(Montevideo, 14. Februar 2013, la diaria-poonal).- Ohne Begründung hat der Oberste Gerichtshof Uruguays die Richterin Mariana Mota an ein Zivilgericht versetzt. Mota spielte eine wichtige Rolle bei der Bearbeitung von Fällen zum Staatsterrorismus.
Engagierte Strafrichterin Mariana Mota wird versetzt
Überraschend, entwürdigend, schmerzvoll. So beschrieben Aktivist*innen aus dem Menschenrechtsspektrum ihre Reaktion auf die Nachricht über die Versetzung der Richterin Mariana Mota. Der Oberste Gerichtshof hatte entscheiden, die Richterin vom Strafgericht an ein Zivilgericht zu versetzen. Mota spielt eine herausragende Rolle in vielen Prozessen gegen Militärs und Zivilist*innen, die für Verbrechen aus der Zeit der uruguayischen Militärdiktatur verantwortlich sind.
Zur Erinnerung hier eine Auswahl: die Verurteilung von Ex-Diktator Juan María Bordaberry und seinem damaligen Außenminister Juan Carlos Blanco zu Haftstrafen; der Prozess um den Mord an Ubagésner Chávez Sosa; der Fall Rodolfo Perrini gegen General Pedro Barneix; Nino Gavazzos Erklärungen in seinem letzten Buch und das Plädoyer gegen den Antrag auf Verjährung seitens der Verteidigung des Ex-Militärs und Folterers Jorge „Pajarito“ Silveira. Erst kürzlich war Mota in eine Auseinandersetzung mit dem Verteidigungsminister Eleuterio Fernández Huidobro verwickelt. Dieser hatte ihr die richterliche Inaugenscheinnahme im 13. Infanteriebataillon und im Material- und Waffenlager des Heeres verweigert.
Mota vermutet politische Motive
Im Gespräch mit La Diaria erklärte die Richterin Mota, die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs sei für sie sehr überraschend gekommen, dies unter anderem „weil ich weder eine Versetzung beantragt noch irgendwelche Fehler begangen habe“, so die Richterin. Darüber hinaus äußerte sie Vermutungen über mögliche Gründe für ihre Versetzung, wie ihre exponierte Stellung oder ihre lange Amtsdauer, doch beides sieht sie nicht als gegeben an: ihre Stellung sei nicht herausragend – herausragend seien „nur die Fälle, an denen ich arbeitete“, unterstrich Mota. Auch ihre Amtsdauer sei mit vier Jahren nicht besonders lang, denn andere Richter seien schon seit zehn Jahren im Amt.
Mota sagte, sie kenne „die Gründe“ für ihre Versetzung oder habe „zumindest eigene Vermutungen“ dazu und es seien jene, zu denen auch jede andere Person gelangen könne, wenn sie die die Ereignisse analysiert. Weitere Spekulationen wolle sie allerdings nicht anstellen, denn es sei Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, Erklärungen dazu abzugeben. Am meisten verwundere sie die Art und Weise ihrer Versetzung: Ohne, dass sie darum gebeten habe, ohne dass sie selbst Fehler begangen hätte und „angesichts der Art von Fällen, mit denen ich befasst war“.
Rückschritt für Aufarbeitung der Diktatur
Deren Bearbeitung werde mit diesem Schritt stark verzögert oder sogar blockiert. Der Oberste Gerichtshof, so Mota „wird dasselbe sagen wie immer: „Der Schritt erfolgte gemäß den Statuten“ – mehr nicht. Denn sie sind nicht verpflichtet, Erklärungen abzugeben.“
Eine der ersten Solidaritätsbekundungen mit Mota kam von der ehemaligen Staatsanwältin Mirtha Guianze. Sie schrieb in Facebook: “Denken wir eine wenig nach: Welche Bedeutung können wir dieser unerklärlichen Versetzung beimessen? Warum jetzt, wo derart viele Fälle zu lösen sind? Hat sie ihre Prozesse nicht gut geführt? Wann werden wir die wahren Gründe erfahren? Was könne wir tun, jede und jeder für sich – oder auch alle gemeinsam?“
Reaktionen von Menschenrechtsorganisationen
Sehr schnell äußerten sich auch Vertreter*innen von Menschenrechtsorganisationen. Washington Beltrán von der Menschenrechtskommission des Gewerkschaftsverbands PIT-CNT zeigte sich von der Entscheidung des Obersten Gerichts „überrascht und getroffen“. Er erklärte, die Gewerkschaftskommission verurteile aber nicht den allein Obersten Gerichtshof für Versetzung der Richterin, da dieser Schritt in eine Reihe von politischen Ereignissen einzuordnen sei. Die jüngsten Ereignisse seien „schwerwiegend und zeigen nochmals deutlich, dass die politische Klasse sich dafür entschieden hat, Fragen der Gerechtigkeit und Aufklärung unter den Teppich zu kehren“, so Beltrán.
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Forderung nach Begründungen
„Aus welchem Grund wird die Richterin Mota versetzt?“ „Wie ist die Begründung für die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs?“ –
Diese Fragen twittert Jorge Larrañaga, Senator und Funktionär der „Alianza Nacional“, einer Gruppierung innerhalb der Partei „Partido Nacinal“, auch „Blancos“, die „Weißen“ genannt.
Er kündigte an, Erklärungen über diese Entscheidung vom höchsten Justizorgan einzufordern, unter Wahrung des Prinzips der Gewaltenteilung.
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Der Vizepräsident der Vereinigung ehemaliger politischer Gefangener in Uruguay Crysol (Asociación de ex Pres@s Polític@s de Uruguay), Baldemar Tarocco, kündigte an, seine Organisation werde den Schritt rechtlich anfechten. Crysol werde für den Tag, an dem Mota vor dem Obersten Gerichtshof erscheinen und in ihr neues Amt eingewiesen werden solle, zu einer Kundgebung aufrufen. Laut Tarocco zeige die Versetzung der Richterin deutlich, dass der Oberste Gerichtshof die Straflosigkeit von Menschenrechtsverletzungen aus der Diktaturgeschichte verteidigt.
„Etwas Ähnliches gab es schon einmal, als Jorge Díaz mit Ricardo Perciballe einen der kompetentesten Staatsanwälte in Menschenrechtsprozessen versetzte“, erinnert Tarocco. Gleichzeitig führt er noch einen weiteren Fall an: Auch der für die Bearbeitung von Diktaturverbrechen verantwortliche Richter Gustavo Mirabal war vom Straf- ans Zivilgericht versetzt worden. „Und jetzt dies hier. Das ist Teil einer Kampagne des Obersten Gerichtshofs, Prozesse auszubremsen wie den um Perrini, oder den von Crysol gegen starke Widerstände angestrengten Prozess.“
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Bengalische Feuer
Oberst a.D. Guillermo Cedrez, der Präsident des „Centro Militar“, einer Interessenvertretung von früheren Soldaten und Polizisten, darunter auch solchen, die wegen Menschenrechtsverbrechen zu Haftstrafen verurteilt wurden, wollte keine Erklärungen zum Thema abgeben. Er benötige einen Tage Zeit, „um die Nachricht einordnen zu können“, ließ Cedrez verlauten. Danach sei er durchaus dazu bereit, detailliert zu begründen, weshalb Mota seiner Meinung nach „berechtigterweise versetzt worden“ sei.
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Luis Puig, Abgeordneter der Partei für den Sieg des Volkes PVP (Partido por la Victoria del Pueblo) schätzt die Versetzung der Richterin als einen „wahrhaftigen Triumph der Straflosigkeit“ ein.
Mariana Mota, die Gesetze und internationale Menschenrechtsabkommen immer umgesetzt hatte, grundlos abzuziehen, sei „ungerecht“ und „das Ergebnis von Kampagnen, die Verteidiger der Straflosigkeit initiiert haben“. Nach der Einschätzung des Abgeordneten der Frente Amplio ging die Kampagne gegen die Richterin nicht nur von angeklagten Militärs und deren Anwält*innen aus, sondern auch von Abgeordneten der Parteien der „Blancos“ und „Colorados“. Diese hätten schon seit längerer Zeit beständig mit unbegründeten Argumenten und Lügen gegen die Richterin Mota zu diskreditieren versucht.
Es sei dieselbe Kampagne, so Puig, die auch gegen die Staatsanwältin Mirtha Guianze lanciert worden war. Guianze hatte in einem großen Prozess, der so genannten „Megacausa“ von 2006-2009 gegen führende Militärs wegen Mord, Folter und gewaltsamem Verschwindenlassen ermittelt sowie auch gegen den Außenminister der uruguayischen Diktatur, Carlos Blanco. „Das muss uns zum Nachdenken bringen. Denn es kann nicht sein, dass jedes Mal, wenn wir uns der Wahrheit etwas nähern, diese Dinge passieren, die alles wieder zurück drehen. Ein deutliches Beispiel dafür ist die Art und Weise, in der der Oberste Gerichtshof im Fall Perrini alles in unglaublicher Form gebremst hat.“
Eine Frage der Macht
Laut Anwalt Antonio Rammauro, der Mota gegen Befangenheitsanträge der angeklagten Militärs verteidigt hatte, handelt es sich um eine Frage der Machtverhältnisse. „Ich denke, dass es hier um eine politische Entscheidung geht, die allerdings nicht direkt bestimmten Regierungsmitgliedern zuzuschreiben ist. Vielmehr geht sie auf die Interessen eines viel größeren Machtblocks zurück, als den, den irgendein Politiker haben könnte. Rammauro bedauerte zutiefst, dass von der Richterin Mota in mehreren zusammenhängenden Fällen angestrengte Ermittlungen behindert wurden und nun blockiert und zum Erliegen gebracht wurden.
Nach Angaben des Anwalts ist es nicht das erste Mal, dass Mota versetzt wird, um ihre Ermittlungen auszubremsen: „Als sie in Ciudad de la Costa bedeutende Erfolge in den Ermittlungen gegen den Schmuggel erzielt hatte, wurde sie genau in diesem Moment nach Montevideo versetzt.“
„Richter können nicht lange auf ihren Posten bleiben“
Der Oberste Gerichtshof gibt keine Erklärungen zum Thema ab. Sprecher Raúl Oxandabarat erklärte knapp: „Artikel 99 des Gesetzes 15.750 gibt dem Obersten Gerichtshof das Recht, sich sein Personal auszusuchen, ohne Erklärungen dazu abgeben zu müssen. Außerdem ist die Versetzung der Richterin Mota eine von 15 Versetzungen mit dem ausdrücklichen Ziel, die Dienstleistung zu verbessern.“
Er betonte zudem, dass Richter*innen in jedem Fall im Laufe ihrer beruflichen Karriere alle Bereiche der Justiz durchlaufen müssen, um verschiedene Kenntnisse zu erlangen. Die Richterin sei noch nie an einem Zivilgericht eingesetzt gewesen. Bezug nehmend auf Motas Angabe, dass sie erst seit vier Jahren in der Strafgerichtsbarkeit arbeite, erklärte er: „Richter können nicht lange auf ihren Posten bleiben.“
Gegen Mota wird ermittelt
Oxandabarat wies es kategorisch von sich, die Versetzung der Richterin als Bestrafung anzusehen. Der Oberste Gerichtshof ermittle jedoch in zwei Fällen, in die Mota verwickelt sei: Zum einen geht es dabei um Erklärungen, die Mota gegenüber der in Argentinien herausgegebenen Zeitung Página12 gemacht hatte und in denen sie die uruguayische Menschenrechtspolitik kritisierte. Zum anderen wird es wegen der Nichtbeibringung von Dokumenten im Rahmen eines Erbittens einer Dokumentation des Obersten Strafgerichtshofs ermittelt.
Diese Fälle seien vor dem Obersten Gerichtshof nicht abgeschlossen, daher könne nicht von einer Strafe gesprochen werden. „Außerdem handelt es sich um eine Versetzung auf gleicher Hierarchieebene, denn sie wird weder im Dienstrang noch in der Gehaltsstufe herabgestuft, Zivilgerichte haben die gleichen Hierarchiestufen wie Strafgerichte“, unterstrich Oxandabarat. Den durch Motas Versetzung frei werdenden Platz werde Beatriz Larrieux einnehmen, die bisher in der Stadt Colonia tätig war.
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