Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 340 vom 28. Mai 1998
Inhalt
BRASILIEN
ARGENTINIEN
GUATEMALA
NICARAGUA
MITTELAMERIKA
MEXIKO
KOLUMBIEN
PERU
CHILE
BOLIVIEN
HONDURAS
URUGUAY
HAITI
LEHRSTUHL FÜR GEOGRAPHIE
BRASILIEN
Auf den Spuren von FOCUS – Mediengigant Globo kopiert Münchener
Magazin
Von Flavio Lenz
(Rio de Janeiro, 21. Mai 1998, npl).- Die zehn Millionen Leser und Leserinnen von Wochenzeitungen in Brasilien haben seit diesem Wochenende ein drittes Magazin zur Auswahl. Inspiriert durch den deutschen „Focus“ erscheint am 23. Mai die erste Ausgabe der Zeitschrift „Epoca“ mit 250.000 Exemplaren. Das sind 50.000 weniger als „Isto E“ und noch weit entfernt von Marktführerin „Veja“, die mit einer Auflage von weit über einer Million fast neun Millionen Leser erreicht.
Mit einer Investition von 40 Millionen US-Dollar will der mächtige Globo-Verlag dem Beispiel des deutschen Vorbilds folgen. „Epoca“ hofft, eine der beiden Konkurrentinnen vom Markt zu verdrängen, der Studien zufolge zu klein für drei Wochenschriften ist. „Isto E“, ewige Zweite am Markt, droht das Aus.
Hinter dem Wettstreit von „Epoca“ und „Veja“ steht der Kampf der beiden brasilianischen Mediengiganten Globo und Abril. Die beiden Konzerne beherrschen verschiedene Marktsegmente: Globo kontrolliert 73 Prozent der Fernsehwerbung und das Pay-TV, „Veja“- Verleger Abril bedient gut zwei Drittel des Zeitschriftenmarkts. Von seinen sechs Milliarden Dollar Umsatz im vergangenen Jahr entfielen bei Globo nur 185 Millionen auf die Printmedien, während Abril mit seinen 171 Publikationen 810 Millionen Dollar einnahm – knapp 60 Prozent des jährlichen Konzernvolumens. Globo versucht jetzt, mit seiner neuen Zeitschrift die Vormachtstellung von Abril im Printbereich zu brechen.
Für dieses Vorhaben kaufte Globo das grafisches Konzept und Nachdruckrechte beim Münchener „Focus“. Wie das Original will „Epoca“ mit eingängiger Grafik und kurzen, didaktischen Reportagen das Publikum gewinnen. „Fakten, Fakten, Fakten“ (Fatos, Fatos, Fatos) wird auch in Brasilien zum Motto: „Bei uns wird es weder unseriöse Enthüllungen noch Spekulationen geben,“ verspricht „Epoca“-Chefredakteur Jose Maria dos Santos.
Auch die Verkaufsstrategie des neuen Magazins orientiert sich an „Focus“, der dem Spiegel seit 1993 100.000 Leser abnahm und inzwischen jede Woche über 800.000 Exemplare verkauft. Globo werde in vier Jahren auf Platz zwei, nach zehn Jahren an der Spitze des Zeitschriftenmartks liegen, so die Prognose von Roberto Irineu Marinho, Vizepräsident des Konzerns.
„Focus“ ist mehr als ein Geburtshelfer. Nach ersten Kontakten 1997 kamen im Januar dieses Jahres Redakteure und Marketingspezialisten von Globo nach München, um das Erfolgskonzept zu studieren. Zwei „Focus“-Mitarbeiter sind derzeit in der „Epoca“-Redaktion tätig, um das Erscheinen der ersten Nummern zu begleiten. Wie ihre beiden Konkurrentinnen hat „Epoca“ die Industriemetropole Sao Paolo als Sitz gewählt, mit Außenstellen in Rio und Brasilia. Im Ausland hat das Blatt außer in München feste Vertretungen in Paris, New York und Buenos Aires.
Bei Globo – schon die Nummer Eins im Fernsehen und bei lokalen Tageszeitungen – hat der Frontalangriff auf die Konkurrenz Tradition. Als vergangenes Jahr die Tageszeitung „O Globo“ in Rio de Janeiro vom Boulevardblatt „O Dia“ überrundet wurde, antwortete der Medienkonzern mit der Neuerscheinung „Extra“, die neue Maßstäbe in Sensationslust setzte. Die Schamgrenze überschritt Globo-TV, als der Sender im Sonntagnachmittags-Programm Quoten an den Konkurrenten SBT verlor: Nach Protesten der gesamten Branche setzte Globo eine Sendung ab, die einen körperlich schwer Behinderten zur Schau stellte.
Der Mediengigant Globo, hinter drei US-Sendern viertgrößte TV- Kette weltweit, hielt sich stets an der Seite der politischen Macht. Die Militärdiktatur von 1964 bis 1985 unterstützte der Konzern ebenso wie die darauf folgende Demokratisierung. 1989 griff Globo in dem Wahlkampf ein, indem er den linken Kandidaten Ignacio Lula unmittelbar vor der Stimmabgabe vor dem Fernsehpublikum diskreditierte. Globo-Kandidat Fernando Collor wurde Präsident, mußte aber schon 1992 wegen Korruption das Amt aufgeben. Bei der Aufdeckung des Collor-Skandals waren just „Veja“ und „Isto E“ federführend.
Kirchen klagen Regierung wegen Verschleppung der Indígena-
Gesetzgebung an
(Porto Alegre, 22. Mai 1998, alc-Poonal).- Die Indígena- Missionsräte der lutheranischen und der katholischen Kirche arbeiten zusammen in einer Unterschriftenkampagne, damit der brasilianische Kongreß das Gesetz über den Status der Indígena- Gesellschaften verabschiedet. Die Initiative wird sei vier Jahren in der Abgeordnetenkammer blockiert. Nach Ansicht der Kirchen ist die direkte Einmischung der Bundesregierung dafür verantwortlich. Das gültige Gesetz über den Indio-Status stammt aus dem Jahr 1973. Es „entspricht nicht mehr den Forderungen der Indígena-Völker und -Gemeinden“, so heißt es in dem gemeinsamen Brief der beiden Kircheneinrichtungen an Präsident Fernando Henrique Cardoso und an Michel Temer, den Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses.
Die neue Gesetzesinitiative reglementiert die Errungenschaften, die die Indígena-Völker mit der Verfassung von 1988 erreichten. Für die Missionsräte ist die Verabschiedung des Entwurfs eine „gesellschaftliche Verpflichtung“, denn der neue Status sei „ein Recht der Indígena-Völker“. Die Zeitfremdheit der alten Gesetzesregelungen und die Blockade der neuen Bestimmungen habe „bedeutenden Schaden in der Beziehung zwischen den Indígenas und dem Staat angerichtet“.
Die Kirchen werfen der Regierung vor, die offizielle Indígena- Politik und wichtige Angelegenheiten, wie die Grenzmarkierung und den Grensschutz von Indígena-Territorien, in der Entscheidungsgewalt von Vertreter*innen politischer und wirtschaftlicher Gruppen gelassen zu haben, die den Ureinwohner*innen Brasiliens feindlich gesonnen sind. Beide Missionsräte wollen mit der Unterschriftenaktion erreichen, den Gesetzentwurf als dringlich einstufen zu lassen. Sie haben angekündigt, ihre Kampagne so lange zu führen, bis über das Gesetz in der Abgeordnetenkammer abgestimmt wird.
ARGENTINIEN
Korruptionsprozeß gegen Ex-Gouverneur eröffnet
(Cordoba, 20. Mai 1998, recosur-Poonal).- Gegen den ehemaligen Gouverneur der Provinz Cordoba hat ein öffentlicher Prozeß wegen illegaler Bereicherung begonnen. Eduardo Cesar Angeloz stand fast 12 Jahre lang unterunterbrochen der Provinzregierung vor und war dreimal gewählt worden. Derzeit hat er als Senator einen Sitz im Bundesparlament, ist aber zumindest vorübergehend seines Mandats enthoben. Mit ihm auf der Anklagebank sitzen 13 weitere Personen, darunter zwei seiner Kinder, ehemalige Funktionäre und Unternehmer. Sie alle sollen Strohmänner des einst starken Mannes der politischen Macht in der Provinz gewesen sein.
Der Prozeß wird als historisch eingestuft. Das hat seinen Grund darin, daß erstmals das Gesetz zur Geltung kommt, das politische Funktionär*innen bestrafen soll, die ihre Macht ausnutzten, um sich illegal zu bereichern. Die Liste der Eduardo Cesar Angeloz zugeschriebenen Eigentümer ist lang. In der Mehrheit tauchen sie entweder als Besitz des Familienunternehmens seiner Frau oder seiner Strohmänner auf. Der frühere Gouverneur muß ebenfalls beweisen, das Staatsvermögen nicht dazu genutzt zu haben, die Zufahrtswege zu einigen seiner Besitztümer verbessert zu haben. Das erhöhte den Wert der Grundstücke beträchtlich. Vorgeworfen wird Angeloz auch, Druck auf die Betreiber des Senders LV 2 Radio General Paz ausgeübt zu haben, damit diese verkauften. Der Käufer war mit Orestes Gaido einer der mutmaßlichen Strohmänner. Mehr als 100 Zeug*innen werden in dem Prozeß aussagen.
GUATEMALA
Städtische Landbesetzer*innen vertrieben
(Guatemala-Stadt, 20. Mai 1998, cerigua-Poonal).- Mit Tränengas räumte eine Polizei-Einheit zur Aufstandsbekämpfung ein weites Areal am Südrand der Hauptstadt. Dort hatten sich 4.000 Männer, Frauen und Kinder provisorische Hütten gebaut. Die Vertreibung erfolgte wenige Tage nach einer Obdachlosendemonstration in den Straßen von Guatemala-Stadt. Die Demonstranten erklärten, sie könnten die Wohungsmieten in der Hauptstadt nicht bezahlen, daher bleibe ihnen nur die Möglichkeit, auf den brachliegenden Flächen am Stadtrand zu siedeln.
William Mazariegos von der Nationalen Siedlungsvereinigung (UNASGUA) äußerte gegenüber Cerigua: „Wir sind friedliebende Leute, wir wollen keine Gewalt. Die Regierung aber zeigt mit solchen Aktionen, daß sie das Wohnungsproblem nur durch Konfrontation und Zusammenstöße lösen will.“ Obwohl die Regierung sagt, sie gehe die Lage mit subventioniertem Hausbau an – für dieses Jahr sind 17.000 neue Wohneinheiten geplant – bezeichnen die Siedler*innen das Vorhaben als unrealistisch. Wer in die Programme will, muß ein monatliches Mindesteinkommen von 1.400 Quetzales (233 US-Dollar) nachweisen können und eine Eingangszahlung von 4.000 Quetzales (666 US-Dollar) leisten.
Nach Mazariegos Angaben liegt das monatliche Durchschnittseinkommen in den Randsiedlungen jedoch bei nur 300 Quetzales (50 US-Dollar). Die Misere der etwa 1,5 Millionen Menschen, die in landesweit 359 provisorischen Siedlungen leben, könne nur gelöst werden, wenn der Staat ihnen für das besetzte Land Eigentumstitel gebe. Nach Angaben der Regierung fehlen im Land 1,2 Millionen Wohnungen.
Italienischer Priester ins Exil gezwungen
(Guatemala-Stadt/Mexiko-Stadt, 26. Mai 1998, cerigua-Poonal).- Der Mord an Bischof Juan Gerardi vor einem Monat scheint eine Welle von Drohungen gegen Kirchenführer und andere Persönlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens ausgelöst zu haben. Zu den Opfern gehört auch der italienische Priester Pedro Notta. Nach zahlreichen Todesdrohungen verließ er am 22. Mai Guatemala, wie erst Anfang dieser Woche bekannt wurde.
„Ich habe nie zuvor Drohungen erhalten. Nicht bevor ich an der Präsentation des Berichtes über die Wiedergewinnung der historischen Erinnerung (REMHI) teilnahm und eine Predigt zum Gedächtnis von Bischof Gerardi hielt“, zeigte sich Notta Anfang dieses Monats noch überrascht. Nachdem Fremde ihr Auto mit verdunkelten Scheiben neben dem seinen parkten und ihn fotografierten, reifte sein Entschluß, das Land zu verlassen. Allerdings hofft er, in zwei Monaten wieder in seine Pfarrgemeinde in einem Armenviertel der Hauptstadt zurückkehren zu können.
Andere Kirchenmitglieder sollen ebenfalls Drohungen bekommen haben. Die Deutsche Botschaft in Guatemala sah sich Mitte des Monats veranlaßt, öffentlich Schutz für den Berliner Rechtsprofessor Christian Tomuschat zu verlangen. Tomuschat ist Vorsitzender der sogenannten Wahrheitskommission, die die Verbrechen des 36jährigen internen Krieges im Land untersucht und dokomentiert.
Die Todesschwadron „Jaguar der Gerechtigkeit“ hat mit einem Brief mindestens einen linken Bürgermeistermeisterkandidaten in der Provinz Chimaltenango eingeschüchtert. Die Verfasser prahlen in dem Schreiben damit, an dem Bischofsmord beteiligt gewesen zu sein. Auf zwei amtierende Bürgermeister in Provinzstädten gab es erst vor wenigen Tagen bewaffnete Angriffe. Die Liste mit Attacken gegen Gewerkschafter*innen, Menschenrechtsaktivist*innen und Gerichtsmediziner*innen, die an den Ausgrabungen der geheimen Friedhöfe beteiligt sind, ließe sich derzeit beliebig fortführen. Bei den Untersuchungen über die Verantwortlichen an dem Mord an Bischof Gerardi gibt es währenddessen auch einen Monat nach der Tat keinen Durchbruch.
NICARAGUA
Daniel Ortega als SandinistInnen-Chef bestätigt
(Managua, 24. Mai 1998, pulsar-Poonal).- Auf dem II. Kongress der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) ist Daniel Ortega als Mitglied der Nationalen Leitung mit großer Mehrheit bestätigt worden. Bei den Parteivorstandswahlen erhielt er in geheimer Wahl 420 von 441 abgegebenen Stimmen. Damit war ebenfalls seine anschließende Ernennung zum Parteivorsitzenden gesichert. Auch der ehemalige sandinistische Innenminster Tomás Borge wurde wieder in das höchste Parteigremium gewählt. Dies war nicht unbedingt erwartet worden. Allerdings erhielt Borge dabei weniger Stimmen als sein partei-interner Gegner Víctor Hugo Tinoco. Dennoch siegte er gegen diesen in der Kampfabstimmung um den stellvertretenden Parteivorsitz. Die FSLN, wichtigste Oppositionskraft in Nicaragua, bekräftigte zumindest auf dem Papier ihre sozialistische Ausrichtung.
Journalist*innen protestieren gegen Einschüchterungen
(Managua, 26. Mai 1998, pulsar-Poonal).- Die nationale JournalistInnengewerkschaft protestiert gegen staatliche Repression und Einschüchterungen gegen Medienvertreter. Journalisten seien „ständigen Angriffen“ ausgesetzt, heißt es in einer Erklärung der Gewerkschaft. Haftdrohungen, verbale Attacken und schlechte Behandlung durch Präsident Alemán sowie einen Großteil seiner Minister werden aufgeführt. Einer der jüngsten Ausfälle von Alemán fand auf einer Pressekonferenz nach einer Reise in die USA statt, als er nach dem „Drogenflugzeug“ gefragt wurde. Der Präsident und mehrere Minister hatten für ihre Reisen ein Flugzeug benutzt, daß einer international organisierten Drogenhändlergruppe gleichzeitig als Transportmittel für ihre Ware diente. In Regierungskreisen will man davon nichts gewußt haben. Noch am vergangenen Freitag nannte Alemán anläßlich einer Preisverleihung die Journalist*innen „Terroristen der Information“. Die Gewerkschaft rief den Staatschef auf, Haltung zu bewahren und ihrem Beruf gegenüber Respekt zu zeigen.
MITTELAMERIKA
Die Region brennt – Rauchschwaden halten alles bedeckt
Von Iván Castro
(San Salvador, 25. Mai 1998, npl).- Nicht einmal während des zwölfjährigen blutigen Bürgerkrieges in El Salvador stellte der internationale Flughafen von San Salvador auch nur einen Tag seinen Betrieb ein. Doch am 15. Mai war es soweit. „Das erste Mal in 17 Jahren“, erklärte Flughafendirektor José Estrada. Dichte Rauchschwaden bedecken nicht nur den Flughafen, sondern praktisch das gesamte mittelamerikanische Land, das kleinste der Region. Der Grund sind die seit Wochen anhaltenden Brände. „Die Lage verschlechtert sich immer mehr. Wir haben keine Mittel, um der Brände Herr zu werden“, so der Leiter des Notstandskomitees, Mauricio Ferrer.
Am Flughafen verzieht sich der Rauchnebel wenigstens zeitweise wegen der leichten Brise, die zumeist vom nahen Pazifik her weht. Doch in anderen Landesteilen scheint sich die Apokalypse zu nähern. Die Tage wollen nicht richtig hell werden. Ist ein Brand gelöscht, bricht irgendwo anders ein neuer aus und trägt dazu bei, den Himmel zu verdunkeln. Über 1.100 Waldbrände haben die verzweifelten Behörden bisher gezählt. Zu 90 Prozent sollen die Feuer nach Ferrers Auskunft durch Menschen verursacht sein. Sind sie einmal richtig entfacht, ist die wirksame Bekämpfung unter den gegebenen Bedingungen fast unmöglich. Am 20. Mai rief El Salvador den Alarmzustand wegen der starken Luftverschmutzung aus. Feuerwehr, Polizei, Armee und Rotes Kreuz wurden in erhöhte Einsatzbereitschaft versetzt. Anhaltende Hitze und Trockenheit lassen für die kommenden Wochen nichts Gutes erwarten.
Zuvor galt die erhöhte Alarmstufe auch schon in Mexiko, Honduras und Guatemala. Von Panama bis nach Texas in den USA reichte zeitweise der fast geschlossene Rauchteppich. Wenn beispielsweise Nicaragua den Notstand noch nicht ausrief, so heißt das keineswegs, daß die Lage dort besser ist. Im Mai schloß der Flughafen der Hauptstadt Managua bisher neunmal wegen fehlender Sicht aufgrund des Rauchs. Dort teilte die Umweltbehörde mit, die Schadstoffkonzentration in Managua habe das Dreifache des noch gesundheitsverträglichen Grenzwertes erreicht. Landesweit 13.400 Brände garantieren auch in Nicaragua schlechte Luft. Das Ausmaß der Katastrophe kommt überraschend. „Die Lage ist neu für uns“, gesteht Behördenchef Leonel Wheelock ein.
In Guatemala hat der Ausbruch des Vulkans Pacaya, nur 20 Kilometer von Guatemala-Stadt entfernt, die Situation noch verschärft. Zum Ascheregen im Landeszentrum kommen die Feuer in der Urwaldregion Petén, wo bereits etwa 60.000 Hektar Wald verloren sind. Ebenso viel Wald ist 1998 in Honduras verbrannt, dazu kommen 100.000 Hektar, die mit Sträuchern bedeckt waren. Hält der Rythmus der Entwaldung an, dann droht eine Katastrohpe. 20 Jahre noch, so schätzt der britische Ökonom Ian Walker, dann „hat Honduras keinen Wald mehr, es wird eine Wüste sein, in der die Armut regiert“. Derzeit ist El Salvador das nach Haiti waldärmste Land in ganz Lateinamerika.
In ganz Mittelamerika bedeuten die um sich greifenden Brände und die Trockenheit Wasserknappheit für die Bevölkerung, den Verlust gesamter Ernten, eine schlechtere Stromversorgung, weil die Wasserkraftwerke nicht richtig arbeiten können und den starken Anstieg von Atemwegserkrankungen. In den kommenden Jahren, befürchten viele, könne es noch schlimmer kommen. Sie zeichnen ein düsteres Szenarium mit gewalttätigen Streits um das lebenswichtige Wasser. Die Verantwortung für Hitze, Dürre und ausbleibenden Regen wird „El Niño“ zugeschoben. Die Menschen müssen lange zurückdenken, bevor sie sich an ähnlich ungünstige Wetterbedingungen erinnern.
(Nach letzten Meldungen haben in Teilen Mittelamerikas einsetzende Regenfälle die Situation leicht entschärft und einige Brände gelöscht. Die Redaktion.)
MEXIKO
Zapatist*innen weihen Klinik ein
(Autonomer Landkreis „Che Güvara“, 26. Mai 1998, pulsar-Poonal).- Obwohl die Straßen zu ihrem Landkreis ständig von Militärs kontrolliert und teilweise blockiert werden, schaffte es die zivile Basis der aufständischen EZLN, ihr erstes eigenes Gesundheitszentrum in Chiapas zu bauen. Dazu errichteten sie einen großen Gemeindesaal. Strom liefert eine Solaranlage, die mit Hilfe von Unterstützer*innen ebenfalls vor kurzem fertiggestellt wurde. Die Bauzeit betrug acht Monate, wobei die einzelnen Gemeinden sich abwechselten. Der autonome Landkreis befindet sich in der Zone des offiziellen Landkreises Altamirano.
Streit um die Gleichberechtigung im Boxring
Von Cecilia Navarro
(Mexiko-Stadt, Mai 1998, fempress-Poonal).- Der Ring ist ein andere Kampfarena für die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern geworden. Das Boxen, ein traditionell maskuliner Sport, gesellt sich zu der langen Liste verbotener Bereiche, in die die Frauen mit gewissem Erfolg eingedrungen sind. In Mexiko gibt es etwa 60 Berufsboxerinnen. Sie widmen sich voll und ganz dieser Aktivität, haben aber keinen Zugang zu den großen Börsen und den internationalen Meisterschaften. Nur zwei mexikanische Boxerinnen – Laura Serrano und María de las Nieves García – schafften dies. Aber es ist kein Zufall, daß ihnen die Kämpfe zum Teil verboten werden.
Funktionäre der Boxindustrie wie Fernando Gutiérrez kritisieren offen die Teilnahme der Frauen an diesem Sport: „Es ist eine traurige Posse unserer kulturellen Armut, die nicht nur die Frau, sondern ebenso die Kinder und die Alten erniedrigt.“ Bei mehr als einer Gelegenheit hat Gutiérrez sich auf die Boxerinnern als „kleine Gorillas“ oder „groteske, lächerliche Gestalten“ bezogen. Dagegen meint die Soziologin Elena Tapia, Mitglied der Informationsgruppe zur selbstbestimmten Integration: „Es handelt sich nicht um die Suche nach sexistischer Gleichberechtigung. Jetzt wird die alte Debatte von den biologischen Unterschieden zwischen Männern und Frauen wieder auf den Tisch gebracht. Dabei geht es darum, die Unterschiede bei der Behandlung, die Ungleichheit und die Ungerechtigkeit, der Opfer die Frauen gewesen sind, zu überprüfen und zu widerrufen.
Die mexikanischen Boxerinnen gründen ihren Widerstand gegen den Boykott ihrer sportlichen Aktivitäten auf dem Recht jedes Menschen, sich jedem Beruf oder jeder Arbeit ohne irgendwelche Einschränkungen zu widmen, solange es sich um eine zulässige Aktivität handelt. Wie in den übrigen Lebens- und Sportbereichen sind die Frauen in den Boxring gekommen, um dort zu bleiben. Noch vor zwei Jahren gab es für Boxer Trainingsstätten, zu denen die Boxerinnen keinen Zugang bekamen. Das gehört der Vergangenheit an. Gleiche Szenen spielten sich zuvor in Sportarten wie Tae Kwan Do, Freistilringen, Stierkampf (gehört generell verboten; d. Übersetzer), Fußball und Gewichtheben ab.
Vor anderthalb Jahrhunderten halbiert: Mexiko war einmal größer
Von Gerold Schmidt
(Mexiko-Stadt, 27. Mai 1998, Poonal).- Vor 150 Jahren, am 30. Mai 1848, war es ganz offiziell. In der Stadt Queretaro veröffentliche die mexikanische Regierung in einem Dekret den Friedens-, Freundschafts- und Grenzvertrag“ von Guadalupe Hidalgo, der wenige Wochen zuvor mit den USA unterschrieben worden war. Der so harmlos klingende Vertrag besiegelte die Halbierung Mexikos. Für 15 Millionen Pesos als Entschädigung mußte das Land eine Fläche von 2,5 Millionen Quadratkilometern an den nordamerikanischen Nachbarn abgeben. Die USA erweitern ihr Territorium mit einem Schlag um 50 Prozent. Auf dem damals sehr spärlich besiedelten dazugewonnenen Gebiet entstanden nach und nach die US-Bundesstaaten Arizona, Nevada, Kaliforniern, Utah sowie Teile von New Mexico, Colorado und Wyoming.
Dem „Freundschafts“-Vertrag vorausgegangen war ein Invasionskrieg, dem die Mexikaner wenig entgegenzusetzen hatten. Im Nachhinein erscheint die damalige Entwicklung fast zwangsläufig. Der Expansionskurs der USA in Richtung Westküste und nach Süden verlief in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unaufhaltsam. In seiner als Monroe-Doktrin in die Geschichte eingegangenen Jahresbotschaft an den Kongreß im Jahr 1823 hatte der republikanische US-Präsident James Monroe deutlich gemacht, daß sein Land sich zwar einerseits nicht in europäische Kriege einmischen wolle, sich aber andererseits nicht in Angelegenheiten seines „Hinterhofes“ hereinreden lassen. Der Hinterhof, das war unter anderem Mexiko. Das gerade von der spanischen Krone unabhängig gewordene Land war weit von innenpolitischer Stabilität entfernt und mußte sich erst noch konsolidieren.
Das erklärt zum großen Teil, warum Mexiko schon im Streit um Texas gegen die USA den kürzeren zog. Dort erhoben sich 1836 die amerikanischen Siedler und erklärten ihre Unabhängigkeit. Von den USA, die Waffen zur Unterstützung lieferten, kam die prompte Anerkennung. Der mexikanischen Regierung gelang es nicht, die Aufständischen zu besiegen. Sie mußte den neuen Staat faktisch anerkennen. Die Demütigung war komplett, als der US-Kongreß 1845 beschloß, Texas als 28. Bundesstaat in die Union aufzunehmen. In dem Jahr richteten sich die Begehrlichkeiten längst weiter Richtung Süden. Der demokratische Präsident James Knox Polk (1845- 49) versuchte es zuerst mit Kaufangeboten an das unter ständiger Geldnot leidende Nachbarland. Als dies nichts half, erklärte er nach Scharmützeln an der Südgrenze von Texas im April 1846 den Krieg.
Mexiko seinerseits reagierte erst mehrere Wochen später mit einer eigenen Kriegserklärung. Da hatten die USA längst weite Teile des Landes besetzt. Trotz vereinzelt heftigen Widerstandes hatten die schlecht organisierten und bewaffneten Mexikaner gegen die Invasionsarmee keine Chance. Am 16. September 1847, ausgerechnet dem mexikanischen Unabhängigkeitstag, marschierten die gegnerischen Soldaten in die Hauptstadt ein, nachdem sie die letzte Gegenwehr der Bevölkerung gebrochen hatten. Die reguläre Armee kapitulierte bereits zwei Tage vorher. Präsident Antonio Lopez de Santa Anna trat zurück. Den Verhandlungsführern der mexikanischen Interimsregierung gelang es in den Folgemonaten immerhin, noch umfangreichere Gebietsabtretungen zu verhindern. Die USA wurden endgültig zur Kontinentalmacht.
Zu denjenigen, die sich über das Vorgehen der USA zutiefst enttäuscht zeigten, gehörte übrigens auch der deutsche Forschungsreisende Alexander von Humboldt. Vor seiner Rückkehr nach Europa im Jahr 1804 war er nach seinen Gesprächen mit dem damaligen Präsidenten Thomas Jefferson noch von dem Land und seinen Idealen begeistert gewesen. Ohne zu zögern überließ er den USA damals seine gesamten geographischen und statistischen Aufzeichnungen über Mexiko zum kopieren, darunter das erste zuverlässige Kartenmaterial.
KOLUMBIEN
Beleidigter General packt über Verbindungen zum CIA aus
(Bogotá, 25. Mai 1998, pulsar-Poonal).- Der kolumbianische General Iván Ramírez hat über die jahrelange Ausbildung einer Geheimdienstbrigade der Streitkräfte durch den US-Geheimdienst CIA berichtet. Die berüchtigte „Brigada 20“ ist für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich und wurde vor einiger Zeit aufgrund nationaler und internationaler Proteste aufgelöst. Ramírez ist ein Ex-Kommandant dieser Einheit. Er sprach gegenüber dem Radiosender Caracol über die US-Mitverantwortung für die Brigade, weil er sich von der Washingtoner Regierung gekränkt fühlte. Diese hatte ihn einen Terroristen genannt und ihm sein Visum für die Einreise in die USA aberkannt. Nach den Angaben des Generals gab es in den 60er Jahren ständig Geheimdienstberater aus den USA in Kolumbien. In den 70er Jahren habe es eine direkte Ausbildung durch die US-Agenten für den „schmutzigen Krieg“ gegeben. Und bis noch vor zwei Jahren sei das Verhältnis zu den Chefs des CIA von großer Freundschaft geprägt gewesen. Von Reue war bei Ramírez nichts zu spüren. Der Militär verteidigte im Gegenteil die Aktionen der Brigade 20 und erinnerte sich mit Genugtuung an die gemeinsamen Operationen mit den US-Beratern.
PERU
Mutmaßliche Terroristen – In peruanischen Gefängnissen sitzen mehr
als tausend Unschuldige ein
Von Raúl Rodríguez Chalco
(Lima, Mai 1998, pulsar-Poonal).- Carlos Masías Chiroque ist heute 29 Jahre alt. Bis 1992 war er öffentlicher Angestellter im peruanischen Staatswesen. Seine Frau und seine Kinder bedeuteten sein ganzes Leben. In seinem Stadtviertel engagierte sich Chiroque am Wochenende zusammen mit seinen Nachbarn. Sie organisierten Gemeindearbeiten, bei denen sich so gut wie die gesamte Bevölkerung beteiligte. Sie schafften es, Trinkwasser und Strom in das Viertel zu bekommen. Jeder kam mit seinem Hausbau so gut es eben ging voran. Chiroque wurde zu einer anerkannten Persönlichkeit in dem Viertel in der nördlichen Stadt Piura. Doch ein Tag veränderte sein Leben schlagartig.
Carlos Masías Chiroque und seine Frau kamen von einem Familientreffen zurück, als sie von zwei Unbekannten unter Todesdrohungen gezwungen wurden, ein Paket aufzubewahren. Die Männer gehörten der Guerillabewegung Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad) an, bekannt nicht nur für ihren kompromißlosen Kampf gegen den Staat, sondern auch gegen andersdenkende Menschen in der Opposition. Mit einer Aktion wie im Falle von Carlos Chiroque erreichte der Leuchtende Pfad zwei Dinge: Wenn die Polizei die Häuser der Guerilla-Aktivisten durchsuchten, fand sie nichts, um sie anklagen zu können. Zum anderen bezog die Organisation andere in ihren Kampf mit ein, sei es nun, daß diese es nicht merkten oder unter Todesdrohungen handelten.
Für Carlos endete die Begegnung mit der Guerilla in einem Alptraum. Die Polizei verhaftete ihn und beschuldigte ihn, ein Paket mit 30 Kilo Sprengstoff und einer Schußwaffe in seinem Haus gehabt zu haben. Daß gleichzeitig einer der Rebellen gefaßt wurde, der seine Version bestätigte, das Paket nur unter Zwang bei sich gehabt zu haben und nicht der eigentliche Sprengstoffbesitzer zu sein, nützte ihm nichts. Unter Schlägen und Drohungen diesmal vonseiten der Polizei unterzeichnete er die Beschlagnahmungsurkunde mit den Anschuldigungen gegen ihn.
Für die Polizei, für die Gerichtsbehörden, für alle, die ihn nicht kannten, war Carlos Masías Chiroque ein Terrorist, der seinen gestreiften Sträflingsanzug bei der Zurschaustellung vor den Medien zu recht trug. Seine eigene Aussage sowie die des gefaßten Guerilleros galten nichts. Anfangs klagte ihn der Staatsanwalt nur wegen Kollaboration an. Doch der Strafgerichtshof von Piura verbot ihm, die Akten einzusehen und überließ das Verfahren dem Militärgericht. Das verurteilte Carlos im November 1993 zu lebenslänglicher Haft. Seine Anwälte erreichten später, daß ein Sondergremium des Kriegsgerichtes die Strafe auf 20 Jahre reduzierte.
Nur seine Familie und eine kleine Gruppe von Freunden glaubten an Carlos und setzten sich für ihn ein. Sie waren es, die Hilfe bei der „Vereinigung für die Menschenrechte“ suchten und weitere Personen fanden, die bereit waren, Carlos zu unterstützen und sich für Gerechtigkeit gegenüber einem Unschuldigen einzusetzen. Am 24. Dezember 1997 kam er gemeinsam mit einer größeren Gruppe anderer Personen frei. Die Mitglieder einer Begnadigungskommission sahen seine Unschuld als erwiesen an, er sei Opfer eines ungerechten Prozesses gewesen.
Fünf Jahre war er in Haft. Zuerst mit der Aussicht, ein Leben lang dort zu bleiben, dann die Angst, dort 20 Jahre einsitzen zu müssen. Wer bezahlt Carlos Masías Chiroque die fünf Jahre, die er unschuldig im Gefängnis verbrachte. Wer entschädigt seine Ehefrau und seine Kinder für diese fünf Jahre in der Not?
Nach den Jahren der Gewalt, mit der die Guerilla des Leuchtenden Pfades die Bevölkerung in Schrecken versetzte, herrscht nun die Gewalt der Justiz. Sie zeigte sich in den Sondergerichten, in den „Richtern ohne Gesicht“, die den Angeklagten keine Verteidigungschance ließen und alle verurteilten, die ihnen präsentiert wurden. Es ging darum, die höchstmögliche Zahl wegen Terrorismus bestrafter Häftlinge zu haben und zu beweisen, daß die Richter ohne Gesicht effektiver arbeiteten als das normale Gerichtswesen.
Heute hat sich der Alptraum ein Stück weit aus dem Leben von Carlos Masías Chiroque entfernt. Etwa tausend andere unschuldig als Terroristen angeklagte und verurteilte Männer und Frauen sind wie er freigekommen. Nach Jahren im Kerker kehren sie zu ihren Familien zurück. Aber es gibt mehr als tausend Häftlinge, die unter ähnlich zweifelhaften Umständen verurteilt wurden wie Carlos Chiroque. Und wie er hoffen sie auf eine Begnadigung. Die nur auf nationalen und internationalen Druck zustandegekommenen Begnadigungskommission, die mit der Überprüfung beauftragt ist, hat noch viel, viel Arbeit.
CHILE
Umweltnotstand in der Hauptstadt
(Santiago, 18. Mai 1998, recosur-Poonal).- Einmal mehr in diesem Jahren mußten die Umweltbehörden von Santiago den Notstand wegen erhöhter Luftverschmutzung ausrufen. Atemwegserkrankungen bei Kindern stiegen in den vergangenen Tagen um das Doppelte. In den Randbereichen der Hauptstadt brach das Ambulanzwesen der Krankenhäuser und Polikliniken aufgrund des PatientInnenansturms fast zusammen. Die ergriffenen Maßnahmen sind seit Jahren die gleichen: Der Autoverkehr wird nur eingeschränkt erlaubt und besonders verschmutzende Fabriken und Unternehmen – etwa 900 – müssen vorübergehend schließen. Die Umweltpolitik der Regierungsbehörden in Santiago gilt allgemein als gescheitert.
Alle Kinder sollen gleich sein
(Santiago, 22. Mai 1998, pulsar-Poonal).- In Chile wird nicht mehr zwischen legitimen und ilegitimen Kinder unterschieden. Auch die Kategorie der „natürlichen“ Kinder fällt weg. Dafür sorgt eine nach längeren Debatten verabschiedete Verfassungs- und Gesetzesreform, bei der auch der liberalere Teil der Opposition mit der im wesentlichen von Sozialisten und Christdemokraten gebildeten Regierungskoalition stimmte. Nach altem Gesetz galten außerhalb der Ehe geborene Kinder als ilegitim. In den Fällen, in denen sich die Eltern nie verheirateten, der männliche Teil aber seine Vaterschaft vor dem Gesetz anerkannte, handelte es sich um „natürliche“ Kinder. Jetzt wird es im zivilen Gesetzbuch nur noch eine Kategorie von Kindern geben. In einem Land, in dem etwa 30 Prozent der Kinder geboren werden, ohne daß die Eltern verheiratet sind, schien die Reform längst überfällig. Obwohl damit der Diskriminierung der gesetzlichen Diskriminierung der Kinder ein Ende gesetzt wird, hatte sich die konservative katholische Kirchenhierachie bis zuletzt gegen die Reform gewandt.
BOLIVIEN
Erdbeben und Armut
(Cochabamba 25. Mai 1998, recosur-Poonal).- Bei Erdbeben sind in Bolivien mehrere Orte zerstört worden. Die Zahl der Toten wird bisher mit mindestens 100 angegeben. Die Eruptionen erschütterten die Region im Südtal von Cochabamba. Etliche entlegene Dörfer konnten bislang nicht von Rettungsdiensten und freiwilligen Helfer*innen erreicht werden, da die Wege versperrt sind. Nach den Angaben örtlicher Radiosender fehlen zudem die Mittel, um die Verwundeten zu evakuieren.
HONDURAS
Polizei wird reformiert
(Tegucigalpa, 21. Mai 1998, pulsar-Poonal).- Die alte Öffentliche Sicherheitskraft in Honduras hat ausgedient. 35 Jahre lang von den Militärs kontrolliert, war sie immer wieder zahlreicher Menschenrechtsverletzungen angeklagt worden. Nun wird sie auf Beschluß des Parlaments durch die Zivile Nationalpolizei ersetzt. Die Abgeordneten stimmt ebenfalls der Bildung zweier weiterer Einrichtungen – dem für die Polizei verantwortlichen Sicherheitsministerium und der von der Bundesstaatsanwaltschaft abhängigen Behörde für Verbrechensbekämpfung – zu. Einer der beiden Vizeminister des neuen Sicherheitsministeriums ist für die Leitung der zukünftigen Behörde vorgesehen, der andere für die Präventivpolizei. Das stößt bei dem „BürgerInnenforum“, in dem sich verschiedene gesellschaftliche Gruppen zusammengeschlossen haben, auf Kritik. Sie sprechen sich gegen die Behörde für Verbrechensbekämpfung aus. Die vorgesehene Konstruktion würde erlauben, Straffreiheit und gegenseitige Komplizenschaft zwischen beiden Polizeikörpern aufrecht zu erhalten. Das Forum hatte eine vollständige Trennung der beiden Polizeizweige gefordert. Nach der neuen Gesetzgebung wird ein Nationaler Rat für Innere Sicherheit für die Überprüfung der Polizeiarbeit geschaffen. Im werden Vertreter*innen von elf gesellschaftlichen Gruppen angehören. Neben dem Staat sind das unter anderem die Privatwirtschaft, die Gewerkschaften, die Campesinos, Frauen- und Menschenrechtsorganisationen.
URUGUAY
Asphaltcowboys der besonderen Art – agressive Töne aus dem Militär
(Montevideo, 25. Mai 1998, comcosur-Poonal).- Der amtierende Streikräftechef Fernán Amado soll beabsichtigen, Soldaten in Montevideos Stadtvierteln patrouillieren zu lassen. Der dazu entworfene „Plan Asphalt“ überraschte das gesamte politische Spektrum in Uruguay einschließlich die regierende Koalition aus Colorado und Nationalpartei. Letzterer gehört der Verteidigungsminister Raúl Iturria an. Das Parlament forderte ihn bereits auf, der Verteidigungskommission Rede und Antwort über den Plan zu stehen und die Abgeordneten über die Instanzen zu informieren, die ihn diskutierten. Bisher hält sich die Begeisterung über den Plan Asphalt allseits deutlich in Grenzen. Die Regierung hat sich davor gehütet, ihm ihre Unterstützung auszudrücken. Von der Opposition kam klare Kritik.
Den beabsichtigen Militärpatrouillen gehen umstrittene Äußerungen voraus, die Amado vor wenigen Tagen machte. Da versicherte er, die Polizei sei „überfordert wie sie es 1973 war“. Dies war eine klare Anspielung auf die Zeit der Diktatur. Die wurde unter anderem damit gerechtfertigt, daß die Polizei nicht in der Lage war, den politischen und auch militärischen Aktionen einiger linker uruguayischer Organisationen – wie beispielsweise der Stadtguerilla MLN-Tupamaros – Einhalt zu gebieten. Ebenfalls erst vor kurzem ließ die Armeeführung verlautbaren, sie könne sich eine Linksregierung kaum vorstellen. Die letzten Umfragen sehen das linke Oppositionsbündnis Frente Amplio/Encuentro Nacional immer stärker in der WählerInnengunst werden. Im vergangenen Monat hatte Armeechef Amado damit für Aufsehen gesorgt, den bekannten Folterer Jorge Silveira zum Berater des Militäroberkommandos zu ernennen.
Community Radio „wiederauferstanden“
(La Paloma, 18. Mai 1998, comcosur-Poonal).- In dem Dorf „La Paloma“ in der Provinz Durazno ist der kleine und einzige örtliche Radiosender inmitten eines großen Volksfestes erneut eröffnet worden. Die Bewohner*innen zeigten sich stolz über ihr Radio „Oxigeno FM“. Es handelt sich um ein Community Radio im wahrsten Sinne des Wortes. Im April 1996 war der Sender während des Ersten Treffens der Community Radios in Uruguay geschlossen worden. Die Behörden beschlagnahmten zudem die Ausrüstung. Die Hartnäckigkeit einiger Dorfbewohner*innen, die in der Gesundheitskommission von La Paloma organisiert sind, führte nach zwei Jahren zu dem erneuten Anlauf – diesmal mit behördlicher Genehmigung. 17 Stunden lang wird jetzt wieder mit einer Potenz von 100 Watt auf FM 88.3 gesendet. Das ganze Dorf und auch die in einigen Kilometern entfernt liegenden Bauernhöfe können Oxigeno FM empfangen.
Für das Leben
(Montevideo, 25. Mai 1998, comcosur-Poonal).- Am vergangenen 20. Mai zogen 50.000 Menschen durch über die Straße des 18. Julis, der Hauptavenida Montevideos. Sie erinnerten an die Ermordung der Abgeordneten Zelmar Michelini und Héctor Gutierrez Ruíz durch kombinierte Einsatzkräfte der Diktaturen Uruguays und Argentinien und forderten Aufklärung in den Fällen der Verhafteten/Verschwundenen. Ein eindruckvolles Schweigen, Tausende Nationalflaggen und angezündete Kerzen veränderten das Bild im Zentrum der Hauptstadt. Die Menge marschierte hinter einem riesigen Transparent mit der Aufschrift „nur die Wahrheit wird uns frei machen“. Am Ende des Demonstrationsmarsches sangen die Teilnehmer*innen die Hymne des Landes.
Die Mobilisierung ist eine neue Antwort auf den Stillschweigepakt, den der Präsident der Republik, Julio Maria Sanguinetti, besiegelt hat. Er weigert sich systematisch, die Untersuchungen über das Schicksal der verschwundenen politischen Gefangenen unter der Militärdiktatur voranzubringen. Die Regierung hat sich allen Alternativen verschlossen, die von verschiedenen Gruppen, politischen Parteien bis hin zur katholischen Kirche vorgeschlagen worden sind.
HAITI
Doppelte Staatsangehörigkeit bitte – Diskussion auch in der BRD
(Port-au-Prince/Wiesbaden, 25. Mai 1998, haiti info-Poonal).- Die Diskussion um eine Änderung der haitianischen Verfassung, damit die Möglichkeit für zwei Staatsangehörigkeiten eröffnet wird, geht weiter. Sie ist auch unter den in der BRD lebenden Haitianer*innen ein Thema. Die meisten von ihnen schließen sich der Forderung nach doppelter Staatsangehörigkeit an. Sie beklagen, daß die Annahme einer fremden Staatsangehörigkeit derzeit automatisch zum endgültigen Verlust der haitianischen Staatsbürgerschaft führt. Haiti sei ein armes Land, so lautet eine Argumentation, das es sich nicht leisten könne, gut ausgebildete, oft finanzkräftige Landsmänner und -frauen auszuschließen. Die Schwäche der politischen Strukturen auf Haiti, der große Mangel an Fach- und Führungskräften, sowie die sinnlose Vergeudung der natürlichen und menschlichen Ressourcen mache es umso unverständlicher, daß die Haitianer*innen des Inlandes, bzw. eine kleine Führungsschicht ihre Landesleute ausschließen wolle. Diese seien oft aus Not oder Notwendigkeit gezwungen gewesen, eine andere Staatsangehörigkeit anzunehmen. Die bisherige Ablehnung einer doppelten Staatsangehörigkeit auf Haiti sei nur mit engstirnigen Machtstreben zu erklären, so ein in der BRD lebender Haitianer. Haiti Info möchte die Diskussion zum Thema fördern. Demnächst werden die gesammelten Meinungen von in der Bundesrepublik wohnenden Haitianer*innen auf der Webseite www.himnet.org zu lesen sein. Diskussionsbeiträge können an die folgenden zwei e-mail- adressen geschickt werden: Haiti-Med@t-online.de oder Ayitinfo@aol.com
Kein Rot-Schwarz mehr
(Port-au-Prince/Wiesbaden, 25. Mai 1998, haiti info-Poonal).- Präsident René Préval hat zum Tag der haitianischen Flagge am 18. Mai „all diejenigen, die auf eine Rückkehr alter Verhältnisse hoffen“ gewarnt. Das Volk habe die Diktaturen wiederholt abgelehnt. Der Präsident spielte damit auf die neue Koalition von mehr als 20 Parteien an, die vom Zentrum bis zum äußerst rechten Flügel der Opposition reicht. Préval warnte davor, die Opfer und die Täter zu verwechseln. Er erklärte, die Lavalas-Regierungen hätten ihre Versprechungen bisher nicht halten können, weil das Erbe der Diktaturen sehr schwer gewesen sei. Fortschritte sah er bei den Arbeitsplätzen in der Maquila-Industrie, der Inflationsbekämpfung, dem Straßenbau sowie in der „vollständigen Pressefreiheit“. Das Motto des Tages war „kein Rot-Schwarz mehr“. Unter der Duvalierdiktatur waren die Farben der ursprünglich blau- roten haitianischen Flagge in rot-schwarz geändert worden.
Die nun in Blöcke zerfallene Lavalas-Bewegung hat sich unterdessen immer noch nicht mit dem Präsidenten auf einen neuen Premierministerkandidaten einigen könnten. OPL-Vorsitzender Gérard Pierre-Charles gab zwar von sich, seine Partei werde innerhalb von 48 Stunden einen vom Staatschef vorgeschlagenen Premier ratifizieren. Er verband dies aber mit der Einschränkung, „falls die laufenden Verhandlungen die Bedingungen dieser Ratifitzierung klären“. Was genau er darunter meinte, sagte er nicht. Weiter führte er aus, die OPL könne derzeit keinen Kandidaten vorschlagen, es läge am Staatschef, dies schnell zu tun. Ein darauffolgendes Treffen einer OPL-Delegation mit Préval verlief jedoch ohne nennenswertes Ergebnis.
EU-Kommission auf IWF-Kurs
(Port-au-Prince/Wiesbaden, 25. Mai 1998, haiti info-Poonal).- Acht Millionen US-Dollar soll Haiti im Juli von der Europäischen Union zur Stärkung der Wirtschaftsreformen erhalten. Dafür müsse das Land aber die vom Internationalen Währungsfonds geforderten Klauseln erfüllen, so Antonio Garcia Velasquez, Vorsitzender der EU-Kommission in Haiti. Die acht Millionen Dollar sind der Anteil der Europäischen Union am IWF-Programm für Haiti.
LEHRSTUHL FÜR GEOGRAPHIE
Von Eduardo Galeano
In Chicago gibt es niemand, der nicht schwarz ist. Mitten im Winter röstet die Sonne in New York die Steine. In Brooklyn, sind die Menschen, die den 30. Geburtstag lebend erreichen, ein Beweis für die Existenz Gottes. Die besten Häuser in Miami sind aus Abfall errichtet. Von den Ratten verfolgt, flüchtet Mickey aus Hollywood.
Chicago, New York, Brooklyn, Miami und Hollywood sind die Namen einiger der Viertel von Cité Soleil, dem ärmsten Vorort von Haitis Hauptstadt.
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