von ETC-Group*
(La Paz, 16. November 2012, bolpress-poonal).- Monsanto, DuPont und Dow, die Giganten im Agrobusiness, verschwören sich zu einem der größten Schläge der Geschichte gegen ein Nahrungsmittel von globaler Bedeutung. Innerhalb der kommenden zwei Wochen könnte die aus dem Amt scheidende Regierung von Felipe Calderón die Anträge dieser Unternehmen auf den großflächigen Anbau von Genmais in Mexiko genehmigen.
Aufruf an FAO und CDB
Dieses „Abschiedsgeschenk“ für die Unternehmen wäre ein Stich ins Herz für das Zentrum des Ursprungs und der Vielfalt der Maispflanze.Es wird schwerwiegende und weltweit wirkende Folgen nach sich ziehen. Angesichts der bevorstehenden Genehmigung fordern die Bewegungen und Organisationen der Zivilgesellschaft, dem Genmais in Mexiko absoluten Einhalt zu gebieten.
Die Vereinigung der gesellschaftlich engagierten Wissenschaftler*innen UCCS (Unión de Científicos Comprometidos con la Sociedad) Mexikos gab eine deutliche Erklärung ab. Darin forderte sie die Regierung auf, sämtliche Genehmigungen für die Aussaat von Genmais im Land zu widerrufen und jegliche experimentelle Aussaaten zu stoppen [1]. Die ETC-Group schließt sich diesen Forderungen an und ruft die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen FAO (Food and Agriculture Organization) sowie die UNO-Konvention zur Biologischen Vielfalt CDB (Convention on Biological Diversity) auf, unmittelbar tätig zu werden, um die Katastrophe zu vermeiden. Beide Einrichtungen sind von der internationalen Gemeinschaft beauftragt, die Ernährungssicherheit zu unterstützen und die biologische Vielfalt zu schützen.
Genehmigungen für 1 Mio. Hektar beantragt
In der mexikanischen Gesellschaft herrscht Empörung und das Empfinden eines Notstands, nachdem bekannt wurde, dass die beiden größten Saatgutunternehmen der Welt, Monsanto und DuPont (deren mexikanische Filiale unter dem Namen Pioneer Hi-Bred bzw. PHI México bekannt ist), sowie Dow Agrosciences (an achter Stelle auf der globalen Rangliste der Saatgutunternehmen) bei der Regierung die Aussaat von Genmais auf einer Fläche von 2,5 Millionen Hektar [Anm. der Redaktion: Diese Zahl ist aufgrund der Mehrfachzählung von Anträgen falsch. Es handelt sich um ca. 1 Mio. Hektar] in Mexiko beantragten[2].
Die beantragte Fläche ist so groß, dass sie der Hälfte der Landesfläche von El Salvador entspricht. Wissenschaftler*innen haben tausende verschiedener, von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen genutzter Maissorten identifiziert, die in Mexiko ihren Ursprung haben. Dies macht dieses Land zum Hüter der genetischen Vielfalt des Mais in der Welt schlechthin. Würden die Anträge genehmigt, würde dies die erste massive Freisetzung einschließlich der Vermarktungserlaubnis von Genmais bedeuten, die direkt ein angebautes globales Nahrungsmittel in seinem Ursprungszentrum betrifft.
Auch umstrittene Sorte Mon603 soll angebaut werden
„Wenn die mexikanische Regierung dieses Verbrechen von historischer Bedeutung erlaubt, dann werden wir die Transgene bald in den Tortillas und dem normalen Essen der gesamten mexikanischen Bevölkerung finden. Denn der Mais der Bundesstaaten, für die die Anträge gestellt sind, versorgt vor allem die Städte. Außerdem wird die genetische Kontaminierung der kleinbäuerlichen Sorten unvermeidlich sein. Es handelt sich um einen äußerst gravierenden Schaden für mehr als 7000 Jahre indigener und bäuerlicher Arbeit, durch die der Mais geschaffen wurde – eine der drei am meisten verbreiteten Anbaupflanzen für die Welternährung“, so Verónica Villa von der Organisation ETC-Group in Mexiko. „Doch damit nicht genug. Die Unternehmen wollen auf mehr als 1,4 Millionen Hektar den herbizidtoleranten Mais von Monsanto [Mon603] anpflanzen [Anmerkung der Redaktion: Auch hier stimmt die Fläche nicht, aber leider der Fakt, dass großflächig Mon603 angebaut werden soll]. Es ist derselbe Maistyp, der laut einer überprüften und jüngst veröffentlichten Studie Krebs bei Ratten produziert hat[3].“
Offizielle Karte der Ursprungszentren nicht korrekt
Kleinbauern und Kleinbäuerinnen und die Landbevölkerung in Lateinamerika, Asien und Afrika werden am stärksten betroffen sein, denn Mais ist zu einer der wichtigsten Subsistenzquellen in vielen Ländern geworden.
Die Vielfalt dieses Getreides erlaubt es, es an örtliche Bedingungen anzupassen und sich den Herausforderungen des Klimawandels zu stellen. Neben Mexiko weisen die südafrikanischen Länder Lesotho, Zambia und Malawi den höchsten Pro-Kopf-Konsum von Mais in der Welt auf[4].
Die mexikanische Regierung besteht darauf, dass die Antragsregionen im Norden Mexikos nicht zum „Ursprungszentrum“ des Mais gehören, weil dort keine einheimischen Sorten gefunden wurden. Doch dies entspricht nicht der Wahrheit. In diesen Bundesstaaten sind einheimische Sorten gesammelt worden, wenn auch in geringerer Anzahl als im Süden. Verschiedene Wissenschaftler*innen und selbst die Nationale Kommission für die Erforschung und Nutzung der Biodiversität Conabio (Comisión Nacional para el Conocimiento y Uso de la Biodiversidad) gehen davon aus, dass das gesamte mexikanische Territorium als Ursprungszentrum des Mais betrachtet werden muss[5]. Nach einem neuen Bericht des Studienzentrums für den Wandel im Mexikanischen Landbau Ceccam (Centro de Estudios para el Cambio en el Campo Mexicano) ist die vor Kurzem von der Regierung veröffentlichte Karte der Ursprungszentren wissenschaftlich nicht korrekt und wurde entworfen, um die Pflanzungen von Genmais durch die Multis zu rechtfertigen[6].
Kontaminierung einheimischer Sorten vorprogrammiert
Der Anbau (und Nachbau) von Genmais für die kommerzielle Nutzung wird die einheimischen kleinbäuerlichen Sorten weit über das Anbaugebiet hinaus kontaminieren. Dies wird sowohl über den von Wind und Insekten transportierten gentechnisch veränderten Pollen als auch durch die Vermischung in Silos sowie versehentliche Austritte aus Lkw-Ladungen, mit denen der Mais in ganz Mexiko verteilt wird, geschehen.
Die Wissenschaftler*innen der UCCS und andere Kolleg*innen weisen darauf hin, dass die negativen Auswirkungen der Kontaminierung mit gentechnisch verändertem Material „aufgrund der allmählichen Anhäufung von Transgenen im Keimplasma unumkehrbar und fortschreitend sein können“ und so die biologische Vielfalt erodieren[7]. Hunderte von Agronom*innen und anderen mexikanischen Wissenschaftler*innen, Kleinbauernorganisationen, Landwirt*innen und Verbraucher*innen haben ihren Widerspruch gegen die die Aussaat von Transgenen deutlich gemacht. Doch die Regierung von Felipe Calderón, deren Amtszeit mit dem 1. Dezember 2012 abläuft, hat auf ihre letzten Tage nichts mehr zu verlieren. Es wird erwartet, dass sie den Anträgen der Unternehmen stattgibt.
Multis könnten Kleinbauern anklagen
Wenn die Aussaaten genehmigt werden, können sich die Maisbauern und Maisbäuerinnnen, ohne es zu wissen plötzlich in der Situation befinden, die Patente auf Genmais „zu verletzen“. Das heißt, ihre Parzellen könnten unbemerkt kontaminiert werden und Monsanto wird sie anklagen dürfen, „patentierte Gene zu nutzen“ ohne dafür gezahlt zu haben. Die Kleinbauernfamilien könnten zu Entschädigungszahlungen an die Patentinhaber*innen verpflichtet werden, wie dies bereits in hunderten Fällen in den USA und Kanada geschehen ist.
„Es wäre eine monumentale Ungerechtigkeit für die Schöpfer des Mais – eines der grundlegenden Nahrungsmittel der Menschheit – wenn sie zur Zahlung von Lizenzgebühren an die transnationalen Unternehmen, die das überlieferte Wissen ausbeuten, gezwungen würden“, meint Silvia Ribeiro, Lateinamerika-Direktorin der ETC-Group.
Moratorium seit 2009 willkürlich ausgesetzt
1999 verhängte Mexikos Nationale Kommission für Biosicherheit in der Landwirtschaft ein Moratorium für [Gen-]Maisexperimente und die kommerzielle Aussaat, aufgrund Mexikos einzigartiger Stellung als Zentrum des Ursprungs und der genetischen Vielfalt des Mais. Die Regierung Calderón brach 2009 in willkürlicher Manier mit dem Moratorium, obwohl dessen Grundvoraussetzungen nach wie vor bestehen. Seitdem hat die neuen Kommission für Biosicherheit und Gentechnik CIBIOGEM (Comisón Intersecretarial de Bioseguridad de los Organismos Genéticamente Modificados) vier transnationalen Unternehmen (Dow Agrosciences, DuPont, Monsanto und Syngenta) insgesamt 177 Experimente mit Genmais autorisiert.
Die Feldversuche sind wegen fehlender Strenge hinsichtlich der Biosicherheit kritisiert worden, denn sie erfüllen nicht einmal die Auflagen des lasch formulierten mexikanischen Biosicherheitsgesetzes. Silvia Ribeiro argumentiert: „Die öffentlichen Befragungen sind ein Schwindel gewesen. Die Versuche wurden genehmigt ohne die fundierten Kritiken zu berücksichtigen und ungeachtet der Tatsache, dass diese die Mehrheit der eingesandten Kommentare ausmachten. Viele Kritiken und Kommentare kamen von anerkannten Agronomen und anderen Wissenschaftlern. Doch damit nicht genug: Die Ergebnisse der Versuche wurden geheim gehalten. Trotzdem dienen sie dazu, die Genehmigung der kommerziellen Aussaat zu rechtfertigen.“
Calderón ignoriert Empfehlung des UN-Sonderberichterstatters
Nach seinem offiziellen Mexikobesuch in 2011 empfahl der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung, Olivier de Schutter, der mexikanischen Regierung die Wiedereinführung des Moratoriums. Er verwies zur Begründung sowohl auf die Folgen für die Biodiversität als auch die Rechte der LandwirtInnen[8]. Die mexikanische Regierung ignorierte diese Empfehlung. Ana de Ita von der Organisation Ceccam weist darauf hin, dass das Gebiet, für das die Genehmigungen in den Bundesstaaten Sinaloa und Tamaulipas beantragt wurden, größer ist als das, auf dem dort gegenwärtig Mais und andere Pflanzenkulturen im Bewässerungssystem angebaut werden.„Offenbar planen die Unternehmen, die gesamte, für den Mais und andere Anbaupflanzen bestimmte Fläche zu nutzen. Das ist anstößig. Es gibt keinen Grund für Mexiko, seine Geschichte und seine Biodiversität durch den Genmais aufs Spiel zu setzen. Mexiko produziert genügend Mais für den menschlichen Konsum, sogar Überschuss. Das Land könnte noch viel mehr produzieren, wenn es Bauern und Bäuerinnen sowie Kleinproduzent*innen Unterstützung bereitstellt, statt seine Ernährungssouveränität den transnationalen Unternehmen auszuliefern.“
85 Prozent der Maisproduzent*innen sind Kleinbauernfamilien
Der Mais ist grundlegend für die Kulturen, die Wirtschaft und die Versorgung der mexikanischen Bevölkerung. Die Mehrheit der Mexikaner*innen ernährt sich tagtäglich vom Mais, in all seinen unterschiedlichen Zubereitungsformen. Die konsumierte Menge überschreitet bei weitem die durchschnittliche verzehrte Menge in fast allen anderen Ländern (der Pro-Kopf-Verbrauch liegt in Mexiko bei 115 Kilogramm im Jahr).
Etwa 85 Prozent der mexikanischen Maisproduzent*innen sind Kleinbauern, Kleinbäuerinnen und Landwirt*innen, die geringe Mengen auf Parzellen anbauen, die kleiner als fünf Hektar sind. Doch von ihren Ernten ernährt sich mehr als die Hälfte der Bevölkerung, vor allem die Armen. Gleichzeitig hüten sie die genetische Vielfalt der Pflanze und bereichern sie durch die dezentralisierte Anbauform des Mais. Es werden sehr viele unterschiedliche Sorten ausgesät und an die örtlichen Bedingungen angepasst. Der Anbau erfolgt zusammen mit anderen Pflanzenkulturen sowie wilden Arten.
Aufruf von 2009: Keine Antwort von FAO und CDB
Im Jahr 2009 schickten das Netzwerk zur Verteidigung des Mais (Red en defensa del Maíz)[9] und La Vía Campesina Nordamerika der FAO und der CDB einen offenen Brief, den hunderte Organisationen und Einzelpersonen unterschrieben. Darin wurden die Institutionen aufgefordert, Maßnahmen gegen die Kontaminierung des Genmais in seinem Ursprungszentrum Mexiko zu ergreifen[10]. Die damaligen Direktoren beider Organisationen gingen auf die Petition nicht ein, obwohl beide Einrichtungen das Mandat haben, die Zentren des Ursprungs und der Vielfalt von Anbaupflanzen zu schützen[11]. Wir fordern nun die neuen Direktoren von FAO und CDB auf, entsprechende Schutzmaßnahmen sofort in Angriff zu nehmen.
Anmerkungen:
1. Eilaufruf der UCCS für Aktionen gegen die Genmaisaussaat auf mexikanischen Feldern: http://www.uccs.mx/doc/g/planting-gmo-corn_es
2. Die Liste der Anträge auf experimentelle Aussaat von genveränderten Kulturen sowie Aussaat im Freien kann hier eingesehen werden: http://www.senasica.gob.mx/?id=4443. (PHI México ist Teil von DuPont)
3. Gilles-Eric Séralini http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0278691512005637 et al., “Long term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-tolerant genetically modified maize,” in Food and Chemical Toxicology http://www.sciencedirect.com/science/journal/02786915, Volumen 50, Número 11 , November 2012, pp. 4221–4231. Siehe auch: John Vidal, “Study linking GM maize to cancer must be taken seriously by regulators,” The Guardian, 28 septiembre 2012, verfügbar unter: http://www.guardian.co.uk/environment/2012/sep/28/study-gm-maize-cancer; vgl. auch Silvia Ribeiro, “Caza de Ratas”, La Jornada, México, 6/10/12, auf Deutsch bei poonal: Rattenjagd (in Ausgabe 1015)
4. Alfred W. Crosby, Revision von James C. McCann, Maize and Grace: Africa’s Encounter with a New World Crop, 1500-2000 en Technology and Culture, Vol. 47, No. 1, Enero 2006, pp. 190-191.
5. A. Serratos, El origen y la diversidad del maíz en el continente Americano, 2. Ausgabe, September 2012, Universidad Autónoma de la Ciudad de México y Greenpeace, online verfügbar unter: http://www.greenpeace.org/mexico/es/Footer/Descargas/reports/Agricultura-sustentable-y-transgenicos/El-origen-y-la-diversidad-del-maiz-2a-edicion; Conabio: Proyecto Centros de Origen y Diversidad Genética. http://www.biodiversidad.gob.mx/genes/centrosOrigen/centrosOrig.html
6. Ceccam, La determinación de los centros de origen y diversidad genética del maíz, Mexico, 2012, online verfügbar unter: http://www.ceccam.org/publicaciones?page=1
7. UCCS, Extrañamiento al Presidente de la República Mexicana, México, 2009, online verfügbar unter: http://www.unionccs.net/doc/g/sciencetrmaize_es
8. Olivier de Schutter, Bericht über seinen Ortsbesuch in Mexiko, Paragr. 53, 54 y 55. siehe“g” bei Schlussfolgerungen und Empfehlungen: http://www.srfood.org/index.php/en/country-missions, (siehe auch: Mission to Mexico, 2011)
9. Red en Defensa del Maíz umfasst mehr als 1.000 indigene Gemeinden und Organisationen der Zivilgesellschaft. Es gründete sich im Jahr 2001, als man erstmal kontaminierten Mais in Mexiko entdeckt hatte. Seither kämpft das Netzwerk gegen das Eindringen von Genmais nach Mexiko. Auch ETC und Ceccam sind Mitglieder des Netzwerkes).
10. Online abrufbar unter: http://www.etcgroup.org/es/content/carta-de-la-red-en-defensa-del-maíz-contra-la-liberación-de-maíz-transgénico-en-méxico
11. Der frühere Generalsekretär der CDB, Ahmed Djoghlaf reagierte auf den offenen Brief nicht, ebensowenig wie der Leiter der FAO. Der Leiter des Referats für Pflanzenproduktion und Pflanzenschutz, Shivaji Pandey, ein Anwalt der für seine Position zugunsten gentechnisch veränderter Kulturen bekannt ist, reagierte jedoch und schrieb, dass die FAO Beratung anbieten könne, die Biosicherheit jedoch eine innere Angelegenheit Mexikos sei.
* Die ETC-Group (Aktionsgruppe zu Erosion, Technik und Konzentration) ist eine international arbeitende Nichtregierungsorganisation mit Beraterstatus für verschiedene UN-Organisationen und Gremien.
Weiterlesen:
Niemand isst für sich allein (Kampagnenblätter Mais, Hrsg. Brot für die Welt)
Aufruf der Versammlung der Umweltbetroffenen [Asamblea de Afectados Ambientales]
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