Die CIDH, Mexiko und Lateinamerika

von Luis Hernández Navarro

(Mexiko-Stadt, 02. April 2013, la jornada-poonal).- Raúl Díaz Peña ist ein venezolanischer Terrorist. 2003 verübte dieser Feind der Regierung Hugo Chávez Bombenanschläge gegen die Botschaft Spaniens und das kolumbianische Konsulat. Er wurde verhaftet und zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Im Jahr 2010, nach vier Jahren und fünf Monaten, durfte er in den offenen Vollzug. Er verließ heimlich das Land und bat in den USA um politisches Asyl, das ihm im Oktober 2012 gewährt wurde.

 

Reihenweise peinliche Entscheidungen der CIDH

Raúl Díaz erklärte, er werde politisch verfolgt und reichte beim Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte (CoIDH) eine Klage ein. Ungewöhnlich schnell, ganz anders als bei Fällen wie dem Massaker von Acteal, gab die Institution ihm Recht und verurteilte den Staat Venezuela wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte.

Der Fall Díaz war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Der Gerichtshof wie auch die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH) haben eine lange Serie von Fehltritten in ihrer Beziehung zu diesem Staat aufzuweisen. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Kommission den Militärputsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten begrüßte.

Venezuela bekräftigt Rückzug

Angesichts der Entscheidung des Gerichts im Fall Raúl Díaz sagte der damalige Präsident Hugo Chávez, Institutionen wie der unselige, verfaulte und degenerierte Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte müssten verschwinden, weil die Neue Welt dort nicht entsprechend repräsentiert werde, und bekräftigte den Rückzug seines Landes aus den Rechtsorganen der Organisation Amerikanischer Staaten OAS (Organización de Estados Americanos).

Auf der Generalversammlung am vergangenen 22. März unterstrich der venezolanische Botschafter bei der OAS, Roy Chaderton, Venezuela lehne sich auf gegen ein Interamerikanisches Menschenrechtssystem SIDH (Sistema Interamericano de Derechos Humanos) System, das korrupt und feige sei.

Verstimmungen auf der Generalversammlung

Viele Regierungen der Region, vor allem die progressiven, haben das System scharf kritisiert. Boliviens Präsident Evo Morales verglich die CIDH mit einer Militärbasis der USA, die in diesem Falle dazu diene, über andere Staaten zu urteilen. Er beschuldigte das Organ, der pro-kapitalistischen und pro-imperialistischen Rechten zu dienen. Ecuadors Präsident Rafael Correa hob hervor, dass die CIDH die Blockade gegen Kuba nicht erwähne. Es gebe Kapitel, die sich mit Argentinien, Ecuador und Bolivien beschäftigen, jedoch nicht ein Einziges zu den USA. Die kriminelle Blockade gegenüber Kuba erscheint nicht einmal in den Jahresberichten der Institution.

Diese Unzufriedenheit wurde auf der letzten Außerordentlichen Generalversammlung der OAS am vergangenen 22. März offen geäußert. Nach vielen Beschwerden, ohne Konsens und mit schwerwiegenden Abwesenheiten, wurde die Reform des Interamerikanischen Menschenrechtssystems auf der Versammlung erneut in einer widersprüchlichen Resolution bestätigt, in der die Debatte über deren Stärkung offen blieb.

Kritik an Finanzierungsmodell

Neben anderen, vielen Kritikpunkten hinterfragen verschiedene Staaten, dass ein großer Teil der laufenden Kosten des streitbaren Referats für Meinungsfreiheit der CIDH von Organisationen und privaten Stiftungen finanziert wird, die eine deutlich interventionistische Agenda gegen progressive Regierungen in der Region aufweisen. Wer zahlt, sagt auch wo es lang geht, so sagt man und entsprechend wird die Einflussnahme privater Akteure über souveräne Mächte als nicht hinnehmbar angesehen.

Die mexikanische Perspektive auf die Institution sieht anders aus. Wie Magdalena Gómez in ihrem Text „El sinuoso camino de la justicia en México“ (Deutsch etwa: Der verschlungene Weg zur Gerechtigkeit in Mexiko) ausführt, akzeptierte unser Land 1981 die Kompetenz der CIDH in Bezug auf Beschwerden und Anzeigen im Bereich der Menschenrechte. Im Jahr 1988 erkannte der Senat die Rechtssprechung des Interamerikanischen Gerichtshofes als bindend an. Die meisten relevanten Urteile dieser Institution wurden ab 2001 gefällt. Im Durchschnitt dauert es 10 Jahre, bis eine Entscheidung gefällt wird.

Mexikanische Perspektive eher positiv

Die Institution CIDH wird von zwei Mexikanern geleitet. José de Jesús Orozco Henríquez ist ihr Präsident und Emilio Álvarez Icaza ihr Generalsekretär. Die mexikanische Regierung versucht die Wiederwahl von Orozco für die Periode von 2014 bis 2017 zu erreichen.

Zwischen 1995 und 2005 wurden 556 Petitionen gegen Mexiko bei der CIDH vorgebracht. In nur 48 Fällen wurde ein Verfahren eröffnet. Die Institution beschloss in 91 Fällen vorläufigen Rechtsschutz der in 31 Fällen direkt angeordnet wurde.

Resolutionen des Gerichtshofes, wie im Falle der Umweltschützer Rodolfo Montiel und Teodoro Cabrera aus dem Bundesstaat Guerrero, im Fall der Feminizide auf den Baumwollfeldern in Ciudad Juárez (bekannt als caso Campo Algodonero), im Fall des gewaltsamen Verschwindens von Rosendo Radilla oder der Vergewaltigung indigener Frauen aus Guerrero durch Armeeangehörige haben deutlich Einfluss auf die Administration der Justiz in Mexiko genommen. Die Institution verurteilte die Anwendung der Militärgerichtsbarkeit in Fällen von Menschenrechtsverletzungen und brachte verschiedene Gesetzesreformen im Land voran.

Die mexikanischen Nichtregierungsorganisationen (NRO) haben bewundernswerte Arbeit im Kampf für Gerechtigkeit und gegen Willkür und Straflosigkeit geleistet. Obwohl einige abgedriftet sind zu Themen wie dem Plan Mérida und oder der Finanzierung der US-amerikanischen Stiftung National Endowment for Democracy (NED), war ihre Arbeit zur Verteidigung der Menschenrechte sehr wichtig.

Eine Vielzahl von NRO wertschätzen die CIDH sehr. Die NRO begleiten Opfer bei Klagen, die letztere bei der Institution vorbringen und die häufig im Land selbst nicht gelöst worden sind. In Mexiko gehen viele Opfer zu dieser Institution, das sie als ein alternierendes Rechtssystem ansehen und haben vor, ihren Fall dort zu präsentieren.

Debatte über Meinungsverschiedenheiten notwendig

Die Mehrheit der Menschenrechts-NRO haben sich unsensibel gegenüber den Beschwerden anderer lateinamerikanischer Länder wegen der Parteilichkeit und der Schieflage der CIDH gezeigt. Mehr noch, sie haben sich sogar der Forderung angeschlossen, die CIDH zu stärken, als Reaktion auf die Kritiken und Forderungen nach einer Umstrukturierung.

Der Menschenrechtsdiskurs ist weder neutral noch bewegt er sich jenseits der politischen Sphäre. In seinem Namen wurden der Kampf gegen Augusto Pinochet in Chile und die Mobilisierung der Mütter der Plaza de Mayo in Argentinien legitimiert. Und zugleich drangen die USA unter ebendieser Fahne, in den Irak ein, und rechtfertigten damit ihren imperialen Interventionismus.

Diese Meinungsverschiedenheiten über die Menschenrechtskommission CIDH und den Gerichtshof CoIDH zwischen der mexikanischen Menschenrechtsbewegung und den Transformationsprozessen in vielen Ländern des Kontinents sind, gelinde gesagt: bedauerlich. Hier wäre zumindest eine echte Debatte vonnöten.

 

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