Poonal Nr. 795

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 04. März 2008

Inhalt


MEXIKO

GUATEMALA

GUATEMALA – PANAMA

KUBA

KOLUMBIEN

BOLIVIEN

ECUADOR

PERU

ARGENTINIEN

URUGUAY

SÜDAMERIKA


MEXIKO

Die Privatisierung von PEMEX: ein Verbrechen gegen Mexiko

Von der Gruppe Sur

(Mexiko-Stadt, 21. Februar 2008, alai).- Pemex ist das Unternehmen Mexikos, das die meisten Staatseinnahmen generiert, rund 50% der Gelder des Staatshaushaltes stammen aus den Erdölverkäufen, die das staatliche Unternehmen PEMEX abwickelt. Diese gigantische Quelle des Reichtums hat schon immer die Begehrlichkeiten von privaten Unternehmern im In- und Ausland geweckt. Die Verstaatlichung der Erdölindustrie unter Mexikos Präsident Lázaro Cárdenas in den 1930er Jahren geschah, um das Erdöl zu einem Motor der Entwicklung für das Land zu machen. Der Reichtum, den das Erdöl hervor bringt, ist, vorausgesetzt, die Gelder werden gut eingesetzt, ein wichtiger Hebel und Faktor für unsere Zukunft und unsere Unabhängigkeit.

Würde man PEMEX privatisieren, wohin flössen dann die zahlreichen Gewinne? Und woher würde dann die Regierung ihre Einnahmen beziehen? In Wahrheit bedeutet die vorgeschlagene „Reform“ von PEMEX nichts anderes, als dass märchenhafte Gewinne in private Hände, v.a. ausländische Hände, fließen würden. Die Schäden, die das dem Land zufügen würde, sind nicht zu kalkulieren. Man kann getrost sagen, dass diejenigen, die den Raub der größten Reichtumsquelle Mexikos vorantreiben, sich gegen das Vaterland verschworen haben. 

Während der Regierungszeit von Miguel de la Madrid (1982-1988) entschied man sich dazu, Rohöl zu exportieren anstatt Raffinerien aufzubauen und das Öl im eigenen Land zu verarbeiten. Man entmutigte den petrochemischen Sektor, dessen Aktvititäten zu höheren Einnahmen und weniger Abhängigkeit vom Ausland führen kann. Die PRI-Regierungen sind allesamt den Diktaten von Weltbank und den USA gefolgt: Die Entwicklung von PEMEX zu sabotieren, um den Verkauf vorzubereiten.

Sie erreichten dieses Ziel zum Teil, in dem sie dem Unternehmen in einem Umfang Gelder entzogen, die kein Unternehmen verkraften kann, während der private Unternehmenssektor mit niedrigen Steuersätzen verwöhnt wurde. Daher rührt der Eindruck, PEMEX verdiene nichts und befinde sich in einer Krise. Man plünderte PEMEX über die Steuergesetzgebung, so wurde die Möglichkeit des Unternehmens, gesunde Bilanzen und ein nachhaltiges Wachstum zu erreichen, untergraben. Dahinter steht das Interesse, PEMEX ausbluten zu lassen. Teil des Drehbuchs war die Abwicklung von Forschungszentren wie dem Mexikanischen Institut für Erdöl, Elektrizität und Nuklearforschung.

Das alles erreichte unter den PAN-Regierungen seinen Höhepunkt. Vicente Fox und sein kleiner Freundeskreis verprassten das Geld, das dank der hohen Preise für Erdöl als Extraeinnahme in das Land geflossen kam. Diese Gelder wurden nicht verwendet, um in der produzierenden Industrie Investitionen anzuschieben, sie wurden im Tagtäglichen ausgegeben bzw. verschwanden in den Taschen einiger weniger.

Dieses Politik hat dazu geführt, dass sich die Wirtschaft heute in einem gefährlichen Stillstand befindet. Es gibt eine hohe Staatsverschuldung, die aus Investitionen in Pidiregas und aus der Finanzkrise in den USA herrühren, deren Auswirkungen auf Mexiko sich noch verschärfen werden.

Vor dieser Perspektive haben es die kleine, alles dominierende Oligarchie unseres Landes, die PAN und ihre Verbündeten in der PRI eilig, PEMEX zu privatisieren. Deswegen behaupten sie immer wieder, PEMEX befinde sich in der Krise und beschwören, durch eine Privatisierungen würde „frisches“ Geld reinkommen. Geld, das nur einmal mehr ihre Ineffizienz verdecken und die bestehenden Probleme nur vertiefen würde. So träumen sie sogar davon, noch in 2009 eine Abstimmung durchzusetzen, so dass sie das Land mit Hilfe von Gesetzen, die dem Parlament diktiert werden, plündern können.

Aber nicht PEMEX ist in der Krise, sondern das in Mexiko existierende sozioökonomische Modell, das diese Gruppe repräsentiert. Sie will keine Krise verhindern, sondern ihr politisches und ökonomisches Modell retten, das sie uns aufgezwungen haben, ja, sie wollen sogar das elitistische Modell noch einmal verschärfen, in dem sie u.a. neue Konzessionen vergeben. Währenddessen verarmt die Masse der Bevölkerung in Mexiko immer mehr.

Es ist offensichtlich, dass der Privatisierungsprozess, der in unserem Land vor 25 Jahren begann, nicht das Modell ist, dem wir folgen sollten. Carlos Salinas de Gortari (Präsident von 1988-1994) hat das Bankenwesen und Telmex privatisiert. Das generierte von 1991-1993 große Kapitalströme, die ins Land flossen. Trotz allem kam es Ende 1994 zur Krise und wir sind aus dem ökonomischen Stillstand immer noch nicht heraus. Die Privatisierung schreitet im Stahlsektor, im Flugzeug- und Bergbau und im Verkehrswesen voran – und auch in PEMEX wird seit 1997 in steigendem Maße von privater Hand investiert (2007 kamen 95% der Investitionen in PEMEX aus privater Hand). Trotz allem geht es der Wirtschaft und damit unserer Gesellschaft immer schlechter. Wir brauchen einen wirklichen Wandel und die Ablösung dieser Gruppe, die die Macht in unserem Lande inne hat und sich durch Inkompetenz, Korruption und jeglichen Mangel an sozialer Verantwortung auszeichnet.

Die USA und große Unternehmen sind Teil des großen Privatisierungsfestes, das man vorbereitet. Sie wollen direkt in die mexikanische Erdölindustrie investieren. Die großen Erdölvorkommen in den USA selbst und in Saudi Arabien, die man noch einigermaßen leicht ausbeuten konnte, haben ihr maximales Maß der Extraktion erreicht. Sich jetzt anderer Erdölvorkommen zu bemächtigen, ist Teil der globalen Herrschaftsstrategie. Unser Land ist in großer Gefahr. Sind ihre Unternehmen einmal hier, wird sie nichts mehr aufhalten. Sie würden schon bald eine Form finden, unsere Erdölvorkommen, wenn es sein muss auch militärisch, zu kontrollieren.

Angestachelt durch die Aussicht auf das große Geschäft haben die Regierenden begonnen, Funktionäre, Angestel
lte, Abgeordnete und die Medien zu verführen bzw. zu bestechen, damit sie Lügen oder Halbwahrheiten verbreiten und so verhindern, dass die Bevölkerung wohlinformiert ihre Entscheidung trifft. Lügen wie die vom Mangel an Geld und eigener Technologie, um PEMEX voran zu bringen. Privatisierung und Korruption gehen Hand in Hand.

Wir dürfen uns nicht täuschen lassen. Man spricht davon, man wolle PEMEX nur „reformieren“, „demokratisieren“, „heilen“, „modernisieren“ oder „Bündnisse voran treiben“. Das alles sind nur Begriffe des neuen Synonymwörterbuchs der Privatisierung. Die Wahrheit ist, man will Privathänden erlauben, sich einer lebenswichtigen Ressource zu bemächtigen, die ein öffentliches Gut ist und bleiben muss. Sie können es nennen, wie sie wollen, sie wollen unsere strategisch wichtigste Industrie privatisieren.

Käme es so weit, dann würden die Aktien haltenden Funktionäre und Entscheidungsträger bei PEMEX bald die Preise für Energie erhöhen, um noch mehr Profit zu machen. Sie würden Druck auf die Regierung ausüben, damit die Steuern, mit denen man PEMEX heute ausbluten lässt, nicht auf sie Anwendung fänden. Und schließlich flössen die Gewinne weit weg, wie es ja heute schon passiert. In der Konsequenz würden die Staatsausgaben für die öffentliche Bildung, für Gesundheit, die Landwirtschaft und den Kultursektor noch weiter sinken. Wir müssen dann für das fehlende Geld aufkommen, das nicht mehr von PEMEX zu holen ist. Wir hätten zudem eine noch schwächere Regierung die keine Möglichkeit besäße, die Interessen des Gemeinwohls zu verteidigen.

Man hat die Verfassung schon verletzt und erste Schritte der Privatisierung des Energiesektors eingeleitet. Nun will man die Verfassung komplett missachten, indem man angeblich nur zweitrangige Reformen auf den Weg bringt. In dem Moment, in dem die USA Maßnahmen gegen feindliche Übernahmen aus dem Ausland zum Schutz ihrer wichtigsten Industrien verabschiedet haben, in dem Dänemark die staatliche Mitbestimmung in seiner Erdöl- und Erdgasindustrie erhöht, in dem Brasilien und Argentinien von Privatisierungen Abstand nehmen, in dem Bolivien und Venezuela gegen die Gier der transnationalen Ölkonzerne kämpfen, fallen in Mexiko stumpfsinnige Abgeordnete, die dem großen Kapital zu Dienste sind, der Verfassung in den Rücken und machen sich daran, das zu privatisieren, was der Nation gehört.

Wir stehen vor einem alles entscheidenden Moment. Wird PEMEX privatisiert, dann wird eines unserer fundamentalen Instrumente, um die Zukunft zu gestalten, privatisiert. Die Zukunft Mexikos als würdige und unabhängige Nation ist in Gefahr.

Wir leben einer der wichtigsten Momente unserer Geschichte. Aber wir haben keinen Zweifel daran, dass wir Mexikaner und Mexikanerinnen allen Alters, Glaubens und der unterschiedlichsten Organisationen, mit der Verfassung in der Hand, in allen Ecken des Landes eine nationale Mobilisierung gegen diesen unverschämten Raub auf die Beine stellen können, die unser Land so zuvor noch nicht gesehen hat. Halten wir das Ziel hoch, sowohl die Privatisierung von PEMEX zu verhindern als auch einen Wandel herbei zu führen, der die große ökonomische, politische, juristische und soziale Unordnung beendet. Wenn sie es wirklich wagen, ihren Plan umzusetzen, dann wird sich das Schicksal von PEMEX nicht in den dunklen Ecken des Kabinetts oder der Büros entscheiden, sondern auf der Straße.

Guillermo Almeyra, Cristina Barros, Armando Bartra, Marco Buenrostro, Elvira Concheiro, Héctor Díaz-Polanco, Javier Flores, Víctor Flores Olea, Gerardo de la Fuente, Rosa Elena Gaspar de Alba, Arturo Huerta, Epigmenio Ibarra, Massimo Modonesi, Lucio Oliver, Carlos Payán, Consuelo Sánchez, John Saxe-Fernández, Gabriel Vargas Lozano und Sergio Zermeño

GUATEMALA

Präsident Colom ordnet Öffnung der Militärarchive an

(Guatemala-Stadt, 25. Februar 2008, cerigua).- Guatemalas Präsident Álvaro Colom hat am 25. Februar angeordnet, die Militärarchive des Landes öffentlich zugänglich zu machen, um die Verbrechen, die das Militär in Guatemala während des Bürgerkriegs begangen hat, aufzuklären.

Colom sagte, es sei notwendig, die Wahrheit zu kennen und die Verantwortlichen zu bestrafen, die die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hätten. Der Staat habe zahlreiche Greueltaten verübt, sagte Colom während einer Zeremonie am Tag der Opfer des internen bewaffneten Konfliktes mehrere Male. Es sei das Beste, dass die Archive in die Obhut der Staatsanwaltschaft für Menschenrechtsverbrechen übergingen, so wie es auch im Falle der aufgelösten Nationalpolizei geschehen sei, so Colom. Er forderte Orlando Blanco, von der Regierungskommission für Menschenrechte COPREDEH (Comisión Presidencial de Derechos Humanos) auf, eine Arbeitsgruppe zusammenzustellen, die die Materialien des Archivs veröffentlichen soll.

Der Ex-General Otto Pérez Molina, sprach dem Vorstoß von Colom Wichtigkeit ab. In den Dokumenten des Militärs werde man keine Namen von Leuten finden, die Massaker an unschuldigen Menschen verübt hätten.

Carmen Aida Ibarra, von der Menschenrechtsorganisation Myrna Mack, sagte, Colom habe eine spektakuläre Ankündigung gemacht und man hoffe, dass viele Menschenrechtsverbrechen und Verbrechen der Korruption, in die die Mitglieder der Streitkräfte verwickelt waren, jetzt auch aufgeklärt würden. „Hoffentlich kommen auch die wichtigen Dokumente ans Licht und nicht nur Administratives“, so Ibarra, die unterstrich, sie werde das alles erst glauben, wenn es so weit sei, obwohl man mit der Ankündigung der Regierung im Kampf gegen die Straflosigkeit ein Stück voran komme.

Nineth Montenegro, von der Organisation Zusammenkunft für Guatemala, wies darauf hin, dass auf Grund der langen Zeit, die vergangen sei, die Archivdokumente gesäubert worden sein könnten und man deswegen eventuell nicht viel erfahren werde.

GUATEMALA – PANAMA

Freihandelsvertrag unterzeichnet

(Fortaleza, 26. Februar 2008, adital-poonal).- Guatemala und Panama haben am 26. Februar einen Freihandelsvertrag unterzeichnet, der die bilateralen Beziehungen der beiden Nationen intensivieren soll. 

Der guatemaltekische Präsident Álvaro Colom reiste einen Tag vor der Unterzeichnung nach Panama, um mit seinem Amtskollegen Martín Torrijos zusammenzutreffen. Des weiteren waren Zusammenkünfte mit den Führungsspitzen der wichtigsten Unternehmen des Landes geplant. 

Nach Angaben der Presse ist Guatemala Panamas wichtigster Wirtschaftspartner in Mittelamerika. Der Güterverkehr zwischen den beiden Nationen beläuft sich gegenwärtig auf ca. 120 Mio. US-Dollar. Durch die Unterzeichnung des Abkommens wird mit einer weiteren Stärkung der Wirtschaftsbeziehung zwischen den beiden Ländern gerechnet. 

Colom hatte während seines Aufenthalts mehrere Zusammenkünfte mit panamaischen Unternehmern sowie einen Besuch der guatemaltekischen Kolonie Panamas geplant. Dabei wollte er die Gelegenheit nutzen, um Themen von nationalem und bilateralem Interesse zu besprechen und sich auch über die Pläne Panams zur Erweiterung des Panamakanals informieren.

Die Verhandlungen bezüglich des Freihandelsabkommens begannen am 26. April 2006 unter der Regierung des damaligen gua
temaltekischen Präsidenten Óscar Berger.

KUBA

Regierung unterzeichnet UN-Menschenrechtsabkommen

(Buenos Aires, 28. Februar 2008, púlsar).- Am 28. Februar hat der kubanische Außenminister Felipe Pérez Roque im Sitz der Vereinten Nationen in New York die UN-Abkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und über bürgerliche und politische Rechte unterzeichnet.

Bereits am 10. Dezember 2007 hatte die kubanische Regierung die Unterzeichnung der beiden internationalen UN-Abkommen angekündigt und damit begründet, dass der UN-Sonderberichterstatter aus Kuba abgezogen worden sei. Kuba hatte dessen Anwesenheit als diskriminierende Brandmarkung und ungerechte Politik seitens der UNO abgelehnt.

Die Unterschrift bekräftige offiziell die Absicht des kubanischen Staates, beide Abkommen nachhaltig zu unterstützen, so die kubanische Tageszeitung Granma.

Minister Pérez Roque versicherte zudem, dass der Inselstaat sich der für März 2009 angekündigten periodischen Überprüfung durch die neue Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen unterziehen werde.

KOLUMBIEN

FARC lassen weitere Geiseln frei

(Fortaleza, 27. Februar 2008, adital).- Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) haben am 27. Februar vier weitere Geiseln freigelassen, die sich in ihren Händen befanden. Die ehemaligen Abgeordneten Gloria Polanco de Lozada, Orlando Beltrán Cuéllar, Luis Eladio Pérez und Jorge Eduardo Géchem Turbay wurden in einem von den FARC kontrollierten Gebiet an Abgeordnete der humanitären Mission „Camino a la Paz“ (Weg zum Frieden) übergeben.

Kurz nach sieben Uhr starteten zwei Hubschrauber des internationalen Roten Kreuzes aus San José de Guaviare in Richtung La Paz de El Retorno, dem von der FARC ausgewiesenen Ort zur Geiselübergabe. Beide Orte befinden sich in dem Departement Guaviare, 400 km südlich von der Hauptstadt Bogota. Dorthin wurden die Geiseln von 60 Mitgliedern der FARC begleitet.

Die Abgesandten, die zur Freilassung nach Kolumbien anreisten, setzten sich aus dem Innenminister Venezuelas, Ramón Rodríguez Chacín, der kolumbianischen Senatorin Piedad Córdoba sowie Vertreter*innen und Ärzt*innen des internationalen Roten Kreuzes zusammen. Córdoba hatte im letzten Jahr gemeinsam mit dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez bei den Verhandlungen zwischen der FARC und der kolumbianischen Regierung vermittelt.

Aufgrund des angegriffenen Gesundheitszustands der Geiseln, insbesondere von Géchem, wurden nach der Geiselübergabe ärztliche Maßnahmen durchgeführt. Die Regierungen von Kolumbien und Venezuela hatten vereinbart, dass der Hubschrauber – falls notwendig – in kolumbianischem Gebiet notlanden könnte. Später reisten die Geiseln nach Santo Domingo im venezolanischen Bundesstaat Táchira.

Im Januar hatten die FARC die Geiseln Clara Rojas und Consuelo González de Perdomo freigelassen, ohne dass die Regierung von Präsident Álvaro Uribe zuvor Gespräche zwecks humanitärer Übereinkünfte geführt hatte. Der Druck seitens der internationalen Gemeinschaft und verschiedener Menschenrechtsorganisationen, Vereinbarungen in Kolumbien zu erreichen, ist groß. Besonders Frankreich ist daran interessiert, da sich unter den Geiseln der Guerilla immer noch die französisch-kolumbianische Politikerin Ingrid Betancourt befindet, die Präsidentschaftskandidat in Kolumbien war.

Uribe scheint für Verhandlungen nicht bereit zu sein. Er unterbrach am 21. November des vergangenen Jahres die Vermittlungsbemühungen von Hugo Chávez und Piedad Córdoba mit den FARC. Diese hatten bis dahin eine der größten Möglichkeiten dargestellt, eine Vereinbarung zu erreichen.

BOLIVIEN

Bolivien lässt nicht mehr an der „Escuela de las Américas“ ausbilden

(Buenos Aires,25. Februar 2008, púlsar).- Die bolivianische Regierung bestätigte vergangene Woche die Streichung von Ausbildungsstipendien für die US-Militärakademie „Escuela de las Américas“. Der bolivianische Verteidigungsminister Walter San Miguel bekräftigte, es handele sich um eine politische Entscheidung. Mit der Rückkehr von 15 bolivianischen Anwärtern auf eine militärische Ausbildung an der Schule solle die Entscheidung in die Tat umgesetzt werden. Die Rekruten befinden sich zur Zeit noch in der Ausbildung an der Militärakademie.

Als Begründung gab San Miguel an, die Regierung wolle künftig stattdessen den Austausch mit anderen lateinamerikanischen Ländern ausbauen und stärken. Das Ziele sei dabei der Kampf gegen illegalen Drogenhandel und Terrorismus. Die Entscheidung, keine weiteren Rekruten an die US-Militärakademie zu entsenden, decke sich ferner mit der Absicht der Regierung, eine eigene Verteidigung und Sicherheitsdoktrin aufzubauen.

Die „Escuela de las Américas“ wurde 1946 als Trainingscamp für die Ausbildung lateinamerikanischer Militärs und Militärberater in Panama gegründet, die US-amerikanische Interessen vertreten sollten. Während des Kalten Kriegs widmete man sich dann v.a. dem Kampf gegen das Vordringen des Kommunismus in Lateinamerika. 1984 wurde die Schule in die USA verlegt. In der Vergangenheit stand sie wegen wiederholter Menschenrechtsverletzungen massiv in der Kritik, weshalb bereits mehrere lateinamerikanische Länder den Rückzug ihrer Rekruten ankündigten, darunter Venezuela (2004), Argentinien (2006) und Uruguay.

Erst vor kurzem erfolgte eine Umbenennung der „Escuela de las Américas“ in die „Cooperación para la Seguridad Hemisférica“, auf englisch Western Hemisphere Institute for Security Cooperation. 

ECUADOR

Ehefrau des CONAIE-Präsidenten entführt und misshandelt

(Buenos Aires, 25. Februar 2008, Púlsar).- Die Konföderation der Indigenen Völker in Ecuador (CONAIE) gab am 24. Februar bekannt, dass Miriam Cisneros, die Ehefrau des Präsidenten der Organisation, entführt und für mehrere Stunden gefangengehalten wurde.

Die Ehefrau des CONAIE-Präsidenten Marlon Santi wurde am Nachmittag des 22. Februar in der Hauptstadt Quito von Unbekannten mit einem LKW entführt. Als sie spät in der Nacht wieder freigelassen wurde, war Cisneros kaum bei Bewusstsein. Sie befindet sich derzeit in einem Krankenhaus an der Seite ihres Mannes, um sich von den Folgen der Entführung zu erholen.

Wie die CONAIE weiter vermeldete, erlitt Cisneros physische, verbale und psychologische Gewalt durch die Entführer und wurde während der Gefangennahme mit dem Tode bedroht.

Die Entführer bedrängten Cisneros besonders, ihnen Fragen zum Vorgehen der CONAIE zu beantworten, wie etwa: Wer sind die CONAIE? Was ist das Programm ihres Präsidenten Marlon Santi? Was plant die Organisation im Hinblick auf die Regierung von Rafael Correa? Welches sind die Betreuer der Amazonasregion der CONAIE? Wer waren die Frauen, die den Marsch gegen den Freihandel organisiert haben?

Die CONAIE forderte die sofortige Untersuchung dieses Falls und die Fahndung nach den Verantwortlichen der Entführung.

PERU

Regierung geht brutal
gegen streikende Bauern vor

(Montevideo, 23. Februar 2008, comcosur-púlsar-adital).- In Peru ist die Polizei während eines landesweiten Streiks von Bauern und Bäuerinnen erschreckend repressiv gegen die Streikenden vorgegangen. Vier Bauern kamen ums Leben, rund 200 Personen wurden festgenommen und über 100 verletzt. Drei der Getöteten, Rubén Pariona Camposano, Emiliano García Mendoza und Edgar Huayta Sacsara, wurden durch Schüsse in den Kopf getötet.

Die Streikenden fordern von der Regierung von Alan García finanzielle Unterstützung, um so ihre Einbußen zu kompensieren, die ihnen nach Inkrafttreten des Freihandelsabkommens zwischen den USA und Peru entstanden sind. Sie wollen auch billigeren Zugang zu Wasser und beklagen sich darüber, dass ihre Produktionskosten immer teuerer werden, weil die Preise für Düngemittel gestiegen sind, während sie absurd niedrige Preise beim Verkauf ihrer Produkte bezahlt bekämen.

Kaum hatte der Streik, der mit Straßenblockaden der Protestierenden einher ging und am 19. Februar seinen Anfang nahm, begonnen, erklärte die Regierung in mehreren Provinzen den Ausnahmezustand und setzte damit die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger*innen und Bürger Perus außer Kraft. Präsident García besaß nun die nötige Macht, um eine Welle von extralegalen Verhaftungen, Hausdurchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl, Verboten von Demonstrationen und Beschränkungen des Verkehrs durchzusetzen, für die er das Militär auf die Straße schickte.

Die Straftaten der Regierung ereigneten sich v.a. in den Departements Arequipa, Barraca und Ayacucho. Die Regierung verteidigt mit aller Macht die Oligarchie des Landes und das ausländische Kapital, die sich durch den Freihandelsvertrag bereichern.

Der Streik wurde u.a. mit Unterstützung der landesweiten Agrargewerkschaft (Confederación Nacional Agraria) durchgeführt und die Repression gegen ihn ging auch dann noch weiter, nachdem die Bauern und Bäuerinnen am 20. Februar die Aussetzung des Streiks beschlossen hatten. Da griff die Polizei eine Demonstration in Huamanga, Region Ayacucho, an, auf der der Ermordeten gedacht wurde.

Perus Präsident Alan García verteidigte die Repression: „Ich bin der Meinung, die Verpflichtung, Sicherheit zu garantieren, ist die erste Verpflichtung des Staates und das, was wir jetzt sehen, ist die Antwort der Regierung, der Gesetze und der Verfassung.“ García sagte zudem, man habe Informationen, dass Leute hinter den Streiks stünden, die immer noch terroristische Mittel einsetzten, zudem gäbe es Einmischung aus dem Ausland. „Es sind Pseudo-Anführer und extremistische Agitatoren, die die Bevölkerung zu Kanonenfutter machen.“ Gleichzeitig gratulierte García der Polizei für ihre „große Überzeugung und Tatkraft“.

In gleicher Art und Weise äußerte sich auch der Vorsitzende des Ministerrats, Jorge del Castillo. Er machte die am Streik beteiligten Gewerkschaften für den Tod der vier Bauern verantwortlich. „Ich kann nicht zu der Schlussfolgerung kommen, dass es die Polizisten waren, die den Tod dieser Personen verursacht haben“, meinte auch Innenminister Luis Alva Castro.

Währenddessen gingen in Peru die Proteste weiter. Die Allgemeine Arbeitergewerkschaft CGTP (Confederación General de Trabajadores del Perú) rief für den 27. Februar zu einem Protestmarsch gegen die Repressionspolitik der Regierung, für gewerkschaftliche Vereinigungsfreiheit und in Solidarität mit den Tausenden entlassenen Arbeiter*innen sowie den Bauern und Bäuerinnen auf.

Der Protestmarsch am 27. Februar soll der Auftakt für eine ganze Reihe von Protestaktionen in ganz Peru darstellen, um der „Unfähigkeit der Regierung zu begegnen, die durchgreifende Veränderungen versprochen hat und heute mit ihrer Politik die Menschenrechte missachtet, v.a. die sozialen Rechte von Millionen von Familien, die vom ökonomischen Wachstum ausgeschlossen sind“, heißt es in einem Aufruf der Veranstalter. Sie sagten weiter: „Die repressiven Aktionen der Regierung gegen den landesweiten Streik der Bauern und Bäuerinnen haben ihren Vorläufer in der Gewalt, die die Polizei und Schlägerbanden in der Fabrik Camposol (Region La Libertad) angewandt haben, um zu verhindern, dass die Arbeiter*innen der Agrarindustrie ihr Recht auf gewerkschaftliche Vereinigungsfreiheit durchsetzen.“

Präsident García will den Amazonas privatisieren

Von Luis Vittor

(Lima, 28. Januar 2008, alai-púlsar-poonal).- Der Ausdruck „Das Gesetz des Dschungels“ bezieht sich auf Situationen, in denen sich der Stärkste durchsetzt. Das könnte auch für Peru und die Art und Weise stehen, wie dort die Regierenden ihre Ideologie und eine Idee durchsetzen wollen.

Die Exekutive hat dem Parlament eine Gesetzesinitiative vorgelegt – das Gesetzt Nr. 840/2006- PE, Gesetz zur Stimulierung der privaten Investitionen im Bereich der Wiederaufforstung und der Agrarforstwirtschaft (Ley de Promoción de la Inversión Privada en Reforestación y Agroforestería) -, die private Investitionen im Amazonasgebiet ermöglichen soll. Wenn diese Initiative durchkommt, wird Land des Amazonasgebiets zum Verkauf freigegeben. Verschiedene Sektoren der Gesellschaft haben sich gegen diese Initiative ausgesprochen und sie „Gesetz des Dschungels“ getauft. Wir dürfen annehmen, das haben sie getan, um damit den Willen der Regierung zu charakterisieren, den Dschungel zu versteigern.

Vor einem Vierteljahr hat Präsident García seinen Vorschlag unterbreitet, all die natürlichen Ressourcen in Wert zu setzen, die wir bisher ökonomisch nicht nutzen. Dabei schlug er vor, auch die Amazonasregion in Wert zu setzen. Sie umfasst 63 Mio. Hektar Land und auf acht Hektar davon könnte der Holzabschlag beginnen. Dafür soll das Land privatisiert werden, um Investitionen und die Erschaffung von Arbeitsplätzen zu garantieren.

Obwohl es schon ein Gesetzt gibt, was privatwirtschaftliche Investitionen, z.B. zum Wiederaufforsten, ermöglicht und dafür zeitlich begrenzte Lizenzen zur Nutzung eines Gebiets ausstellt (diese Lizenzen können bis zu 60 Jahre laufen), besteht García darauf, das Land müsse für immer in privatwirtschaftlichen Besitz überführbar sein. Zudem soll die maximale Größe der zu vergebenden Landstücke von derzeit 10.000 Hektar auf bis zu 40.000 Hektar ansteigen.

Die Gesetzesinitiative wird widersprüchlich aufgenommen. Für sie ist die Agrarkommission, die von der Regierung kontrolliert wird. Dagegen hat sich die Wirtschaftskommission ausgesprochen, die das Modell der Konzessionsvergabe beibehalten will. Die Kommission des Kongresses der Republik hat bisher zu keiner Einigung gefunden.

Die Wirtschaftskommission weist darauf hin, dass verschiedene Stellen bei ihr Bedenken über die neue Gesetzesinitiative geäußert haben. So habe die Regionalregierung von Loreto festgestellt: „Führt man Eigentumsrechte ein, dann schafft man damit einen Anreiz, der den Wald in Gefahr bringt und seine Abholzung vorantreibt.“ Ähnlich äußerten sich auch die Peruanische Gesellschaft für Umweltrechte SPDA (Sociedad Peruana de Derecho Ambiental) und der Internationale Verband der Forstwissenschaftlichen Organisationen IUFRO (Unión Internacional de Organizaciones de Investigación Forestal). Sie fügen hinzu, das solch ein Gesetz dazu führen k&ou
ml;nne, dass sich „exotische Arten, die in Monokulturplantagen gezüchtet werden“, in dem sehr artenreichen Urwald ausbreiten könnten. Zudem könne es zu sozialen Problemen kommen, wenn die Investitionen die im Amazonas lebenden Gemeinden beeinträchtigten und zu deren Vertreibungen führten.

Die Wirtschaftskommission selbst äußert wiederum das Bedenken, das neue Gesetz könne zu „perversen Investitionen“ führen, denn man belohne denjenigen, der den Wald abholze, um neue Kulturen anzulegen. Die Kommission kommt zu dem Schluss, das Modell des Verkaufs von Ländereien stelle keinen überzeugenden Weg dar, um nachhaltige Entwicklung und den Schutz der natürlichen Ressourcen sicher zu stellen.

Einige Parlamentarier halten das Gesetz für verfassungswidrig, denn Artikel 66 der Verfassung bestimme, dass die natürlichen Ressourcen Perus Erbe der ganzen Nation seien. Der Staat könne nur zeitliche beschränkte Lizenzen zur Nutzung des Amazonas vergeben.

Offizielle Daten des Nationalen Instituts für natürliche Ressourcen INRENA (Instituto Nacional de Recursos Naturales) schätzen, dass 9,7 Mio. Hektar Land im Amazonas, die zur Wiederaufforstung vorgesehen sind, verkauft werden könnten, sollte das Gesetz beschlossen werden. Bis heute existiert jedoch kein Kataster, in das Größe und Lage der entwaldeten Gebiete eingetragen sind, so dass unklar ist, wie sich das neue Gesetz konkret auswirken könnte. Seltsam ist auch, dass das jetzt benutzte Argument, erst der Privatbesitz stimuliere Investitionen, nie benutzt wurde, als es um die millionenschweren Investitionen ging, die der Bergbau in Peru getätigt hat.

Das Gesetz des Dschungels zeigt auch auf, dass es Peru einer unabhängigen Umweltpolitik ermangelt. Bis heute wird diese vom Ministerium für Energie und Bergbau durchgeführt, was Interessenskonflikte hervorbringt, in denen fast immer uneingeschränkt positiv für die Bergbauunternehmen entschieden wird.

Politiker*innen und soziale Organisationen aus dem Amazonasgebiet haben sich gegen das Gesetz ausgesprochen. Am 24. Januar führte die Patriotische Front von Loreto in Iquitos einen Protestmarsch gegen das Gesetzesvorhaben durch. Weitere Protestaktionen sollen koordiniert werden. Die vom Gesetzesvorhaben betroffenen Gemeinden bereiten zudem ein Referendum über das Gesetz vor, dass die peruanische Regierung, wie auch in anderen Fällen, schon für illegal erklärt hat.

Alan García hatte vor kurzem auf einer Reise nach Spanien, auf der er für Investitionen in Peru warb, das Gesetzesvorhaben verteidigt. „Das Holz der Bäume zu nutzen und zu erneuern, ist eine Möglichkeit, Arbeitsplätze zu schaffen. Wir leben in einer ideologisierten Welt, in der es heißt, man dürfe den Amazonas nicht anrühren. So heißt es, weil der Amazonas Teil der Idylle eines primitiven Kommunismus ist.“

Anfang Februar hat die Patriotische Front Loreto bekannt gegeben, dass die peruanische Regierung schon Truppen in die Amazonasregion verlegt hat, um eventuellen Protesten zu begegnen. Die Truppen würden auf die Militärbasis Nanay im Norden von Peru verlegt unter dem Vorwand, um für den Krieg gegen die Drogen eingesetzt zu werden, so eine Aktivistin der Patriotischen Front, Eva Matute. In der Region gebe es jedoch kein Problem des Drogenhandels.

Volksabstimmung gegen Bergbauunternehmen

(Fortaleza, 27. Februar 2007, adital).- Am 17. Februar entschieden sich bei einer Volksabstimmung in der peruanischen Provinz Candarave rund 7.500 Bewohner*innen (99% der Wähler*innen) gegen die Ansiedlung von Bergbauunternehmen und den damit verbundenen Raubbau an den Wasserressourcen in ihrer Region.

Das Referendum wurde aufgrund der jahrelang andauernden Wasserverschmutzung gestartet, die den Anbau von Landwirtschaftsprodukten wie Oregano und Artischocken in Candarave mittlerweile unmöglich gemacht hat. Ein weiterer Grund war der Plan der Bergbauunternehmen, sich weitere 39.000 Hektar Land anzueignen.

Die Abstimmung in den Bezirken nahe der Provinzhauptstadt von Candarave (in San Pedro, Cairani, Calacala, Talaca, Yucamani, Calientes und Pallata) war freiwillig. Da die zuständigen Behörden und die staatliche Ombudsstelle die Überwachung des Volksenscheides verweigerten, erklärten sich Gewerkschaftsmitglieder*innen und weitere Helfer*innen aus anderen Landesteilen bereit, diese Aufgabe zu übernehmen.

Auf einer unmittelbar nach der Abstimmung einberufenen Pressekonferenz wurden Angaben des Landwirtschaftsministeriums dargelegt, denen zufolge sich in den Jahren von 1998 bis 2006 die Luzerneproduktion pro Hektar von 30.000 auf 11.234 Kilo verringert hat. Die Oreganoproduktion verringerte sich von 16.071 Kilo auf 4.000 Kilo pro Hektar. Durch die abnehmenden Wasservorräte gingen zudem 27.000 Hektar Weideland in Huaytire und Vizcachas verloren.

Mit dem Ausgang des Referendums im Rücken werde man versuchen, die Bauern, die peruanische Regierung und das Bergbauunternehmen Southern Copper an einen Tisch zu bringen, so der Regierungschef der Provinz Candarave, Mario Copa Conde. In erster Linie werde man eine Entschädigung für den jahrelangen Raubbau und die daraus folgende Verringerung der Landwirtschaftsproduktion fordern. Darüber hinaus verlange man eine gerechtere Verteilung der Einnahmen aus den Minen, insbesondere der Kupfermine Toquepala.

ARGENTINIEN

Lehrstück der Menschenwürde

(Montevideo, 23. Februar 2008, comcosur-poonal).- Erstmals in der argentinischen Geschichte klagt eine Tochter verschleppter Oppositioneller gegen ihre „Adoptiveltern“. Während der argentinischen Militärdiktatur (1976 – 1983) wurden in der Haft geborene Kinder von verschleppten Frauen systematisch an kinderlose Familien von Offizieren zur Adoption vergeben. Die leiblichen Mütter wurden häufig umgebracht. Auch in diesem Fall hatten die Adoptiveltern die Klägerin in dem Wissen „adoptiert“, dass das Mädchen während der Gefangenschaft ihrer Mutter geboren worden war.

Die 30-Jährige Klägerin María Eugenia Sampallo wurde im Februar 1978 geboren, ihre Mutter Mirta Barragán war politische Gefangene in einem geheimen Folterzentrum des Militärs. Mirta Barragán war Ende 1977 zusammen mit ihrem Mann Leonardo Sampallo verhaftet worden, als sie bereits im sechsten Monat schwanger war. Ihr dreijähriger Sohn Gustavo wurde ebenfalls verschleppt. Er tauchte einige Tage später jedoch wieder auf.

Das Ehepaar Sampallo gilt bis heute als verschwunden. Von der neugeborenen Tochter fehlte ebenfalls jede Spur. Der Hauptmann Enrique Berthier hatte sie direkt nach der Geburt ihrer Mutter geraubt und an das Ehepaar Osvaldo Rivas und María Cristina Gómez übergeben. Am 19. Februar diesen Jahres brachte María Eugenia Sampallo diese drei Personen unter dem Vorwurf vor Gericht, ihr die Identität geraubt zu haben. Sie forderte für sie die Höchststrafe von zwanzig Jahren Haft.

Im Prozess bemerkte sie mit Nachdruck: „Hierbei geht es nicht darum, ob wir ein gutes oder schlechtes Verhältnis zueinander haben. Sie haben ein schweres Verbrechen begangen und es ist gleichgültig, ob sie dem Militär angehörten oder Zivilisten waren. Sie wollten Eltern sein und begingen dafür ein Verbrechen.“ Konkret müssen sich die drei Angeklagten wegen Kindesentführung,  Dokumentenfälschung und „Anonymisierung“, d.h. Verschleierung der wahren Identitä
t des Kindes, verantworten.

Als Sampallo zehn Jahre alt war, erfuhr sie, dass sie nicht die leibliche Tochter des Paares ist, das sie aufgezogen hatte. Ihre Fragen nach ihren leiblichen Eltern stießen auf ausweichende Antworten und Lügen. Einer der aufgerufenen Zeugen erinnerte sich an einen Streit, bei dem María Cristina Gómez ihre vermeintliche Tochter beschimpfte: „Du Tochter einer Guerrillera! Ich habe dich in seidenen Windeln aufgezogen. Wäre ich nicht gewesen, hätte man dich einfach einen Abgrund hinab geworfen.“

Sampallo ist eins von inzwischen 88 Kindern, die von den Großmüttern der Plaza de Mayo ausfindig gemacht wurden und so ihre wahre Identität wiedergewannen. Diese Gruppe bemühte sich, während der Diktatur entführte Kinder ausfindig zu machen – in Einzelfällen schon während der Diktatur –  und Kontakt zu Überlebenden ihrer biologischen Familien, häufig Großeltern, herzustellen. Die Großmütter der Plaza de Mayo haben etwa 500 Fälle von Zwangsadoption erfasst. Wie hoch die tatsächliche Anzahl verschleppter und unter Fälschung ihrer Geburtsurkunde „adoptierter“ Kinder ist, kann nur geschätzt werden. Nach dem Ende der Diktatur wurde bekannt, dass in zwei der größten geheimen Folterzentren eigene gynäkologische Stationen betrieben wurden.

Abuelas de Plaza de Mayo zweifeln am Selbstmord von angeklagtem Militär

(Buenos Aires, 26. Februar 2008, púlsar). – Estela de Carlotto, Präsidentin der Organisation „Großmütter des Plaza de Mayo“ (Abuelas de Plaza de Mayo), einer der Verbände von Angehörigen der während der letzten argentinischen Diktatur (1976 – 1983) Verschwundenen, hat Zweifel am Selbstmord des ehemaligen Militärs Paul Alberto Navone geäußert.

Der wegen Kindesentführung angeklagte ehemalige Oberstleutnant wurde Ende Februar mit einem Kopfschuss und einer Waffe neben sich im Parkhotel der argentinischen Luftwaffe in Ascochinga im Norden der Stadt Córdoba tot aufgefunden.

Obwohl er am 26. Februar im Bundesgericht von Paraná über das Schicksal zweier Zwillingskinder hätte aussagen sollen, die während der Gefangenschaft ihrer Mutter Raquel Negro im Jahre 1978 geboren wurden, war er wegen „Gesundheitsproblemen“ verreist.

Estela de Carlotto erklärte, dass die Großmütter „sehr besorgt darüber sind, dass diese Personen aus dieser Welt scheiden, ohne sich äußern zu können, ohne die Geschichte dieser mittlerweile 31 Jahre erzählen zu können“. Der Schmerz treffe nicht nur die Angehörigen, sondern vor allem die jungen Leute selbst, die während so langer Zeit mit einer Lüge hätten leben müssen. Sie fügte hinzu: „Viele ehemalige Militärangehörige, die hätten vorgeladen werden sollen, die hätten aussagen sollen, sterben derzeit aufgrund verschiedener Krankheiten, die belegbar sind oder nicht. Ich glaube, dass dieser Sache auf den Grund gegangen werden muss“.

Darüber hinaus zog die Präsidentin der „Abuelas de Plaza de Mayo“ eine Parallele zwischen dem Tod von Paul Alberto Navone und dem Fall des Präfekten und ehemaligen Diktaturschergen Héctor Febrés, der vor seiner Aussage vor Gericht ebenfalls leblos aufgefunden wurde. Sie betonte, dass „es bereits mehr als nachgewiesen“ sei, dass der Präfekt ebenfalls ermordet wurde.

URUGUAY

Berufung auf „Militärgeheimnis“ wird aufgehoben

(Buenos Aires, 27. Februar 2008, púlsar).- Die Regierung Uruguays hat am 25. Februar die Aufhebung eines Militärdekrets beschlossen, auf das sich Mitglieder der Streitkräfte berufen hatten, um nicht über begangene Verbrechen während der Militärdiktatur zwischen 1973 und 1985 aussagen zu müssen. Die betroffenen Militärs verweigerten in der Vergangenheit die Aussage unter Berufung auf die notwendige Wahrung von Staatsgeheimnissen.

Der Beschluss der Regierung besagt: „Alle Mitarbeiter oder ehemaligen Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums sind von der Wahrung des Staatsgeheimnisses befreit, welches bislang dazu diente, jedwede Aussage bezüglich der zwischen dem 1. Januar 1968 und dem 28. Februar 1985 begangenen Menschenrechtsverletzung zu verweigern.“

Die Maßnahme macht den Militärs somit die bisher übliche Argumentation zur Aussageverweigerung über Menschenrechtsverletzungen unter der Militärdiktatur unmöglich.

„Wir wollen hiermit das Gewissen all jener erleichtern, deren militärischer Ehrenkodex einer Aussage im Wege steht“, versicherte die Verteidigungsministerin Azucena Berrutti.

 Zur Aufhebung des entsprechenden Dekrets entschied sich die Regierung, nachdem verschiedene Offiziere bekundet hatten, ihr Schweigen ginge auf den Befehl ihrer Vorgesetzten zurück.

„Noch werden die Militärs nichts zur Aussage gezwungen. Wir fordern den Präsidenten dazu auf, den Militärs die Weitergabe sämtlicher Informationen zu befehlen“, sagte Oscar Goldaracena, klagender Anwalt im Fall des Militärdiktaturopfers Gregorio Álvarez.

SÜDAMERIKA

Heftige Kritik an Kolumbiens Militäraktion gegen FARC-Guerilleros in Ecuador

(Rio de Janeiro, 4. März 2008, púlsar).- Der Außenminister Brasiliens, Celso Amorim, hat die Grenzverletzung ecuadorianischen Territoriums während einer kolumbianischen Militäraktion als „schwerwiegend und verurteilungswürdig“ kritisiert. „Brasilien verurteilt jegliche territoriale Verletzung, es handelt sich um eine schwierige Situation,“ sagte Amorim am Montag, den 3. März, auf einer Pressekonferenz in Brasilia.

Zuvor hatten die Regierungen von Ecuador und Venezuela die von der kolumbianischen Regierung angeordnete Aktion scharf verurteilt, ihre Botschafter aus Bogotá zurück beordert und Truppen an ihre jeweiligen Grenzen mit Kolumbien geschickt. Ecuadors Präsident Rafael Correa forderte eine offizielle Entschuldigung seitens des kolumbianischen Präsidenten Álvaro Uribe, während Venezuelas Staatschef Huga Chávez davon sprach, dass der Konflikt womöglich zu einer kriegerischen Auseinandersetzung in der Region führen werde.

Auslöser der ungewöhnlich heftigen, bisher rein diplomatischen Krise in Südamerika war eine kolumbianische Militäraktion am vergangenen Samstag, den 1. März, gegen die seit Jahrzehnten im Land aktive Guerillaorganisation FARC. Dabei wurden die Nummer zwei der Guerilla, Raul Reyes, sowie mindestens 15 weitere Guerilleros getötet. Erst am Sonntag hatte die kolumbianische Regierung zugegeben, dass die Aktion auf ecuadorianischem Staatsgebiet, rund 1800 Meter von der Grenze entfernt, durchgeführt worden war. Nach ecuadorianischen Angaben handelte es sich zudem nicht um ein Gefecht. Die getöteten Guerilleros seien im Schlaf überrascht und teilweise von hinten erschossen worden. Präsident Correa kritisiert die Aktion mittlerweile als „Massaker“.

Während die kolumbianische Regierung die Aktion als erfolgreichen Schlag gegen die FARC bezeichnet, sprechen die meisten Regierungen und politischen Institutionen in der Region von einer illegitimen Grenzverletzung. Brasiliens Außenminister Amorim hält eine Eskalation bis hin zu einem Krieg allerdings für unwahrscheinlich. &bd
quo;Ich glaube nicht an eine bewaffnete Auseinandersetzung“, sagte der Politiker. „Ecuador beharrt selbstverständlich auf der Unverletzlichkeit seiner Landesgrenzen, darin sehe ich keinerlei Drohung. Aber natürlich muss es jetzt eine Garantie geben, dass so etwas nicht wieder vorkommt.“

Auf drei wichtigen Treffen wird dieser Woche versucht, einen diplomatischen Ausweg für die Krise zu finden. In Washington tritt der Permanente Rat der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) zusammen, in Lima wird das andine Parlament den Fall beraten und bei Treffen der sogenannten Rio-Gruppe in der Dominikanischen Republik wird erwartet, dass Boliviens Präsident Evo Morales das Thema zur Sprache bringt. Bereits am Sonntag haben Brasiliens Präsident Lula da Silva und Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner angeboten, zwischen Kolumbien, Ecuador und Venezuela zu vermitteln.

Unklarheit herrscht zu der Frage, inwieweit die Ermordung der FARC-Guerilleros die laufenden Verhandlungen über die Befreiung weiterer FARC-Geiseln beeinflussen wird. In einer ersten Stellungnahme erklärten die FARC, dass der Vorfall die Gespräche, die in erster Linie von Venezuelas Staatschef Chávez und der französischen Regierung vorangetrieben werden, nicht beeinflussen werde. Beobachter*innen befürchten hingegen, dass die militärische Eskalation eine Befreiung weiterer Geiseln erst einmal erschweren werde, zumal just Raul Reyes der Kontaktmann für die internationalen Gespräche gewesen ist.

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