Poonal Nr. 419

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 419 vom 11. Februar 2000

Inhalt


MEXIKO

GUATEMALA

COSTA RICA

HONDURAS

KUBA

CHILE

ARGENTINIEN

URUGUAY

KOLUMBIEN

BOLIVIEN

PERU

LATEINAMERIKA


MEXIKO

Räumung der größten Universität Lateinamerikas nach fast zehnmonatigem Streik –

Bundespolizei nimmt über 600 Personen fest

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 6. Februar 2000, Poonal).- Der längste Hochschulstreik in der mexikanischen Geschichte ist zu Ende. Auf Anordnung von Präsident Ernesto Zedillo räumte die Bundespolizei am frühen Sonntagmorgen in einer Überraschungsaktion die Autonome Nationaluniversität Mexikos (UNAM). Über 2.000 Polizisten durchkämmten systematisch das Universitätsgelände und verhafteten mehr als 600 Personen. Zu Widerstand von Seiten der Studenten, die die UNAM seit dem 19. April des Vorjahres aus Protest gegen Reformpläne besetzt hielten, kam es nicht. Die Studenten hatten zuvor auf einer die Nacht über dauernden Vollversammlung des Obersten Streikrates (CGH) beschlossen, den Rektor der UNAM erneut zum Dialog drängen, nachdem Gespräche am vergangenen Freitag ergebnislos verlaufen waren. Noch im Verlaufe des Sonntags forderten mehrere tausend Menschen auf einer Demonstration die sofortige Freilassung aller Studenten.

Wenige Stunden nach dem Coup übernahm Präsident Zedillo in einer landesweit übertragenen Fernseh- und Rundfunkansprache die Verantwortung für die Polizeiaktion. Er habe den Bundesstaatsanwalt aufgefordert, die von einer Richterin vor einigen Monaten verfügte Rückgabe der Einrichtungen an die UNAM sowie die Verhaftung der mutmaßlich Verantwortlichen für die Besetzung umzusetzen. Auslöser für seine Entscheidung, so der Präsident, seien die gewalttätigen Zusammenstöße zwischen Streikenden und Streikgegnern in einer Universitäts-Einrichtung am 1. Februar gewesen. Bereits an diesem Tag hatte die Bundespolizei eingegriffen und etwa 250 Studenten festgenommen. Im Nachhinein sieht es für viele Kritiker so aus, als hätten Hochschulverwaltung und Regierung in den vergangenen Wochen zielstrebig auf die Räumung hingearbeitet, nachdem es unmöglich erschien die streikenden Studenten auf anderem Wege in die Knie zu zwingen.

Die Studenten begannen vor fast zehn Monaten aus Protest gegen eine beschlossene, massive Erhöhung der Studiengebühren und schärfere Zulassungsbeschränkungen für die UNAM in den Streik zu treten. Befürchtet wurde, dass die Regierung im Rahmen ihrer neoliberalen Wirtschaftspolitik auch vor der öffentlichen Hochschule nicht halt machen und den Bildungssektor mittelfristig vollständig privatisieren werde. Bald weiteten sich die studentischen Forderungen auf mehr Demokratie und Mitbestimmung im Hochschulwesen sowie auf die Gründung eines Kongresses aus, der die UNAM reformieren sollte. Die Rücknahme der Gebührenerhöhungen und der Rücktritt von Rektor Barnes reichten nicht mehr aus, um den Streik zu beenden, obwohl der öffentliche Druck auf die Studenten wuchs. Von außen in „Ultras“ und „Moderate“ eingeteilt, sprach sich stets eine Mehrheit der Hochschüler auf den marathonlangen und oft tumultartigen Streiksitzungen für die Fortführung des Protestes aus.

Der vom Präsidenten durchgesetzte neue Rektor Juan Ramon de la Fuente ging im Januar in die Offensive. Mit großem Aufwand organisierte er ein „Plebiszit“ unter den fast 300.000 UNAM-Studenten über die Fortführung des Streiks. Erwartungsgemäß fand er eine Mehrheit, die sich für die Beendigung der Protestaktion aussprach. Doch der Oberste Streikrat organisierte ein eigenes Referendum, in dem er seinerseits viel Unterstützung für seinen Forderungskatalog erhielt und viele streikmüde gewordene Studenten neu mobilisierte. Wahrscheinlich fällte die Regierung bereits zu diesem Zeitpunkt den definitiven Beschluss, die UNAM zu räumen.

In den Folgetagen gab es mehrere Zwischenfälle, an denen Streikgegner und – Befürworter beteiligt waren. Doch unabhängige Zeitungen erwähnten vor allem den Anteil der Provokateure an den eskalierenden Auseinandersetzungen. Nach einigen Zeugenaussagen wurden sie direkt von der UNAM-Verwaltung oder Regierungsstellen angeheuert. Die Gerüchte über eine bevorstehende Räumung verdichteten sich, als der Rektor am Freitag nur über die Übergabe der Universität, nicht aber über Inhalte mit der Streikvertretung diskutieren wollte. Trotzdem hatten die Studenten nicht damit gerechnet, kürzeste Zeit später vom Campus in die Haftzellen zu kommen.

Für die Regierung ist die Situation jedoch nicht ausgestanden. Obwohl die staatliche Menschenrechtskommission eilfertig attestierte, bei der Räumung seien alle Rechte der Studenten gewahrt worden und es nach den vorliegenden Meldungen keinen einzigen Verletzten gab, wird der mexikanische Staat kaum rechtfertigen können, insgesamt mehr als 800 Studenten längere Zeit in Haft zu halten. Für jeden Studentenführer, dem der Prozess wegen Hausfriedensbruch und vielleicht sogar wegen Sabotage und Terrorismus gemacht wird, werden viele andere protestieren. Wenn die Polizei wie vorgesehen mehrere Wochen auf dem Universitätsgelände bleibt, ist an die Aufnahme eines regulären Uni-Betriebes auch nach dem Streikende nicht zu denken.

Anhaltende Diskussionen um Regierungsvorgehen gegen streikende Studenten

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 9. Februar 2000, poonal).- Als die mexikanische Polizei am vergangenen Sonntag mit einem Großaufgebot den fast zehn Monate währenden Studentenstreik an der Autonomen Nationaluniversität Mexikos (UNAM) beendete, führte sie keine Schusswaffen mit sich. Und dennoch zeichnet sich nun ab, dass bei dieser Aktion der Schuss nach hinten losgegangen sein könnte. Die Kritik am Regierungsvorgehen wächst. Am Mittwoch befanden sich immer noch 269 von ursprünglich über 800 am 1. und 7. Februar verhafteten Studenten in verschiedenen Gefängnissen. Jetzt erfahren sie in einem Ausmaß Unterstützung und Verständnis, wie sie es während ihres Streiks wohl nur ganz zu Anfang erleben konnten.

Zehntausende Studenten, unterstützt von Oppositionspolitikern und Gewerkschaftern, demonstrierten am Mittwochnachmittag gegen die polizeiliche Räumung der UNAM und für die Freilassung ihrer inhaftierten Kommilitonen. Schätzungen sprechen von bis zu 100.000 Teilnehmern, die vor den Regierungspalast im Stadtzentrum von Mexiko-Stadt zogen. Bereits am Dienstag hatten sich mehr als 800 UNAM-Studenten in der UAM, einer anderen staatlichen Hauptstadt-Universität, versammelt und verkündet, der Streik werde fortgesetzt. Studenten mehrerer Universitäten traten in eintägige Solidaritätsstreiks und kündigten weitere Aktionen an.

Sehr unklar ist noch, wie die Regierung um Präsident Ernesto Zedillo weiter verfahren will. Die Signale sind mehr als widersprüchlich. Der ehemalige Innenminister und aktuelle Präsidentschaftskandidat der regierenden PRI, Francisco Labastida Ochoa verlangt nun für viele scheinheilig eine „großzügige Versöhnung“. Ähnlich sein Amtsnachfolger Diodoro Carrasco. Doch gleichzeitig lehnt Carrasco eine allgemeine Amnestie für die Studenten ab. Gegen 85 von diesen ist inzwischen sogar Anklage wegen „Terrorismus“ erhoben, 35 verweigerte eine Richterin die Freilassung unter Kaution weil sie „sozial gefährlich“ seien. Mehrere Dutzend bisher nicht festgenommene Studenten können sich nicht sicher sein, ob nicht doch noch Haftbefehle gegen sie vollstreckt werden. UNAM-Rektor Juan Ramon de la Fuente, der von Studenten und Teilen der Opposition eines doppelzüngigen Spiels angeklagt wird, hört nicht auf, den Ausgang des Streiks öffentlich zu bedauern. Er will von Seiten der Universität alle gerichtlichen Klagen gegen die Verhafteten zurückziehen lassen und spricht von der Uni „fremden Gruppen“, die die Studenten manipuliert hätten.

Eine eher harte Linie wird von den Spitzen der Unternehmerverbände, einflussreichen Kirchenhierachen wie dem Hauptstadtkardinal Norberto Rivera und einigen Politikern der konservativen Oppositionspartei PAN gefordert. Die großen privaten Fernsehsender „TV Azteca“ und „Televisa“ unterstützen mit ihren Kommentaren und der selektiven Präsentation von Informationen diesen Kurs. Sie haben in diesen Tagen Ruhe und Ordnung als oberste Staatsräson entdeckt.

Für die „sofortige Freilassung“ aller Studenten hat sich der Präsidentschaftskandidat Cuauhtemoc Cardenas von der links gemäßigten PRD ausgesprochen. In den Erklärungen der Partei blickt zwischen den Zeilen aber auch ein Dilemma durch, in dem sich die PRD sieht. Einerseits versucht die Regierung immer wieder, sie als politisch mit- oder hauptverantwortlich für den Streik darzustellen. Anderseits stand die überwältigende Mehrheit der Streikenden am Ende der PRD und ihrem Schlingerkurs angesichts der Universitätsproteste scharf ablehnend gegenüber.

Ein sehr gespaltenes Verhalten zum Streik hatten auch die Linksliberalen Intellektuellen, deren Ratschläge vom Obersten Streikrat der Studenten oft wenig gefragt waren. Das führte dazu, dass respektierte Persönlichkeiten sich in Statements in der Öffentlichkeit wenige Tage vor der Räumung hinter die Ansichten von Rektor de la Fuente stellen. Nun müssen sie sich fragen lassen, ob sie sich nicht naiver Weise vor den Regierungskarren spannen ließen und der polizeilichen Lösung, die sie jetzt verdammen, den Weg bereiteten.

PRD-Mitglieder wie der Historiker Adolfo Gilly sind heute überzeugt, dass die Regierung nur auf Zeit spielte, aber nie ernsthaft mit den Studenten verhandeln wollte. Der kritische Zeitungskolumnist Julio Hernandez Lopez nennt das Vorgehen eine „Schritt für Schritt aufgebaute Falle“. Der Kulturkritiker Carlos Monsivais und die Schriftstellerin Elena Poniatowska warnen in einem gemeinsamen Zeitungsartikel vor dem Rückfall in ein Polizeiklima. Konkreter Anlass dafür sind die Verhaftung eines als moderat eingestuften Studenten direkt nach der Teilnahme an einer Fernsehsendung sowie die Festnahme eines Uni-Professors um ein Uhr nachts in seiner Wohnung.

In einigen Äußerungen kommt auch die Befürchtung zum Ausdruck, die Regierung könne noch vor den Präsidentschaftswahlen im Juli dieses Jahres versuchen, den Aufstand der zapatistischen Guerilla im Bundesstaat Chiapas niederzuschlagen. Der amtierende Präsident Zedillo äußerte sich vor kurzem in Mexiko und bei einem Auslandsbesuch in Spanien explizit verächtlich über die Zapatisten und zeigte kein Interesse mehr an der Neuaufnahme von Verhandlungen. Da es in vergangenen Jahren durchaus üblich war, dass der scheidende Amtsinhaber seinem potentiellen Nachfolger aus der eigenen Partei imageschädigende unangenehme Aufgaben abnahm, ist die Argumentation nicht aus der Luft gegriffen.

Das Hauptaugenmerk in Mexiko ist aber eindeutig auf den weiteren Verlauf der Auseinandersetzung mit dem Streik gerichtet. Am Dienstag versammelten sich mehr als 800 UNAM-Studenten in einer anderen Hauptstadt-Universität. Sie erklärten, der Streik sei nicht beendet. Die inhaftierten Kommilitonen sind für sie „politische Gefangene“. Auf juristischem Gebiet sind die Anklagen gegen die Studenten zumindest angreifbar. Die Regierung und die von ihr in vielen Fällen kontrollierten Justizbehörden stehen daher derzeit unter ständigem Rechtfertigungszwang

GUATEMALA

50 Leichen in Massengrab gefunden

(Guatemala-Stadt, 4. Februar 2000, comcosur-Poonal).- Bei neuen Untersuchungen in Guatemala sind in einem Massengrab im Zentrum des Landes die Überreste von 50 Bauern gefunden worden. Das Grab, das aus den Zeiten der Militärdiktatur stammt, wurde von einem Anthropologenteam freigelegt. Nach der Exhumierung wurden die Leichen neben der Kirche, die nach Angaben der Gruppe „Gegenseitige Hilfe“ damals von der Armee als Haft- und Folterzentrum benutzt wurde, bestattet. Die Mehrzahl der Opfer sind Frauen und ältere Menschen aus der indigenen Bevölkerung in der Region Zacualpa. Es wird spekuliert, dass die Ermordungen Anfang der achtziger Jahre unter der Diktatur von General Lucas García und dem aktuell amtierenden Kongresspräsidenten General Efraín Ríos Montt stattgefunden haben.

COSTA RICA

Der Ruf des Goldes übertönt die Proteste gegen Umweltverschmutzung

Vom Tagebau profitieren nur ausländische Firmen

Von Andreas Boueke

(San Jose, Januar 2000, npl).- Ein rostiges Schild mit der Aufschrift „Zutritt verboten!“ ist der einzige Hinweis auf die stillgelegte Goldmine Macacona im Westen des mittelamerikanischen Landes Costa Rica. Am Straßenrand der Panamericana deutet sonst nichts auf das ökologische Chaos hin, das die letzte Betreiberfirma zurückgelassen hat. Nach sieben Jahren Tagebau waren mehrere Hügel abgetragen und Wasserläufe verseucht worden. Über die Spuren der Schaufelbagger ist inzwischen Gras gewachsen. Die hölzernen Bürohütten sind inzwischen moosbedeckt.

Nur die ehemalige Versammlungshalle ist noch bewohnt. Dem alten Wächter Rafael Porras ist nie gekündigt worden. „Ich lebe hier mehr schlecht als recht,“ klagt er. „Seit die Besitzer verschwunden sind, bekomme ich keinen Lohn mehr. Jetzt warte ich ab, was geschehen wird.“ Wie zuvor verteidigt der mürrische Mann die Mine mit Machete und Pistole gegen unangemeldete Eindringlinge. Den meisten Ärger hat er mit Umweltschützern und Journalisten. Die wollen manchmal Fotos machen, ohne ihn vorher um Erlaubnis zu bitten.

Aus Kostengründen sind die Firmen in Costa Rica zum günstigeren Tagebau übergegangen. Zuerst roden sie den Wald, dann wird der fruchtbare Boden abgetragen und zuletzt eine dicke Erdschicht ausgehoben, in der sich winzige Goldpartikel befinden. Jetzt sind die Goldminen zu einem Streitobjekt zwischen multinationalen Konzernen und Ökoaktivisten geworden.

Rafael Porras steht auf der Seite der Gegner des Tagebaus: „Früher gab es hier fruchtbares, ebenes Land. Als die Bergbaufirmen kamen, haben sie versprochen, nach ihrer Arbeit alles in Ordnung zu bringen. Aber schauen sie sich die Löcher doch an. Das Land ist zu nichts mehr zu gebrauchen.“ Auch die Menschen in der Nachbarschaft der Mine sind von der Umweltzerstörung betroffen. Viele der ehemaligen Minenarbeiter haben schwere Gesundheitsprobleme. Einige sind an Tuberkulose gestorben. In anderen Minengebieten ist die Luft verschmutzt, Kinder leiden an Asthma. Besonders schwere Umweltschäden ruft die Verwendung von Blausäure beim Auswaschen der Golderträge hervor. Viele der umliegenden Gewässer werden durch sie verseucht.

Die meisten Minen Mittelamerikas werden von kanadischen Firmen betrieben. Sie kommen wegen der niedrigen Produktionskosten in die Region, und weil die Naturschutzbestimmungen weniger streng gehandhabt werden als in Nordamerika. Die Zahl der Costaricaner, die an dem Goldgeschäft beteiligt sind, ist gering. Einer von ihnen ist der Geologe Franz Ulloa, Präsident der Firma Rio Minerales. Er versichert: „Unsere Investoren wissen, daß sie heutzutage nicht mehr einfach unkontrolliert Naturschätze abbauen können. Sie wollen auch die Wirtschaft des Landes unterstützen. Für uns ist es wichtig, dass durch eine Mine Projekte angestoßen werden, die der Entwicklung des gesamten Umfelds dienen.“

Für die Forstwirtin Sonya Torres klingen diese Worte wie blanker Hohn. „Keine der Gemeinden, in denen Gold abgebaut wurde, haben dadurch einen wirklichen Fortschritt erlebt. Meinem Heimatdorf zum Beispiel ist nur ein Gefängnis geblieben, in das früher die betrunkenen Minenarbeiter gesteckt wurden. Außerdem gibt es viele Friedhöfe sowie zahllose Witwen und Waisen.“

Weltweit wird das meiste Gold zur Herstellung von Schmuck genutzt. Allerdings lagern noch große Mengen in den Banken der wohlhabenden Länder. Als Ökoaktivistin Sonya Torres ärgert sich darüber, dass trotz der vielen Goldbarren immer noch umweltverschmutzende Minen betrieben werden: „Wenn wir all das Gold nutzen würden, das die reichen Länder in ihren Banken als eitles Zeichen der Macht gelagert haben, dann könnten wir 540 Jahre lang auskommen, ohne neues Gold aus der Erde zu holen.“

Doch der Ruf des Goldes ist lauter als die Proteste der betroffenen Anwohner. Schon immer haben die Goldminen einem kleinen Personenkreis innerhalb kurzer Zeit große Profite beschert. „Wenn das so weitergeht“, prophezeit der Farmer Sergio Zuniga, „wird das Gold eines Tages nichts mehr wert sein. Dann werden Nahrung, Wasser und saubere Luft viel wertvoller sein.“

HONDURAS

Unternehmen nimmt gefährlichen Klebstoff vom Markt

(Tegucigalpa, Februar 2000, pulsar-Poonal).- Lateinamerikanische Menschenrechts- und Kinderschutzorganisationen können sich zu einem Erfolg gratulieren. Das US- Unternehmen H.B. Fuller wird für seinen Klebstoff keine gefährlichen chemischen Substanzen mehr verwenden. Bisher erlitten schätzungsweise 100.000 Kinder auf dem ganzen Kontinent beim Inhalieren von Klebstoff irreperable Gehirnschädigungen. Zahlreiche Organisationen hatten die Firma jahrelang immer wieder ergebnislos aufgefordert, die Verwendung des Giftes einzustellen. Die Reaktion von H.B. Fuller hat wohl nur sehr bedingt mit einem Umdenken zu tun. Vielmehr drohte das Konkurrenzangebot mit nicht-giftigen Klebstoffen dem Unternehmen Marktanteile wegzunehmen.

Laut der Kinderschutzorganisation Casa Alianza benutzten allein in Mittelamerika etwa 15.000 Straßenkinder den gefährlichen Klebstoff als Droge. Das Gift befand sich vor allen in Produkten, die für das Kleben von Schuhsohlen dienten. Lateinamerikaweit ist Konsum von Schuhkleber als Droge weit verbreitet. Die Inhaltsstoffe verdrängen beim Inhalieren Hunger und Kälte und putschen auf. Bei dauerndem Konsum kommt es relativ schnell zur Schädigung der Gehirnzellen, oft führen die Schäden zum Tod.

KUBA

Mehr Ärzte nach Afrika

(Guantanamo, Februar 2000, pl-Poonal).- In den kommenden Wochen wird Kuba im Rahmen seiner Gesundheitshilfe für ausländische Staaten weitere 400 Ärzt*innen auf den afrikanischen Kontinent schicken. Diesmal werden die Kontingente in Burkina Fasa, Botswana und Äquatorial-Guinea arbeiten. Bisher sind bereits 1.500 Mediziner*innen, Krankenpfleger*innen und andere medizinische Fachkräfte in der Südsahara, in Haiti sowie in Mittel- und Südamerika tätig. Mit jeweils über 400 Mitarbeiter*innen befinden sich die größten Kontingente in Venezuela, Haiti und Guatemala. In Lateinamerika beteiligen sich außerdem Nicaragua, Honduras, Belize, Paraguay und Ecuador an dem Programm. Der kubanische Gesundheitsminister Carlos Dotros informierte, die Zahl der im Ausland helfenden Ärzt*innen könne sich bis auf 6.000 erhöhen. Gleichzeitig werden an der neu eingerichteten Lateinamerikanischen Medizinischen Fakultät in Havanna mehrere hundert Student*innen aus dem Ausland ausgebildet.

CHILE

Weitere Gerichtsverfahren gegen Pinochet im eigenen Land

(Santiago de Chile, 3. Februar 2000, pulsar-Poonal).- Im Namen von 643 Opfern der Militärdiktatur hat der Rechtsanwalt Eduardo Contreras in Chile ein Gerichtsverfahren gegen Augusto Pinochet beantragt. Es ist das 59. Verfahren, das inzwischen in Chile selbst gegen den Ex-Diktator anhängig ist. Contreras wies auf die Bedeutung des Falles hin und unterstrich, dass es sich bei der Anklage um den Tatbestand von Folterungen handele. Wegen der gleichen Verbrechen hatte Pinochet 15 Monate in einem Londoner Gefängnis verbracht. Der Anwalt vertritt die 643 Ankläger*innen, die ihr Recht als Politische Gefangene wahrnehmen. Die Anklage basiert auf den Genfer Konventionen zum Schutz von politischen Kriegsgefangenen. Nach diesen Abkommen können Folterer nicht amnestiert werden und ihre Taten verjähren nicht. Der neugewählte Präsident Chiles, Ricardo Lagos, versicherte, dass die Mehrheit der chilenischen Bevölkerung für eine Verurteilung von Pinochet sei. Eine Minderheit von 20 Prozent sei dagegen.

ARGENTINIEN

Verurteilung von Cabezas-Mördern – Fortführung der Untersuchungen gefordert

(Buenos Aires, 3. Februar 2000, pulsar-Poonal),- Die Mörder des Fotoreporters José Luis Cabezas sind vergangene Woche in der argentinischen Stadt Dolores verurteilt worden. Von Beobachtern wird kritisiert, dass die Auftraggeber der Tat weiterhin auf freiem Fuß sind. Das Gericht verurteilte Gregorio Ríos zu lebenslänglicher Haft. Ríos arbeitete als Bodyguard für den Unternehmer Alfredo Yabrán, der mit dem nationalen Drogenhandel in Verbindung gebracht wird und in verschiedene Korruptionsfälle der Regierung Carlos Menem verwickelt war. Nach dem Gerichtsurteil ist Yabrán der Auftraggeber des Mordes an dem Fotografen José Luis Cabezas, der im Januar 1997 umgebracht wurde. Der Unternehmer soll sich später umgebracht haben, die Umstände seines Todes waren jedoch recht mysteriös.

Cabezas, der für die argentinische Zeitschrift „Noticias“ arbeitete, hatte Yabrán am Strand erkannt und Bilder von ihm gemacht. Mit Hilfe der Bilder konnte der Unternehmer auch in der Öffentlichkeit erkannt werden. Nach Auffassung des Gerichts ließ Yabrán den Reporter wegen dieser Fotos umbringen. Ebenfalls in Verbindung mit diesem Mord wurden drei ehemalige Polizisten und drei Zivilpersonen zu lebenlangen Haftstrafen verurteilt. Eine weitere Polizistin, Silvia Belawsky, erhielt vier Jahre Freiheitsentzug. Der Zusammenschluß zur Verteidigung unabhängiger Journalisten drückte seine Unzufriedenheit mit dem gefällten Urteil aus. Nach Auffassung der Organisation gingen mit diesem Richterspruch die Hauptschuldigen ohne Strafe aus. Wie die Journalist*innen erklärten, hätten die Untersuchungen des Gerichts von Dolores bestimmte Gruppen, wie die der hohen Polizeichefs von Buenos Aires beispielsweise, absichtlich verschont. Der Zusammenschluß verlangte die Fortführung der Untersuchungen, um den Tatzusammenhang vollständig aufzuklären. Während des Verfahrens waren einige Widersprüche aufgetreten. Ungeklärt ist bislang der Verbleib der Tatwaffe und der Fotokamera des Opfers.

Stadtteil-Theater in Buenos Aires – eine besondere Erfahrung

Von Andres Gaudin

(Buenos Aires, 1. Februar 2000, na-Poonal).- Seit 16 Jahren spielt eine Nachbarschaftsgruppe aus dem alten und verarmten Viertel La Boca in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires Theater. Was als einfache Gemeindearbeit begann, hat sich zu einem bekannten Projekt gemausert. Das Ensemble hat bis heute bereits 3 Millionen Einwohner der Metropole angelockt. „An diesem entmenschlichten Ende des Jahrtausends werden wir versuchen, uns unsere individuellen und kollektiven Werte und Geschichten in Erinnerung zu rufen. Wenn wir uns an das erinnern, an was wir glaubten, können wir auch wieder an eine bessere Welt glauben“, sagt der Direktor von „Grupo Teatro Catalinas Sur“, Adhemar Bianchi. Er ist Uruguayer und kam in den siebziger Jahren nach Argentinien zusammen mit Tausenden von Landsleuten, die vor der Miltiärdiktatur in ihrem Land flohen.

Die Theatergruppe ist jedoch in der beginnenden Demokratie geboren. Das war 1983, nachdem einige Eltern spontan ein Fest in der Schule Catalinas Sur organisierten und die Idee zur einer Theatertruppe entstand. Die Schule ist ein Komplex aus 34 Gebäuden, der in La Boca für Leute aus der Mittelklasse gebaut wurde. Heute, in einer Zeit, in der sich die Stadtteilarbeit etabliert hat, umfasst die Gruppe etwa 300 Personen aller Alters- und Berufsklassen. Dabei sind Arbeiter ebenso wie kleine Händler, Kunsthandwerker und Studenten. Und auch die Kinder der damaligen Gründer nehmen inzwischen teil.

Bis 1998 gab die Gruppe Unterricht „wo es eben möglich war“ und präsentierte ihre Openair-Vorstellungen auf einem Platz im Viertel. Jetzt hat sie ihr eigenes Theater in einem großen Schuppen. Dort werden Workshops für Schauspielerei, Inszenierung, Puppenspiel, Tanz und Zirkuskünste angeboten. Nach und nach wuchs das Projekt, „mit der Idee dahinter, dass man zwar mit dem Theater nicht die Gesellschaft verändern kann. Aber dass es damit möglich ist, etwas voranzutreiben, was nicht unter die neuen, globalisierten Moden fällt und die Traditionen und die Geschichte des Volkes am Leben erhält“, erzählt Bianchi.

Über die Jahre hinweg hat die hat Grupo Teatro Catalinas Sur verschiedene Stücke im Programm gehabt und ist innerhalb und außerhalb Argentiniens auf Tournee gegangen. Sie wurde unter anderem auf Festivals ins kubanische Havanna sowie nach Ouro Preto und Londrinas in Brasilien eingeladen. Einen breiten Bekanntheitsgrad erreichte das Theaterprojekt im Sommer 1992, als auf lokaler Ebene mit großem Pomp der fünfhundertste Jahrestag der „Entdeckung Amerikas“ gefeiert wurde. Während in Spanien vom „Zusammentreffen zweier Kulturen“ gesprochen wurde, erinnerten die Ureinwohner des amerikanischen Kontinents an die Abenteuer von Christopher Kolumbus als den Beginn des großen Völkermords.

Die Theatergruppe identifizierte sich mit der (latein-)amerikanischen Sichtweise und bot hunderte Vorstellungen ihres Stückes „Wir kamen von sehr weit her“ dar. Es handelt von der Geschichte der europäischen Immigrant*innen, die Ende des letzten Jahrhunderts nach Argentinien kamen. Zur damaligen Zeit von der Regierung herbeigerufen und wenig später von der gleichen Regierung diskriminiert, gaben die Einwanderer, die aus den Schiffen stiegen, der heute multi-ethnischen Nation ihre Basis.

„Wir kamen von sehr weit her“ ist, wie alle ihre Stücke, eine Gemeinschaftsproduktion. Es dreht sich darum, wie die Immigrant*innen sich in die neue Gesellschaft einfügten, ihren Beitrag zur nationalen Kultur lieferten und in der sozialen Pyramide aufstiegen. Ihren Platz nahm eine neue Welle von Migrant*innen ein: die der intern Marginalisierten und der wirtschaftlich Ausgestoßenen der Nachbarländer, besonders aus Uruguay, Paraguay und Bolivien.

La Boca ist ein Viertel von Immigrant*innen. Um die Story von „Wir kamen von sehr weit her“ zu inszenieren, wurden die Lebensgeschichten der Nachbarn zusammengetragen, teilweise von ihnen direkt erzählt oder von ihren Nachkommen. Danach schrieb ein kleinerer Kreis das Stück. Jede Rolle wurde mit Kindern oder Enkeln der jeweiligen Einwanderer besetzt. Es gibt so gut wie alle europäischen Nationen: Spanier, Italiener, Polen, Russen, Deutsche, Afrikaner, Franzosen.

Luba Listingart, eine russische Immigrantin, die heute 95 Jahre alt ist, spielt sich in dem Theaterstück selbst. Ihre Rolle ist die einer wohlhabenden jüdischen Mutter. „Die Gruppe ist meine Familie. Das ist der beste Grund, weiter mitzumachen, solange es mir mein doch schon müder Körper eben noch erlaubt“, sagt die alte Dame voller Fröhlichkeit mit einer Stimme, die nach einem nahezu jahrhundertlangem Leben fast erloschen ist.

Derzeit präsentiert Grupo Teatro Catalinas Sur ein neues Stück: „Der argentinische Glanz“. Es spielt in einem Sport- und Gesellschaftsclub des Viertels und ist eine Allegorie auf das Land. Den Rahmen bilden die Geschichte der Nation seit 1930 und ein Blick bis in die Zukunft im Jahr 2030. Das Stück soll, erklärt Cristina Paravano, Mitbegründerin der Gruppe, „überliefern, was wir alle in den langen Jahren der Dunkelheit gelernt haben.“

In den zwei Stunden Spieldauer werden die anarchistischen Wurzeln der argentinischen Arbeiterbewegung vorgestellt, die Kämpfe und die ersten Volksküchen, die von argentinischen Anarchosyndikalisten eingerichtet wurden. Es folgen die ersten Miltärputsche zur Mitte des Jahrhunderts bis zur Wiedererlangung der Demokratie 1983, der Völkermord der letzten Diktatur, und schließlich die Demonstrationen der Mütter von der Plaza de Mayo. Im Schuppen von Catalinas, wo das Bühnenbild einem alten Zirkus nachempfunden ist, laden 100 Laienschauspieler*innen und Musiker*innen dazu ein, sich auf die Zukunft einzulassen. Dort, im Jahr 2030, in einer Atmosphäre der politischen Fiktion, rufen der regionale Murga-Tanz und der Rhytmus des schwarzen Candomble zur Hoffnung auf.

In wenigen Worten, die auch als Leitsatz eines Manifests dienen könnten, bringt die Grupo Teatro Catalina Sur das Motiv für ihr Dasein auf den Punkt: „Die Gründer unserer Gruppe gehören einer Generation an, die an eine gerechtere und solidarischere Welt glaubte. Wir haben die alte Idee aufbewahrt, dass man mit Gemeinschaftsarbeit eine Gesellschaft verändern kann.“

URUGUAY

Regierungspartei sichert sich Radiostationen

(Montevideo, 4. Februar 2000, comcosur-Poonal).- Große Verärgerung hat in Uruguay die Entscheidung des Präsidenten Julio Maria Sanguinetti hervorgerufen, Anhänger seiner Partei bei der Vergabe von Radiofrequenzen zu bevorzugen. Der scheidende Präsident, der am 1. März sein Amt abgibt, vergab das Senderecht an die 33 Radios, die, wie die Tageszeitung „La República“ schrieb, „Unternehmen unterstehen, die in der Mehrzahl zur Gruppe der Batllisten gezählt werden können.“ Jorge Batlle wurde Ende vergangenen Jahres zum neuen Präsidenten gewählt. Er gehört ebenso wie Sanguinetti der Partei der „Colorados“ an. Vor allem in den Provinzen wurden die örtlichen Radios an Anhänger der Regierungspartei vergeben.

Gegen diese Maßnahmen wurde von einigen Seiten Protest laut: Carlos Arezo, Präsident des Zusammenschlusses der nationalen Radios, kündigte an, eine Versammlung einzuberufen, um der allgemeinen Missbilligung der übrigen Radiounternehmen Ausdruck zu verleihen und auf dem Rechtsweg Einspruch einzulegen. Senator José Mujica von der oppositionellen Frente Amplio übte ebenfalls harte Kritik. Er bedauerte, dass „der kleine Raum, der für die Pressefreiheit geblieben ist,“ von der politischen Macht und den Mechanismen des Staates abhänge. Die Regierungen, so Mujica, erschienen ihm „wie Fliegen, die vor dem Davonfliegen noch Erkennungsmarken setzen. Bevor sie gehen, machen die Regierungen noch klar Schiff für ihre Freunde.“

KOLUMBIEN

Energieversorgung durch Guerilla lahmgelegt

(Bogota, 3. Februar 2000, pulsar-Poonal).- Die zweitgrößte Guerilla-Gruppe des Landes, ELN, hat vergangene Woche erneut drei Strommasten gesprengt und damit die Stromversorgung breiter Teile der Regionen Arauca, Santander und Boyaca im Nordosten Kolumbiens unterbrochen. Mit diesen Aktionen will die ELN nach eigenen Angaben die kolumbianische Regierung unter Andres Pastrana dazu zwingen, eine Freizone für eine Nationale Versammlung zu schaffen. Das wäre nach Auffassung der Guerilla der erste Schritt hin zu Friedensverhandlungen.

Im letzten Jahr hat die ELN 211 Strommasten mit Dynamit gesprengt. Sie wurden nur teilweise wiederaufgebaut, da sie sich alle im Kriegsgebiet von Regierungstruppen und ELN befanden. Am vergangenen 23. Januar schalteten 18 Millionen Kolumbianer für zwei Minuten das Licht in ihren Häusern aus, um gegen die Sprengungen zu protestieren. Gleichzeitig unternehmen die Guerilla der FARC und die Regierung derzeit einen neuen Anlauf, um über Friedensbedingungen zu verhandeln. Die FARC hat schätzungsweise 18.000 Kämpfer*innen. Die ELN besteht aus 5.000 Mitgliedern.

Friedensverhandlungen in Europa

(Bogota, 2. Februar 2000, pulsar-Poonal).- Die kolumbianische Regierung und die FARC-Guerilla haben Vertreter nach Europa geschickt, um dort Unterstützung für ihre begonnenen Friedensverhandlungen zu finden. Die Delegierten der Regierung und die Kommandanten der Guerilla besuchen Schweden und Norwegen. Wie der kolumbianische Außenminister Guillermo Fernandez sagte, soll der Aufenthalt dazu dienen, über den Stand der Verhandlungen zu informieren und die beiden skandinavischen Länder zur Förderung des Friedens zu gewinnen. Gleichzeitig könne mit dem Besuch das Kennenlernen der Wirtschaftsmodelle der beiden Länder verbunden werden, um daraus Vorteile für Kolumbien zu ziehen.

Während des zehntägigen Besuchs werden sich die Vertreter beider Seiten mit Funktionären, Unternehmern und anderen Repräsentanten der schwedischen und norwegischen Gesellschaft treffen. Während der letzten Tage der Unterredungen in Kolumbien waren die Delegierten von Regierung und Guerilla überein gekommen, dass bei den Friedensverhandlungen das Thema Wirtschaft als erstes diskutiert werden müsse. Die 38 Millionen Einwohner Kolumbiens befinden sich in einer ernsten wirtschaftlichen Lage: Die Arbeitslosenquote liegt bei 18,1 Prozent und ist somit eine der höchsten in Lateinamerika. Über die Hälfte der Kolumbianer*innen lebt in Armut.

Kommentar: Mit dieser Hilfe…

(Bogota, 2. Februar 2000, ac-Poonal).- Präsident Pastrana besuchte das Weiße Haus und sprach 45 Minuten lang mit seinem US-Amtskollegen Clinton, die US- Außenministerin Madeleine Albright kommt nach Cartagena, um die kolumbianischen Verpflichtungen zu überprüfen und tanzt gar eine Cumbia… Der provinzielle Enthusiasmus, mit dem die Medien über diese gegenseitigen Besuche auf der Suche nach der Finanzierung des „Plan Colombia“ berichteten, hat die dahinter stehen Interessen deutlich gemacht.

Von den von der Clinton-Regierung versprochenen 1,6 Milliarden US-Dollar Kredit, über deren Gewährung der US-Kongress in diesen Tagen entscheiden wird, sind 75 Prozent für die kolumbianischen Sicherheitskräfte bestimmt. Dies mit dem Argument, so die nationale Sicherheit der USA zu wahren. Dies bedeutet mehr Krieg und nicht unbedingt mehr Drogenbekämpfung. Denn die hohen, für den Militärapparat bestimmten Summen des Nordens werden, nach den Erklärungen des Sekretärs der US-Polizei, der ebenfalls Kolumbien besuchte, auch für den Kampf gegen die Guerilla, die Paramilitärs und andere illegale Gruppen eingesetzt werden, wenn diese mit dem Drogenhandel in Beziehung stehen. Damit ist klar, gegen wen sich dieser Krieg richten wird.

Noch ein weiterer Punkt kommt dazu. Der Plan Colombia zeigt auf, dass es Kolumbien mit der internationalen Verschuldung noch nicht reicht, obwohl allein der Schuldendienst bereits 35 Prozent des gesamten Budgets wegfrisst. Zu der Überwachung der Wirtschaft Kolumbiens während dreier Jahre, wie es die Regierung im Dezember 1999 mit dem Internationalen Währungsfonds aushandelte, um so in den Genuss frischer Devisen zu kommen, werden mit Bestimmtheit weitere Überwachungen kommen. Nicht nur im Bereich der Wirtschaft. Dies ist die Folge der Hilfe, um die jetzt in Europa und den USA gebettelt wird.

Menschenrechte: Ein beunruhigender Jahresbeginn

(Bogota, 2. Februar 2000, ac-Poonal).- Die tragische Bilanz der neuen paramilitärischen Übergriffe und die vielfache Verletzung der Rechte der indigenen Gemeinschaft der U'wa verheißen ein ungutes Jahr im Bereich der Menschenrechte. Gegen 150 Paramilitärs drangen im Morgengrauen des 18. Januar in die Orte La Loma, Ochali und das Gebiet Yarumal in der Provinz Antioquia ein. Sie massakrierten 19 Bauern, darunter auch zwei Frauen. Am darauf folgenden Tag überfielen 20 Paramilitärs die Gemeinde Becerril in der Provinz Cesar und ermordeten sieben Bauern.

In beiden Fällen wurden die Bauern von den Paramilitärs bezichtigt, mit der Guerilla zusammen zu arbeiten. Die Übergriffe waren auch eine Repressalie gegen die Sprengung von Stromleitungsmasten durch die ELN-Guerilla. Die Armee griff in den Tagen danach nicht ein und gab als Begründung lapidar an, es herrschten aufgrund der paramilitärischen Kontrolle Probleme der öffentlichen Ordnung.

Auf dem Hintergrund der Kämpfe zwischen 700 Paramilitärs der AUC und 500 Guerilleros der ELN um die Vorherrschaft in der Region Catatumbo, Provinz Santander, drangen am 27. Januar Paramilitärs in den Ort Las Lajas in der Gemeinde Tibú ein und ermordeten sieben Bauern, darunter drei Minderjährige. Am gleichen Tag ermordete eine andere Gruppe von Paramilitärs elf Menschen auf dem Dorfplatz des Ortes Santa Cecilia in der Gemeinde Astrea, Provinz Cesar.

Diese Ereignisse fallen zusammen mit der Kritik des Direktors des UNO- Menschenrechtsbüros in Bogotá, Anders Kompass. Dieser bedauerte in einer Erklärung, dass „einmal mehr die Tatsachen nicht mit dem gegenüber der internationalen Gemeinschaft zum Ausdruck gebrachten Willen der Regierung übereinstimmen, dem Thema der Menschenrechte den ihnen zukommenden Platz einzuräumen“. Diese Kritik geschah aufgrund des Vetos der Regierung gegen die in der neuen Strafgesetzordnung aufgenommenen Delikte des Verschwindenlassens von Personen und des Genozids.

Im Widerspruch zum Schutz der gemeinschaftlichen Rechte der U'wa, wie sie vom Verfassungsgericht und aufgrund eines Urteils des Staatsrates angeordnet worden waren, haben Minister der Regierung und auch einige Zeitungskommentatoren diese Urteile und die Haltung der U'wa als den allgemeinen Interessen und der Entwicklung des Landes entgegen gesetzt bezeichnet. Die Verletzung der Rechte der indigenen Gemeinschaft der U'wa hat in den letzten Tagen zugenommen.

Nach Anklagen des regionalen Menschenrechtskomitees „Joel Sierra“ in der Provinz Arauca wurde am 19. Januar der Ort Cedeño auf dem Territorium der U'wa im Grenzgebiet der Departements Nordsantander und Boyacá von kombinierten Einheiten der 18. Armeebrigade und der Polizeieinheit zur Bekämpfung von Demonstrationen besetzt. Dies geschah mit der Absicht, der Ölfirma Occidental de Colombia bei der Aufnahme von Bohrungen am Erdölfundort Gibraltar Schutz zu bieten. Seit mehr als zwei Jahren klagen die U'wa bereits gegen die Absicht der Occidental – einer Tochterfirma der multinationalen Erdölfördergesellschaft OXY – in ihrem Gebiet nach Erdöl zu bohren.

Am 22. Januar wurde auf einer Versammlung, an der ein Delegierter des Innenministeriums, Vertreter der Erdölfirma, der Polizei und der U'wa teilnahmen, beschlossen, dass die Indigenas auf ihrem Land bleiben können. Am Tag darauf verhinderte die Armee die Lieferung von Nahrungsmitteln und den Besuch von indigenen Führungsleuten auf den Landgütern „Santa Rita“ und „Bella Vista“, beide im Einzugsgebiet des Weilers Cedeño. Am 25. Januar wurden die Indigenas dieses Weilers gezwungen, ihr Land zu verlassen und mit Helikoptern in die Militärstation von Samoré in der Provinz Boyacá geflogen. Einen Tag später besetzten Indigenas aus Protest eine Verbindungsstraße zwischen den Provinzen Boyacá und Nordsantander verbindet. Die Polizei löste jedoch die Manifestation mit Schlagstöcken und Tränengas auf.

BOLIVIEN

Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Ureinwohnern

(La Paz, 4. Februar 2000, comcosur-Poonal).- Bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen zwei verfeindeten indigenen Gruppen des Hochlandes starben zwanzig bolivianische Bauern. Die zu den Kakachacas gehörenden Ureinwohner überfielen das von den Laymes bewohnte Dorf Sora Sora. Nach Angaben des Gouverneurs von Potosí, Daniel Oropeza, sind sämtliche Opfer des Überfalls, unter ihnen auch fünf Kinder, Laymes. Auslöser für den Übergriff, bei dem Schusswaffen eingesetzt wurden, sind alte Streitigkeiten über Landbesitz. Bei dem Angriff wurden außerdem Dutzende Menschen verletzt und 25 Häuser angezündet. „In diesem 21. Jahrhundert können wir uns keine kriegerischen Handlungen zwischen Bolivianern erlauben“, kommentierte Jorge Quiroga, bolivianischer Vizepräsident, die Auseinandersetzung. Gleichzeitig gab er das Vorhaben der Regierung bekannt, in der konfliktreichen Hochlandregion des Hochlandes Militär- und Polizeibasen installieren zu wollen. Wie Quiroga erklärte, wolle die Regierung damit einem möglichen Rachefeldzug der Laymes vorbeugen. Die Landstreitigkeiten zwischen den beiden Gruppierungen bestehen seit langem. Viehraub und tätliche Angriffe hatte es oft gegeben, der jetzige Überfall stellt jedoch das schlimmste Vorkommnis in der Geschichte der Auseinandersetzungen dar.

PERU

Niedrigste Sozialausgaben Lateinamerikas

(Lima, 3. Februar 2000, pulsar-Poonal).- Die peruanische Regierung gibt im Vergleich zu den übrigen lateinamerikanischen Staaten am wenigsten für die soziale Versorgung der Bevölkerung aus. Das geht aus einer neuen Untersuchung hervor, die von Pedro Morazán, Mitarbeiter des deutschen Institutes „Südwind“ herausgegeben wurde. Die niedrigen Sozialausgaben spiegeln sich vor allem im mangelhaften Gesundheitssystem des Andenlandes wider. Morázan sieht den Grund für niedrige Sozialleistungen in der Verpflichtung der Regierung, große Summen für die Bezahlung der Auslandschulden aufbringen zu müssen. Das Südwind-Institut arbeitet mit der peruanischen Kirche zusammen, um die Reduzierung dieser wirtschaftlichen Belastung zu erreichen. Nach den Berechnungen der Studie werden 30 Prozent der Exporteinnahmen Perus für die Bezahlung der Zinsen für die Auslandsschulden aufgewendet.

LATEINAMERIKA

Schuldenkrise Teil IV – Das Gewicht der Inlandsschuld in Jamaica

Von John Ludwick

(Lima/Kingston, Januar 2000, na-Poonal).- Das „Karibikparadies“ Jamaica scheint ein ruhiger Ort zu sein, wo die Menschen unter einem sonnigen Himmel von blauen Wassern umgeben glücklich leben und ausspannen können. Doch das Bild trügt. Im April 1999 brach die Gewalt in der Karibiknation aus. Neun Tote, Dutzende Verletzte und Millionen Dollar Sachschaden waren das Ergebnis. Auslöser war eine angekündigte Erhöhung der Treibstoffpreise. Beobachter machen jedoch eine durch die Schulden ruinierte Wirtschaft verantwortlich, die zur verbreiteten Armut beiträgt.

Die Schulden sind das derzeit wichtigste Thema auf Jamaica. Im Unterschied zur Mehrheit der Entwicklungsländer leidet die Inselnation aber schwerer unter dem Gewicht der Inlandsschuld als unter dem der Auslandsschuld. Die sieben Milliarden Dollar Schulden, die auf dem Staat lasten, sind zu 56 Prozent bei Gläubigern im Land selbst aufgenommen worden.

Das war nicht immer so. Noch vor sieben Jahren, als die Gesamtschuld mit etwa drei Milliarden Dollar zu Buche stand, betrug die interne Komponente wenig mehr als zehn Prozent. Aber der reduzierte Zugang zu den internationalen Krediten zwang die jamaikanische Regierung, sich weiter bei den nationalen Gläubigern zu verschulden. Das machte die Situation aufgrund der erhöhten Zinssätze noch schlimmer. Momentan liegt der Zins um die 13 Prozent, in der Vergangenheit erreichte er aber eine Höhe von 40 Prozent.

Für den Durchschnitts-Jamaikaner ist Schuld allerdings gleich Schuld. Für ihn macht es keinen Unterschied, ob das geliehene Geld aus dem In- oder Ausland stammt – die Konsequenzen bleiben gleich. 1999 widmete die Regierung von Premierminister Percival J. Patterson kaum glaubliche 87 Prozent des Staatshaushaltes dem Schuldendienst. Nur 13 Prozent blieben für das Gesundheits- und Bildungswesen sowie andere staatliche Dienstleistungen und Erfordernisse.

Die Regierung hat versprochen, die Sozialausgaben zu garantieren. Aber dafür muss sie erneut Kredite aufnehmen. Vorzuziehen wären internationale Geldgeber, erklärt der Ökonom Claremont Kirton der Universität der Westlichen Antillen in der Hauptstadt Kingston. „Die Regierung muss eine Form finden, die sozialen Projekte und die Infrastruktur zu finanzieren. Das Dilemma besteht darin, wie wir auf den internationalen Märkten mit der Bitte um billiges Geld zum Zuge kommen sollen, nachdem wir ein Minus B erhalten haben (eine Ende November 1999 vorgenomme Einstufung zur Kreditwürdigkeit durch die einflussreiche Firma Standard & Poor [sic!]).“

Die Beobachter weisen darauf hin, dass eine Kürzung der Sozialausgaben die Lücke zwischen den Besitzenden und den Habenichtsen verbreitert. Bereits jetzt konsumieren die 20 Prozent der Wohlhabensten im Land 50 Prozent des nationalen Reichtums, während die 20 Prozent Ärmsten nur zu 6 Prozent dieses Reichtums Zugang haben. „Die einzige Konsequenz der aktuellen Situation ist erhöhte Armut“, ist sich Kirton sicher. „Und während die Lage sich verschlechtert und die Armut zunimmt, bemerken wir ein wachsendes antisoziales Verhalten und Gewalt“. Der Teufelskreis der Armut verwüstet auch die Umwelt. Die Elendssiedlungen – in Jamaica als ´Sektor der informellen Wohnungen´ bekannt – breiten sich über das ganze Land aus. Die Entwaldung schreitet pausenlos voran. Die Armen fällen die Bäume, um Brennholz zu haben.

Viele Analysten sagen, die Durchschnittsbevölkerung sehen die Schwere des Schuldeneinflusses auf ihr eigenes Leben noch nicht. Dies sei ein Grund, warum die Kampagne gegen die Verschuldung des Landes auf Jamaica scheiterte. Simeon Robinson, Koordinator der Vereinigung der Entwicklungshilfeorganisation gibt zu, dass die 1998 auf der Insel begonnene Erlassjahrkampagne nicht richtig in Fahrt gekommen ist. Erst seit Kurzem würden auch die hässlichen Folgen der Inlandsschuld beachtet.

„Anfangs konzentrierten wir uns auf die Auslandsschuld. Jetzt, wo wir mehr über die Auswirkungen der internen Schuld wissen, werden dieses Thema stärker betonen“, sagt Robinson. Zu den wichtigsten Herausforderungen wird es gehören, den Jamaicanern den Einfluss der Schuld auf ihr Alltagsleben klar zu machen, Druck auf die Politiker auszuüben und die Presse auf das Thema aufmerksam zu machen. Basisbewegungen und die Zivilgesellschaft insgesamt müssen an der Kampagne teilnehmen.

„Der Zivilgesellschaft kommt eine Schlüsselfigur bei einem Programm für die Schuldenreduzierung zu. Sie muss die Regierung auf allen Ebenen in die Pflicht nehmen“, führt Robinson aus. Kirton seinerseits ist überzeugt, dass die kritische Lage des Landes es für die Initiative der Hochverschuldeten Länder qualifiziert. Fiele die Last der fast 3,5 Milliarden Dollar Auslandsschulden weg, so könnten die zu hohen Zinsen aufgenommenen Inlandskredite in eine einfacher zu handhabende Auslandsschuld umgewandelt werden, glaubt der Ökonom.

Unterdessen arbeitet die Regierung schwer daran, Gelder zu finden, die ihr Ausgaben im Sozialwesen ermöglichen. Kürzlich verkaufte sie Optionen auf die Bauxitvorkommen im Wert von 100 Millionen Dollar. Bauxit ist eines der wichtigsten Minerale für den Export. Außerdem gibt es einen ständigen Dollarzufluss durch den Tourismus. Das hilft, das Land vor dem Zusammenbruch zu retten.

Obwohl dies eine vorübergehende Atempause bedeutet, empfiehlt Kirton der Regierung, nach langfristig tragenden Lösungen zu suchen. So könnten Investitionen in der Landwirtschaft Mittel für den Kleinanbau bereit stellen. Kredite zu Vorzugszinsen könnten kleine Unternehmen ermutigen und der Wirtschaft auf die Beine helfen. Aber Kirton macht sich keine Illusionen: „Die neoliberalen Modelle unterstützen eine solche Maßnahme nicht, sie betrachten sie als Eingriff in den freien Markt.“ Doch er warnt: „Diese Wirtschaft liegt in den letzten Zügen. Sie muss aufgerüttelt werden, damit sie sich bewegt.“

CC BY-SA 4.0 Poonal Nr. 419 von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.

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