Regierung Boric initiiert Nationalen Plan zur Suche nach Verschwundenen

(Santiago de Chile, 20.09.2023, npla).- Die Mitte-Links-Regierung von Gabriel Boric will den Verbleib und die Umstände des Todes beziehungsweise des Verschwindenlassens Tausender Chileninnen und Chilenen aufklären.

Im Kontext des 50. Jahrestages des zivil-militärischen Putsches unter General Pinochet vom 11. September 1973 hat Gabriel Borics Mitte-Links-Regierung einen Nationalen Plan zur Suche der gewaltsam Verschwundenen gestartet. Am 30. August, dem internationalen Tag gegen das gewaltsame Verschwindenlassen, wurde dieser Plan im Museum der Erinnerung und der Menschenrechte in der Hauptstadt Santiago offiziell vorgestellt. Das Justizministerium leitet die Maßnahmen zur Suche nach etwa 1.500 Personen, deren Leichen noch immer nicht gefunden wurden oder über deren Schicksal nur sehr wenig bekannt ist.

Bisher bestand die staatliche Politik, die das Ziel der Wahrheitsfindung und teilweise auch der Entschädigung der Angehörigen von verschwundenen Gefangenen verfolgt, aus fünf Maßnahmen:
Nationale Kommission für Wahrheit und Versöhnung (1990), die so genannte Rettig-Kommission; die aus der Rettig-Kommission 1992 hervorgegangene Nationale Körperschaft für Wiedergutmachung und Versöhnung; ein Dialogforum, das das Ziel hatte, von den Streitkräften Informationen über die verschwundenen Häftlinge zu erhalten (1999); Nationale Kommission zu Haft und Folter, die Kommission Valech (2003); eine beratende Kommission des Präsidenten für die Einstufung von gewaltsam Verschwundenen, aus politischen Gründen Ermordeten, Opfer von politisch bedingter Haft und Folter, die Kommission Valech II (2010).

Der nun durch einen präsidentschaftlichen Erlass ausgerufene neue Suchplan, wird über ein interdisziplinäres Team und über ein Budget verfügen. Der Plan ist ein Instrument der staatlichen Politik, das auch die zukünftigen Regierungen respektieren und umsetzen müssen.

Zwischen September 1973 und 1990 wurden in Chile insgesamt etwa 3.200 Menschen getötet oder zu Opfern gewaltsamen Verschwindenlassens: 377 politische Gefangene wurden hingerichtet, ohne dass ihre Leichen an die Familien übergeben wurden. Über 1.092 Personen sind weiterhin verschwunden. Nur 307 Opfer des gewaltsamen Verschwindenlassens konnten bisher identifiziert werden. Von den meisten wurden kleine Knochenbestandteile gefunden, von denen durch wissenschaftliche Untersuchungen nachgewiesen wurde, dass sie von verschwundenen Gefangenen stammen.

Die Bedeutung des Suchplans besteht darin, dass er darauf abzielt, das Schicksal der Opfer des gewaltsamen Verschwindenlassens zu rekonstruieren, einschließlich ihrer Verhaftung, Entführung und ihres endgültigen Verbleibs“, so ist es im Nationalen Suchplan definiert. Neben den strafrechtlichen Ermittlungen, zu denen es vor allem Ende der 1990er Jahre kam, als Pinochets Amnestiegesetz (nach dessen Inhaftierung in London) für unrechtmäßig erklärt wurde, und dem Abschluss der noch laufenden Untersuchungen und Verfahren, lebt der Wille zur Wahrheitsfindung, zur Durchführung von Prozessen und zur Umsetzung von Wiedergutmachungsmaßnahmen wieder auf.

Besondere Anerkennung gebührt dabei den Menschenrechtsorganisationen, die seit den ersten Tagen nach dem 11. September 1973 hartnäckig darum kämpfen, den Verbleib ihrer Angehörigen zu erfahren. Gaby Rivera, Präsidentin des Angehörigenverbandes von Verschwundenen (Agrupación de Familiares de Detenidos Desaparecidos), betonte ihren Anteil an der Erarbeitung des Konzepts des aktuellen Suchplans: „Wir haben diese Aufgabe umgesetzt, wir haben uns fast drei Monate lang mit Genossinnen und Genossen aus verschiedenen Teilen des Landes getroffen. Am 30. August, dem internationalen Tag gegen das Verschwindenlassen, und nach den fünfzig Jahren, die wir schon nach unseren Angehörigen suchen, nimmt der Nationale Suchplan nun Gestalt an. Wir wissen sehr genau, was wir jetzt und auch in Zukunft von der Regierung fordern werden“.

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