Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 27. Juli 2004
Inhalt
GUATEMALA
HAITI
DOMINIKANISCHE REPUBLIK
ECUADOR
BOLIVIEN
BRASILIEN
ARGENTINIEN
PERU
CHILE
GUATEMALA
Einbrüche in Büros von Menschenrechts- und Frauenorganisationen
(Guatemala-Stadt, 19. Juli 2004, cerigua).- "Es besteht ein offensichtliches Interesse, die Militarisierung der Zivilen Nationalpolizei zu rechtfertigen. Diese schafft ein Klima der Unregierbarkeit und versetzt die Bevölkerung in Angst und Schrecken," erklärte Miguel Angel Albizures, Sprecher des guatemaltekischen Menschenrechtszentrums CALDH (Centro de Acción Legal en Derechos Humanos) mit Blick auf die Unfähigkeit der Regierung, die Einbrüche in den Büros seiner Institution aufzuklären.
Am 17. Juli wurde im Hauptsitz der Organisation eingebrochen. Unbekannte entwendeten einen Laptop, ein Mobiltelefon und Akten. Der Computer enthielt eine Datenbank mit den Ergebnissen von fast 1000 Wahlbeobachtern sowie die Resultate der Wahlbeobachtungskommission. Die gestohlenen Akten bezogen sich dagegen nach Angaben von Albizures auf die Kinder- und Jugendprogramme der Organisation.
Nach Meinung des CALDH-Sprechers, der für den Kontakt zur Öffentlichkeit zuständig ist, sind die Einschüchterungsversuche im Zusammenhang mit der Hartnäckigkeit von CALDH zu sehen. Die Organisation gibt nicht nach und prangert öffentlich Frauenmorde, Korruption und Unsicherheit an und nimmt an der "Front gegen Gewalt" (Frente contra la Violencia) teil.
Die UN-Kommission zur Überprüfung der Einhaltung der Abmachung des Friedensabkommens in Guatemala Minigua (Misión de Verificación de las Naciones Unidas para Guatemala) verurteilte die Einschüchterungsversuche. Sie forderte von den Behörden, dass diese entsprechende Maßnahme ergreifen, um die Vorfälle aufzuklären und die Verantwortlichen zu bestrafen. Zudem sollten die Behörden die Handlungsmöglichkeiten der zivilen Organisationen gewährleisten. Die Kommission erklärte, dass eine eindeutige Aufklärung der von den Sicherheitskräften in der Vergangenheit begangenen Gräueltaten der Öffentlichkeit das Vertrauen in das Rechtssystem zurückgeben werde. Dies betreffe insbesondere die Organisationen, die verantwortlich sind für die öffentliche Sicherheit und sei essentiell ist für den Friedensprozess.
Im Haus der Direktorin der Organisation CALDH, Edda Gaviola, wurde Mitte Juli ebenfalls eingebrochen. Unbekannte stahlen unter anderem zahlreiche Dokumente. Auch andere Organisationen wurden in den ersten zwei Juliwochen Opfer von Drohungen und Einbrüchen. So z.B. die Gruppe "Frauenbereich" (Sector de Mujeres) und das "Kollektiv für befreite Lesben" (Lesbiradas). Beide Vereinigungen unterstützen die Front gegen Gewalt (Frente contra la Violencia) und haben bereits mehr als 260 Frauenmorde in diesem Jahr an die Öffentlichkeit gebracht.
UNO fördert Anbau von Genmais
(Guatemala-Stadt, 20. Juli 2004, adital-poonal).- Guatemala und Mexiko bilden zusammen die Wiege der Maya-Kultur, einer indigenen Gemeinschaft, deren Lebensgrundlage vor allem aus der Kultivierung von Mais bestand. Die Pflanze hat ihren Ursprung in diesen Regionen. Deshalb gelten beide Länder als genetische Reserven des Getreides, das durch genetisch veränderte Sorten bedroht wird. Die Verbreitung von gentechnisch modifiziertem Mais in Guatemala wird nun durch die Vereinten Nationen unterstützt. Darüber informierte der Aktivist Manuel Chacón von der Umweltorganisation "Colectivo Madreselva".
"Wir haben die begründeten Verdacht zu der Annahme, dass der genetisch veränderte Mais durch die Ernährungsprogramme der Vereinten Nationen nach Guatemala gelangt. Diese Nahrungsmittelhilfe wird mit der Not der armen Bevölkerung begründet. Aufgrund unserer Vermutungen haben wir mit chemischen Analysen begonnen, um feststellen zu können, ob der Mais, der in unser Land gelangte, genetisch modifiziert war und dem Typ BT entsprach," erklärt Chacón in einem Interview mit dem Radiosender "Mundo Real". Bereits vor Guatemala wurde in verschiedenen afrikanischen Ländern festgestellt, dass sich unter den Nahrungsmittelhilfen der Vereinten Nationen genetisch veränderter Mais befunden hatte.
Die Umweltschutzorganisation geht seit drei Jahren gegen den Einsatz von gentechnisch veränderten Produkten, den Zyanid-Bergbau und die Ölförderung in Naturschutzgebieten vor. Sie kritisiert die Ignoranz und Untätigkeit der Regierung im Umgang mit dem Genmais. "Wir haben die Missstände über verschiedenen Medien angeklagt und haben versucht, die Diskussion über dieses Thema in die Öffentlichkeit zu tragen. Wir wollten klarstellen, welche Rolle die Regierung in der Sache gespielt hat. Aber die Regierung hat sich verantwortungslos gezeigt und damit der Bevölkerung doppelten Schaden zugefügt," erklärt Chacón.
Nach Angaben von Chacón werden vor allem die Hauptleidtragenden vor allem indigenen Bevölkerungsgruppen sein, obwohl von der Verbreitung des gentechnisch veränderten Maises grundsätzlich alle Guatemalteken betroffen sein könnten. Ungefähr 80 Prozent der Maya-Bevölkerung lebt in Armut. Dabei repräsentiert diese Gruppe ca. die Hälfte der guatemaltekischen Bevölkerung. "Wenn wir von der Bedrohung durch gentechnisch veränderte Produkte sprechen, sind die indigenen Bevölkerungsgruppen am meisten betroffen, da sich die Bedrohung gegen das Saatgut, gegen den Mais, richtet. Der Mais spielt aber im Weltbild der Indígenas eine ganz zentrale Rolle. Mit der Verunreinigung des Maises wird das gesamte Lebensumfeld der Mayas auf den Kopf gestellt," beklagt der Umweltschützer.
HAITI
Haiti hofft auf Geldsegen von Geberkonferenz in Washington
Von Andreas Behn
(Berlin, 20. Juli 2004, npl).- Seit Montag (21. 7.) wird in der US-Hauptstadt Washington über die finanzielle Zukunft von Haiti beraten. Ziel der hochkarätigen Geberkonferenz ist es, über eine Milliarde US-Dollar Aufbauhilfe für das ärmste Land des amerikanischen Kontinents
zusammen zu bekommen. Mit dabei sind UN-Generalsekretär Kofi Annan, Weltbankpräsident James Wolfensohn, die EU, hochrangige US-Vertreter und finanzkräftige Entwicklungsagenturen.
Bittsteller ist in erster Linie der neue Premierminister Haitis, Gerard Latortue, der nach dem gewaltsamen Sturz von Präsident Jean-Bertrand Aristide Ende Februar die Amtsgeschäfte übernommen hat. Es höre sich nach viel Geld an, sei es aber für ein völlig mittelloses Land wie Haiti nicht, so Latortue. Sein Land brauche 3.000 Kilometer Straßen, Infrastruktur, Schulen, Krankenhäuser, einfach alles.
Einer von der Regierung in Auftrag gegebenen Studie zufolge braucht Haiti in den kommenden zwei Jahren mindestens 1,3 Milliarden US-Dollar, um die Grundbedürfnisse der Bevölkerung halbwegs zu befriedigen. Derzeit beträgt das jährliche Pro Kopf-Einkommen 361 Dollar, also weniger als einen Dollar am Tag. Die Lebenserwartung liegt gerade einmal bei 53 Jahren. Die katastrophale Lage im Land hatte sich im Mai weiter verschlimmert, als Unwetter fast 2.000 Menschen töteten und weite Teile des Landes verwüsteten.
Aus US-Kreisen verlautete im Vorfeld, dass gute Chancen bestünden, die notwendigen Geldzusagen zu bekommen, zumal die USA und die EU bereits 232 bzw. 200 Millionen US-Dollar angeboten hatten. Bereits 1995 hatte es eine Geberkonferenz für Haiti gegeben, auf der 900 Millionen US-Dollar zusammen kamen. Allerdings wurde ein Großteil des zugesagten Geldes nie ausgezahlt, weil die Regierung Aristide sich nicht an die Vorgaben von IWF und Weltbank gehalten hatte. Zudem nutzten internationale Organisationen das Geld als Druckmittel, um die damaligen Regierung zu Zugeständnissen an die Opposition und in Menschenrechtsfragen zu drängen.
Trotz der schwierigen Lage, in der sich das Karibikland befindet, gibt es auch Stimmen, die Hilfen an die neue Regierung Latortue nicht für das beste Mittel halten. So verweigert die Gemeinschaft der Karibischen Staaten CARICOM den neuen Machthabern nach wie vor die Anerkennung, weil die Umstände des Sturzes von Aristide und die Rolle insbesondere der USA, aber auch Frankreichs dabei nicht geklärt sind.
Anfang Juli hatte die CARICOM auf einem Treffen Bedingungen für eine solche Anerkennung gestellt, darunter die Entwaffnung von paramilitärischen Gruppen, die im Februar gegen Aristide gekämpft hatten. Zudem erwarten die CARICOM-Staaten, dass sobald als möglich Wahlen in Haiti stattfinden sollten. Latortue erklärte sich aber lediglich bereit, im kommenden Jahr Wahlen anzusetzen, ohne ein genaues Datum ins Auge zu fassen.
Derzeit steht das Land unter Kontrolle einer UN-Mission unter Führung Brasiliens, die kürzlich die US-geführte Interventionstruppe ablöste. Die Mission soll in erster Linie die Sicherheit im Land garantieren, das nach wie vor in ländlichen Regionen von Rebellengruppen dominiert wird. Immer wieder kommt es zu gewalttätigen Übergriffen, und insbesondere Anhänger des nach Südafrika geflohenen Ex-Präsidenten Aristide klagen über politische Verfolgung seitens der neuen Machthaber.
DOMINIKANISCHE REPUBLIK
Verletzte bei Demonstrationen gegen Stromausfälle
(Montevideo, 22. Juli 2004, púlsar).- Die Demonstrationen gegen die anhaltenden Stromausfälle in der Dominikanischen Republik haben zu mindestens fünf Verletzen durch Gummigeschosse sowie zu zahlreichen Verhaftungen geführt. Die Proteste fanden in verschiedenen Städten statt und richteten sich gegen die teilweise bis zu 20 Stunden andauernden Einstellungen der Stromversorgung.
Die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten waren in Navarrete, einer Grenzstadt zu Haiti, am stärksten. Der zuständige Beauftragte für Elektrizitätsfragen George Reynoso schreibt die Schuld für die Energiekrise den finanziellen Problemen der Elektrizitätswerke zu, die teilweise mit Schulden von bis zu 350 Millionen Dollar umgehen müssen.
In den Bezirken Capotillo und Simón Bolívar der Hauptstadt Santo Domingo wurden die Bürger mit Plakaten wie "Volkstaufstand gegen die Ausfälle" zur Beteiligung an den Protesten aufgerufen. Die "Breite Front des Volkskampfes" (FALPO), von der die Demonstrationen organisiert wurden, beklagt, dass die Ausfälle teilweise länger als 20 Stunden täglich andauern.
In einer Versammlung in Santo Domingo wurde der Präsident Hipólito Mejía dazu aufgerufen, seinen ihm zugetragenen Aufgaben bis zum 16. August nachzukommen und das Energieproblem zu beenden. Weniger als einen Monat vor dem anstehenden Regierungswechsel hat die Energiekrise in der Dominikanischen Republik ihren Höhepunkt erreicht und die zuständigen Behörden haben immer noch keine Lösung vorgelegt.
ECUADOR
Rentner treten in den Hungerstreik
(Quito, 27. Juli 2004, adital-poonal).- Mindestens zehn Tote forderte ein Hungerstreik, in den am 14. Juli 77 Rentner getreten sind. Die Jubilare führen ihre Aktion in den Gebäuden des zuständigen Ecuadorianischen Instituts für Soziale Sicherheit in Quito und Guayaquil durch. Der Grund: die Regierung lässt sich nicht auf ihre Forderungen zur Rentenerhöhung ein. Zwar hat Präsident Lucio Gutiérrez nun Bereitschaft gezeigt, den Rentnern entgegen zu kommen, im Parlament ist die Sache jedoch weiterhin umstritten.
In Quito protestieren die Rentner seit fast einem Monat und fordern von der Regierung, ihre Pension auf 135 Dollar anzuheben. Das ist fast das Doppelte dessen, was die Jubilare jetzt erhalten, aber es ist eine Summe, die an den Mindestlohn der ecuadorianischen Arbeiter angepasst wäre. Der gleichen Protestform bedienen sich zurzeit Rentner aus der Hafenstadt Guayaquil.
Der Rentnersprecher Gabriel Riera machte nach Informationen des Nachrichtendienstes Púlsar direkt die Regierung verantwortlich für das, was mit seinen Mitstreitern passierte. Riera sagte, dass man nur einem Dialog zustimmen würde, wenn der ecuadorianische Präsident Gutiérrez oder der Kongresspräsident Guillermo Lanázuri sie empfange. Nach den Protesten brachte Präsident Gutiérrez ein Gesetzesprojekt auf den Weg, das eine Anhebung der Renten festlegt. Aber nach Angaben der Lokalpresse schließt das Ecuadorianische Institut für Soziale Sicherheit eine solche Anhebung aus.
Regionale Fragen beim lateinamerikanischen Sozialforum im Mittelpunkt
(Quito, 20. Juli 2004, adital-poonal).- Das erste Treffen des Weltsozialforum-Ablegers für den lateinamerikanischen Kontinent begann am Sonntag, den 25. Juli 2004, in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito. 700 Organisationen aus der gesamten Region wollen daran teilnehmen. Die Diskussionsrunden des Sozialforums werden am 30 Juli enden.
Zwar sollen Grundsätze der Weltbürgergemeinschaft erörtert werden, allerdings wird der Schwerpunkt auf den Problemen und Fragen liegen, die den Kontinent selbst betreffen: so werden beispielsweise die Errichtung der Freihandelszone ALCA oder der Militarismus diskutiert. Einer der Hauptaugenmerke des Forums wird darauf liegen, Beiträge für ein gemeinschaftliches Kommunikationsnetz auf regionaler Ebene zu liefern. Dieses Netz soll nicht nur allgemein den Zugang zu Informationen garantieren, sondern auch den Zugang für Dörfer o
rganisieren, die nicht durch das allgemeine Netz abgedeckt sind.
Nach Worten des Aufrufs zum Treffen liegt die Wichtigkeit der regionalen Zusammenkünfte darin, "dem kritischen Denken, den Erfahrungen des Widerstandes und den historischen Erfahrungen aus verschiedenen Regionen (…) mehr Ausdrucksmöglichkeit zu geben". Da das letzte Weltsozialforum von Lateinamerika nach Indien verlegt wurde (die ersten drei Treffen fanden im brasilianischen Porto Alegre statt), rechnet die Organisationsleitung des regionalen Treffens mit einem größerem Andrang derjenigen, die sich bei der Teilnahme an der Debatte auf weltweiter Ebene eher zurückhalten, so beispielsweise die indigenen Bewegungen, die Menschen aus der Andenregion oder den zentralamerikanischen Nationen.
Indigene verklagen den Erdölkonzern Texaco
(Montevideo, 16. Juli 2004, púlsar).- Nach einer Anzeige durch indigene Gemeinden haben Umweltexperten und Erdöltechniker die durch den multinationalen Erdölkonzern Texaco in einem weitläufigen Gebiet in der Amazonasregion verursachten Schäden begutachtet.
Der Rechtsanwalt Alberto Wright hat in Vertretung von 80 indigenen Gemeinden eine Vielzahl von Krebsfällen aufgrund der Verschmutzung angezeigt. Er erklärte, dass die nun gewonnenen Informationen der Techniker für den Richter bindend seien. Weiterhin sind Kläger und Beklagten dahingehend übereingekommen, dass Techniker-Teams die 120 stillgelegten Förderstellen über einen Zeitraum von acht Monaten besuchen und untersuchen werden. Der Rechtsanwalt ergänzte, dass die Sache zunächst noch bei einem ecuadorianischen Richter abhängig sei. Später jedoch sei zu befürchten, dass ein US-amerikanisches Gericht den Fall als nicht unter das jeweilige Gesetz fallend ablehnen werde.
Luis Yanza, Koordinator der Front zur Verteidigung von Amazonien (Frente de Defensa de la Amazonia) sagte, dass die Forderung einmalig in ihrer Art sei. Die Klage beschäftige Texaco sehr, da sie zu einem Präzedenzfall werden könne, der große multinationale Konzerne mehr dazu zwingen könne, Rücksicht auf die Umwelt zu nehmen. Yanza erinnert daran, dass der US-amerikanische Konzern 25 Jahre lang im Norden des ecuadorianischen Amazonasgebiet Erdöl gefördert und dann das Gebiet 1990 verlassen habe. Texaco habe die Zone stark verschmutzt zurückgelassen. 600 stillgelegte Bohrlöcher, Abfälle sowie massive Filteranlagen, die bis zum Grundwasser reichen, seien zurückgeblieben. Dies habe zu einer allmählichen Vergiftung der gesamten Lebenskette des Urwaldes geführt, sagte Yanza. Es gebe Hunderte von Fällen krebserkrankter Personen, die keinerlei krankenhäusliche Pflege erhielten.
Nach Berechnung von Umweltorganisationen betrifft die Verschmutzung durch den Erdölkonzern Texaco etwa 30.000 Personen, die in 80 Gemeinden leben und fünf indigenen Gruppen des Amazonas angehören.
BOLIVIEN
Regierung stößt auf Widerstand gegen Kohlenwasserstoffgesetz
(La Paz, 22. Juli 2004, adital-poonal).- Nach dem positiven Ergebnis des Referendums bereitet Präsident Carlos Mesa sein Team auf den Dialog mit Abgeordneten und sozialen Bewegungen vor, die sich dem Plebiszit zur Wehr gesetzt hatten und die Verabschiedung des Kohlenwasserstoffgesetzes sicherlich behindern werden. Das Gesetz wird der nächste Schritt Mesas hin zur Kommerzialisierung des Gases sein.
Während der Präsident weiterhin versucht das Gesetz zu verabschieden, bekräftigen die sozialen Bewegungen, die die Durchführung des Referendums von vergangenem Sonntag (18. 7.) boykottiert haben, ihren Betrugsvorwurf. Sie stellen die Ergebnisse des Referendums in Frage. Viele waren der Umfrage fernblieben, hatten ungültige Stimmen abgegeben oder sich enthalten. Es sei notwendig, diejenigen zu berücksichtigen, die der Abstimmung ferngeblieben seien (40 Prozent) oder ungültigen Stimmen und Enthaltungen (20 Prozent) abgegeben hätten. Diese hätten für eine sofortige Nationalisierung des Gases Partei ergriffen.
Nach Angaben der bolivianischen Presse hat der Gewerkschaftsverband COB (Central Obrera Boliviana) bestätigt, dass er zu zivilem Widerstand aufrufen werde. Felipe Quispe, der Anführer der bolivianischen Landarbeitergewerkschaft CSTUCB (Confederación Sindical Única de Trabajadores Campesinos de Bolivia) sagte, dass man dem Nationalen Wahlamt CNE (Corte Nacional Electoral), das die Durchführung des Referendums organisiert hatte, nicht vertrauen könnte. In einem Interview mit Paulina Castro von Radio Guadalajara aus Mexiko fügte Quispe hinzu: "Bolivien hat mehr als acht Millionen Einwohner, von denen gerade einmal eine gute Million teilgenommen hat. Es müssten mindestens vier Millionen Einwohner teilnehmen – dann könnten wir von 50 Prozent sprechen, aber nein, so viele waren es nicht."
Die Mobilisierungen gegen die Verabschiedung des Kohlenwasserstoffgesetzes werden sich vor allem an der offensichtlichen Zurückweisung der Fragen vier und fünf des Referendums orientieren. Diese Fragen beschäftigten sich mit dem Gasexport und mit der Art und Weise, mit der Mesa sein Wirtschaftsmodell im Hinblick auf die Kohlenwasserstoffe einführen will. Diese beiden Fragen waren für die Regierung die wichtigsten, gleichzeitig waren es jene, bei denen die meisten "Nein"-Stimmen abgegeben wurden, auch wenn das "Ja" in anderen Fragen überwog.
BRASILIEN
Lula will Abtreibung entkriminalisieren
(Montevideo, 21. Juli 2004, púlsar).- Die brasilianische Regierung unter Luiz Inacio Lula Da Silva hat im Kongress eine Reihe von Initiativen eingebracht, um die Abtreibung zu entkriminalisieren. Die Regierung entschied sich zu diesem Schritt, nachdem auf der letzten Konferenz der Frauen Brasiliens (Conferencia de Mujeres del Brasil) verschiedene Frauenorganisationen Forderungen und Vorschläge zum Thema vorgelegt hatten.
Auf der Konferenz, die in der Hauptstadt Brasilia stattfand, kamen vor zwei Wochen 2000 Delegierte aus den 27 brasilianischen Bundesstaaten zusammen, um die soziale Lage der Frau zu untersuchen. In ihren Empfehlungen bitten die Teilnehmerinnen um die Entkriminalisierung der Abtreibung. Außerdem fordern sie eine Garantie dafür, dass die öffentliche Gesundheitsversorgung den Frauen, die sich freiwillig zu einem Schwangerschaftsabbruch in die Krankenhäuser begeben, eine würdige Behandlung anbietet.
Abtreibung ist in Brasilien seit 1940 nur dann erlaubt, wenn dies die einzige Möglichkeit ist, das Leben der Mutter zu retten, oder wenn die Schwangerschaft die Folge einer Vergewaltigung ist.
MST kündigt neue Aktionen an
(Montevideo, 16. Juli 2004, comcosur).- Aktivisten der Landlosenbewegung MST (Movimiento de Trabajadores Rurales Sem Terra) haben neue Aktionen angekündigt, um die Regierung unter Druck zu setzen. Der Sprecher Lourival Placido de Paula wies die Presse darauf hin, dass sich der MST wieder mit Fincas beschäftigen werde, die nicht in Betrieb sind. Allerdings sei nicht damit zu rechnen, dass die Aktivitäten dieselbe Resonanz hervorrufen werden wie die im vergangenen April, als etwa 30.000 Familien 150 Fincas in 20 brasilianischen Bezirken übernahmen.
Die Regierung von Präsident Luiz Inacio Lula da Silva erhöhte nun die Finanz
mittel für das Ministerium für Agrarreformen um etwa 585 Millionen Dollar. So soll das offiziell angekündigte Ziel erreicht werden, in diesem Jahr noch 150.000 Familien unterzubringen. Für das Jahr 2006 erwartet man den Erwerb von Grundbesitz für 400.000 Familien.
ARGENTINIEN
Genetisch veränderter Mais zugelassen
(Montevideo, 16. Juli 2004, comcosur).- Argentinien hat diese Woche die Aussaat von genmanipuliertem Mais genehmigt. Es handelt sich um die von dem mächtigen nordamerikanischen Konzern Monsanto hergestellte Sorte Roundup Ready (RR). Der Beschluss wurde gefasst, nachdem es jahrelang Zweifel darüber gegeben hatte, wie sich eine derartige Entscheidung auf den Export des Landes auswirken könnte.
Nach Angaben des Landwirtschaftsministers Miguel Campos stellt die Maissorte RR für die Produzenten eine Verbesserung dar. Die RR-Züchtungen sind resistent gegen das Herbizid Glyphosat (mit dem Markennamen Roundup). Solche resistenten Züchtungen erlauben dem Landwirt, das konkurrierende Unkraut zu vernichten, ohne der Kulturpflanze zu schaden. Nach Aussage der Regierung "wird die neue Maissorte progressiv freigegeben" und ihr Anbau in der kommenden Saison 2004/2005 ein Maximum von 10.000 Hektar erreichen.
Einige Organisationen prangerten unterdes an, dass es sich bei der Genehmigung der RR-Sorten um eine Kompensation gegenüber dem Konzern Monsanto handele. Monsanto hatte sich vor wenigen Monaten aus dem argentinischen Sojamarkt zurückgezogen, weil es nicht mehr möglich war, Schutzgebühren für die Nutzung später entstehender Samen einzufordern. Bei dem neuen Mais geht Monsanto keinerlei Risiko ein, da es sich um eine hybride Sorte handelt. Eine Reproduktion des Saatguts aus den Pflanzen ist somit unmöglich. Die Landwirte müssen die Samen jedes Mal nachkaufen, wenn sie erneut anbauen wollen.
Piqueteros erhöhen Druck auf Regierung
(Buenos Aires, 22. Juli 2004, adital-poonal).- Mehrere Piquetero-Organisationen aus Buenos Aires protestierten erneut mit Straßenblockaden. Sie forderten dringende Maßnahmen wie die Schaffung von Arbeitsplätzen, höhere Renten und mehr Geld für die arbeitende Bevölkerung, sowohl im staatlichen als auch im privaten Sektor. Außerdem taten sie ihrem Unmut über einen laufenden Gerichtsprozess kund, der 4000 Demonstranten betrifft, die Strassen besetzt hatten. Die Inanspruchnahme ihres Rechtes auf Protest würde durch das Verfahren zu einem Strafdelikt.
Auf den Strassen der Hauptstadt bleibt es chaotisch, nachdem Bus- und Taxifahrer Protestaktionen gegen die verschärften Lizenzbewilligungsanforderungen begonnen haben. Die Gewerkschaft der Taxifahrer hatte zu dem Sternmarsch auf das Transportministerium zu aufgerufen. Der Gewerkschaft zufolge gibt es in ganz Argentinien etwa eine Million Taxifahrer, von denen durch die neuen Anforderungen 150.000 arbeitslos geworden sind. Außerdem sei der Staat in der Pflicht, für mehr Sicherheit zu sorgen, da die Anzahl der Raubüberfälle auf Taxis angestiegen sei.
Am 20. Juli hatte die Gewerkschaft CGT (Confederación General del Trabajo) dem Präsidenten Néstor Kirchner einen Forderungskatalog überreicht, der unter anderem Lohn- und Rentenerhöhungen sowie höhere Familienbezüge umfasst. Die Gewerkschaftsführung forderte vom Präsidenten die Einberufung des so genannten "Runden Tisches zum vitalen und mobilen Mindestlohn" (Consejo del Salario Mínimo, Vital y Móvil), der vom Transportministerium organisiert werden soll. Dem Runden Tisch sollen Vertreter und Vertreterinnen von Staat, Gewerkschaften und Arbeitgeber angehören.
Wenn es jedoch nach dem Willen von Wirtschaftsminister Roberto Lavagna ginge, würden die Piqueteros noch lange in den Strassen von Buenos Aires protestieren. In Erklärungen, die er der lokalen Presse gab, betonte Lavagna, dass eine Lohnerhöhung zur Zeit nicht abzusehen sei. "Derzeit ist keine geplant." Allerdings würde "das Thema irgendwann auf die Tagesordnung kommen" und dann werde er sich nochmals dazu äußern.
Präsident Kirchner kündigte unterdessen ein Wohnungsbauprojekt an, das 360.000 Arbeitsplätze schaffen soll. Die Regierung will etwa 3,6 Mrd. Pesos (umgerechnet weniger als eine Mrd. Dollar) landesweit in den Wohnungsbau stecken. Allerdings werde dies "eine gewisse Zeit brauchen" um anzulaufen, so Kirchner. Er versuchte die Gemüter zu beruhigen und erklärte, dass "es im Vorfeld eine Ausschreibung geben wird. Es handelt sich nicht um eine Sofortmaßnahme. Zunächst muss die Finanzierung sichergestellt sein, danach müssen die Provinzgouverneure das benötigte Bauland besorgen."
PERU
Neue Korruptionsvorwürfe gegen Präsident Toledo
Von Andreas Behn
(Berlin, 21. Juli 2004, npl).- Es wird eng für Alejandro Toledo, jenem einst gefeierten Präsidenten von Peru, der vor genau drei Jahren den korrupten Halbdiktator Alberto Fujimori beerbt hat. Kaum eine Woche ist es her, dass Gewerkschaften und Basisbewegungen in einem eindrucksvollen Generalstreik soziale Reformen einforderten und dem Präsidenten den Rücktritt nahe legten. Jetzt werden immer neue Korruptionsvorwürfe laut. Umfragen sehen Toledos Beliebtheit inzwischen bei unter zehn Prozent.
Der angesehene Verfassungsrechtler César Valega sprach sich dafür aus, dass der Präsident eine "Auszeit" nehmen solle, damit die Korruptionsvorwürfe gegen ihn untersucht werden könnten. Sonst laufe das Land Gefahr, unregierbar zu werden. Über 75 Prozent aller Peruaner sind laut Umfragen davon überzeugt, dass Toledo und seine Familienangehörigen in die umstrittenen Korruptionsaffären verwickelt sind.
Der jüngste Fall: Staatsanwalt Iván Meiny wirft dem Präsidenten des südamerikanischen Landes vor, er habe während der Wahlkampagne im Jahr 2000 in großem Stil Unterschriften gefälscht, um die Einschreibung seiner Partei "Perú Posible" zu erreichen. Trotz scharfer Dementis aus dem Präsidentenpalast beharrt Meiny auf die Vorwürfe. Er habe Zeugen und Beweise für seine Anschuldigung. Der Fall ist besonders heikel, da auch Toledos Vorgänger Fujimori mehrfach überführt wurde, gefälschte Unterschriften zur Durchsetzung seiner politischen Intrigen genutzt zu haben.
Toledos Wahlkampfversprechen, mit der Tradition der Korruption aufzuräumen, hatte schon vorher kaum noch jemand geglaubt. Zuerst wurde seinem früheren Berater César Almeyda nachgewiesen, Bestechungsgelder in Millionenhöhe angenommen zu haben. Danach wurde seinem Bruder Pedro Toledo vorgeworfen, bei Auftragsvergaben im Telekommunikationsbereich von der Regierung bevorzugt worden zu sein. Das Ansehen der Regierung Toledo ist mittlerweile derart gesunken, dass der Außenminister öffentlich verlauten ließ, die Korruptionsvorwürfe seien ihm bei der Ausübung seines Amtes "unangenehm".
Auch die sozialen Proteste, die angesichts zunehmender Armut immer heftiger werden, setzten Toledo weiter unter Druck. Der Generalstreik am 14. Juli war aus Sicht der Gewerkschaften ein voller Erfolg, da er im ganzen Land von vielen befolgt worden sei. Jetzt stellen sie dem Präsidenten ein Ultimatum bis zum 28. Juli, um
ihre 13 Forderungen zu erfüllen. Dabei geht es um mehr Arbeitsrechte, Menschenrechte, Verfassungsänderungen im Sozialbereich, die Schaffung eines gerechten Rentensystems und den Kampf gegen Drogenhandel und Korruption.
Die Regierung reagierte auf den Ausstand mit Repression: 93.000 Polizisten waren im Einsatz, es kam zu Zusammenstößen und über 70 Demonstranten wurden festgenommen. Die Dünnhäutigkeit der Regierung hat ihren Grund: Nahezu seit ihrem Amtsantritt im Juli 2001 sieht sich die Toledo-Regierung mit Protesten konfrontiert, die immer wieder auch Todesopfer zur Folge hatten. Die erste wirkliche Kraftprobe kam Mitte 2002, als in Arequipa die Energiewirtschaft privatisiert werden sollte. Nach heftigen Protesten ließ die Regierung von ihrem Vorhaben ab. Seitdem gibt es immer wieder Proteste gegen unpopuläre Sparmaßnahmen oder auch Demonstrationen von wütenden Kokabauern. Wird dann der Ausnahmezustand ausgerufen, eskaliert die Situation.
Mehrere Demonstranten wurden bereits in verschiedenen Landesteilen von Polizei oder Militär erschossen. Generell werden die Sitten rauer: Ende April lynchten aufgebrachte Dorfbewohner in der Provinz Puno einen Bürgermeister, dem sie Korruption vorwarfen.
CHILE
Erneuter Hungerstreik der politischen Gefangenen
(Santiago de Chile, 20. Juli 2004, adital).- Zwei der im Hochsicherheitsgefängnis mit dem Vorwurf des Terrorismus` einsitzende Chilenen haben in den Morgenstunden des 20. Juni ihren Hungerstreik wieder aufgenommen. Ihre letzte Aktion dieser Art hatten sie erst am vergangenen 24. Juni nach 74 Tagen beendet. Sie erklärten, dass dies die einzige Möglichkeit sei, um Aufmerksamkeit zu erhalten und die Freiheit für alle politischen Gefangenen durchzusetzen.
Hauptbewegungsgrund für die Wiederaufnahme des Hungerstreiks war das Scheitern des Gesetzesentwurfs zur Freilassung aller nach Einführung der Demokratie 1990 wegen terroristischer Aktivitäten Verurteilter gewesen. Obwohl 24 Stimmen zur Annahme notwendig gewesen wären, scheiterte das Gesetz an der Abwesenheit mehrerer Senatoren. Viele der Abwesenden hatten sich zuvor für eine Begnadigung ausgesprochen, erschienen dann aber zum notwendigen Zeitpunkt nicht im Senat.
In einem von den beiden Gefangenen Jorge Espinola und Jorge Mateluna unterzeichneten Brief heißt es: "Sollte das Projekt in dieser Phase scheitern, so liegt das in der Verantwortung der abwesenden Senatoren und deren Verhalten, durch das ein ehrbares Vorgehen aller Senatoren verhindert wurde".
In dem Brief wird auch Präsident Ricardo Lagos kritisiert. Der Staatschef habe zwar während des 74tägigen Hungerstreiks seinen politischen Willen gezeigt, die Aufgabe dann aber an einen untergeordneten Verantwortlichen delegiert. "Dieser wusste offensichtlich nicht, wie er die notwendige Koordination einer Abstimmung bewältigen sollte," heißt es in dem Brief.
Der Gesetzentwurf, der die Freiheit der politischen Gefangenen garantieren soll, liegt nun der Abgeordnetenkammer vor. Die Gefangenen sind entschlossen, eine erneute Abstimmung durchzusetzen. "Diese Abgeordneten sind aufgefordert, die Initiative auf den richtigen Weg zu bringen. Unsere Forderung ist, dass der Entwurf im Sinne der Gerechtigkeit angenommen und die Begnadigung durch die Exekutive so schnell wie möglich durchgeführt wird."
Espinola und Mateluna haben den Hungerstreik aufgenommen, bevor sie sich im Gefängniskrankenhaus vollständig von ihrer letzten Nahrungsverweigerung erholt hatten. Auf Grund des Begnadigungsgesetzes könnten etwa 20 von Militärtribunalen Angeklagte frei kommen. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Argenpress sagte der Vikar der katholischen Kirchengemeinde Alfonso Baeza, das Scheitern der Initiative im Senat setze ein großes Fragezeichen hinter die Behauptung von der notwendigen "Verpflichtung zur Gerechtigkeit". Baeza bezeichnete den wieder aufgenommenen Hungerstreik der beiden Gefangenen als "beinahe selbstmörderische Tat".
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