„Historisches Urteil“ – Militärs müssen vor Zivilgerichte

(Mexiko-Stadt, 11. Juli 2011, cimac-poonal-pulsar).- Zum ersten Mal hat der Oberste Gerichtshof Mexikos SCJN (Suprema Corte de Justicia de la Nación) anerkannt, dass Militärtribunale nicht der richtige Ort sind, um Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen, die höchstwahrscheinlich von Armeeangehörigen begangen wurden.

Einstimmiger Beschluss der RichterInnen

Nach einer viertägigen Verhandlung stimmten am 12. Juli alle zehn Richter*innen dafür, dass derartige Fälle künftig vor allen Zivilgerichten des Landes gemäß der Amerikanischen Menschenrechtskonvention und der mexikanischen Verfassung verhandelt werden können. Die Praxis, derartige Fälle an Militärgerichte zu bringen, muss eingestellt werden.

Mit diesem Urteil kippt der Oberste Gerichtshof eine 70 Jahre andauernde Rechtspraxis. Bisher wurden Vergehen von Soldaten „gegen die Disziplin“ gemäß Artikel 57 nicht vor den Zivilgerichten verhandelt ‒ und endeten oft mit Straflosigkeit.

Eigenes Urteil vom Mai revidiert

Noch am 18. Mai dieses Jahres hatte der Oberste Gerichtshof ein gegenteiliges Urteil gefällt, das auch einer Gesetzesinitiative widersprach, die Präsident Felipe Calderón im Oktober 2010 angestoßenen hatte. Demnach hätten künftig das „Verschwindenlassen“ von Menschen, Folter und Vergewaltigung vor Zivilgerichten verhandelt werden sollen.

Die obersten Richter wiesen im Mai jedoch sowohl die Entscheidung eines anderen mexikanischen Gerichts zurück, das in der bisherigen Praxis eine Privilegierung von Armeeangehörigen sah und widersprachen mit ihrer Auffassung auch einem Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte CoIDH (Corte Interamericana de Derechos Humanos) vom August 2010. Die in San José (Costa Rica) ansässigen Jurist*innen hatten den mexikanischen Staat dazu verurteilt, die Fälle zweier von Soldaten vergewaltigter indigenen Frauen vor einem zivilen Gericht zu verhandeln.

Fall Rodilla aus dem Jahr 1974

Das Urteil der letzten Woche revidiert nun die Entscheidung vom Mai dieses Jahres und geht über die Initiative Calderons hinaus, weil jegliche von Soldaten begangenen Menschenrechtsverletzungen vor Zivilgerichten verhandelt werden sollen und nicht nur einzelne Tatbestände.

Anlass für die erneute Verhandlung des SCJN war der Fall Rosendo Rodilla. Der Aktivist war 1974 an einem Kontrollpunkt der Armee „verschwunden“. Der CIDH machte in einem Urteil von 2009 den mexikanischen Staat dafür verantwortlich.

Bereits vergangenes Jahr hatte der Oberste Gerichtshof Mexikos auf Anordnung des CIDH festgelegt, dass alle richterlichen Entscheidungen nur dann gültig sind, wenn sie sowohl der Verfassung als auch internationalen Verträgen entsprechen.

Der SCJN verhandelte nun ebenfalls darüber, inwieweit den Urteilen des CoIDH zu folgen sei oder ob diese nur einen orientierenden Charakter hätten. Das Gremium entschied einstimmig, dass den Urteilen des CoIDH zu folgen sei, während Interpretationen des CoIDH von den Richter*innen nur als richtungsweisend angesehen werden.

„Historisches Urteil“

Die Entscheidung der Obersten Richter*innen wird von vielen Menschenrechtsgruppen als „historisches Urteil“ begrüßt. „Wir hoffen, dass dieses Urteil dazu beiträgt, der Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen durch Militärs ein Ende zu bereiten“, erklärte Sergio Méndez von der Mexikanischen Menschenrechtskommission CMDPDH (Comisión Mexicana de Defensa y Promoción de los Derechos Humanos) gegenüber der Nachrichtenagentur Púlsar.

 

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