Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr.284 vom 10.- April 1997
Inhalt
MEXIKO
MEXIKO/USA
MEXIKO
LATEINAMERIKA
Literatur/Adressen:
NICARAGUA
KUBA
GUATEMALA
ECUAD0R
PERU/BOLIVIEN
BRASILIEN
CHILE
MEXIKO
Oppositionspolitiker Heberto Castillo gestorben
(Mexiko-Stadt, 6. April 1997, Poonal).- Sein größter politischer Wunsch war es, noch eine Regierung ohne Beteiligung der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) zu erleben. Doch stattdessen hat die PRI, seit seinem Geburtsjahr 1928 ununterbrochen an der Macht, Heberto Castillo überlebt. Mit Castillo starb am Wochenende einer der großen alten Männer der mexikanischen Linken. Selbst Präsident Ernesto Zedillo konnte nicht umhin, ihm die letzte Ehre zu erweisen. Der allgemeine Respekt ist nicht unbedingt auf Castillos politische Ideen zurückzuführen – da hat er selbst im eigenen Lager genug Gegner gehabt. Vielmehr beeindruckt die Konsequenz, mit der er jahrzehntelang die Oppositionsrolle einem Leben als ranghoher Politiker oder gefeierter Wissenschaftler vorzog. Denn Castillo machte sich früh einen Namen als Ingenieur. Die Entwürfe für zahlreiche wichtige Brückenbauten in Mexiko stammen von ihm, in der Forschung erfand er neue Baustoffe, die ihn über Mexikos Grenzen hinaus bekannt machten. Gleichzeitig suchte er jedoch in der Politik nach einer Alternative zur PRI, zu deren fortschrittlichem Diskurs er in der Praxis keine Entsprechung sah.
Ab 1961 nahm Castillo aktiv in der oppositionellen Bewegung der Nationalen Befreiung teil. Als 1968 die Studenten in Mexiko rebellierten und gegen die undemokratischen Strukturen im Land auf die Straße gingen, stellte sich kaum ein Dozent so offen auf ihre Seite wie Castillo. Nach der brutalen Niederschlagung des Studentenaufstandes mit dem Massaker auf dem Platz von Tlatelolco wurde er festgenommen und verbrachte fast zweieinhalb Jahre als politischer Gefangener in der berüchtigten Haftanstalt Lecumberri. Freigelassen, ging er kurze Zeit ins Exil, organisierte aber bereits 1971 die mexikanische Arbeiterpartei. An die Diktatur des Proletariats glaubte er nicht, ebensowenig sah er im bewaffneten Kampf einen Sinn. Dagegen setzte er darauf, mit einer geeinten Opposition die PRI mittelfristig durch Wahlen von der Macht ablösen zu können. Die Versuche mehrer mexikanischer Präsidenten, ihn in die Regierung einzubinden, wies er stets zurück. 1987 erreichte Heberto Castillo den Zusammenschluß verschiedener Gruppierungen zur Mexikanischen Sozialistischen Partei, die ihn zu ihrem Präsidentschaftskandidaten für das Folgejahr ernannte. Kurz vor den Wahlen trat er zugunsten der Kandidatur von Cuauthémoc Cárdenas an der Spitze eines breiten Bündnisses gegen die PRI zurück. Die Wahl ging – heute kaum mehr bestritten – durch Betrug verloren. Castillo gründete danach mit Cárdenas und anderen Oppositionellen die Partei der Demokratischen Revolution (PRD). Weitere Wahlniederlagen, zum Teil durch Stimmfälschungen herbeigeführt, zerbrachen ihn ebenso wenig wie die Ignoranz, die seinen wissenschaftlichen Vorschlägen in den letzten Jahren von seiten der staatlichen Autoritäten entgegengebracht wurden. Zuletzt hatte der Senator Castillo eine wichtige Funktion in der Parlamentskommission Cocopa, die nach friedlichen Lösungen für den Aufstand der Zapatist*innen im Bundesstaat Chiapas sucht. Eine Aufgabe, bei der bahnbrechende Erfolge weitgehend ausblieben. Castillo sah die Niederlagen mit einer gewissen Gelassenheit. Für ihn waren sie kleine Schritte in Richtung einer politischen Veränderung. „Die Zeit bringt die Dinge in Ordnung“, zeigte er sich Ende 1995 in einem Interview optimistisch. In den vergangenen Monaten konnte Heberto Castillo einen unerwarteten Aufschwung seiner Partei erleben. Sein größter Wunsch blieb jedoch unerfüllt, die regierende Partei der Institutionalisierten Revolution hat ihn überlebt.
MEXIKO/USA
Einwanderungsgesetz der USA trübt Beziehungen zum Nachbarn
(Mexiko-Stadt, 4. April 1997, Poonal).- Das neue US-Gesetz über die illegale Einwanderung und die Pflichten der Einwanderer hat das ohnehin angespannte Verhältnis zu Mexiko innerhalb weniger Tage auf einen Tiefpunkt gebracht. Im lateinamerikanischen Ausland allgemein mit Einschätzungen wie „rassistisch“ und „unmenschlich“ bedacht, ruft das Gesetz beim direkt angrenzenden südlichen Nachbarn besondere Empörung hervor. Noch sind die Folgen des Gesetzes in der Praxis kaum sichtbar, in Mexiko wird jedoch befürchtet, daß mehrere Millionen Landsleute in den USA und an der Grenze früher oder später darunter zu leiden haben. Zu den in drei verschiedenen Gesetzestexten enthaltenen Änderungen gehört unter anderem die größere Befugnis für untere Ränge der US-amerikanischen Einwanderungs- und Einbürgerungsbehörde, illegal eingereiste Ausländer ohne weitere Anhörung abzuschieben und auch Einreisewillige mit gültigen Papieren an der Grenze zurückzuweisen. Generell wird die Ausweisung von Ausländern erleichtert, in dem eine Reihe von Delikten neu in die Liste der Schwerverbrechen aufgenommen wurde. Jeder Ausländer in den USA, der eines solchen Verbrechens für schuldig befunden wird, soll deportiert werden. Der Zugang zu staatlichen Sozialleistungen für legal in den USA lebende und arbeitende Ausländer wird drastisch erschwert. Die Stärke der Grenzpatrouillen soll in den kommenden fünf Jahren um 5000 Personen erhöht werden. Gleichzeitig genehmigt das Gesetz den Kauf von weiteren Helikoptern und Nachtsichtgeräten, um „Illegale“ an der Grenze zu Mexiko frühzeitig abfangen zu können. Die Geldstrafen für illegale Einwanderer können nun bis zu 500 Dollar betragen. In vielen Fällen bedeutet dies die gesamte Ersparnis derjenigen, die in den USA ihr Glück suchen. Der Ausbau der Grenzbefestigungen durch bis zu fünf Meter hohe Metallwände und Stacheldrahtzäune wird seit Monaten vorangetrieben und würde wohl manchen ehemaligen DDR-Grenzer vor Neid erblassen lassen. Bei dem Versuch, in die USA zu gelangen, sterben Jahr für Jahr mehrere Dutzend Menschen. Sie ertrinken im Rio Bravo, verdursten in Wüstengegenden und erfrieren in kalten Nächten in ihren Verstecken.
Schätzungen gehen von bis zu zweieinhalb Millionen illegal in den USA lebenden Mexikanern aus. Dazu kommen weitere vier bis fünf Millionen Mexikaner mit gültigen Aufenthaltspapieren, aber mit meist eingeschränkten Rechten. Etwa 25 Prozent aller von den USA erteilten Visa gehen an Mexikaner. Menschenrechtsorganisationen in den USA und Mexiko fürchten nun Massenabschiebungen von hunderttausenden Mexikanern. Die Regierungen beider Länder versuchen vergeblich, diese Befürchtungen zu zerstreuen. Andererseits geben die Befürworter des Gesetzes im US-Kongreß offen zu, gegen Massenausweisungen keine Einwände zu haben. Die Zahlen sprechen bereits jetzt für sich: in den ersten drei Monaten dieses Jahres sind nach den Statistiken der nordamerikanischen Einwanderungsbehörde vom kalifornischen San Diego aus durschnittlich 1.300 Mexikaner pro Tag in ihr Heimatland zurückgeschickt worden. Die Opposition in Mexiko wirft der Regierung vor, allzu lau und vor allem viel zu spät gegenüber den USA zu protestieren. Tatsächlich äußert sich Außenminister Angel Gurría nur sehr vorsichtig und beschwichtigend zum Thema. Die staatliche Menschenrechtskommission spricht von Dialog, diplomatischen Wegen und bilateraler Zusammenarbeit. In den Medien wird dagegen mit einer Schärfe gegen das Vorgehen der USA aufbegehrt, in der sich eine Menge ohnmächtige Wut widerspiegelt. Für die Bischofskonferenz sprach deren Mitglied Aguirre Franco deutliche Worte. Die USA gingen höchst beleidigend gegen die Menschenrechte vor. Es werde dort „Menschen erster Klasse, zweiter Klasse und für den Abfall“ geben. Das Land „gibt vor, fortschrittlich zu sein und stellt sich über die menschliche Würde“.
Mexiko kann selbst bei gutem Willen kaum wirklichen Druck in der Einwanderungsfrage ausüben. Die Mexikaner und mit ihnen viele andere Ausländer sind auf Widerstand in den USA selbst angewiesen. Mehrere landesweit organisierte Bewegungen wie die Amerikanische Bürgerrechtsvereinigung oder die Anwälte für Bürgerrechte haben sich seit Monaten mit der neuen Gesetzgebung befaßt. Sie protestierten in den vergangenen Tagen in mehreren großen Städten der USA und versprachen eine „koordinierte Attacke“ gegen die Gesetzgebung. Eine erste Klage vor Gericht hätte zu Wochenanfang das Einwanderungsgesetz fast schon auf Eis gelegt, aber die Clinton-Regierung hatte in letzter Minute vor dem Berufungsgericht Erfolg. Die Gesetzesgegner wollen nicht aufgeben. Sie kündigen Druck auf kommunale Regierungen und weitere Prozesse an. Mit dieser Strategie konnten sie im Bundesstaat Kalifornien zumindest Teilerfolge gegen das diskriminierende Gesetz 187 erzielen. Vielleicht wird am Ende das reine Profitinteresse die USA zum Einlenken bewegen. Die kalifornische Landwirtschaft ist ohne die billigen mexikanischen Arbeitskräfte nicht überlebensfähig. Diese machen bis zu 90 Prozent der eingestellten Kräfte aus, oft ohne gültige Papiere. Die mögliche Klage der Farmer über fehlende Landarbeiter könnte in Washington mehr Eindruck machen als der Protest der Menschenrechtsorganisationen.
MEXIKO
Denkmal für Friedrich Engels
(Mexiko-Stadt, März 1996, Poonal).- Der Innensenator von Mexiko-Stadt, Jesús Salazar Toledano, weihte im Zentrum der Metropole einen Platz und eine Statue zum Gedenken an Friedrich Engels (1820-1895) ein. Mitglieder eines Förderkomitees hatten sich vor zwei Jahren anläßlich des 100. Todestages von Engels für dessen Ehrung eingesetzt. Sie dankten der Hauptstadtregierung, auf ihre Wünsche eingegangen zu sein, auch wenn es bis zur Verwirklichung ihrer Idee zwei Jahre gedauert habe.
LATEINAMERIKA
Der Kampf im Untergrund – Minengesellschaften zerstören Regenwald
Von Christoph Burkard
(Costa Rica, März 1997, Poonal).- Eine neue Art von Raubrittern bohrt, sprengt und baggert immer hektischer im Untergrund. Die Räder und Schaufeln der Bagger sind oft größer als Hauser. Sie leiten Flüsse um, ebnen ehrwürdige Berge ein, vergiften Luft, Gewässer und Meere. Sie vertreiben Ureinwohner aus den arg geschrumpften Heimatgebieten ihrer Ahnen, um betuchte Aktionäre in fernen Städten mit noch mehr Dividenden zu überhäufen. Gierig nach Gold, Kupfer und einem Dutzend anderer Mineralien verwandeln sie idyllische Gegenden in kurzer Zeit in öde Mondlandschaften, auf daß eine kaufkräftige Minderheit noch mehr Ressourcen noch schneller verschwenden kann.
Schätze locken in Panama
In Panama hat in den vergangenen Monaten der Kampf der Ngobe-Buglé für ihre Landrechte die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. „Indianer gewinnen Land, verlieren aber den Kampf gegen die Minen“ titelte am 14. 2.97 „The Tico Times“ (erscheint in Costa Rica) in einem Artikel über den Parlamentsbeschluss vom 16.1.97, der den Ngobe-Buglé eine „Comarca“ (halbautonomes Gebiet) von 6940 Quadratkilometer zugesteht – halb soviel wie die lndígenas verlangt hatten. Dieser Teilerfolg ist eine Frucht des ausdauernden, energischen und gut organisierten Kampfes der Ngobe-Buglé für ihre Rechte.
Die Regierung von Panama hat sich allerdings ausdrücklich die Rechte auf Ausbeutung der Reichtümer unter der Erdoberfläche vorbehalten – z.B. der Kupfer- und Goldvorkommen vom „Cerro Colorado“, dem Kupferberg. Wie die in Dollars verwandelt werden sollen, ohne die Rechte der Ureinwohner auf die Erdoberfläche zu verletzen, haben die Parlamentarierlnnen offengelassen… Das heißt: „La lucha continua“ (Der Kampf geht weiter), aber auch: Das so oft betrogene Volk der Ngobe- Buglé braucht in der nächsten Zeit Unterstützung dringender denn je, damit die schwer errungene „Comarca“ nicht zur autonomen Verwaltung einer Wüstenei verkommt… Und damit Panamas Regenwälder nicht noch schneller dahinschwinden. Dies wäre ein nicht gut zu machender Verlust für den Planeten Erde, sind die Wälder Zentralamerikas doch berühmt für ihre weltweit einmalige Dichte der Artenvielfalt. Auf einigen Tausend Quadratkilometern finden sich hier mehr Tier- und Pflanzenarten als in Europa oder Nordamerika.
Doch der Raubbau schreitet voran. Vor Kolumbus noch fast vollständig bewaldet, wurden die Bestände in Panama bis 1950 bereits zu 30 Prozent abgeholzt. Ein weiteres Drittel wurde bis 1990 vernichtet, und im Jahr 2000 wird nur noch ein Fünftel des ursprünglich fast lückenlosen grünen Teppichs übrig sein.
Ökologie-Professor Demetrio Miranda von der panamaischen Universität von Chiriqué betont: „Die Minenprojekte am Cerro Colorado sind entscheidend – ist der Widerstand hier erfolgreich, wird dies auch die Verwirklichung vieler anderer Projekte in Panama verhindern. Sehr wichtig wäre eine Unterstützung für die Finanzierung unabhängiger Umweltverträglichkeitsstudien. Heute ist es meist so, daß die interessierten Konzerne andere Firmen für solche Studien bezahlen. Entsprechend sind die Resultate, denn wer zahlt befiehlt… “ An einschlägiger Widerstandserfahrung der Panameños fehlt es nicht, haben die Ngobe- Buglé und Verbündete doch Mitte der Achtzigerjahre ein Vorläuferprojekt des britischen Minengiganten Rio Tinto Zinc (RTZ) am Cerro Colorado gestoppt. „Nirgends auf der Welt stießen wir auf mehr Widerstand“ gestand der RTZ-Vorsitzende Sir Anthony Tuke.
Schwarzes, grünes und gelbes Gold in Costa Rica
Auch in Costa Rica tut sich auf dem Minensektor einiges. Zuerst die guten Neuigkeiten: Im vergangenen September hat SETENA (nationales Umweltsekretariat) die Umweltvorträglichkeitsstudie des kanadischen Minenkonzerns Rayrock zu seinem Gold-Tagebauprojekt „Oro Bellavista“ zurückgewiesen. Unter anderem deshalb, weil die Studie „die Auswirkungen des Projekts auf das Grundwasser nicht genügend berücksichtigt“. Ein anderer Sieg des breiten Anti-Minen-Bündnisses von Costa Rica ist die Schließung der Tunnelmine „El Silencio“ durch das Umweltsekretariat im August 1996. Zu Beginn dieses Jahrzehnts haben Proteste der Bevölkerung und Umweltschützer die Erschließung der Gold- und Silbervorkommen von Talamanca gestoppt und 1989 haben sie die Schließung der bisher einzigen Tagebau-Mine „Macoa“ erzwungen. Schon Anfang der Siebziger Jahre, als die grüne Bewegung Europas noch in den Kinderschuhen steckte, hat ein breiter Widerstand in der „Schweiz Zentralamerikas“ das gigantische Bauxit-Abbauprojekt „American Aluminium Company (ALCOA)“ definitiv gestoppt. Fazit: Widerstand lohnt sich! Und er geht weiter, denn es warten noch große Gefahren auf das kleine Land. Wenn alle Anträge auf die Erforschung von Goldvorkommen bewilligt werden würden, bedeutete dies, daß 390.000 Hektar durchleuchtet werden. Dies entspricht 7 Prozent der Fläche Costa Ricas. Wehe dem, der auf Gold wohnt. Der kanadische Multi Placer Dome Incorporated hat allein im Norden Costa Ricas 15 Projekte gestartet, um bestimmte Regionen genauer unter die Lupe zu nehmen. Voruntersuchungen hatten ergeben, daß ca. 2,5 Millionen Unzen Gold im Boden enthalten sind. Nun sollen die Gebiete näher eingegrenzt werden. Aufgrund der Umweltschäden wurde im März 1997 das Projekt „Las Crucitas“ seitens SETENA gestoppt. Bei Gewinnaussichten von 90 Millionen US-Dollar jährlich will und kann Placer Dome diesen Einspruch einfach nicht nachvollziehen und hält alles nur fur ein Mißverständnis, entstanden bei einigen Ortsbesichtigungen. (La Nación 31.3.97)
Zusätzlich wirbt der Multi für Unterstützung mit dem Argument, daß er ja schließlich im Laufe der letzten drei Jahre 20 Millionen US-Dollar investiert habe. (La Nación 15.3.97) Falls Placer Dome mit Erfolg schürfen dürfe, würde das Unternehmen monatlich knappe 1 Million US-Dollar Steuern zahlen. Welch einträgliches Geschäft. Leider für die betroffenen Kommunen nicht. Sie bekämen gerade mal 3 Prozent davon. Und den Schaden einer untergrabenen sozialen und ökologischen Struktur. Und für was das alles? Für Schmuck. 85 Prozent des mit Cyanid herausgelösten Goldes sind für die Schmuckindustrie.
Auch aus Costa Rica kommen leider nicht nur gute Nachrichten: Ende Januar 97 verkündete René Castro – Umwelt- und Energieminister, daß das hochverschuldete Land 25 Flächen von je 2.000 Quadratkilometern für Probe- und Förderbohrungen von Erdöl an die Meistbietenden verschachert, 15 Blöcke auf dem Festland und 10 im Meer – sowohl in der Karibik wie im Pazifik. Die Versteigerung ist globalisiert – ausländische Ölkonzerne dürfen gleichberechtigt mitbieten. Insgesamt kommen da offenbar nicht weniger als 50.000 Quadratkilometer unter den Hammer – mehr als die Fläche der Schweiz und fast soviel wie die des nur wenig grösseren Costa Rica. Schon vorher war ein Viertel des Landes durch Konzessionen von Tagebau-Goldminen besetzt. „Wir suchen grünes Gold“ behauptet Minister Castro und insistiert, daß keine Gefahr für die Umwelt vorhanden sei.
Führende Mitglieder von AECO, einer der aktivsten Umweltorganisationen Costa Ricas, teilten kürzlich mit, sie hätten wegen ihres Engagements gegen die Gold-Tagebauprojekte Todesdrohungen erhalten. Schon 1994 und 1995 kamen vier führende Persönlichkeiten von AECO auf mysteriöse und nach wie vor ungeklärte Weise ums Leben. Nigel Sizer vom „World Resource Institute“ meint: „Öl- und Minenmultis sind wesentlich schwieriger zu bekämpfen als die eher kleinen Holzfällerfirmen. Erstere haben viel mehr Mittel für Lobbying, Beeinflussung der öffentlichen Meinung und juristische Dienste. Zudem sitzen die Zentralen der Minen- und Ölfirmen meist in Nordamerika oder Westeuropa und haben keinerlei Hemmungen, die Regierung ihres jeweiligen Heimatstaates einzuspannen, um auf kleine verschuldete „Entwicklungsländer“ Druck auszuüben.“
Globales Desaster
Wo man auch hinschaut in Lateinamerika oder ebenso in Afrika und Asien: Wälder, Steppen, Wüsten sowie Sümpfe, Küsten und Meere sind fest im Visier nationaler und internationaler Konzerne. Mit legalen und illegalen Mitteln feilschen die Konkurrenten um Schürfrechte und Lizenzen. Sie scheuen keine Kosten, wenn es darum geht, die regelmäßig sich einstellenden „unvorhergesehenen Umweltprobleme“ zu vertuschen, mit Werbung zu übertünchen oder Institutionen lahmzulegen, zu bestechen oder zu bedrohen, deren Aufgabe es wäre, die Interessen der geschädigten Menschen zu vertreten. Die Beispiele für das globalisierte Desaster sind zahllos und (fast) allgegenwärtig – nicht nur in Lateinamerika:
Nicaragua: Bedrängt durch ausländische Gläubiger, IWF und Weltbank hat die nicaraguanische Regierung für über 30 Prozent seines Territoriums Konzessionen vergeben – nicht wenige davon für Projekte in den letzten Regenwäldern und in indigenen Gebieten. 19 Konzessionen wurden im Oktober 1995 von der Regierung aber ausgesetzt, weil sie für Schutzgebiete erteilt wurden.
Nauru: „Insel der Freude“ wurde diese 500 km vor Papua-Neuguinea gelegene dichtbewaldete kleine Tropeninsel von den europäischen Seefahrern ihrer Schönheit wegen einst genannt. Die Ausbeutung von Phosphatvorkommen hat Nauru in eine praktisch unbewohnbare Kraterlandschaft verwandelt. Die Bewohner*innen müssen heute alles importieren, sogar das Trinkwasser. Ist das Phosphat in einigen Jahren erschöpft, müssen sie wahrscheinlich in ein anderes Gebiet umsiedeln.
Surinam: Hier sind die Völker der Maroon und Samorakan durch ein Goldminenprojekt der kanadischen Konzerne Golden Star und Cambior bedroht, die ebenfalls die Omai Minenkatastrophe (1995) im benachbarten Guayana zu verantworten haben.
West Papua (Irian Jaya): Die Völker der Amungme und Kamoro müssen die Ausbeutung ihres Landes durch die Konzerne Freeport McMoran-Rio Tinto Zinc (RTZ) mitansehen. Ihre Menschenrechte werden unter den Stiefeln von Minenpolizei und indonesischer Armee zertreten.
Kanada: seit der Entdeckung von Nickel in der 'Voisey's Bayu“ feilschen Hunderte von Minenfirmen um 280.000 Schürfrechte auf dem Land der Inuit (Eskimo) und der Innu – ohne deren Einwilligung.
Indien: Seit 1947 wurden über eine Million Menschen der Urbevölkerung gewaltsam durch Minenprojekte vertrieben.
Papua-Neuguinea: Hier im benachbarten „unabhängigen“ Teil dieser riesigen Tropeninsel werden Wiederkolonisierung und Zerstörung der paradiesischen Natur durch eine ganzes Pack von Konzernen betrieben: BHP (Australien), „Metall Mining“ in Ok Tedi (Kanada), „Placer Pacific“ in Porgerci (Kanada), MIM (Australien) in Tolukama und auch CRA-RTZ (Australien/GB) mit ihrer Lihir Golamine fehlen nicht.
Bougainville: Die Urbevölkerung dieser Papua Neuguinea zugeschlagenen Insel griff zu den Waffen, um die katastrophale Panguna-Kupfermine stillzulegen. Unterstützt von Australien setzt die Armee Papua Neuguineas die Interessen des britisch- australischen Minengiganten RTZ/CRA gegen die Einheimischen konsequent durch – beispielsweise durch Bombardierung ganzer Dörfer. Tagesbefehl Nr. 2133 des MilitÄrs von Papua Neuguinea vom 21.5.96: „Sucht die Rebellen und tötet sie. Alle Zivilisten, die verdächtigt werden, Rebellen zu verstecken, müssen ohne Diskussion getötet werden. Zerstört alle Nahrung, – Gärten, Häuser und Unterkünfte im Wald. Alle Zivilisten, die gute Bürger sind, müssen in „Care Centers“ eingewiesen werden. Wer unordentlich ist, muß geschlagen, aber nicht getötet werden.“ (Higher Values Juli 96) Alle Brutalitäten brachten bislang offenbar keinen Erfolg: Gemäß neuesten Meldungen stellt die Regierung jetzt internationale Söldner an.
Auf Schatzsuche im Regenwald
Seit den 40er Jahren haben die Minenkonzerne ihre Produktion immer mehr in „Entwicklungsländer“ verlegt. Die Gründe: Größere Mobilität des Kapitals, Qualität der Vorkommen, billige Transport-, Lager- und Arbeitskosten, Lücken in Umwelt- und Sozialgesetzgebung sowie deren Vollzug, wachsende Schuldenberge mit durch Weltbank und IWF erzwungenen exportorientierten „Strukturanpassungen“.
Neue Großtechnologie im Tagebau ermöglicht heute die Ausbeutung von Vorkommen, die noch vor wenigen Jahren unwirtschaftlich gewesen wÄren. Um ein Gramm Gold zu gewinnen wird da gut und gern eine Tonne Gestein abgetragen, zermahlen und mit Cyanid oder anderen Giften getränkt. Bei diesem Verfahren lösen sich auch im Gestein selber enthaltene hochgiftige Metalle wie Arsen oder Quecksilber. DuPont hat seine Cyanidproduktion seit 1986 vervielfacht und kann dennoch den Weltbedarf kaum decken.
Besonders beunruhigend ist, daß sich die Tagebau-Großtechnologie vermehrt in tropischen Feucht- und Regenwaldgebieten breitmacht. Enorme Regenfälle schwemmen hier verheerende Giftmengen in bis dahin saubere Gewässer und ins Meer, wo in kurzer Zeit ökologische Katastrophengebiete entstehen. Dies oft in Regionen, wo die Widerstandskraft der Bevölkerung durch Analfabetismus, Armut und politische Unterdrückung geschwächt ist.
Mit Satelliten haben vor allem die USA die Bodenschätze in den letzten Jahren weltweit erforscht, so daß Regierung und Konzerne hierüber viel besser informiert sind als die ansässige Bevölkerung. Überdies sind korrupte, scheindemokratische Regierungen in der Dritten Welt oftmals sehr empfänglich für Angebote zahlungskräftiger Konzerne. Die britische Minengesellschaft Rio Tinto Zinc hat sich durch rücksichtlosen Raubbau einen Namen gemacht. Royal Dutch Shell (NL, GB) ist durch rabiates Vorgehen in der Nordsee und in Nigeria gründlich in Verruf geraten. Wie steht es um den Einfluß anderer europäischer Firmen?
Es gibt (fast) nichts Neues unter der Sonne
Die Goldgier der spanischen Eroberer war bereits vor 500 Jahren so enorm, daß die indigenen Völker zuerst dachten, die Fremden ernährten sich von Gold. Schon früh wurden Völker vertrieben, zahllose Sklaven in den Minen „verbraucht“ und große Gebiete u.a. in Mexiko, Peru oder Brasillen entwaldet, um Fleisch, Bau- und Bennholz und Zugtiere für die Minen zu erzeugen. Am Ende des 16. Jahrhunderts war die Silberstadt Potosi mit 350.000 Einwohnern eine der größten Städte der damaligen Welt. In jener Zeit wurde das Erz mit hochgiftigem Quecksilber versetzt und von Indígenas und Eseln mit bloßen Füßen zerstampft, um das begehrte Metall herauszulösen. Für die arbeitenden Menschen und Tiere bedeutete dies chronische Krankheit und frühen Tod, für Land und Gewässer nachhaltige Vergiftung. Solch archaische Techniken mit schrecklichen Folgen wenden auch heute noch die berühmten „Garimpeiros“ in Brasilien an.
Heute hestimmt das in den 80er Jahren begonnene „Grande Carajas“ Projekt in Brasilien die „Entwicklung“ einer Region von der Größe Frankreichs und Großbritanniens zusammen. Um diese größte Eisenmine der Welt samt den damit verbundenen Industrien und Siedlungen mit Holz zu versorgen, wird jährlich ein Gebiet von der Größe Graubündens entwaldet. Erosion, Dürre und Artensterben breiten sich schnell aus. In einem Satz: Die Gier nach Bodenschätzen war und ist ein zentraler Strang der ganzen (Neo-)Kolonialgeschichte Amerikas und vieler anderer (Neo)Kolonialgebiete – beispielsweise im südlichen Afrika, in arabischen Ländern oder auch in Sibirien.
Die Lateinamerikanistin Elizabeth Dore meint: „Giga-Projekte wie „Grande Carajas“ scheinen Vorboten eines Umwelt- Holocausts unvorstellbaren Ausmaßes zu sein, hervorgerufen durch immer katastrophalere Technologien…. Heute gefährden diese die gesamte Biosphäre der Erde. Umweltzerstörung ist weder natürlich noch unvermeidlich; und Technologie entsteht nicht in einem sozialen Vakuum. Schon heute gibt es Technologien, die negative Umwelteinflfüsse der Minen verringern. Andere könnten entwickelt werden, wäre genügend politischer Wille vorhanden. Dies zu erreichen ist unser aller Herausforderung“.
Literatur/Adressen:
– Mine Watch, Methodist Clubland, 54 Camberwell Road, London – SE5 ÖN, UK. Tel: (44) 171 277 4852, FAX: (44) 171
277 4853 (email: minewatch@gn.apc.org). Minewatch ist die wohl wichtigste der wenigen internationalen Vereinigungen, die
sich darauf spezialisieren, den Minenkonzernen auf die Finger zu schauen. Etwa 100 lokale Gruppen in der ganzen Welt werden vom Londoner Büro aus koordiniert. Mitglieder erhalten die informative, vierteljährlich erscheinende Zeitschrift „Higher Values“. Minewatch verfügt über eine umfangreiche, per Internet abrufbare Datenbank über fast 700 Minenkonzerne samt Tochterfirmen.
– Minewatch stellt zudem im World Wide Web einen kostenlosen Informationsdienst über Minengesellschaften zur Verfügung unter: http://www.alternatives.com
– Infos über Minenkonzerne in Panama und Zentralamerika sind gegen Gebühr im World Wide Web bei Info-Mine, „The Internet's Premier Mining Information Service“ abrufbar unter:
– THE GULLIVER FILE, Mines, people and land: a global battleground, by Roger Moody (Minewatch). Bestellungen: Pluto Press, 345 Archway Road, London, N6 5AA, UK.
– OPEN WOUNDS, by Elizabeth Dore, Report on the Americas, Volume XXV, September 1991
NICARAGUA
Kommentar: Die Medien nehmen die Rolle der Frauen in der Wirtschaft kaum wahr
Von Cristiana Chamorro
(Managua, 17. März 1997, sem-Poonal).- Eine im Januar dieses Jahres landesweit durchgeführte Befragung hat gezeigt, daß die Frauen in Nicaragua 42 Prozent der Erwerbsbevölkerung ausmachen. Die Studie der Internationalen Stiftung für die Herausforderung (FIDEG) belegt zudem, daß in der Stadt von 100 Personen mit Erwerbseinkommen 47 Frauen sind. Auf dem Land beträgt der Anteil der Frauen dagegen nur 36 Prozent. Die Untersuchung unterstreicht die Bedeutung der Frauenarbeit in der Wirtschaft. Sie stellt das Bild vom Mann als wirtschaftlichen Versorger der Familie in Frage, der für die ökonomische Entwicklung unserer Länder verantwortlich ist. Auf der anderen Seite müssen Frauen aber nach wie vor etliche Hürden überwinden, das betrifft beispielsweise den Zugang zu Krediten und Landrechten und die Art der Ausbildung. Auch die Medien nehmen die wirtschaftliche Rolle der Frauen bislang kaum wahr.
Eine Analyse des privaten nicaraguanischen Forschungsinstitutes CINCO, ergibt Folgendes: Der Fakt, daß Frauen in der Wirtschaft eine aktive Rolle spielen findet in dem Modernisierungsprozeß, den die meisten Medien begonnen haben, keinen Ausdruck. Untersuchungen wie die von FIDEG rufen normalerweise in der Presse, im Radio und im Fernsehen keine Aufmerksamkeit hervor. Wenige analysieren diese Information oder beziehen sich auf sie. Es gibt kein Bewußtsein, daß das Thema von gesellschaftlicher Bedeutung sein könnte oder Teil einer Entwicklung in einer sich ändernden Welt. Die Modernität bei unseren Meinungsproduzenten heisst die Fähigkeite, eigene Regeln aufstellen zu können, von den traditionellen Mächten unabhängig zu sein, die Technik zu beherrschen, wettbewerbsfähig, objektiv zu sein, usw. Der stärkere Konkurrenzkampf um die Nachricht trägt dazu bei, daß wir Journalist*innen uns nicht daran aufhalten, entstehende gesellschaftliche Phänome und ihren langfristigen sozialen Einfluß genauer zu beleuchten.
Die erwerbstätigen Frauen in Nicaragua sind mehrheitlich auch die Haushaltsvorstände – nur wird dies kaum anerkannt. Das ist eine kulturelle Einstellung. Zusammen mit anderen kulturellen Faktoren führt dies dazu, daß die Frau nicht als wirtschaftliche Akteurin, sondern als abhängige Person in ihrer Funktion als Mutter oder Ehefrau gesehen wird. Die Sichtweise weist Unterschiede auf: Nach CINCO werden arbeitende Frauen mit geringem Einkommen als hingebungsvolle, opferbereite Mütter eingestuft, die arbeiten müssen. Fachkräfte oder Politikerinnen dagegen erhalten eine positive Bewertung, wenn sie eine Machtposition erreicht haben. Sind Frauen im Beruf einfach nur erfolgreich, so kommen sie im allgemeinen nicht in die Schlagzeilen, werden allerdings mißtrauisch und kritisch beobachtet, weil sie nicht ins traditionelle Bild passen, wonach sich die Frau dem Mann unterordnet. In der Studie von CINCO wird die Bedeutung der Frauen als Zielgruppe für die Medien herausgestellt. Doch als Zielgruppe ist die Frau Hausfrau, Seele des Hauses, Kinderaufpasserin, Hauswirtschafterin. Wenige sehen, wie viele Frauen das Familieneinkommen sichern. Das geringe Bewußtsein steht im Kontrast zur starken Präsenz der Frauen in den Kommunikationsmedien. CINCO nennt eine Zahl für 1991: Damals waren 69 Prozent aller Journalist*innen in der Ausbildung Frauen. Wenige von ihnen kamen jedoch in Entscheidungspositionen, die Schwerpunkte blieben unverändert.
Tragisch ist, daß es sowohl in den von Männern wie von Frauen geleiteten Redaktionen kein Thema ist, die Frauen neben den Männern als wichtige Protagonistinnen in Wirtschaft, Gesellschaft oder Politik darzustellen. Die Journalistin hat keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Zuerst muß sie im Konkurenzkampf mit ihren männlichen Kollegen überleben. Die Ausrichtung ihrer Nachrichten kann nicht anders sein, sie muß sich tendenziell der Herrschaft des gesellschaftlichen Modells unterordnen. Selbst wenn sie manchmal sieht, ein Diskriminierungsobjekt zu sein. Die Konsequenz: die Frauen mit stärkerem kritischen Bewußtsein unternehmen große Anstrengungen, parallele und alternative Kommunikationsmedien zu schaffen. Die Analyse von CINCO über Frauen und Medien sieht eine wichtige Funktion dieser Initiativen darin, sich untereinander auszutauschen. Solange jedoch der Kontakt zum Rest der Bevölkerung nicht hergestellt wird, haben sie nicht die Kraft, die notwendige Legititimität zu bekommen und in der Gesellschaft die Gleichberechtigung voranzutreiben.
Untersuchungen wie die von FIDEG müssen von einer Kommunikationsstrategie begleitet werden, damit die Ergebnisse nicht nur Forscher*innen, Expert*innen und Förder*innen erreichen, sondern diejenigen, die die Information reproduzieren: die etablierten Medien. Information anbieten zu können, ist ein Machtfaktor an sich. Er muß unter anderem dazu genutzt werden, ein kritisches Bewußtsein bei der Frau zu wecken, ihr Wissen über ihr wirtschaftliches, soziales und politisches Potential zu vermitteln. Er muß ihr helfen, die Frauendiskriminierung und die Einschränkungen durch die soziale Umgebung – sei sie vorgegeben, von außen oder von innen bestimmt – als eine Informationsquelle einzuordnen. Die Herausforderung besteht darin, daß diese 42 Prozent der Erwerbsbevölkerung sich selbst als eine gesellschaftliche Kraft sehen, die berechtigt ist, sich selbst und andere Frauen in Machtpositionen zu bringen, beispielsweise in den etablierten Medien. So können wir Frauen Einfluß auf das herrschende gesellschaftliche System ausüben.
KUBA
Vizepräsident Lage fordert höhere Effizienz
(Havanna, 1. April 1997, prensa latina-Poonal).- Der kubanische Vizepräsident Carlos Lage bezeichnet die wirtschaftliche Situation auf der Insel trotz schwieriger Bedingungen im Vergleich zu 1995 als besser. Ein sehr ernstes Problem sei jedoch die schlechte Zahlungsbilanz mit dem Ausland. Die Planung müsse darauf gerichtet sein, diese Bilanz zu verbessern. Ziel sei es unter anderem, bei den Geldbeziehungen zwischen den Unternehmen von der einheimischen Währung als Basis auszugehen. Trotz einer Stärkung des kubanischen Pesos in den vergangenen Monaten rechnet der Vizepräsident nicht damit, daß sich an der „Dollarisierung“ der kubanischen Wirtschaft kurzfristig etwas ändern wird. Besondere Bedeutung mißt Lage einer effizienteren Produktion anstelle reinen Wachstums bei. Letzteres sei zwar notwendig, doch „eine ineffiziente Produktion multipliziert die Ineffizienz und trägt nicht zur Entwicklung bei“. Der Wirtschaftsplan müsse darauf immer stärker und in allen Bereichen achten. Dringend geboten sei mehr Effizienz auch bei den staatlichen Unternehmen. In diesem Zusammenhang weist Lage daraufhin, daß kleinere und mittlere Unternehmen nicht unbedingt privat geführt werden müßten. Leider hätten viele der bestehenden kleinen privaten Unternehmen Regeln verletzt. Anderseits, so der Vizepräsident, werde ein sich entwickelendes Land mit gestärktem und effizienteren staatlichen Eigentum einen größeren Spielraum für andere Produktionsformen erlauben.
GUATEMALA
Erste Phase der Demobilisierung der Guerilla beendet
(Guatemala-Stadt, 27. März 1997, cerigua-Poonal).- 2.745 Rebell*innen sind in verschiedenen Camps im Land unter der Überwachung der Vereinten zusammengekommen, um sich auf die Rückkehr ins zivile Leben vorzubereiten. Diese Zahl teilte die UNO-Mission zur Internationalen Überprüfung der Menschenrechte in Guatemala (MINUGUA) mit. Das letzte Kontingent von 245 Guerilleros traf am 22. März in dem Lager „Las Abejas“ in der Provinz Quetzaltenango ein, zwei Tage vor Ablauf der festgelegten Frist. Die 2.350 Männer und 395 Frauen in den Camps werden von 214 Kindern begleitet, von denen die Mehrheit während der Kriegsjahre geboren wurde. Frühere Schätzungen, die auf Listen der Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas (URNG) beruhten, gingen von mehr als 3.600 Rebell*innen und ihren Kindern aus. UNO-Funktionär*innen erklären die Diskrepanz damit, daß einige Namen auf den Listen doppelt erschienen und außerdem etwa 400 Ex-Kämpfer*innen der URNG bei ihren Familien geblieben sind. Der UN-Beauftragte General José Rodriguez äußerte sich zufrieden über den „glatt“ verlaufenen Konzentrationsprozeß, bei dem es keine größeren Zwischenfälle gab keine einzige Verletzung des Waffenstillstands gab.
Indígena-Aktivisten ermordet
(Guatemala-Stadt, 29. März 1997, cerigua-Poonal).- Die politische Gewalt ist Ende März in Guatemala wieder alarmierend zum Vorschein gekommen. Zwei Indígena-Aktivisten wurden umgebracht, gegen Politiker, Campesionos und einen Priester gab es Todesdrohungen. In San Rafael Sumantan, Provinz Chimaltenango, erschossen Killer am 21. März die beiden Indígenas Tomas Alonso Sequen und Roque Jacinto Alonso. Zeugen sahen einen Mann in Militäruniform und eine weitere zivil gekleidete Person, die sich den beiden näherten und ohne ein Wort das Feuer eröffneten. Die Killer flohen, ohne die Wertsachen der Opfer anzurühren. Alonso Sequen und Jacinto waren Mitglieder der Koordination der Organisationen des Maya-Volkes Guatemalas (COPMAGUA). Sie hatten zudem einen Sitz in der Kommission, die die Einhaltung des Friedensabkommens über Rechte und Identität der Indígena-Völker überwachen soll. Beide hatten nach Auskunft von Maya-Vertreter*innen seit Wochen Todesdrohungen erhalten. Verschiedene andere Organisationen wie das Komitee für BäuerInneneinheit (CUC), die Nationale Koordination der Witwen Guatemalas (CONAVIGUA), das Demokratischen Bündnis Neues Guatemala (FDNG) berichten über Drohungen und Einschüchterungen ihrer Mitglieder.
Maquila-Industrie: US-Textilkonzern akzeptiert Tarifvertrag
(Guatemala-Stadt, März 1997, cerigua-Poonal).- Die Maquila-Arbeiter*innen in Guatemala können einen wichtigen Erfolg für sich verbuchen. Der US-Kleidungsriese Phillips-Van Heusen (PVH) hat sich bereit erklärt, mit der Gewerkschaft in seinem Teilfertigungsbetrieb in der guatemaltekischen Hauptstadt einen Tarifvertrag abzuschließen. Dies wird der zweite Arbeitsvertrag überhaupt sein, der in der Maquila-Textilbranche im Land vereinbart wird. In diesem Sektor sind etwa 70.000 Personen beschäftigt. Die Arbeitsschichten sind lang und schlecht bezahlt. Die Gewerkschaft hat seit sechs Jahr um einen Vertrag mit dem Unternehmen gekämpft. Phillips-Van Heusen gab den Widerstand gegen die Gewerkschaftsforderung auf, nachdem Geschäftsführer Bruce J. Katsky eine Kopie eines zur Veröffentlichung anstehenden Berichtes der US-Organisation Human Rights Watch las, indem das Unternehmen wegen Arbeitsvergehen und der Einschüchterung von Gewerkschafter*innen in Guatemala angeklagt wird. Klatsky ist ein Beiratsmitglied von Human Rights Watch.
Stephen Coats von US-Guatemala Labor Education Project (US-GLEP) nannte die internationale Solidarität und die Organisationsfähigkeiten der Gewerkschaft als Gründe, die PVH an den Verhandlungstisch brachten. „Internationaler Druck war so entscheidend wie der Erfolg der Gewerkschaft, die gesetzlich vorgesehenen 25 Prozent [der Mitglieder] zu organisieren“, sagte er. In dem Bericht von Human Rights Watch wird erwähnt, daß sich sowohl das Unternehmen wie die guatemaltekische Regierung in der Vergangenheit weigerten, die Gewerkschaft anzuerkennen, obwohl der Organisationsgrad deutlich über 25 Prozent lag. PVH war deswegen 1990 und erneut 1996 Ziel einer internationalen Boykott-Kampagne. „Hoffentlich folgen die anderen Unternehmen in Guatemala dem Schritt von PVH“, erklärte Coats. „Die Unterschrift unter eine Vereinbarung zwischen PVH und seinen Arbeiter*innen kann einen neuen Anfang für die Maquila-Arbeiter*innen im Nachkriegs-Guatemala markieren.“
ECUAD0R
Klage gegen USA wegen Texaco
(Quito, 8. April 1997, pulsar-Poonal).- Die Indígena-Gemeinden Ecuadors, die gegen den US-Ölkonzern Texaco auf Schadensersatz wegen sozialer und ökologischer Schäden im Amazonas klagten, überlegen, die US-Regierung vor Gericht zu bringen. Dies kündigte ihr Anwalt Cristóbal Bonifaz an. Die Anklage könnte auf Einmischung zugunsten des Ölkonzerns lauten. Es gibt Stimmen, die von einem Druck der US-Botschaft in Quito auf die Ecuadoreanische Regierung sprechen, damit diese die 30.000 Indígenas, in deren Namen gegen Texaco geklagt wurde, ohne Unterstützung läßt. Anwalt Bonifaz schrieb darüber an die nordamerikanische Aussenministerin „Die Macht und die einflußreichen Kontakte der Beschäftigten der US- Botschaft in Ecuador werden Wirkung auf die ecuadoreanischen Regierungsfunktionär*innen haben“, so seine Einschätzung. Der laufende Prozeß auf Initiative von 120 Indígena-Gemeinden vor einem Gericht in New York – in dieser Stadt hat Texaco seinen Firmensitz – wird solange suspendiert bleiben, bis die Interimsregierung in Ecuador ihre offizielle Position zu dem Texaco-Fall bekannt gibt.
PERU/BOLIVIEN
Garantenkommission sucht weiter nach Lösung
(La Paz, 8. April 1997, pulsar-Poonal).- Anthony Vincent, kanadischer Botschafter in Peru und Bolivien sowie Mitglied der Garantenkommission, die in der Botschaftsbesetzung in Lima vermittelt, traf sich mit Boliviens Präsident Gonzalo Sanchez de Lozada. Sein Besuch fand kurz nach einem Gespräch von Lozada mit seinem peruanischen Amtskollegen Alberto Fujimori statt. Auch bei diesem Treffen war die Besetzung der japanischen Botschaft in Lima das Hauptthema. Dort hält das Kommando der Revolutionären Bewegung Tupac Amaru (MRTA) seit nunmehr 110 Tagen noch 72 Geiseln fest. Nach den Gesprächen wiederholte der bolivianische Staatschef ein weiteres Mal, daß seine Regierung nicht berechtigt sei, die Entscheidungen der Gerichte zu widerrufen. In bolivianischen Gefängnissen befinden sich vier Mitglieder der MRTA. Die Guerilleros haben die Freilassung des bolivianischen Botschafters in ihrer Gewalt von der Freilassung ihrer inhaftierten Mitglieder in Bolivien abhängig gemacht. Trotz aller Dementis werden die Besuche von Fujimori und Vincent als Anzeichen für den Versuch gewertet, eine endgültige Lösung für die Geiselkrise zu finden.
BRASILIEN
Polizisten sind Mörder
(Sao Paulo, 9. April 1997, pulsar-Poonal).- In kaum einem Jahr brachte die Polizei von Sao Paulo mehr Menschen um als die letzten Militärdiktatoren im Land. Diese Angabe machte in einem Bericht die Zeitung „Jornal do Brasil“. Danach töteten die Sicherheitskräfte von Sao Paulo zwischen 1995 und 1996 über 2.500 Personen – zehnmal mehr als die Militärdiktatur in 15 Jahren. Die Daten sind in einem Buch aufgenommen, das Paul Chavigny, Rechtsprofessor an New Yorker Universität, über die Gewalt in Lateinamerika veröffentlicht hat. Chavigny erklärt darin: „Die Gewalt der paulistischen Polizei verbindet sich mit der Idee, daß der Kriminelle sterben muß.“ Eine andere Untersuchung, die gerade von der Tageszeitung „O Globo“ aus Rio de Janeiro publiziert worden ist, bestätigt diese Aussage. Der Titel der Studie lautet: „Die Gewalt ist das Markenzeichen der Militärpolizei in ganz Brasilien.“ Diesen Medien zufolge fürchten in Sao Paulo mehr als die Hälfte der Einwohner*innen eher die Polizei als die Delinquenten. In einer Befragung von 750 Personen in Sao Paulo in der vergangenen Woche bekundeten 80 Prozent ein Mißtrauen gegenüber der Militärpolizei. Und sogar 90 Prozent der Befragten sagten aus, in irgendeiner Form bereits Opfer der von der Polizei angewandten Gewalt geworden zu sein.
CHILE
Colonia Dignidad bleibt in den Schlagzeilen
(Santiago, 1. April 1997, pulsar-Poonal).- Eine Gruppe sozialistischer Abgeordneter will eine Parlamentskommission einrichten, die den Mißbrauch von Minderjährigen in der Colonia Dignidad untersuchen soll. In der Siedlung im Süden Chiles leben viele Deutsche und Deutschstämmige. Die Colonia Dignidad ist wiederholt Vorwürfen ausgesetzt, ein Nazizentrum zu sein. Ihr Anführer Paul Schäfer ist derzeit flüchtig. Es gibt mehrere Prozesse gegen die Siedlung. Die sozialistischen Abgeordneten klagen Mitglieder der rechten Opposition an, die Colonia Dignidad bis aufs äußerste zu verteidigen. Von der Regierung und der Gesellschaft insgesamt forderten sie ein „energischeres Vorgehen“ gegen die deutsche Kolonie. Außerdem verlangte der Abgeordnete Aguilo, die Streitkräfte sollten ihre Verbindung zu der Kolonie aufdecken. Nach Berichten unter anderem von Amnesty International diente die Colonia Dignidad unter der Militärdiktatur von General Augusto Pinochet als Haft- und Folterzentrum.
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