Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 13. November 2007
Inhalt
MEXIKO-GUATEMALA
GUATEMALA
COSTA RICA
KOLUMBIEN
ECUADOR
PERU
BRASILIEN
CHILE
ARGENTINIEN
URUGUAY
MEXIKO-GUATEMALA
Guatemaltekische Armee bietet Mexiko Unterstützung in Kaibiles-Fall an
(Guatemala-Stadt, 6. November 2007, cerigua).- Die Armee Guatemalas hat den mexikanischen Behörden uneingeschränkte Unterstützung bei ihren Untersuchungen hinsichtlich der Beteiligung von Kaibiles, einer Sondereinheit der guatemaltekischen Streitkräfte, an illegalen Geschäften in Mexiko zugesagt. Diese Entscheidung wurde von Armeesprecher Daniel Domínguez mitgeteilt, nachdem bei der Beschlagnahmung von Drogen und Waffen in der Gemeinde Cosalá im nordmexikanischen Bundesstaat Sinaloa auch ein Handbuch der guatemaltekischen Spezialeinheit gefunden worden war. Domínguez bestätigte, dass er den Bericht der mexikanischen Regierung mit Einzelheiten zu dem Drogen- und Waffenfund kennt, den das mexikanische Verteidigungsministerium bei einer Operation gemacht hat.
Er gab zu bedenken, dass es sich bei den Besitzern des Handbuchs nicht zwangsläufig um guatemaltekische Soldaten handeln müsse. Domínguez verwies darauf, dass einige der Mitglieder der Kaibiles aus Mexiko stammen und dass am Standort der Einheit in Poptún, im guatemaltekischen Verwaltungsbezirk Petén, Armeeangehörige aus ganz Amerika ausgebildet würden.
Die Kaibiles stehen bei den mexikanischen Drogenkartellen hoch im Kurs: nach Angaben einer Lokalzeitung erhalten sie bis zu 5.000 US-Dollar für den Drogenschmuggel im Gebirge. Angehörige der Einheit – Domínguez zufolge meist Deserteure – sind schon zuvor in Verbindung mit Drogenkartellen gebracht worden, etwa dem Golfkartell, dem Arellano-Félix-Clan und den Zetas. Im Juni hatte die mexikanische Polizei fünf Kaibiles festgenommen, die bei der guatemaltekischen Armee als fahnenflüchtig gemeldet waren.
GUATEMALA
In der Drogenbekämpfung will Colom Mexiko nacheifern
(Guatemala-Stadt, 6. November 2007, cerigua-poonal).- Guatemalas künftiger Präsident, der Anfang November überraschend deutlich gewählte Sozialdemokrat Álvaro Colom, der sich gegen den rechtskonservativen Exgeneral Otto Pérez Molina durchsetzte, will im Kampf gegen den Drogenhandel eine ähnliche Linie einschlagen, wie die mexikanische Regierung unter Felipe Calderón. Das erläuterte Colom in einem Interview, das er der mexikanischen Tageszeitung La Jornada gab.
So soll die Armee in Regionen geschickt werden, in denen Drogenhändlerringe operieren und sich die Kontrolle über Territorien angeeignet haben. Schwerpunkt der Operationen sollen die Atlantik- und Pazifikküste werden, an denen in Südamerika produziertes Kokain ankommt, dass weiter in die USA geschleust wird. Colom kündigte an, die Operationen würden mit seinem Amtsantritt am 14. Januar 2008 beginnen. Noch vor Amtsantritt will der neu gewählte Präsident auf eine Rundreise durch Lateinamerika aufbrechen, um die Beziehungen mit den anderen Ländern zu stärken.
Im Interview sagte Colom, die vorherigen Regierungen Guatemalas hätten das Problem mit den Drogenkartellen und deren Anwesenheit in wichtigen Regionen wie dem Petén, der an Mexiko grenzt, ignoriert. Dort besäßen die Kartelle eigene Armeen. Colom kritisierte die Vorgängerregierungen unter Alfonso Portillo y Óscar Berger. Sie hätten dem Drogenkampf zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. So kam es auch zu massiver Kritik seitens der USA.
Colom unterstrich im Interview zudem seine vollständige Unterstützung
für die Arbeit der Kommission gegen Straffreiheit CICIG (Comisión Internacional contra la Impunidad en Guatemala) und sprach sich für die bestehenden Abkommen für den Schutz von Migrant*innen im Ausland und den Kampf gegen die Kriminalität aus. Er unterstrich zudem, wie wichtig die Extrasteuereinnahmen über die außerordentliche und temporäre Steuer für die Unterstützung des Friedensprozesses IETAAP (Impuesto Extraordinario y Temporal de Apoyo a los Acuerdos de Paz) sei.
COSTA RICA
Landesweiter Aktionstag gegen das CAFTA beschlossen
Von Torge Löding
(San José, 5. November 2007, voces nuestras).- Drei nationale Koordinierungstreffen in nur drei Wochen; da rauchen die Köpfe der CAFTA-Gegner*innen im mittelamerikanischen Costa Rica. Hunderte „patriotische Komitees“ sind in den vergangenen Monaten im ganzen Land aus dem Boden geschossen, um den Widerstand gegen das CAFTA-Freihandelsabkommen (spanisch TLC) zwischen Mittelamerika, den USA und der Dominikanischen Republik zu organisieren. Beim Referendum am 7. Oktober unterlagen sie knapp der von Washington unterstützten Maschinerie der CAFTA-BefürworterInnen; immerhin 48 Prozent stimmten jedoch gegen das Abkommen.
Gemeinsam mit anderen Basisorganisationen, der Umweltbewegung, religiösen Gruppen, Parteien und der radikalen Linken, einigten sich die Vertreter*innen der patriotischen Komitees darauf, sich nicht geschlagen zu geben und breiten Widerstand gegen das Paket aus 13 Gesetzen zu organisieren, mit dem die Regierung Árias das CAFTA umsetzen möchte. Dazu gehören die Privatisierung öffentlicher Betriebe und die Anerkennung des umstrittenen Saatgutschutzabkommens UPOV sowie des Vertrages von Budapest zu Patentrecht. Am 7. November soll es den nächsten landesweiten Aktionstag geben.
Es gibt innerhalb der sozialen Bewegung aber auch Konfliktlinien, die mit zunehmender Heftigkeit diskutiert werden. Moderate Kräfte wie die „Republikanische Garde“ um Elisabeth Fonseca, Fraktionschefin der Mitte-Links-Partei PAC, setzen eher auf das Aushandeln einer „Agenda der sozialen Abfederung“ im Parlament. Die radikale Linke aus Trotzkist*innen, Anarchist*innen und der kommunistischen „Vanguardia Popular“, bekommt für ihre Forderung nach Generalstreik Zulauf. Zahlreiche Gewerkschafter*innen des öffentlichen Dienstes stimmen der Forderung zu und im Hafen von Puerto Limón bereiten sich die Kolleg*innen auf einen Streik gegen die anstehende Privatisierung vor. Kürzlich gewann auch eine radikal-linke Liste die AStA-Wahlen an der Universität von Costa Rica (UCR). Zum ersten nationalen Vernetzungstreffen am 20. Oktober hatten Kräfte der radikalen Linken geladen; die breite Teilnahme an dem Treffen ist ein Beleg für deren Mobilisierungskraft.
Als Vermittler treten de
r Sprecher der CAFTA-Kritiker Eugenio Trejos, Direktor der Technischen Universität, und seine Verbündeten (Gewerkschaftsvorstände, Akademiker*innen, Linkspolitiker*innen) auf. Trejos gilt als moderat und redet der Einheit der Bewegung stets das Wort. Sie bevorzugen Aktionen auf regionaler Ebene, erklärten sich mit dem landesweiten Protesttag als „Testballon für die Mobilisierungsfähigkeit der CAFTA-Gegner“ aber erst einmal einverstanden.
Unterdessen hat der Gewerkschaftsdachverband CGT eine internationale Solidaritätskampagne für zwei ihrer Funktionäre ins Leben gerufen. Die Direktion des Nationalen Versicherungsinstitutes INS hat angekündigt, den gewerkschaftlichen Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Luis Salas (zudem Generalsekretär des CGT) und die Frauensekretärin der Hausgewerkschafzt UPINS Alicia Vargas entlassen zu wollen. Die beiden Gewerkschafter haben sich als entschiedene CAFTA-Gegner hervorgetan, deshalb sind sie dem privatisierungsfreudigen Versicherungsvorstand ein Dorn im Auge (mehr Infos per E-Mail: cgtcr@yahoo.com).
KOLUMBIEN
Bürgerkrieg forderte in fünf Jahren mehr als 1600 weibliche Todesopfer
(Fortaleza, 5. November 2007, adital-poonal).- Mehr als 1600 kolumbianische Frauen starben in den letzten fünf Jahren aufgrund des im Land herrschenden bewaffneten Konflikts. Etwa 250 000 Menschen sind nach Ecuador geflohen. Soziale und Menschenrechtsorganisationen rufen deshalb für den 22. November zu einer Demonstration auf, um der ermordeten und vergewaltigten Frauen zu gedenken und den Missstand der Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen.
Der Aufruf zur Demonstration erfolgt den Organisatorinnen zufolge, „weil der Krieg und der zunehmende Militarismus in unserem Land Tod, Schmerz, Vertriebene und Verschwundene verursachen; weil uns Frauen weiterhin Gewalt angetan wird und wir Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung fordern müssen; weil wir gegen die Diskriminierung und Unterwerfung sind, die wir als Frauen erleben; weil wir ein unabhängiges Leben in Würde fordern; weil wir jahrelang politische Vorschläge und Verhandlungslösungen für den bewaffneten Konflikt ausgearbeitet haben; weil wir Tag für Tag unseren Beitrag leisten, ein Land mit Frieden und Gerechtigkeit für alle zu schaffen.“
Ein von der Nationalen Gewerkschaftsschule (Escuela Nacional de Sindicatos) veröffentlichter und von verschiedenen sozialen Bewegungen erarbeiteter Bericht zeigt auf, dass die während des Konflikts getöteten Frauen Opfer soziopolitischer Gewalt und verbrecherischer Aktivitäten des Staates gewesen seien. 233 Frauen seien bei Kämpfen ums Leben gekommen, 1319 seien Opfer außergerichtlicher Hinrichtungen und politischer Morde geworden. Bei 63 Mordopfern habe es sich um sozial marginalisierte Frauen gehandelt, 173 Frauen seien auf gewaltsame Art und Weise „verschwunden“.
Nach Angaben des Berichtes sind in 783 Fällen die vermutlichen Täter der Menschenrechtsverletzungen bekannt, in 63,48 % der Todesfälle wird dabei der kolumbianische Staat verantwortlich gemacht. Trotz der Bemühungen der kolumbianischen Regierung, der Welt das Bild eines friedlichen Landes zu präsentieren, nehme die Gewalt gegen Frauen im Rahmen des bewaffneten Konflikts immer weiter zu. „Die seit jeher und besonders zu Zeiten des Krieges gegen Frauen verübten Formen der Gewalt werden in Kolumbien nach wie vor angewendet, und nicht nur seitens der irregulären bewaffneten Gruppen, sondern auch durch staatliche Sicherheitskräfte. Außergerichtliche Hinrichtungen und ‚Verschwindenlassen‘ sowie verschiedene Formen sexueller Gewalt gehören zu den häufigsten Terrormaßnahmen, die in Kolumbien gegen Frauen angewendet werden. Dies geht aus Statistiken des Staatlichen Instituts für Gerichtsmedizin und Forensische Wissenschaften INML (Instituto Nacional de Medicina Legal y Ciencias Forenses) hervor“, heißt es in dem Bericht weiter.
Ein anlässlich eines landesweiten Frauentreffens 2006 erarbeiteter Bericht, der die Auswirkungen der Demobilisierung der Paramilitärs auf das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Frauen in den Departements Santander, Chocó, Antioquia und Bolívar untersuchte, stellte fest, dass etwa 2300 Todesopfer und Verschwundene auf das Konto von Paramilitärs gehen sollen. Selbst am Tag der Unterzeichnung der von den Paramilitärs versandten Friedenserklärung (Declaración por la Paz de Colombia), am 29.11.2002, wurde eine Frau aus politischen Gründen gefoltert und ermordet. Zwischen dem 1. Januar 2003 und dem 31. Dezember 2005 verübten die Paramilitärs 202 Menschenrechtsverletzungen.
ECUADOR
Rechtliche Schritte gegen ausländische Ölfirmen
(Buenos Aires, 8. November 2007, púlsar).- Der Chef des staatlichen Unternehmens Petroecuador, Carlos Pareja, hat bekannt gegeben, dass Ecuador gegen zwei ausländische Ölfirmen rechtliche Maßnahmen ergreifen wird.
Zum einen soll der Vertrag mit der panamesischen Ölfirma City Oriente für ungültig erklärt werden. Zum anderen werde gegen die nordamerikanische Occidental Petroleum (Oxy) ein internationales Verfahren eingeleitet. Diese Schritte würden ergriffen, weil die betroffenen Firmen gegen ein seit April 2006 geltendes Gesetz verstoßen würden. Besagtes Gesetz regelt, dass Gewinnüberschüsse, die aus der Differenz zwischen der fixen Notierung des Rohöls laut Verträgen und der tatsächlichen Notierung am Markt entstehen, zu gleichen Teilen zwischen dem Unternehmen und dem Staat aufgeteilt werden müssen.
Pareja wies darauf hin, dass Petroecuador die Anullierung des Vertrages mit City Oriente wegen dessen Schulden in Höhe von 28 Millionen US-Dollar anstrebe. Außerdem gab Pareja bekannt, dass die Gerichtsverfahren gegen Occidental Petroleum bereits eingeleitet worden seien. Deren Vertrag war bereits im April 2006 wegen illegalen Aktienverkaufs annulliert worden.
Zudem setzte Petroecuador Maßnahmen in Gang, um die Schulden der spanischen Ölfirma Repsol-YPF in Höhe von 2 Millionen Dollar einzutreiben. Parejo deutete dem Sender Teleamazonas gegenüber an, dass Petroecuador die Situation des chinesischen Unternehmens Andes Petroleum und der brasilianischen Petrobras ebenfalls überprüfe.
PERU
Staatsanwaltschaft fordert 30 Jahre Gefängnis für Fujimori
(Buenos Aires, 8. November 2007, púlsar). – Die peruanische Staatsanwaltschaft fordert eine 30-jährige Haftstrafe für Perus Expräsident Alberto Fujimori. Er wird für die Massaker 1991 und 1992 im Armenviertel Barrio Altos und in der pädagogischen Hochschule La Cantuta sowie die Entführungen des Unternehmers Samuel Dyer und des Journalisten Gustavo Gorriti verantwortlich gemacht. Die Zweite Sonderkammer des Obersten Peruanischen Gerichtshofes erhielt den Strafantrag und macht Fujimori am kommenden 26. November für Verbrechen gegen die Menschlichkeit den Prozess.
Staatsanwalt José Peláez klagt den Expräsidenten wegen vorsätzlicher Tötung, schwere Körperverletzung und Entführung an. Peláez fordert außerdem die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 33 Mio. Dollar an Familienangehörige der ermordeten Personen in Barrios Altos und La Cantuta. Darüber hinaus beantragt er eine Entschädigung von 99 Mio. Dollar für Samuel Dyer und Gustavo Gorriti im sogenannten „Geheimdienstkeller“-Fall.
Fujimori ist in Peru mit 27 Gerichtsprozessen, 39 Ermittlungsverfahren und drei schwebenden Verfahren aufgrund von Korruptionsvorwürfen und der Verletzung der Menschenrechte während seiner zehnjährigen Regierungszeit von 1990 bis 2000 konfrontiert.
BRASILIEN
Staatspolitik weist deutliche Anti-Indígena-Tendenzen auf.
(Fortaleza, 7. November 2007, adital).- Nach Einschätzung des brasilianischen Indígena-Missionsrats CIMI (Consejo Indigenista Misionero), gestalten sich im Jahr 2007 die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen Brasiliens zu fast 80% zu Ungunsten der indigenen Bevölkerung.
Als Grundlage für seine Bewertung wählte der Rat, der zwischen dem 3. und 7. November in Luziânia, Bundesstaat Goiás, zusammenkam, für seine Beurteilung politische Entscheidungen, die sich nachteilig auf die Indígena-Bevölkerung auswirken, und untersuchte zudem die Praktiken von Großgrundbesitzern, Fabrikbesitzern und Holzhändlern, die sich in der Nähe indigener Dörfer befinden.
Das Alarmierendste sei dabei die Anzahl von ermordeten Indígenas. Die Untersuchung ergab, dass bis Anfang November 2007 58 Indígenas getötet wurden, davon 36 im Bundesstaat Mato Grosso do Sul. Darüber hinaus würden die Indígena-Dörfer „weiterhin durch bewaffnete, von den Holzhändlern gedungene Gruppen angegriffen, die die Gemeinschaften bedrohen, die Häuser anstecken und Menschen ermorden“, erklärte CIMI.
Nach Meinung von CIMI-Vizepräsident Roberto Liebgott ist das Dorf Guaraní-Kaiowá in Mato Grosso do Sul beispielhaft für die ungesicherte Lebenssituation, in der sich viele brasilianische Indígena-Gemeinden befinden. Ein Großteil der Ländereien, die der Dorfgemeinschaft zustehen, werden ihr vorenthalten. Der daraus erwachsende Leidensdruck äußert sich in einem extrem hohen Gewaltpotential, einer hohen Mord- und Selbsttötungsrate, Krankheiten, einer hohen Kindersterblichkeit durch Mangelernährung, Alkoholismus und Drogenkonsum. Die Gemeinschaft insgesamt droht auseinander zu fallen.
Das Wachstumsbeschleunigungsprogramm PAC (Programa de Aceleración del Crecimiento), eines der wichtigsten Aushängeschilder der Regierung Luiz Inácio Lula da Silvas, ist laut CIMI eine der gefährlichsten Bedrohung für die Territorien der Indígenas. Das PAC beinhaltet diverse Infrastrukturmaßnahmen, die mindestens 201 Indígenagebiete betreffen und die Existenz der Gemeinschaften gefährden, darunter auch 21 Dörfer, die niemals in Kontakt mit der „zivilisierten Welt“ gekommen sind.
Nach Ansicht Liebgotts ist die Amazonas-Region eines der Gebiete, die am stärksten von den PAC-Maßnahmen betroffen sind. Der Bau von Straßen und Wasserkraftwerken, erklärte der Vizepräsident, beeinträchtige das traditionelle Indígena-Terrain und zwinge seine Bewohner*innen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Ein weiterer besorgniserregender Faktor seien die Papierfabriken, die riesige Flächen mit ihrer Monokultur, vorwiegend gewidmet dem Eukalyptusanbau, überziehen.
Auch die parlamentarischen Initiativen, so zum Beispiel die zahllosen Gesetzesvorschläge gegen bestehende Ministerialbeschlüsse, zeigten eine indígena-feindliche Haltung. Kürzlich wurde eine Sonderkommission eingerichtet, die den Entwurf des Gesetzes Nummer 1610 des Senators Romero Jucá diskutieren soll. Der Gesetzesentwurf enthält Vorschläge zur Regelung der Minentätigkeit in Indígena-Gebieten, obwohl der Nationalrat der Indianischen Völker CNPI (Comisión Nacional de Política Indigenista) bereits beschlossen hatte, dieses Thema im Statut der indigenen Gemeinschaften zu regeln.
Trotz der unzähligen indígena-feindlichen Politikmaßnahmen konnte CIMI auch positive Signale orten, so v.a. das kämpferische Engagement der indigenen Bevölkerung für ihre Rechte. „Der Austausch zwischen den Dörfern und den Indígena-Organisationen ist intensiver geworden. Die Indígena-Gemeinden tendieren heute mehr dazu, sich mit sozialen Bewegungen und anderen Bereichen der Gesellschaft zusammenzuschließen. Das stärkt und intensiviert den Widerstand der Dorfgemeinschaften“, so die Analyse.
Ein Beispiel sei der Zusammenschluss der Indígena-Gemeinschaften mit den sozialen Bewegungen auf dem Land, insbesondere mit Vía Campesina. Das führte zur erfolgreiche Bekämpfung des Papier-Multi Aracruz Celulose. Der Konzern hatte sich auf den Indígena-Ländereien Tupinikim und Guaraní im Bundesstaat Espírito Santo breit gemacht.
Ein weiteres Beispiel sei die gemeinsame Mobilisierungsarbeit, die die Staatliche Behörde für Indígena-Angelegenheiten FUNAI (Fundación Nacional del Indio) dazu zwang, sich mit der ungeklärten Territorienfrage zu befassen und neue Arbeitsgruppen einzurichten, um die Indígena-Gebiete zu identifizieren und zu kennzeichnen.
Wie der CIMI-Vizepräsident mitteilte, sind für das kommende Jahr weitere Mobilisierungsaktionen geplant, um den Kampf der Indígena-Dörfer zu stärken. Die 450 Missionarinnen und Missionare des brasilianischen Rats hätten vor, in mehr Indígena-Gemeinden Bewusstsein dafür zu schaffen, wie wichtig es ist, für die eigenen Rechte einzutreten und Forderungen nach Anerkennung des Indígena-Statuts zu stellen.
CHILE
Chileninnen lehnten Anwesenheit von Daniel Ortega beim Gipfel der Völker ab
(Santiago de Chile, 8. November 2007, alc.).- Frauenrechtsorganisationen haben die Anwesenheit von Daniel Ortega beim Sozialen Gipfel der Völker abgelehnt, der am 8. November in Santiago de Chile begann und parallel zum gleichzeitig abgehaltenen 17. Iberoamerika-Gipfel stattfand, der die Staatschefs aus Lateinamerika, Spanien und Portugal zusammen bringt.
Die Frauen sind der Auffassung, dass Ortega die Rechte der nicaraguanischen Frauen verletzt. Die mehr als 15 Mitgliederorganisationen der Frauenorganisation „Articulación 28 de Septiembre“ veröffentlichten eine Erklärung, in der daran erinnert wird, dass den nicaraguanischen Frauen im Jahr 2006 das Recht auf eine therapeutische Abtreibung genommen wurde. Dieses Recht galt in dem zentralamerikanischen Land für mehr als hundert Jahre.
„Ortega – damals Präsidentschaftskandidat – hat seine Missachtung der Menschenrechte und der laizistischen Grundsätze des nicaraguanischen Staates offenbart. Er hat das Leben und die Gesundheit der Frauen im Tausch für die Unterstützung durch die katholische Kirche und anderer Kirchen im Wahlkampf aufs Spiel gesetzt.“
Als in diesem Jahr die nicaraguanische Nationalversammlung über das neue Strafgesetzbuch befand, hat sie das Verbot der therapeutischen Abtreibung noch einmal bestätigt. Die Entscheidung wurde erneut mit der Zustimmung der gesamten Fraktion der sandinistischen Abgeordneten getroffen.
„Es überrascht nicht, dass Ortega die Menschenrechte der Frauen verletzt“, betonten chilenische Organisationen und erinnerten daran, dass Ortega wegen der regelmäßigen Vergewaltigung seiner Stieftochter, Zoilamérica Narváez angeklagt worden ist. Zudem ist ein Prozess gegen Ortega vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig.
Di
e Frauenorganisationen sind der Auffassung, dass Ortegas Teilnahme den auf dem Gipfel geschaffenen Raum und die universellen Menschenrechte der Frauen verletze. „Für die chilenischen Frauen, denen unter der Diktatur Pinochets das Recht auf eine therapeutische Abtreibung genommen wurde und denen die jetzige Demokratie die Wiedereinführung dieses Rechts verweigert, ist das Ansinnen der nicaraguanischen Frauen ebenso ein Anliegen.“
ARGENTINIEN
Mindestens 31 Tote bei Gefängnisbrand
(Buenos Aires, 5. November 2007, púlsar).- Bei einem Brand im Männergefängnis der argentinischen Provinz Santiago del Estero sind am 4. November mindestens 31 Gefangene durch Rauchvergiftungen oder Verbrennungen ums Leben gekommen. 19 weitere Gefangene wurden bei dem Brand verletzt, darunter befinden sich auch 9 Schwerverletzte.
Nach Angaben der Gefängnisleitung soll der Brand bei einer Meuterei ausgebrochen sein, die einige Insassen zur Flucht hätten nutzen wollen. Die Gefangenen hielten dagegen, der Brand sei in Folge des repressiven Vorgehens von Gefängniswärtern gegen eine Zusammenkunft von Gefängnisinsassen entstanden. Letztere hatten sich versammelt, um ihren Unmut über die schlechten Haftbedingungen zu bekunden.
„Das Ganze begann damit, dass wir gegen Misshandlungen durch das Personal und gegen die Durchsuchungen von unseren Besucher*innen protestierten. Die Wärter begannen auf uns zu schießen und diejenigen, die keine Luft mehr bekamen, ließen sie einfach liegen, so dass sie verbrannten“, heißt es in einem Brief der Gefangenen, der die argentinische Nachrichtenagentur Telam erreichte. „Zu keinem Zeitpunkt gab es einen Fluchtversuch. Wir fordern, dass Angehörige des Innenministeriums, Anwälte und die Presse Zugang zum Gefängnis erhalten und anwesend sind. Wir wollen nicht, dass die Polizei in die Gefängnistrakte zurückkehrt“, erklären die Gefangenen in dem Brief.
Luisa Suárez, von der Stelle für die Einhaltung der Menschenrechte in der Provinz Santiago del Estero bestätigte, dass sie im Jahr 2007 bereits vier mal Anzeigen der Gefangenen vorgelegt hat, in denen diese sich wegen der Durchsuchung von Familienangehörigen bei Besuchen beschweren.
Die Gefangenen forderten zudem eine schnellere Abwicklung der Gerichtsprozesse, Verbesserungen in der Besuchsordnung, eine bessere Verpflegung sowie Haftverkürzungen.
Die Mehrheit der gegenwärtig 480 Insassen im Männergefängnis Santiago del Estero sitzt dort ein, ohne rechtskräftig verurteilt worden zu sein.
URUGUAY
Senat erklärt Abtreibung für straffrei
(Buenos Aires, 6. November 2007, púlsar). – Der Senat von Uruguay hat am Dienstag, den 6. November, den Gesetzesentwurf “Proyecto de Ley de Salud Sexual y Reproductiva“, der u.a. eine Abtreibung in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft für straffrei erklärt, angenommen. Die Gesetzesinitiative wartet nun auf die Zustimmung der parlamentarischen Abgeordneten.
18 Senatoren stimmten für den Gesetzesentwurf, 13 stimmten dagegen. Am 17. Oktober war derselbe Entwurf zurückgewiesen worden, da es mit 15 zu 15 Stimmen zu einem Unentschieden gekommen war. Das positive Ergebnis bei der erneuten Abstimmung wird nun auf die Anwesenheit der Senatoren Julio Sanguinetti und Julio Lara zurückgeführt. Auch Senator Alberto Cid von der Regierungspartei, der bei der ersten Abstimmung noch gegen das Vorhaben gestimmt hatte, sprach sich nun dafür aus. Zuvor hatte es Kritik an seiner Äußerung gegeben, er sei auch schon für den ersten Gesetzesentwurf gewesen, hätte aber gegen ihn gestimmt, um Präsident Tabaré Vázquez nicht in eine „unbequeme Lage“ zu bringen.
Der bekräftigte nämlich, gegen jeden Gesetzesentwurf, der Abtreibung für straffrei erklären will, sein Veto einzulegen. Ein Veto der Exekutive benötigt allerdings die Stimmen des Ministerrats. Drei der derzeitigen Minister haben jedoch in einer Unterschriftenaktion eine Frau unterstützt, die aufgrund einer Abtreibung vor Gericht steht.
Zwischen 1934 und 1938 war Abtreibung in Uruguay straffrei.
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Koordination in Berlin: Eva Völpel
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