich durch kolumbianische Besprühungen mit dem Herbizid Glyphosat im Grenzgebiet entwickelt hatte. Die ecuadorianische Regierung hatte die Besprühungen auf ihren Gebiet kritisiert, die Kolumbianer warfen den Ecuadorianern hingegen vor, illegale Kokapflanzungen zu tolerieren und veröffentlichten Fotos vermeintlicher Kokafelder.
Der erste Punkt, auf den man sich einigen konnte, ist die Zusage Kolumbiens, das benachbarte Land jedes Mal zu informieren, wenn Besprühungen in der Grenzregion vorgenommen werden. Dies soll Ecuador ermöglichen, Inspekteure zu schicken, um zu überprüfen, ob Glyphosat auf die ecuadorianische Seite der Grenze gelangt.
Zudem vereinbarten die Präsidenten gemeinsam mit der Organisation Amerikanischer Staaten, eine Dreiparteienkommission einzurichten, die sicherstellt, dass während der Besprühungen weder direkt noch indirekt Glyphosat die ecuadorianische Seite erreicht. Auch wurde beschlossen, das Ausmaß des Schadens durch das Glyphosat zu analysieren und dafür sowohl auf kolumbianischer als auch auf ecuadorianischer Seite Proben zu sammeln.
Politische Beobachter in Ecudaor kritisierten, die Vereinbarung ihres als links geltenden Staatschefs sei ein Rückschritt gegenüber vorhergehenden Verhandlungen, die von Correas bürgerlichem Vorgänger mit der kolumbianischen Regierung geführt worden waren.
BOLIVIEN
Bolivien und Venezuela gründen binationale Ölgesellschaft
(Buenos Aires, 10. Januar 2007, púlsar).- Die bolivianische Regierung hat ein Dekret zur Gründung des Unternehmens Petroandina unterschrieben, das durch Kapital der bolivianischen und venezolanischen staatlichen Ölgesellschaften YPFB (Yacimientos Petrolíferos Fiscales Bolivianos) und PDVSA (Petróleos de Venezuela) finanziert wird. Präsident Evo Morales habe noch vor seiner Reise nach Nicaragua, wo er der Amtsübernahme durch Daniel Ortega beiwohnte, mit seinem Kabinett den Text unterschrieben, der die rechtmäßige Gründung des binationalen Unternehmens ermögliche, erklärte Regierungssprecher Alex Contreras.
Contreras betonte, dass die neue Gesellschaft, die den Namen Petroandina Exploración y Explotación Sociedad Anónima Mixta trägt, die Industrialisierung der bolivianischen Kohlenwasserstoffe in dem Land garantieren werde. Die beiden staatlichen Unternehmen planen zudem, Untersuchungen der Erdölvorkommen in den bolivianischen Anden durchzuführen.
BRASILIEN
Regierung will Basisradios in São Paulo legalisieren
(Buenos Aires, 9. Januar 2007, púlsar).- Basisverbände in São Paulo, die eine Legalisierung von Rundfunkstationen fordern, haben nun bis zum 20. Januar Zeit, um ihre entsprechenden Dokumente einzureichen. Letztlich wird die Regierung entscheiden, wer von den Antragstellern eine Sendelizenz bekommen soll.
Ende des letzten Jahres hatte die brasilianische Bundesregierung ein Einschreibeverfahren für Basisradios in São Paulo einberufen. Dies geschah als Reaktion auf die starken Proteste gegen die Schließung der bekannten Sendestation Radio Heliópolis im Juli 2006.
Mitarbeiter einiger Gruppen glauben jedoch nicht daran, dass ihre Anträge zum Erfolg führen werden. Aktivisten der Basisradio-Bewegung erklärten, dass das Verfahren unnötig viele Dokumente in viel zu kurzer Zeit abverlange. Um einen Antrag einzureichen, seien 15 Dokumente nötig. „Relativ stabile Organisationen haben die Möglichkeit auf eine Zusage, während kleine Gruppen viel mehr Probleme haben“, sagt Janis Kunrath von Radio Cantareira. Aber immerhin wird es nun nach dem 20. Januar erstmals Genehmigungen für freie Radios in der größten Stadt Brasiliens geben.
Bischof und Menschenrechtsaktivist erhält Morddrohungen
(Montevideo, 7. Januar 2007, comcosur).- Don Erwin Krautler, Menschenrechtsaktivist aus Pará und Präsident des Indígena-Missionsrates der Katholischen Kirche CIMI (Conselho Indigenista Missionário), hat eine weitere Morddrohung erhalten. Darüber informierte der Bischof am 3. Januar die Bundespolizei der Gemeinde Altamira im Bundesstaat Pará. Der Geistliche ist durch mehrere Anzeigen gegen Großgrundbesitzer, Holzhändler und Politiker aus der Region bekannt geworden.
Er erklärte, dass man ihn zuletzt Ende des Jahres 2006 bedrohte, nachdem er eine Bande von Rechtsbrechern angeklagt hatte, die sexuellen Missbrauch und Kinderprostitution fördern. Don Erwin betont, dass die angeklagte Verbrecherbande aus ehemaligen Politikern, Ärzten und Unternehmern bestehe – Leute also, die ihr Vermögen benutzten, um sich nötigenfalls freizukaufen. Jetzt aber müssten sie vor Gericht.
Der Bischof klagt außerdem die Straflosigkeit im Mordfall der Missionarin Dorothy Stang an, die 2005 von Auftragsmördern erschossen wurde. In diesem Fall wurden fünf Personen angeklagt, drei von ihnen sind jedoch noch immer auf freiem Fuß. Der seit mehr als 40 Jahren im Amazonasgebiet lebende Don Erwin ist der Meinung, dass weitere Personen in diesen Mord verwickelt sind. Aufgrund der letzten Morddrohung gegen ihn, die durch einen anonymen Telefonanruf ausgesprochen wurde, befindet er sich unter polizeilichem Schutz. Die Bundespolizei wird ein Verfahren eröffnen, um den Drohungen nachzugehen und andere Personen ebenfalls zu einer Aussage zu ermutigen.
Gewaltwelle entfacht Debatte über öffentliche Sicherheit
Von Andreas Behn
(Rio de Janeiro, 7. Januar 2007, npl).- Präsident Lula da Silva verkündet härtere Strafen und ein Gesetzespaket gegen Terrorismus. Soldaten der Armee und eine Eliteeinheit der Bundespolizei sollen die Straßen von Rio de Janeiro sicherer machen. Auch das Bild von zwölf Häftlingen, allesamt Anführer berüchtigter Drogenhändlerbanden – grünblau gekleidet, mit Handschellen gefesselt und gesenktem Kopf – während ihres Abtransports aus dem lokalen Knast “Bangu” in einen Hochsicherheitstrakt unter Bundesverwaltung im Süden des Landes soll vor allem eines suggerieren: In Zukunft wird es in Brasilien mehr öffentliche Sicherheit geben.
Die Gewaltexzesse kurz vor Sylvester sind allen in der brasilianischen Touristenmetropole Rio de Janeiro in Erinnerung. Vor allem der brennende Reisebus der Firma Itapemirim, deren knallgelben Busse ein Markenzeichen der hiesigen Landstraßen sind. Acht Menschen verbrannten in den Flammen, die anderen Reisenden konnten sich mit teils schweren Verbrennungen retten. Mutmaßliche Mitglieder der Drogenbanden hatten den Bus gestürmt, ausgeraubt und skrupellos Feuer ge
legt. In der gleichen Nacht starben mindestens weitere elf Menschen bei den koordinierten Angriffen der Banden. Die Opfer waren entweder Mitglieder von Polizeieinheiten oder Menschen, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren.
Ziel der Angriffe war, im wahrsten Sinne des Wortes Angst und Schrecken zu verbreiten und damit Macht zu demonstrieren. Dies ist gelungen, genauso wie Mitte vergangenen Jahres in São Paulo, wo eine Welle von Attentaten auf Polizisten und deren Rachefeldzug innerhalb weniger Tage mehrere hundert Todesopfer verursachte. Auch die ersten Tage des neuen Jahres waren in Rio von Überfällen gekennzeichnet, wobei der Raubüberfall auf sechs Touristen – unter ihnen zwei Deutsche – während ihrer Fahrt vom Flughafen zum Copacabana-Strand das meiste Aufsehen erregte. Auch um ihr Image im Ausland bangt die Stadt, so dass sich sogar der Tourismussekretär zu einer persönlich Entschuldigung bei den jungen Reisenden veranlasst sah.
Die jüngste Gewaltwelle wirft einmal mehr die Frage auf, wie es zu einer solchen Eskalation im Land kommen konnte und wie darauf reagiert werden kann. Das Schwarzweiß-Bild vom bösen kriminellen und dem bravem Bürger, wie es gern in den Medien vermittelt wird, hilft da genauso wenig weiter wie der Allgemeinplatz, dass es in einer derart polarisierten Gesellschaft, wo extrem arm und überschwänglich reich unmittelbar nebeneinander leben wie in Rio de Janeiro, nicht friedlich zugehen könne.
Bestimmte politische Umstände in der Millionenstadt Rio de Janeiro weisen darauf hin, dass die Gewalt in unmittelbarem Zusammenhang mit den oftmals finanziellen Interessen innerhalb des staatlichen Sicherheitsapparates und weiteren korrupten Verflechtungen steht. Deutlich wird dies einerseits durch den Regierungswechsel im Bundesstaat Rio de Janeiro zu Beginn dieses Jahres und andererseits durch Machtverschiebungen innerhalb der Banden, die traditionell die Favelas, die Hunderte von Armenvierteln in Rio, kontrollieren.
Seit Jahren dominieren die verschiedene Banden von Drogenhändlern die zumeist auf steilen, innerstädtischen Hügeln gelegenen Favelas. Dort organisieren sie den Handel mit Kokain und anderen verbotenen Substanzen. Es ist ihre wichtigste Einnahmequelle. Zugleich haben sie damit ein Rückzugsgebiet, in dem Polizei, Justiz oder andere Institutionen kaum Zugang haben. Immer wieder ist von einer Parallelmacht die Rede, die nicht zuletzt wegen ihren sozialen Aktivitäten und dem Schutz vor Polizeiübergriffen von Teilen der Bewohnern durchaus akzeptiert wird.
Angesichts einst großer Gewinnspannen und heftiger Konkurrenz kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Fraktionen der Banden, deren Mitglieder im Lauf der Zeit immer jünger geworden sind. Häufig liegt das Eintrittsalter unter 14 Jahren und die Lebenserwartung kaum über 25 Jahren. Neben den internen Streitigkeiten ist die Teilhabe der Polizei am Konflikt Hauptursache der Gewalt, die Woche für Woche weit über hundert Todesopfer unter den armen, jungen und zumeist dunkelhäutigen Bewohnern der Favelas verursacht.
Obwohl es naturgemäß an Daten und Beweisen mangelt, zweifelt kaum jemand daran, dass die Polizei in Rio de Janeiro sich nicht in erster Linie der Bekämpfung des Drogenhandels und der Bandenkriminalität widmet. Im Gegenteil, oft schauen die Beamten entweder weg und lassen sich dafür gut bezahlen, oder sie sind selbst, bis hin zu den Vorgesetzten, in die kriminellen Machenschaften verstrickt. Die extreme Härte, mit der Polizisten gegen Bewohner und mutmaßliche Verbrecher in den Favelas vorgehen, wird von Menschenrechtlern auch nicht nur als verfehlte polizeiliche Maßnahme erklärt, sondern als eindeutiges Zeichen dafür, dass sie an einem Geschäft beteiligt sind, das so lukrativ ist, dass es einen solchen Kampf rechtfertigt. Offiziellen Statistiken zufolge erschießen Uniformierte in der Touristenstadt jährlich über Tausend Menschen, drei Todesopfer jeden Tag.
Dieser Status quo wird seit einigen Monaten durch ein neues Phänomen in Frage gestellt. In einigen Favelas sind so genannte Milizen aufgetaucht und haben die Chefs der Drogenbanden vertrieben. Dabei handelt es sich um paramilitärische Gruppen, die Fachleuten zufolge aus ehemaligen sowie aktiven Polizisten, Militärs, Feuerwehrleuten und Angestellten privater Sicherheitsfirmen bestehen. Laut Zeitungsberichten sollen mittlerweile fast hundert Favelas in Rio von solchen Milizen kontrolliert werden. Sie versprechen Sicherheit – fürwahr ist es ihnen gelungen, Schießereien zwischen Banden oder mit der Polizei zu unterbinden -, wenden aber klassische Mafiamethoden wie Schutzgelderpressung sowie Drohungen gegen Kritiker und Zahlungsunwillige an.
Es wird vermutet, dass ein Rückgang der Gewinne des Drogenhandels und in der Folge eine geringere Gehaltsaufbesserung für viele innerhalb des staatlichen Sicherheitsapparates Anlass für das Entstehen dieser Milizen war. Offenbar wirft die direkte Ausbeutung der Bewohner mittels Schutzgeld mehr ab als der umkämpfte Verkauf von Drogen an die Bewohner der besseren Stadtviertel. Und nicht zuletzt können politisch Verantwortliche darauf verweisen, dass Teile der Stadt befriedet wurden. So etwa der konservative Bürgermeister Rio de Janeiros Cesar Maia, der die Milizen im Vergleich zu den Drogenbanden unumwunden als „das kleinere Übel“ bezeichnete und sie sogar als Teil einer „Selbstverteidigung“ rühmte.
Der Vormarsch dieser paramilitärische Milizen hat nun offenbar eine heftige Reaktion der traditionellen Drogenhändler provoziert: Zunächst haben sich erstmals seit Jahren die drei bis aufs Messer verfeindeten Fraktionen der Drogenbanden auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt, und deren Chefs haben, wie üblich vom Gefängnis aus, ihren Untergebenen draußen befohlen, die Stadt und vor allem Polizeieinrichtungen wie auch vereinzelt Feuerwehren mit tödlichen Angriffen zu überziehen. Sozusagen als Warnung unmittelbar an die Sicherheitsbehörden, dass den Milizen die Macht über die Favelas nicht ohne weiteres überlassen wird. Dies zumindest ist die Analyse der meisten Fachleute, der Medien und von Sergio Cabral, dem neuen Gouverneur des Bundesstaates.
Im Gegensatz dazu verkündete die abtretende Gouverneurin Rosinha Garotinho, die Gewaltwelle sei wie damals in São Paulo als Kampf gegen ein schärferes Regime in den Haftanstalten zu werten. Dies ist nur eine von vielen Meinungsverschiedenheiten zwischen Cabral und seiner Vorgängerin, die gemeinsam mit ihrem Vorgänger und Ehemann Anthony Garotinho den Bundesstaat acht Jahre lang regiert und in einen Pfuhl von Korruption und Vetternwirtschaft verwandelt hat. Dass ihr bisheriger Polizeichef und jetziger Abgeordnete Álvaro Lins mittlerweile als treibende Kraft hinter diversen kriminellen Vereinigungen bezeichnet wird, die kürzliche Festnahme von 70 Militärpolizisten wegen Beteiligung am Drogenhandel oder Telefonmitschnitte, auf denen aktive Polizisten den paramilitärischen Milizen Sylvesterglückwünsche übermitteln, sind nur einige Indizien für das Ausmaß, in dem die politisch Verantwortlichen offenbar nicht in der Lage oder gewillt waren, gegen Verbrechen und Gewalt in Rio de Janeiro vorzugehen.
Was Rosinha stets ablehnte, hat der neue Gouverneur Sergio Cabral schon an seinem erstem Amtstag akzeptiert: das Angebot von Präsident Lula, Soldaten der Armee und eine Sondereinheit der Bundespolizei nach Rio zu entsenden. Eine polemische Maßnahme, zumal Kritiker darauf hinweisen, dass mehr Pol
izei und vor allem Militärs auf den Strassen alles andere als eine Garantie für mehr Sicherheit und weniger Gewalt sind. Ebenso wird kritisiert, dass Lula die Gewaltwellen in populistischem Ton als „Terrorismus“ bezeichnete. Bereits am Freitag (5. Januar) lag ein erster Gesetzesvorschlag vor, der bestimmte Gewalttaten als terroristisch einstuft und mit härteren Strafen ahnden will.
Andererseits ist kaum zu bezweifeln, dass Korruption und Verstrickungen der Sicherheitskräfte in Rio de Janeiro nur mit Hilfe der Bundespolizei, die unter Lula einen immer besseren Ruf genießt, bekämpft werden können. Wie auch, trotz aller Skepsis, mit Sergio Cabral erstmals einem Gouverneur in Rio zugetraut wird, den Teufelskreis von Verbrechen, Polizei und Gewalt aufzubrechen.
ARGENTINIEN
Haftbefehle gegen Isabel Perón und Ex-Chef der `Triple A´
(Buenos Aires, 9. Dezember 2007, púlsar-poonal).- Der Kommissar im Ruhestand Juan Ramón Morales, Ex-Chef der Antikommunistischen Allianz Argentiniens, wurde auf Befehl des Bundesrichters Norberto Oyarbide, der gegen ihn wegen Verbrechen gegen die Menschenrechte ermittelt, verhaftet. Die `Triple A´ operierte in den Jahren vor der letzten Militärdiktatur von 1976, unter der Regierung von Isabel Perón. Gegen die Ex-Präsidentin hat ein argentinisches Gericht einen Auslieferungsantrag gestellt. Perón hält sich in Spanien auf und sitzt seit Freitag (12. Januar) in Haft. Ihr wird die Beteiligung an der Entführung des 24-jährigen Héctor Fagetti am 25. Februar 1975 vorgeworfen.
Der über 80-jährige Morales wurde dem Gericht übergeben, wo er die Aussage verweigerte. Wegen seines Alters wird zwar gegen den Beschuldigten ermittelt, doch er wird unter Hausarrest gestellt, insofern sich ein Familienangehöriger um ihn kümmert.
Juan Ramón Morales war der zweite Chef der `Triple A´, die der Ex-Minister für sozialen Wohlstand José López Rega, Vertrauensmann des ehemaligen Präsidenten Juan Domingo Perón, befehligte. Die Festnahme von Morales fand zwei Wochen nach der Verhaftung des ehemaligen Subkommandanten Roberto Almirón durch die spanischen Autoritäten statt. Genau wie Morales wird auch Almirón beschuldigt, Befehlshaber der Operationen gewesen zu sein, die mit der Ermordung des Pfarrers Carlos Mujica und des Abgeordneten Rodolfo Ortega Peña und anderen endete. Isabel Perón war 1973 an der Seite ihres Ehemannes Juan Domingo zur Vizepräsidentin gewählt worden. Nach dem Tod ihres Mannes 1974 wurde sie dessen Nachfolgerin.
Nukleare Unsicherheit geht weiter
Von Analia Rodríguez
(Montevideo, 7. Januar 2007, comcosur-poonal). In weniger als einem Monat gab es zwei Zwischenfälle im Atomkraftwerk Embalse Rio Tercero. Damit wird die Entscheidung, das Kernkraftwerk 25 weitere Jahre in Betrieb zu halten, noch fragwürdiger. Nach der jetzigen Störung beklagte die Stiftung für Umweltschutz FUNAM (Fundación para la Defensa del Ambiente) mangelhafte Informationsvermittlung und hinterfragte das Sicherheitsniveau der Anlage.
Mitte Dezember wurde das AKW bereits vom Netz genommen, weil ein Kühlungssystem ausgefallen war und die Reparaturen vier Tage andauerten. 20 Tage später ereignete sich dann der neue Zwischenfall, weswegen das Werk bislang nicht wieder in Betrieb genommen wurde.
Der FUNAM-Vorsitzende Raúl Montenegro erklärte: “Es ist unzulässig, dass sich die Nukleare Kontrollbehörde ARN (Autoridad Regulatoria Nuclear) – eine nationale Kontrollorganisation, die den Betreibern der Anlage sehr nahe steht -, damit begnügt, eine Mitteilung an die Presse zu verschicken, die den Zwischenfall nicht beschreibt und auch nicht erklärt, warum das AKW überhaupt ständig mit Zwischenfällen zu kämpfen hat. Wenn die ARN unterstreicht, dass dieses Vorkommnis keine Auswirkung auf Personen und Umwelt hat, aber nicht detailliert preisgibt, was passiert ist, wird es schon irgend etwas Ernsteres sein.” FUNAM fragte die Bundesumweltministerin Romina Picolotti und den Präsidenten der Agentur für Umwelt Córdoba, Horaldo Senn, warum “sie jedes Mal wegschauen, wenn in Embalse eine Panne passiert”.
Dr. Raúl Montenegro erinnerte daran, dass das Kernkraftwerk Embalse “eine lange Geschichte von Zwischenfällen hat, die geheim gehalten wurden”. Er zeigte an, dass “diese Folge von Pannen den Entschluss unvernünftig macht, die Laufzeit um 25 Jahre zu verlängern”. Embalse sollte im Jahr 2010 geschlossen werden, aber die Bundesregierung will, dass das Werk überholt wird und weiter in Betrieb bleiben soll. Montenegro fügte hinzu, wenn die Zentrale “heute einen Zwischenfall nach dem anderen erlebt: Was können wir von Embalse erwarten, wenn die Ausstattung noch älter und obsolet ist?” Er regte an, dass die Verlängerung der Laufzeit “eine öffentliche Entscheidung” sein müsse und nicht aus “einer Laune des Ministers für Öffentliche Aufgaben Julio de Vido” enstehen dürfe.
Montenegro beurteilte die Umweltsituation an dem See, den das AKW zur Kühlung benutzt, als im Endstadium befindlich. Es handele sich um einen See, “der seit mehreren Jahrzehnten kloakische und radioaktive Abfälle abkriegt”. FUNAM forderte die Regierung von Córdoba auf, ein unabhängiges Auditorium einzurichten, um die radioaktive Belastung zu evaluieren, die das AKW im Tal von Calamuchita bereits verursacht habe. Dieses Auditorium solle nicht “nicht von der Nuklearen Kontrollbehörde und auch nicht von der Nationalen Atomenergiekommission ausgerichtet werden”. Montenegro bat außerdem darum, dass man verschiedene Städte der Provinz “auf einen nuklearen Störfall siebten Grades, den höchstmöglichen” vorbereite. Er kritisierte, dass derzeit Simulationen und Instruktionen nur für einen Umkreis von zehn Kilometer um das AKW herum existieren. Das sei ein Ausdruck dafür, dass man die Sache nicht sehr ernst nehme.
CHILE
Regierung verlängert Fristen zugunsten von CELCO
(Buenos Aires, 5. Januar 2007, púlsar).- Die regionale Umweltkomission der Region Los Lagos hat dem Zellulosehersteller CELCO (Celucosa Arauco y Constitución) eingeräumt, die Frist zur Vorlage einer Studie über mögliche Umweltfolgeschäden ihrer ins Meer geleiteten Abfälle um zwei Jahre zu verlängern.
Das Komitee zum Schutz des Meeres (Comité de Defensa del Mar), das die Organisationen der lokalen Fischer, der indigenen Fischerverbände, der indigenen Mapuche-Lafquenches-Gemeinschaften und die Gemeinde-Organisationen der Achten, Neunten und Zehnten Region vertritt, erklärte, es sei “unwürdig”, wie die Regierung zur “Korruption” verleite, indem sie CELCO eine Verlängerung der Frist gewähre.
Eliab Viguera, Sprecher des Komitees, beschuldigte die Regierung, CELCO die Verlängerung der Frist um zwei Jahre nur zu gewähren, um dem Unternehmen die Möglichkeit zu geben, führenden örtlichen Vertretern und ihren Organisationen “für die vollständige oder partielle Aufgabe der Gebiete” Geld zu zahlen. Er machte deutlich, “dass dies nichts anderes ist als eine Verschiebung der politischen Korruption hin zur Korruption der ursprünglichen Meeresnutzer”.
Der Sprecher fügte hinzu, dass “di
e Komplizenschaft zwischen dem Unternehmen CELCO und der Regierung öffentlich bewiesen wurde. Das ist ein Problem, das bereits bei verschiedenen Gelegenheiten von den Verteidigern des Meeres angeprangert worden ist.”
LATEINAMERIKA
Heftige Konflikte vor dem Mercosur-Gipfel in Rio de Janeiro
Von Andreas Behn
(Rio de Janeiro, 16. Januar 2007, npl).- Gesprächsstoff werden die südamerikanischen Staatschefs zu Genüge haben: Die angekündigten Verstaatlichungen in Venezuela, das Misstrauen der kleinen Mitgliedstaaten Uruguay und Paraguay gegenüber den großen Brasilien und Argentinien oder die eventuelle Aufnahme von Bolivien und Ecuador in den gemeinsamen Markt.
Zum 32. Mal findet ab Donnerstag (18. Januar) das Mercosur-Gipfeltreffen statt, zu dem die Staatschefs der fünf Vollmitglieder (Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay und seit vergangenem Jahr Venezuela) und zumindest hochrangige Repräsentanten der übrigen, zumeist assoziierten Staaten des Subkontinents erwartet werden. Brasiliens Präsident Inácio Lula da Silva lädt seine Kollegen in das berühmte Copacabana-Palace-Hotel im Herzen der Touristenstadt Rio de Janeiro ein. Er setzt auf mehr Verständigung untereinander – das würde die gesamte Region voranbringen, wie auch die Vorreiterrolle Brasiliens als Wirtschaftslokomotive festigen.
Denkbar ungelegen kamen da die neuesten Ankündigungen aus Venezuela, wo Präsident Hugo Chávez gerade eine neue Amtszeit beginnt: Er werde die Bereiche Energiewirtschaft und Telekommunikation mehrheitlich nationalisieren und ausländische Investoren, die sich nicht den neuen Regeln anpassen wollen, nach Hause schicken. In der Sache zwar nichts besonderes, doch vor allem aus den USA kam sofort vehemente Kritik an dem Vorhaben. Das bilaterale Problem wird schnell zu einem des Mercosur, da der gemeinsame südamerikanische Markt großes Interesse an einem Abkommen mit den USA hat. Ein solches Abkommen, so zumindest die brasilianische Sichtweise, wäre ein guter Ersatz für die mittlerweile gescheiterte Gesamtamerikanische Freihandelszone ALCA. Allerdings nur, wenn die US-Regierung und Chávez zumindest mittelbar miteinander handelseinig würden.
Die Haltung Venezuelas innerhalb des Mercosur würde an Gewicht gewinnen, sollten die assoziierten Länder Bolivien und Ecuador formal ihre Vollmitgliedschaft beantragen. Nicht wegen ihrer Wirtschaftsstärke, sondern weil nach Bolivien mit Evo Morales nun auch Ecuador mit Rafael Correa von explizit US-kritischen Regierungen geführt werden, die in vieler Hinsicht zum Schulterschluss mit Chávez bereit sind. Allerdings dürfte der Weg dorthin noch weit sein, da die beiden kleinen Staaten diverse Sonderregelungen durchsetzen wollen, wie beispielsweise die gleichzeitige Mitgliedschaft in der Andengemeinschaft.
Insbesondere die kleineren Länder Uruguay und Paraguay werden sich in dieser Frage nicht sehr großzügig zeigen. Schon jetzt fühlen sie sich von den beiden großen überrollt und drohten mehrfach damit, den Mercosur handlungsunfähig zu machen, sollten ihnen keine besseren Bedingungen im ungleichen Handel miteinander eingeräumt werden. Und schon jetzt zeichnet sich Streit ab beim Umgang mit einem gemeinsamen Entwicklungsfonds, der zur Finanzierung von Infrastruktur-Projekten dient und schnell zu einem Zankapfel untereinander wird.
Der heftigsten Zwist tragen allerdings derzeit Uruguay und Argentinien aus. Es geht um Zellulose-Fabriken in Uruguay, die nach Meinung des Nachbarn eine unzulässige Verschmutzung des gemeinsam genutzten Flusswasser bedeuten. Der Argentinier Kirchner und der Uruguayer Vázquez reden nicht einmal mehr miteinander, nachdem der Konflikt letztes Jahr in verbalen Ausfällen kulminierte.
Trotz der auch wirtschaftlich guten Stimmung in Südamerika und einer breiten politischen Annäherung der weniger konservativ ausgerichteten Regierungen, ist das Mercosur-Projekt bislang im Konflikt konkurrierender Ökonomien gefangen. Die offensichtlichen Streits, die von der Presse gerne noch geschürt werden, dürften auch in Rio de Janeiro verhindern, dass der Mercosur seinem großen Vorbild, der Europäischen Union, näher kommt.
28 registrierte Morde an Journalisten im Jahr 2006
Von Hernán Uribe
(Quito/Buenos Aires, 7. Januar 2007, alai-púlsar-poonal).- Nach Angaben der der Lateinamerikanischen Journalistenföderation FELAP angeschlossenen Kommission zur Aufklärung von Anschlägen auf Journalisten CIAP, wurden im Jahr 2006 insgesamt 28 Journalisten ermordet, fünf weitere gelten als verschwunden. Mit insgesamt zehn tödlichen Anschlägen auf Journalisten führt Mexiko die Liste an. Die weltweite Zahl der Opfer variiert je nach Quelle. Am glaubhaftesten erscheinen die Angaben des Weltverbands der Zeitungen, der von 105 Toten spricht. Allein im Irak haben demnach 48 tödliche Angriffe auf Journalist*innen stattgefunden.
Vergangenen Dezember hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einstimmig eine Resolution verabschiedet, die „jegliche Art von Angriffen auf Journalist*innen in Krisengebieten” verurteilt und kriegerisch verfeindete Banden dazu aufruft, „die Berichterstatter und ihre Arbeit zu respektieren”. Mit dieser Resolution wiederholt die UNO eigentlich nur die Erklärung der Genfer Konvention, nach der auch in Kriegsgebieten Reporter als Zivilpersonen zu betrachten sind und daher ihre körperliche Unversehrtheit zu wahren ist.
Die Stellungnahme der UNO verschließt sich damit völlig vor der Realität in lateinamerikanischen Ländern, in denen, ob Kriegsgebiet oder nicht, Journalisten von Drogenhändlern und Angehörigen verschiedener mafiaartiger Gruppierungen getötet werden, und zwar einfach, um sie als Zeugen begangener Verbrechen aus dem Weg zu räumen. Die Ermordung von Journalisten hatte während der bürgerlich-militärischen Diktaturen in den siebziger Jahren extrem zugenommen. Diese Gewalt setzte sich unter den folgenden Regierungen fort und dauert bis heute an.
Im August teilte das Referat für Meinungsfreiheit der Organisation Amerikanischer Staaten mit, dass in den letzten zehn Jahren 83 Morde in Kolumbien sowie je 24 in Brasilien und Mexiko registriert worden seien. Weitere tödliche Angriffe auf Journalist*innen hätten in Guatemala, Ecuador, Haití, Nicaragua, Venezuela sowie weiteren Ländern stattgefunden.
CIAP-Leiter José Dos Santos sprach im vergangenen November vor den Teilnehmern des 5. Treffens der Kriegsberichterstatter in Havanna die systematische Einschüchterung der Presse an. „In Lateinamerika werden Journalist*innen umgebracht, ohne dass sich das Land im Bürgerkrieg befindet oder von einer feindlichen Invasion bedroht wird. Eine Ausnahme bildet der Krieg niedriger Intensität, von dem Kolumbien bereits seit einem halben Jahrhundert geschüttelt wird.“ Dos Santos erinnerte zudem daran, dass auf dem lateinamerikanischen Kontinent seit 1976 etwa 800 Journalisten getötet worden seien.
Ein weiteres Problem ist die Straflosigkeit, von der die Morde an Journalist*innen in der Regel begleitet werden. Nach Angaben des US-amerikanischen Komitees zum Schutz der Journalisten fielen zwischen 1992 und 2006 insgesamt 580 Journalisten Mordanschlägen zum Opfer. Bei 85 Prozent der Fälle sei keine strafrechtliche Untersuchung angestrengt worden. Genauso gestalte sich auch die Situation in Lateinamerika.
Der Inte
rnationale Journalistenverband FIP spricht von zehn ermordeten und vier verschwundenen Journalisten in Mexiko im Jahr 2006. Alle hatten sich mit dem „organisiertem Verbrechen“ und Korruptionsaffären befasst. Die Organisation Reporter ohne Grenzen berichtete vor einigen Wochen mit Blick auf die sechsjährige Regierungszeit von Vicente Fox, die am 2. Dezember 2006 zu Ende ging: „Die Amtszeit des Präsidenten Fox kann auf die traurige Bilanz von insgesamt 20 ermordeten Journalist*innen zurückblicken, wobei nicht in einem einzigen Fall versucht wurde, die Hintermänner der Verbrechen aufzuspüren”. Die Organisation erklärte weiter, Mexiko habe sich im Jahr 2005 „für Presseberichterstatter*innen zum gefährlichsten Land auf dem amerikanischen Kontinent“ entwickelt. Weltweit stehe Mexiko an zweiter Stelle und werde in seiner Gefährdung für Journalist*innen nur noch vom Irak übertroffen.
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