Poonal Nr. 556

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 21. Januar 2003

Inhalt


BOLIVIEN

VENEZUELA

KOLUMBIEN

MEXIKO

URUGUAY

ARGENTINIEN

CHILE

EL SALVADOR

NICARAGUA

GUATEMALA

PUERTO RICO

BRASILIEN

LATEINAMERIKA


BOLIVIEN

Sechs Tote bei Militäreinsätzen gegen Proteste

Von Andreas Behn

(Rio de Janeiro, 18. Januar 2003, npl).- Nach Monaten relativer Ruhe haben in Bolivien heftige Proteste gegen die Politik der Regierung begonnen. Kokabauern und Mitglieder anderer Landarbeiterbewegungen blockieren die Landstraße zwischen Santa Cruz und Cochabamba, die wichtigste Ost-West-Verbindung des Andenlandes. Die Regierung setzt Polizei und Militär gegen die Blockierer ein. Seit Beginn vergangener Woche wurden bei den Einsätzen sechs Aktivisten zumeist durch Schusswaffen getötet, zuletzt starb am Freitag eine Demonstrantin durch den Einsatz von Tränengas. Über 200Menschen sollen festgenommen worden sein, unter den weit über 50 Verletztensollen auch viele Polizisten sein.

Mit den Protestaktionen wollen die Kokabauern verhindern, dass die Regierung mit der Vernichtung von Kokaplantagen fortfährt. Mehrere Wochen lang hatten der Sprecher der Kokabauern, Evo Morales, mit der Regierung verhandelt, umeine einvernehmliche Lösung zu finden. Wie mehrfach in der Vergangenheit wurde der Dialog abgebrochen und die Konfrontation begann. Seitdem versuchen Menschenrechtsorganisationen, die Konfliktparteien erneut an den Verhandlungstisch zu bringen. Doch ein für vergangenen Donnerstag (16.1)geplantes Treffen zwischen Morales und dem neuen Präsidenten Gonzalo Sánchez de Lozada kam nicht zustande. Der Staatschef bestand darauf, dass er erst verhandeln werde, wenn die Blockaden beendet würden. Darauf antwortete der populäre Cocalero und Abgeordnete Evo Morales, der bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Sommer nur knapp hinter Sánchez de Lozada zweiter wurde: „Die Zeit der Verhandlungen ohne Druckmittel ist vorbei. Seit fünf Monaten verhandeln wird schon, aber ohne jedes Ergebnis.“

Hintergrund der Auseinandersetzung, die das südamerikanische Binnenland Bolivien seit Jahren beschäftigt, ist die unterschiedliche Bewertung von „Drogenpolitik“. Die Regierung macht sich bisher die Lesart der USA zueigen, der zufolge jeglicher Anbau von Kokapflanzen unterbunden werden müsse, weil aus ihnen der Grundstoff für Kokain gewonnen wird. Für die Kokabauern und einen Großteil der Bevölkerung hingegen sind Kokablätter eintraditionelles Produkt, das seit jeher zum Eigenverbrauch angebaut und zur Herstellung von Tee oder zum Kauen verwendet wird. Deswegen fordern sie, dass jede Familie ein begrenztes Stück Land zum Kokaanbau nutzen darf.

Dass die Lage in Bolivien, dem ärmsten Land Südamerikas, eskalieren würde, war vorprogrammiert. Zwar gelang es dem konservativen Sánchez de Lozada nach seinem Wahlsieg, eine Koalitionsregierung zu zimmern und die neoliberale Politik der Vorgängerregierung nahtlos fortzuführen. Doch erstmals gibt es eine starke Opposition auch im Parlament: Mehrere linke Bewegungen, vor allem von Indígenas, Bauern und Gewerkschaften, unterstützten die Kandidatur des charismatischen Evo Morales und anderer Indígenas, die jetzt über ein Fünftel der Abgeordneten stellen und die politische Konstellation grundlegend veränderten.

Kristallisationspunkt der Auseinandersetzung ist derzeit das Chapare, die zentralbolivianische Region, in der die meiste Koka angebaut wird. Doch auch in anderen Landesteilen und bei anderen Themen gärt es. So sind gerade rund10.000 Rentner viele Tage lang bis zum Regierungspalast in der Hauptstadt La Paz marschiert, um dort gegen die jüngst beschlossene Kürzung der Renten zuprotestieren. In der Region des Titicacasees haben Landlose der Regierung ein Ultimatum von 30 Tagen zur Einhaltung der Wahlversprechen gestellt,sonst wollen auch sie mit Straßenblockaden ihr Recht auf Ackerlandeinfordern.

Die Partei von Evo Morales, die MAS (Bewegung für den Sozialismus), versucht der weil, die verschiedenen Proteste unter einen Hut zu bringen. Neben ihrem Eintreten für eine andere Drogenpolitik stellt sie der Regierung vor allem drei Forderungen: Mehr Land und Hilfen für die Armen, den Ausstieg aus den Verhandlungen zur Gesamtamerikanischen Freihandelszone ALCA und eine Revidierung der Verträge, auf deren Grundlage Erdgas – das wichtigste Exportprodukt des Landes – zu Billigpreisen an die USA geliefert wird.

VENEZUELA

Machtkampf geht weiter

Von Alvaro Serrano und Roberto Roa,

(Caracas, 18. Januar 2003, npl).- Der Machtkampf in Venezuela geht in eine neue Runde. In einer Rede vor dem Parlament griff Präsident Hugo Chávez am Freitag (17.1.) die Opposition scharf an und erklärte, er werde sich der Forderung nach sofortigem Rücktritt nicht beugen. Erstmals wies er das Militär an, bestreikte Fabriken der Lebensmittelbranche zu besetzen, um die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Zugleich erhielt der umstrittene Präsident des südamerikanischen Landes Unterstützung auf diplomatischer Ebene: Dem neuen Präsidenten Brasiliens, Inácio „Lula“ da Silva, gelang es Mitte vergangener Woche, eine „Gruppe der Freunde Venezuelas“ ins Leben zu rufen, die die Vermittlung zwischen Opposition und Regierung voran bringen soll. Überraschend brach Chávez am Samstag Morgen zu einem Kurzbesuch nach Brasilia auf.

Seit Wochen versucht Cesar Gaviria, Präsident der Organisation Amerikanischer Staaten OAS, eine Verhandlungslösung für die politischen Krise in Venezuela zu finden. Bislang ohne jeden Erfolg. Am Freitag Abenderklärte er frustriert, angesichts „der angespannten Stimmung im Land“ habe er die Gespräche ausgesetzt. Am Montag soll ein neuer Anlauf versucht werden, diesmal im Beisein des früheren US-Präsidenten Jimmy Carter.

Unversöhnlich stehen sich Opposition und Regierung in Venezuela gegenüber. Die Kritiker von Präsident Chávez fordern seinen Rücktritt oder die sofortige Durchführung eines Referendums über seinen Verbleib im Amt. Die Regierung weist diese Forderung als anmaßend zurück: Hugo Chávez sei mitgroßer Mehrheit demokratisch gewählt worden, und ein von der Opposition für den 2. Februar vorgeschlagenes Referendum sei verfassungswidrig. Zugleichbetont Chávez, dass die neue venezolanische Verfassung sogar die Möglichkeit einer Volksabstimmung über das Amt des Präsidenten vorsehe, allerdings erst nach der Hälfte der Amtszeit. Dieser Zeitpunkt werde im August dieses Jahreserreicht sein, und wenn er bei einer solchen Abstimmung verlieren sollte, würde er sofort zurücktreten, so Präsident Chávez.

Offenbar ist die Opposition nicht davon überzeugt, Chávez mittels eines verfassungsmäßigen Referendums aus dem Amt zu drängen. Deswegen setzt sie weiterhin darauf, mit einer Art Generalstreik das Land ins Chaos zu stürzen und die Regierung zu destabilisieren. Vor nunmehr sieben Wochen, am 2.Dezember, riefen der Unternehmerverband FEDECAMARAS und der Gewerkschaftsverband CTV, die mit einigen politischen Parteien und Organisationen in der Plattform „Demokratische Koordination“ zusammengeschlossen sind, den Ausstand aus.

Anfänglich beteiligten sich nur Geschäfte und Kaufhäuser in wohlhabenden Vierteln und einige Unternehmer an dem Streik. Doch wenig später entschieden sich Banken und vor allem die Leitung des staatlichen Erdölkonzerns PDVSA, den Ausstand zu unterstützen. Da inzwischen fast alle Führungskräfte bei PDVSA streiken, kommt es nicht nur zu Versorgungsengpässen. Dem venezolanischen Staat droht der Bankrott, weil die lebenswichtigen Einnahmen aus dem Ölexport ausbleiben.

Präsident Chávez sagte jetzt den „privilegierten Gruppen“, die „Sabotage der Erdölproduktion“ betrieben, den Kampf an. Hinter dem Streik stünden „terroristische und faschistische Tendenzen“, die gleichen, die schon am 11.April vergangenen Jahres einen Putschversuch unternommen hätten. Damals war Chávez von aufständischen Militärs festgenommen worden und konnte erst 48Stunden später nach dem Eingreifen loyaler Militärs und großen Pro-Chávez-Demonstrationen das Präsidentenamt wieder übernehmen.

Zugleich kündigte er an, er werde die Lizenzen einiger privater Fernsehsender, die allesamt in Händen der Opposition sind und ihre Bewegung massiv unterstützen, prüfen. Die frühere Ankündigung, angesichts von Versorgungsengpässen gegen Streiks und Aussperrungen in der Lebensmittelbranche vorzugehen, setze die Regierung erstmals am Freitag um. Soldaten der Nationalgarde besetzten ein Abfüllwerk von Coca-Cola in der Stadt Valencia und begannen mit der Auslieferung der gelagerten Vorräte.

Es sind Maßnahmen, die dem linksnationalistischen Chávez, der vor allem beider verarmten Mehrheit der Bevölkerung breite Unterstützung genießt, kaum helfen werden, der Polarisierung im Land entgegenzuwirken. Allerdings weiß Chávez auch, dass er handeln muss, bevor das Land wirtschaftlich kollabiert. In Bezug auf die stagnierenden Verhandlungen unter OAS-Vermittlung deutete Chávez an, eventuell den Dialog zu beenden, weil man „mit Terroristen nicht verhandeln“ könne. Damit bezog sich der Präsident explizit auf die radikalen Vertretungen von Unternehmern und Gewerkschaften. Statt dessen überlege er, mit demokratisch orientierten Kräften innerhalb der Demokratischen Koordination, insbesondere einigen Politikern der Christ- und Sozialdemokraten, neue Verhandlungen aufzunehmen.

Auf diplomatischem Parkett stärke der neue Präsident Brasiliens, Inácio „Lula“ da Silva, dem umstrittenen Staatschef Venezuelas den Rücken. Ihm gelang es Mitte vergangener Woche, gegen den Widerstand der USA eine „Gruppe der Freunde Venezuelas“ ins Leben zu rufen. Ihr gehören neben Brasilien und den USA noch Chile, Mexiko, Spanien und Portugal an, und sie hat den offiziellen Auftrag, die OAS-Vermittlungen zu unterstützen. Zwar monierte Chávez, dass sowohl Spanien wie die USA vergangenen April den Putschversuchbegrüßt hatten und deswegen einer „Freundesgruppe“ nicht angehören sollten. Aber Brasilien ist es gelungen, die Initiative zu ergreifen: Alle Länder Südamerikas wollten, dass Brasilien eine Führungsrolle auf dem Kontinent übernehme, und er werde dies tun, erklärte „Lula“ da Silva. Eine Haltung, die die USA genauso wenig erfreut wie Lulas Äußerungen zu Venezuela vom vergangenen Donnerstag: „Niemand kann in Frage stellen, dass Chávez der verfassungsmäßige Präsident ist und dass dies der Ausgangspunkt für eine Lösung des Konflikts sein muss.“

KOLUMBIEN

US-Streitkräfte schützen Pipeline

(Bogotá, 15. Januar 2003, na-poonal).- Diesen Monat werden etwa hundert Soldaten us-amerikanischer Spezialkräfte in Kolumbien eintreffen, um die kolumbianische Armee in Aufstandsbekämpfung zu trainieren. Die US-Soldatengehören zu einem Programm für Terrorismusbekämpfung für das 94 Millionen Dollar veranschlagt sind, dessen Ziel ist in Kolumbien, eine Pipeline der kalifornischen Firma Occidental Petroleum zu schützen.

Die Attentate vom 11 September 2001 erlauben den Vereinigten Staaten unter der Regierung Bush ihre Militärpräsenz in Kolumbien unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Terrorismus auszuweiten. Die Entsendung von us-amerikanischen Truppen in eine Region, die so gut wie vollständig von der Guerilla kontrolliert wird, erhöht dramatisch die Gefahr, dass es zu Verlusten unter den US-Soldaten kommt. Eine Handvoll Offiziere der amerikanischen Special Forces befindet sich schon im nordöstlichen Departement Arauca, um in Saravena eine Militärbasis für die erwarteten Truppen zu errichten.

In Saravena an der Grenze zu Venezuela kommt es zu mehr Bomben- und Mörserangriffen als im gesamten restlichen Land – mehr als sechzig waren es allein im November vergangenen Jahres. Die Zone ist eine Bastion der wichtigsten Guerilla-Organisationen des Landes, den Revolutionäre Streitkräften Kolumbiens FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia)und dem Nationalen Befreiungsheer ELN (Ejército de Liberación Nacional).Beide werden auf der Liste der ausländischen terroristischen Organisationenaufgeführt, die von den USA erstellt wurde.

Die 18te Brigade der kolumbianischen Armee wird die Führung über die Aufstandsbekämpfungs-Operationen in Arauca übernehmen und soll die 770Kilometer lange Pipeline Caño Limón schützen. Paramilitärische Einheiten aus der Region, die zu den ACCU (Autodefensas Campesinas de Córdoba y Urabá)gehören, die sich in den letzten Jahren in die Zone verlegt haben, arbeiten eng mit der Armee bei der Bekämpfung der Guerilla zusammen.

MEXIKO

Dokumentation: Drohungen gegen Menschenrechtler in Chiapas

(San Cristobal de las Casas, 9. Januar 2003, poonal).- Wir, die unterzeichnenden Organisationen wollen unsere Sorge und Wut, aufgrund der Verfolgung und Bedrohungen unseres Genossen Ernesto Ledesma Arronte, Mitglieder des Zentrums für politische Untersuchungen der Sozial- und Wirtschaftsforschung CAPISE (Centro de Análisis Político de Investigaciones Sociales y Económicas), zum Ausdruck bringen. Diese abstoßenden Ereignisse lassen uns um die Sicherheit und Integrität seiner Person, seiner Familie und der anderer Mithelfer der Organisation fürchten.

Der erste Angriff geschah am 18. November 2002 als Ledesma abends nach Hause zurück kam, einen starken Gasgeruch bemerkte und feststellte, dass zwei Gashähne des Gasofens aufgedreht worden waren. Des weiteren fiel ihm auf, dass das Küchenfenster geschlossen war, obwohl er diesen Tag den Gasofen nicht benutzt hatte und extra das Fenster geöffnet hatte, bevor er das Haus verließ.

Am ersten Januar diesen Jahres war Ledesma mit Familienmitgliedern zusammen als morgens um 03.01 Uhr das Telefon klingelte. Das Telefon wurde von einem seiner Gäste abgenommen, der nur die Nachricht einer männlichen Stimme hörte: „Hurensohn, wir werden dich töten“. Danach wurde die Verbindung sofort getrennt. Am Bildschirm des Apparates wurde angezeigt, dass der Anruf aus einer öffentlichen Telefonzelle kam.

Zwei Tage später als Ledesma vormittags um 10.30 Uhr in das Büro von CAPISE kam, bemerkte er dass die Tür halboffen war und innen niemand der anderen Mitglieder war, die außer ihm einen Schlüssel der Dienststelle haben. Bis jetzt kann nicht sicher gesagt werden, ob etwas entwendet wurde. Dies legt die Vermutung nahe, dass der Diebstahl nicht der eigentliche Grund des Einbruchs war.

Es ist wichtig klar zu stellen, dass die Arbeit der Genossen von CAPISE die Untersuchung und Enthüllung von Menschenrechtsverletzungen zum Ziel hat, unter anderem die Erklärung der Rolle der Armee und paramilitärischer Gruppen in der Provinz Chiapas.

Der Mangel an Sicherheitsgarantien für die Arbeit der Menschenrechtsverteidiger*innen in der Provinz und im gesamten Land ist keine neue Situation. Trotz des guten Willens der neuen Regierungen erleben wir immer wieder Verbrechen gegen ihre Arbeit, die nicht bestraft werden, wie zum Beispiel der Tod unserer Genossin Digna Ochoa.

Aufgrund dieser Ereignisse wollen wir, die unterzeichnenden Organisationen Folgendes erklären:

* Wir machen die Regierung des Bundes und der Provinz für die Sicherheit und Integrität des Genosse Ernesto Ledesma, seiner Familie und anderer Mitglieder von CAPISE verantwortlich.* Wir fordern eine Untersuchung der oben genannten Tatbestände durch die Staatsanwaltschaft der Provinz. Sie muss baldmöglichst überzeugende und unwiderlegbare Ergebnisse über die Verantwortlichen dieser abstoßenden Vergehen vorlegen.* Wir verlangen ein Ende der Angriffe gegen MenschenrechtsverteidigerInnenin der Provinz Chiapas und im ganzen Land.

Es unterzeichnen: Zentrum der Menschenrechte Fray Bartolomé de las Casas,A.C. (Centro de Derechos Humanos Fray Bartolomé de Las Casas, A.C.); Zivile Vereinigung (Enlace Civil), Melel Xojobal A.C.; CIDECI, Laneta in Chiapas, CIEPAC, Bürgerverband Chiapas (Alianza Cívica Chipas), Zentrum derIndianerrechte A.C. (Centro de Derechos Indígenas A.C.), Kommunalnetz derVerteidiger der Menschenrechte (Red de Defensores Comunitarios por losDerechos Humanos), EDUPAZ, A.C., Zentrum der Menschenrechte Fray PedroLorenzo de la Nada (Centro de Derechos Humanos Fray Pedro Lorenzo de la Nada, A.C.), SIPAZ, DESMI, A.C.

Mexikos Bauern laufen Sturm

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 19. Januar 2003, npl).- Als wütende Landwirte am 10.Dezember des vergangenen Jahres Absperrungen zum mexikanischen Abgeordnetenhaus niederbrachen und mit Pferden ins Parlament einritten, war die Entrüstung einiger Mandatsträger und der Regierung groß. Möglicherweise müssen sie sich in den kommenden Monaten auf weitaus heftigere Proteste einrichten. Immer mehr mexikanische Bauern laufen Sturm gegen die Agrarpolitik ihrer Regierung. Unter anderem fordern sie eine Neuverhandlung des Agrarkapitels im Nordamerikanischen Freihandelsvertrag NAFTA zwischen Mexiko, Kanada und den USA. Mit den heute (Montag, 20.01.) beginnenden Nationalen Aktionstagen zur Rettung der Landwirtschaft läuft eine neue Mobilisierungswelle der verschiedenen Bauernorganisationen an. Eine Doppelstrategie aus Verhandlungen und verschiedensten Prostestinitiativen soll Präsident Vicente Fox und sein Kabinett zu Zugeständnissen zwingen.

Vor allem die kleinen und mittelständischen Landwirte sind international nicht wettbewerbsfähig. Sie machen mit ihren Familien die überwältigende Mehrheit der mindestens 20 Millionen Menschen zählenden mexikanischen Landbevölkerung aus. Das ist ein Fünftel der Gesamtbevölkerung. Der Zorn der Bauern richtet sich nicht nur gegen die eigene Regierung, sondern genauso gegen die USA. Mit der im vergangenen Jahr verabschiedeten „farm bill“ hat Washington die Agrarsubventionen für die eigenen Landwirte noch einmalkräftig erhöht. Dagegen sind die Hilfen für die mexikanischen Bauern in den vergangenen Jahren systematisch abgebaut worden. Durchschnittlich kann ein US-Landwirt pro Jahr mit 22 000 Dollar Subvention rechnen. Dagegen machen sich die 700 bis 800 Dollar staatlicher Unterstützung auf mexikanischer Seite lächerlich aus.

Diese Asymmetrie stört die US-Repräsentanten wenig. Sie weigern sich kategorisch, NAFTA-Bestimmungen neu zu verhandeln. Den seit Anfang Januaroffiziell in Kraft getretenen Wegfall von Einfuhrzöllen für fast alle Agrarprodukte auszusetzen, wie es so gut wie geschlossen die mexikanischen Bauernorganisationen fordern, bedeutete für den US-Agrarstaatssekretär J.B.Penn von Anfang an einen „negativen Präzedenzfall“. Sein Kollege Grant Aldonas aus dem Handelsministerium warnte angesichts der Proteste vor einer „Politisierung“ des Themas.

Im Grunde denken ihre Regierungspendants auf der anderen Seite des Rio Bravo genauso. Der mexikanische Landwirtschaftsminister Javier Usabiaga betont bei jeder Gelegenheit, nur Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit böten den einheimischen Agrarproduzenten eine Überlebenschance. Wer dazu nicht in der Lage sei, solle „sich besser andern Dingen widmen“. Die „ländliche Bittstellergesellschaft“ müsse zurückgelassen werden. Die riesigen Subventionsunterschiede und die Tatsache, dass die Landwirtschaft für viele seiner Landsleute nicht nur Lebenserwerb, sondern auch Lebensform ist, erwähnt Usabiaga in der Regel nicht. Er selbst ist als Agroindustrieller mit dem Spitznamen „Knoblauchkönig“ auf der sicheren Seite.

Mit einem angekündigten Erlass von Steuerschulden, einer neuen Landkreditbank und der erklärten Bereitschaft, einen nationalen Landwirtschaftspakt zu verhandeln, versucht die Regierung andererseits, die aufgebrachten Bauern zu besänftigen. Ob dies gelingt, ist fraglich. Zu groß sind Skepsis und Misstrauen. Ein erster Verhandlungsanlauf scheiterte, in den kommenden Tagen wird voraussichtlich ein zweiter Versuch unternommen. Um die vor wenigen Wochen gegründete Protestbewegung „Die Landwirtschaft hält nicht länger aus“ scharen sich immer mehr Bauernorganisationen. Unterschiede zwischen radikalen und gemäßigteren Gruppen werden derzeit zugunsten der Suche nach einem gemeinsamen Vorgehen zurückgestellt. Als gemeinsame Hauptforderung steht immer wieder die Neuverhandlung des NAFTA-Agrarkapitel im Mittelpunkt. Springt die Regierung in diesem Punkt nicht über ihren Schatten, muss sie sich auf viele Nationale Aktionstage einstellen.

URUGUAY

Anschläge gegen Büros der Frente Amplio

(Montevideo, 11. Januar 2003, comcosur-poonal).- Unbekannte brachen letzten Donnerstag (9.1.) am frühen Morgen in das Büro des Basiskomitees des Barrios Casabó, westlich von Montevideo, ein und setzten das Gebäude in Brand. Zuvor hatten sie die Möbel zerstört und vermutlich Dokumente entwendet. Feuerwehrmänner der nahegelegenen Wache des Stadtviertels El Cerro trafen kurz darauf, von einem Nachbarn, der das Feuer entdeckt hatte, alarmiert, ein. Sie waren machtlos gegen die Flammen und trotz zwei Stunden harter Arbeit blieben nur glühende Trümmer zurück. Allerdings half die schnelle Entdeckung des Verbrechens eine Ausbreitung der Flammen auf die Nachbarhäuser zu verhindern.

Am gleichen Morgen fanden Mitglieder der Bewegung der Volksbeteiligung MPP(Movimiento de Participación Popular) ihr Büro im Barrio El Cerro aufgebrochen vor. Zwei der drei Türschlösser waren aufgebrochen und das vierte, ein massives Vorhängeschloss, war von einer Eisenstange durchbohrt. Man vermutet, dass die Täter entweder aufgrund des Eintreffens eines Polizeiwagens oder von Passanten fliehen mussten und damit ihre Tat nicht beenden konnten.

Der Vizesekretär des Innenministers, Daniel Borreli, meinte, da der Vorfall im Büro des Basiskomitees im Barrio Casabo von der Feuerwehr als Brandstiftung klassifiziert wurde, auch der Einbruch in das Gebäude des MPP ein politischer Anschlag gewesen sein könnte. Borreli äußerte sich nicht dazu, wie die Polizei die Tat verfolgen werde, schloss aber nicht aus, dass der Geheimdienst der Polizei sich einschalten werde.

ARGENTINIEN

Direktorin der Tageszeitung Clarin angeklagt

(Lima, 15. Januar 2003, na-poonal).- Bundesrichter Roberto Marquevich hat am 8.Januar entschieden den Prozess gegen die 77-jährige Ernestina Herrera de Noble, Direktorin der auflagenstärksten argentinischen Tageszeitung Clarín, zu eröffnen. Der Grund dafür liegt in vermuteten Regelwidrigkeiten bei den Adoptionsverfahren ihrer zwei Kinder im Jahr 1976. Die Maßnahme beinhaltet auch die Beschlagnahme ihrer Güter im Wert von 1 Million Peso (etwa 300.000US-Dollar).

Im Jahre 1995 hatten die „Großmütter der Plaza de Mayo“ einen Prozess gegen Herrera angestrebt, in welchem sie sie beschuldigten zwei Kinder von verschwundenen Personen aus der Zeit der Militärdiktatur (1976-83) adoptiert zu haben. Laut Estela de Carlotto, Präsidentin der „Großmütter der Plaza de Mayo“ erhielt ihre Organisation „stetige Anzeigen dafür, dass die Adoptivkinder Herrera de Noble von Militärkräften übergeben wurden“. Herreraerlaubte nie dass ihre Adoptivkinder -ein Junge und ein Mädchen- genetischen Tests unterzogen wurden, um herauszufinden ob sie Nachkommen von Vermissten sind.

Die Großmütter und HIJOS – eine Organisation von Kindern vermisster Personen- arbeiten mit dem Ziel anderen Jugendlichen zu helfen, die als Kinder von der Militärdiktatur entführt wurden, damit sie ihre wahre Identität entdecken.

Ex-Diktator Galtieri gestorben

(Lima, 15. Januar 2003, na-poonal).- Am 12. Januar starb im Alter von 76 Jahren General Leopoldo F. Galtieri, der das Land von Dezember 1981 bis Juni 1982regierte, infolge eines Herzstillstands.

Galtieri, einer der vier Präsidenten der argentinischen Militärdiktatur(1976-83), erklärte im April 1982 Großbritannien den Falklandkrieg, der nachzwei Monaten blutiger Kämpfe gegen die britischen Truppen mit der Kapitulation der argentinischen Streitkräfte endete.

Der ehemalige Militär wurde 1983 wegen der Niederlage im Falklandkrieg zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt, jedoch schon 1989 begnadigt. Seit Juli2002 stand er unter Hausarrest, weil er des Verschwinden lassens von 18Mitgliedern der Guerillagruppe Montoneros im Jahr 1978 beschuldigt wurde. Außerdem wurde er dafür verantwortlich gemacht, illegaler Weise Kinder an sich genommen zu haben, deren Mütter sie während seiner Amtszeit in Haftgeboren hatten.

CHILE

Diskriminierung von Homosexuellen

(Santiago de Chile, 15. Januar 2003, na-poonal).- Anfang Januar veröffentlichte die Bewegung für homosexuelle Integration und Befreiung MOVILH (El Movimiento de Integración y Liberación Homosexual) erstmals einen Jahresbericht übersexuelle Minderheiten im Land. Die Studie dokumentiert 46 Fälle von öffentlicher Diskriminierung Homosexueller im Jahr 2002, u.a. durch Senatoren, Bischöfe, Pastoren, Journalisten, Schriftsteller, Fernsehmoderatoren und den Präsidenten eines Fußballclubs.

Der Bericht verurteilt zudem Institutionen, einschließlich zweierstaatlicher Organisationen, dem Amt für Statistik und dem nationalen Aufsichtsrat des Fernsehens, die sowohl aktiv als auch passiv, diskriminierendes oder agressives Verhalten Homosexuellen gegenüber unterstützen bzw. selbst demonstrierten. Nach Aussagen von MOVILH liegt die tatsächliche Rate der Diskriminierung sexueller Minderheiten weitaus höher, was sich durch die Furcht vieler betroffener Homosexueller erklärt, Gewalttaten und Diskriminierungen zur Anzeige zu bringen.

Der Bericht veröffentlicht auch positive Ereignisse auf legislativer und exekutiver, sozialer, kultureller und wissenschaftlicher Ebene. Wie zum Beispiel die Herausgabe und den Internetauftritt von 'Opus Gay' der ersten schwulen chilenischen Zeitung im Mai vergangenen Jahres.

EL SALVADOR

Proteste gegen die Privatisierung des Gesundheitswesen

(Montevideo, 12.Januar 2003, comcosur-poonal).- Ungefähr zwanzig vermummte Gegner der Privatisierung des Gesundheitswesens und der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens zwischen Zentralamerika und den Vereinigten Staatenbesetzten die Kathedrale der Hauptstadt El Salvadors. Kurz darauf sperrte die Polizei das Gebäude ab.

Die unbekannten Besetzer stellten für ihren Rückzug aus der Kirche die Bedingung, dass Verhandlungen zwischen der Regierung El Salvadors und den seit vier Monaten im Streik befindlichen Ärzten beginnen sollen. Die Forderung wurde nach einem Besuch der Kathedrale durch den Weihbischof El Salvadors, Monseñor Gregorio Rosa Chávez, und der Menschenrechtsbeauftragten Beatrice Alamanni, in einer Pressemitteilung verbreitet. Beide trafen sich mit den unbekannten Besetzern in der Kathedrale und nahmen das Schriftstück entgegen, in dem diese erklären, dass sie solange in dem Kirchenbau bleiben würden, bis sie eine Antwort der neoliberalen Regierung des Präsidenten Francisco Flores erhalten hätten.

Die Besetzer wollen, dass durch den Dialog zwischen der Regierung und den Ärzten der Streik des salvadorianischen Gesundheitsinstitutes ISSS(Instituto Salvadoreño del Seguro Social) beendet wird. Dieser Streik begann am 19. September letzten Jahres und richtet sich gegen die Privatisierung der Krankenhäuser. Die Besetzung der Kirche fand parallel zu Protesten statt, bei denen Tausende Demonstranten Straßen blockierten und von der Regierung eine Lösung des Ärztestreiks forderten. Die Proteste wurden von der Bürgerbewegung gegen die Privatisierung des Gesundheitswesens ACP(Alianza Ciudadana contra la Privatización de la Salud) unterstützt.

Der Streik aktivierte die sozialen und gewerkschaftlichen Bewegungen im Land und radikalisierte sich, nachdem es den rechten Kräften im Kongress durcheine Intrige Ende Dezember gelungen war, ein Dekret, das die Privatisierung des Gesundheitswesen verbietet, außer Kraft zu setzen. Diesem Dekret hatte die Opposition zuvor zugestimmt. Der Generalsekretär der salvadorianischen Gewerkschaft des Gesundheitswesens STISSS (Sindicato de Los Trabajadores del Instituto Salvadoreño del Seguro Social) Ricardo Monge versicherte, dass manche Behörden in den kommenden Tagen beweisen werde, dass das Ärztegremium und die Angestellten des Gesundheitswesen noch nicht besiegt seien.

NICARAGUA

Staatsanwalt will Pestizidopfern Entschädigungen entziehen

(Managua 15. Januar 2003, na-poonal).- Der Staatsanwalt Francisco Fiallos wurde von Menschenrechtsaktivisten und Arbeitern von Bananenplantagen hart kritisiert. Er hatte in einem Bericht um die Annullierung des Gesetzes ersucht, das anordnet eine Entschädigung an 8000 Menschen zu zahlen, die von Dibromchlorpropan DBCP geschädigt wurden. Es handelt sich um einen Giftstoff zur Wurmbekämpfung, der beim Mensch Krebserkrankungen und Probleme in der Leber und in den Nieren hervorrufen kann, sowie zu Schädigungen bei Neugeborenen führt.

Das im Oktober 2000 verabschiedete Gesetz billigt jedem Arbeiter mindestens100.000 US-Dollar zu, der nachweisen kann, das er durch das chemische Mittel „physisch oder psychisch geschädigt“ wurde. Gegen die transnationalen Bananenkonzerne Standard Fruit Co. und Chiquita Brands International wurden ebenso wie gegen die Chemiewerke Dow, Occidental und Shell Schadensersatzprozesse eingeleitet. Jacinto Obregon, als Anwalt Vertretereiniger der angeklagten Unternehmen, begrüßte den Bericht von Fiallos, in dem er bestätigt, dass nicht alle Arbeiter die gleiche Entschädigung erhalten sollten, da sie in verschiedenem Grad geschädigt wurden. Jose Antonio Alvarado, Staatssekretär des Präsidenten Enrique Bolano, bat um Entschuldigung für die Initiative von Fiallos. Er erklärter, dass dieser „auf eigene Rechnung gehandelt hätte und nicht auf Anweisungen des Präsidenten“.

GUATEMALA

Bäuerinnen verhindern Räumung

(Guatemala-Stadt, 10 Januar 2003, cerigua- poonal).- Juan Francisquez, Vorsitzender des Nationalen Rates der Indígenas und Bauern (K'utb'al B'ey) gab bekannt, dass Bäuerinnen aus den Gemeinden San Miquelito, El Estor und Izabal den Einmarsch von 400 Polizisten der Spezialeinheit FEP (Fuerzas Especiales de la Policía ) blockierten, die vorhatten, die Bewohner zu vertreiben.

Am 7.Januar seien etwa 400 Polizisten einer Spezialeinheit sowie Vertreter des Staatsministeriums in der Gemeinde San Miguelito erschienen, um die Anweisung auf Räumung der Gemeinde auszuführen. Bäuerliche Familien hatten am 12.Oktober vergangenen Jahres das Land, welches heute zur Gemeindegehört, besetzt.

Etwa 300 Frauen und Mädchen hätten ungefähr 200 Meter vom Eingang der Gemeinde entfernt, eine Reihe gebildet und von Het Waldemar Barrer, dem Menschenrechtsbeauftragten aus Izabal gefordert, er solle zwischen dem Vertreter des Innenministeriums und den Polizeikräften vermitteln.

Francisquez meinte, dass durch die Organisation der Frauen und das Eingreifen des Mitarbeiters des Menschenrechtszentrums erreicht wurde, das die Verantwortlichen Abstand davon nahmen, die Vertreibung auszuführen. Trotzdem kam es zu Ärger mit den Spezialeinheiten der Polizei, die versuchten gewaltsam in die Gemeinde einzudringen.

Beschwerden von Justizarbeitern an die UN

(Guatemala-Stadt, 16.Januar 2003, cerigua-poonal).- Laut Param Cumaraswamy, dem UN-Sonderberichtserstatter für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten sei der Anstieg von Gewalttaten gegen Angestellte in Rechtsberufen die hauptsächliche Beschwerde, die bei der Vereinigung von Rechtsanwälten und Richtern am Obersten Gerichthofes AJMOJ (Asociación de Jueces y Magistrados de la Corte Suprema de Justicia ) eingehe.

In einem Schreiben, an den UN-Sonderberichtserstatter diese Woche, äußern die Justizarbeiter ihre Bestürzung und ihre Besorgnis über den Mord an Verwaltungsrichter Héctor Mauricio Rodríguez Argueata und über das Attentat auf die Richterin Jackelin España.

Sie bitten die Vereinten Nationen bei der guatemaltekischen Regierung mehr Sicherheit für Personen in Rechtsberufen einzufordern. In den letzten Wochen gab es mehrere Opfer von Gewalttaten durch unbekannte Gruppen.

Laut einer Erklärung von Dina Ochoa, der Präsidentin von AJMOJ werden die verantwortlichen Behörden auch aufgefordert vorbeugende Maßnahmen zu erlassen um die körperliche Unversehrtheit der guatemaltekischen Justizarbeiter zu garantieren.

Vor dem maßlosen Anwachsen der Gewalt im Land und der Passivität der Verantwortlichen die Vorfälle zu untersuchen und Sicherheit zu gewährleisten hat die Myrna Mack-Stiftung dem UN-Sonderberichtserstatter einen Berichtgeschickt, der detailliert die Todesdrohungen, die Bedrohungen, Attentate und Morde aufführt, die es gegen Richter, Aktivisten und Führer sozialer Bewegungen gab.

In ihrem Bericht schreibt die Stiftung, dass trotz der schwerwiegenden Situation, sich heraus gestellt habe, dass der guatemaltekischen Regierung der politische Wille fehle um die verschiedenen Gewalttaten zu verfolgen und die dafür Verantwortlichen zu verurteilen.

Laut Carlos Larios Ochaita, dem Präsident des Obersten Gerichthofes, gab es im Jahr 2001 56 Todesdrohungen gegen Justizangestellte. Im vergangenen Jahrwaren es 76 und auch in diesem Jahr wurden schon zwei Personen bedroht.

PUERTO RICO

Abzug der US-Marine aus Vieques ist endgültig

(Puerto Rico, 13. Januar 2003, adital-poonal).- Der Kampf zwischen der US-Kriegsmarine und der Bevölkerung der puertorikanischen Insel Vieques hat am Freitag (10.1.) sein Ende gefunden. Marine-Chef Gordon England übergab dem Kongress ein Absichterklärung, in dem er das Ende der Kriegsmanöver auf der Insel Nena ab dem 1. Mai diesen Jahres und die Verlegung der Übungen an verschiedene Truppenübungsplätze im Südosten der Vereinigten Staatenerklärte.

Aufgrund des „National Defence Authorization Act“ aus dem vorigen Jahr musste England bestätigen, dass die Marine eine „gleiche oder bessere“ Möglichkeit als Vieques gefunden hatte, um den Schiessplatz auf der Insel Nena schließen zu können.

Nach Treffen mit Kongressmitgliedern, die für die Streitkräfte zuständigen Komitees, übergab England offiziell dem Kongress am Freitag eine Sammlung von Dokumenten, in dem eine „neue Strategie“ zur Ausbildung der Marine- und Infanterie-Angehörigen ausgeführt ist.

„Wir haben unsere Trainingsprogramm analysiert und eine neue Strategieentwickelt, um ein effektives Training unserer Soldaten zu gewährleisten“, sage England. „Es ist wichtig, dass die Marine heute ein Trainingsprogramm aufstellt, dass gewährleistet, dass die Seestreitkräfte einsatzfähig sind. Das ist genau das, was die neue Strategie erreicht.“

Wie man bereits im vergangenen Oktober vorveröffentlicht hatte, ist die Marine dabei, ein virtuelles Trainingsprogramm für ihre Piloten zu entwickeln. VAST, „Virtual At Sea Training“ sieht Seetonnen auf hoher See vor, die als Ziele aus der Luft dienen. Solche Übrungen sollen in Zukunft im Golf von Mexiko oder dem Atlantik stattfinden. Dabei werden Luftbasen in Florida, Georgia und Nord-Carolina zur Unterstützung des Trainings benutzt.

Mit der Übergabe der Bestätigung an den Kongress durch England endet ein Kapitel der Spannung zwischen den US-Streitkräften und der Regierung von Puerto Rico, das bereits sechs Jahrzehnte andauert. Seinen Höhepunkteerreichte die Auseinandersetzung am 19. April 1999. Ein Marinepilot, der niemals identifiziert wurde, warf irrtümlich über dem Schiessplatz von Vieques zwei Bomben ab und tötet dabei das Mitglied der zivilen Wache, David Sanes Rodríguez.

BRASILIEN

Außenministerium kritisch gegenüber Freihandelsabkommen ALCA

(Montevideo, 10. Januar 2003, pulsar-poonal).- Der neue Chef der brasilianischen Außenpolitik, Celso Amorim, überraschte diplomatische Kreise mit der Ernennung von Pinheiro Guimaraes als seinen Hauptberater. Pinheiro Guimara es wurde in den letzten zwei Jahren als Sprecher der Anti-ALCA-Bewegung bekannt, weswegen er vom letzten Außenminister, Celso Lafer, seines Postens als Direktor des Forschungsinstituts für Internationale Beziehungen enthoben wurde.

Guimares zufolge, der auch schon beim letzten Weltsozialforum in Porto Alegre aktiv war, stelle der gesamtamerikanische Freihandelsvertrag ALCA eine Art Annexion der Länder Lateinamerikas durch die USA dar. Er bringe den Ländern Souveränitätsverlust sowie die Unmöglichkeit, nationale Entwicklungsprojekte in Gang zu setzen.

Außenminister Amorim selbst ist ein mit der Linken verbündeter Diplomat, der vor der Welthandelorganisation WTO als unnachgiebiger Verteidiger der nationalen Interessen auftrat. Das südamerikanische Handelsabkommen Mercosur und die Integration Südamerikas seien die Prioritäten der neuen Regierung, aber die brasilianische Außenpolitik werde sich weder auf eine einzige Region oder Gruppe von Ländern konzentrieren noch auf eine Dimension beschränken, sagte der neue Außenminister.

Präsident Lula hatte zuvor erklärt, dass er mit den USA „reife Beziehungen auf der Basis von wechselseitigen Interessen und gegenseitigem Respekt“ aufrechterhalten wolle. Gleichzeitig werde er sich großen Schwellenländern wie China, Indien, Russland und Südafrika annähern.

„Unsere Außenpolitik wird die Sehnsucht nach Veränderungen, wie sie sich in den Wahlurnen ausdrückte, widerspiegeln und wird in erster Linie ein Instrument zur nationalen Entwicklung sein,“ betonte Lula bei der Übernahme der Präsidentschaft.

Weltsozialforum in Porto Alegre

Von Andreas Behn

(Berlin 14. Januar 2003, npl).- „Mit dem ersten Weltsozialforum wurden Alternativen wieder denkbar, auf dem zweiten wurden diese entwickelt und konkretisiert. Beim dritten Forum stehen wir vor der Herausforderung: Wenn es diese Alternativen gibt, wie sollen wir sie umsetzen?“ Auf diese kurze Formel bringt Neuri Rossetto, Mitglied der Leitung der brasilianischen Landlosenbewegung MST, die bisherige Geschichte der Weltsozialforen (WSF) in Porto Alegre.

Ursprünglich war das Weltsozialforum als Gegeninitiative zum Weltwirtschaftsforum geplant, zu dem sich jeden Januar die Spitzen der Unternehmens- und Finanzwelt im schweizerischen Davos zusammenfinden. Doch hat das WSF schnell einen eigenständigen, wenn auch etwas diffusen Charakterentwickelt. Das einende Motto ist „Eine andere Welt ist möglich“ und die in einer Charta festgehaltenen Prinzipien sind ebenfalls sehr breit gefasst: gegen „Neoliberalismus, Herrschaft des Geldes und jede Form von Imperialismus“ und für „Demokratie, soziale Gerechtigkeit, Ökologie und Selbstbestimmung“. So entwickelte sich das WSF zu einer Plattform von Nichtregierungsorganisationen, Basisbewegungen und Intellektuellen, zum alljährlichen Mammuttreffen einer Bewegung, die seit den Protesten in Seattle und Genua weltweit mobil macht.

Zum dritten WSF werden in der südbrasilianischen Stadt weit über 100.000Teilnehmer*innen erwartet. Darunter knapp 30.000 Delegierte von 4.900 Organisationen aus 121 Ländern. Für die Woche ab dem 23. Januar sind rund 1.700 Seminare, Workshops und andere Veranstaltungen geplant, es wird Aktionen, Konzerte und Demonstrationen geben. Neben dem eigentlichen Forum wird es noch andere Treffen geben, zum Beispiel ein Jugendcamp oder eine zweitätige Weltversammlung der Bauern und Bäuerinnen. Auch zahlreiche Intellektuelle wie Eduardo Galeano, Arundathi Roy oder Samir Amin haben ihr Kommen angekündigt.

Neben Debatten über die Rolle der Zivilgesellschaft und Diskussionen über Sinn und Unsinn von Globalisierung ist aber auch interner Streitvorprogrammiert. Schon beim zweiten Forum vergangenes Jahr störten sich viele daran, dass es spezielle Treffen und Angebote für die sogenannten VIPs, die Ikonen der Bewegung gab. Dieses Jahr wird befürchtet, dass die NROs noch dominanter als bisher auftreten und die Richtung der Diskurse bestimmen werden. Dadurch würden die Forderungen verwässert und radikale Positionen ausgegrenzt, so die Kritik von Basisbewegungen und Unorganisierten. Insbesondere dem Anti-Globalisierungs-Netzwerk ATTAC, das bei der Gründung des WSF im Januar 2001 Pate stand, wird immer wiedervorgeworfen, die Bewegung zu vereinnahmen. Auch in Porto Alegre hätten die Reichen und Europäer mehr zu Sagen, weil sie das Geld haben hinzufahren, kommentierte eine Teilnehmerin letztes Jahr.

Fragwürdig wird auch die Rolle der brasilianischen Arbeiterpartei PT. Sie stellt in Porto Alegre seit langem die Stadtregierung und konnte so die Ausrichtung des WSF gewährleisten. Viele befürchteten jedoch, dass sie als linke Partei versucht, das Forum in ihrem Sinne zu beeinflussen und es als Werbeplattform für die eigene Politik zu nutzen. Zumal die PT seit Beginn dieses Jahres mit Inácio Lula de Silva den neuen Präsidenten Brasiliens stellt.

Es wird allerdings vorerst das letzte Weltsozialforum in Brasilien sein, das nächste soll auf einem anderen Kontinent stattfinden. Schon die Vorbereitungen für dieses Treffen wurden dezentralisiert, in allen fünf Erdteilen gab es Vorbereitungstreffen und diverse thematisch oder regionalorientierte Foren. Dennoch wird die Tatsache, dass das WSF in Lateinamerika stattfindet, erneut dazu führen, dass dieser Subkontinent und seine Themeneinen Schwerpunkt bilden werden.

Neben dem bevorstehenden Krieg im Irak und dem US-Feldzug gegen alles Böse in der Welt werden Auswirkungen und Kämpfe gegen die neoliberale Globalisierung das zentrale Thema in Porto Alegre sein. Lateinamerika ist dafür als Beispiel bestens geeignet: Hier begann bereits in den 70-er Jahren die unheilvolle Zusammenarbeit von autoritären Regierungen mit der neoliberalen Doktrin, zuerst in Chile unter Pinochet, später in Argentinien und anderen Ländern. Staaten, die durch die zunehmen Auslandsverschuldung in Abhängigkeit gebracht wurden und deren Bevölkerung durch repressive Regimeeingeschüchtert waren, eigneten sich bestens dazu, das Primat der Ökonomie durchzusetzen. Stabile Währungen, Sparmassnahmen und Exportorientierung wurden zu Dogmen erhoben, die fast in allen Ländern die Verarmung und Verelendung der Mehrheit vorantrieb, während Unternehmen und wenige Reiche ein Vermögen verdienten.

Galten die 80-er Jahre in Lateinamerika noch als das „verlorene Jahrzehnt“, weil es nicht voran ging, so ging es in den 90-ern nur noch bergab. Gleichzeitig entstanden neue, schlagkräftige Bewegungen wie die Zapatisten in Mexiko, die Koka-Bauern und Indígenas in Bolivien und Ecuador oder die brasilianische Landlosenbewegung, und der Unmut über korrupten Eliten und ihre Politik nahm zu. So konnten seit Ende der 90-er Jahre linke Parteien oder Bewegungen erstmals auch bei Wahlen Erfolge feiern: Zuerst in Venezuela, wo Hugo Chávez mit einem populistischen und linksnationalen Diskurs zum Präsidenten gewählt wurde und seitdem gegen den erbitterten Widerstand der alten Elite versucht, die Privilegien der Reichen zu beschneiden und eine „bolivarianische Revolution“ gegen das bisherige korrupte Zweiparteiensystem aufzubauen.

Es folgte der bolivianische Kokabauer Evo Morales, der Mitte 2002 mit einem radikalen linken Diskurs überraschend den zweiten Platz bei den Präsidentschaftswahlen belegte. Dass erstmals eine große Zahl Indígenas ins Parlament einzog, veränderte eindeutig die Machtverhältnisse und die Stimmung in dem Land, dessen Regierungen am konsequentesten den neoliberalen Ausverkauf betrieben hatten. Wenig später kam eine weitere Überraschung aus einem Andenland: In Ecuador ist der Ex-Militär Lucio Gutiérrez zum Staatschef gewählt worden, nachdem die starke Bauern- und Indígenabewegung ihm ihre Unterstützung zugesagt hatte. Erwartungsgemäß gewann dann Lula die Präsidentschaftswahl in Brasilien. Zwar ist er von allen erwähnten Politikern der gemäßigste, dafür regiert er in einem Land, das wirtschaftlich, politisch und strategisch eine zentrale Rolle auf dem Kontinent spielt. Fehlt noch das kleine Nachbarland Uruguay, in dem die Linke gute Aussichten hat, den nächsten Präsidenten zu stellen.

Nun ist keineswegs ausgemacht, welche Politik diese neue Regierungenbetreiben werden, ob sie willens oder in der Lage sind, im Sinne ihrer Wählerschaft eine andere, sozial gerechtere und demokratische Politik zu betreiben. Aber die Botschaft, dass es so wie bisher nicht weiter geht, ist deutlich. Zumal da noch Argentinien ist, das erste Land, in dem das Wirtschaftssystem nach jahrelangen Ausplünderungen kollabierte. Hier stürzte ein Aufstand vor gut einem Jahr die Regierung, doch die Mehrheit der Protestbewegung weigert sich zu versuchen, über Wahlen an die Schalthebender Macht zu gelangen. Statt dessen werden neue Wege gesucht: Handel ohne Geld auf sogenannten Tauschmärkten und die Organisierung von unten in Stadtteilversammlungen. Bislang ohne nennenswerten Erfolg, da die Peronisten nach wie vor das Land nach ihren Vorstellungen regieren. Doch Argentinien ist nicht nur Symbol für das Scheitern des Neoliberalismus, sondern auch ein Ort, an dem Alternativen und neue Ideen gedacht und ausprobiert werden – anderes bleibt den Menschen auch kaum übrig.

Angesichts dieser neuen Konstellation ist die eingangs von Neuri Rossetto formulierte Frage nach der Umsetzung von Alternativen durchaus realistisch. Im Gegensatz zu früheren Zeiten ist es sozialen Bewegungen jetzt möglich, neue Spielräume zu nutzen und mittels politischem Druck Einfluss zu nehmen. Zumal in der lateinamerikanischen Linken nicht nur darüber diskutiert wird, wann linke Parteien sich selbst untreu geworden sind und wann man sich endlich von ihrer Politik distanzieren kann. Statt dessen werden neue Bündnispartner gesucht, ohne eigene Positionen und politische Strategienaufzugeben. Dies ist der Fall der Kokabauernbewegung in Bolivien, die beider Entkriminalisierung des Kokaanbaus sowohl auf ihre parlamentarische Vertretung wie auf Straßenproteste setzt. Oder die Landlosenbewegung in Brasilien, deren Drängen auf eine Landreform keineswegs ein Ende der Landbesetzungen bedeutet.

In diesem Kontext wird in Porto Alegre ein Thema ganz oben auf der Tagesordnung stehen: die gesamtamerikanischen Freihandelszone ALCA. Seit mehreren Jahren wird dieses Projekt von den USA vorangetrieben, die sich von einem gemeinsamen Markt von Alaska bis Feuerland eine bessere Ausgangsposition im Wettstreit mit der EU und dem asiatischen Raumversprechen. Während fast alle Regierungen in Lateinamerika diesem Planüberzeugt oder notgedrungen zugeneigt sind, wird der Protest dagegen immerbreiter. Die Kritiker der ALCA befürchten nicht nur, dass die lateinamerikanischen Wirtschaften mit dem übermächtigen Norden nicht konkurrieren können, dass sie von Importen überschwemmt werden, während sie selbst nur billige Arbeitskräfte und Rohstoffe anzubieten haben. Sie warnen auch davor, dass die ALCA-Vereinbarungen Unternehmen so viele Rechte zubilligen, dass sie politische Entscheidungen direkt beeinflussen können und sogar Staaten vor Gericht wegen „entgangener Gewinne“ verklagen können.

Es ist nicht verwunderlich, dass fast alle Themen, die im Rahmen der gesamtamerikanischen Freihandelszone im Sinne der wirtschaftsliberalen Doktrin geregelt werden sollen, auch bei den Sozialforen zur Debatte stehen: Der Umweltschutz, der für die ALCA-Strategen nur eine lästige Nebensache ist, die Patentrechte, die auf Pflanzen und Tiere ausgeweitet werden sollen, offene Grenzen für alle Waren, aber nicht für Menschen oder der Abbau von Zöllen im Süden, ohne dass beispielsweise die Agrarsubventionen im Norden zur Debatte stehen.

Was dem Subkontinent in der ALCA bevorstünde, zeigt eine Bilanz des seit1994 bestehenden Nordamerikanischen Freihandelsabkommens TLCAN. Im Wettstreit mit Kanada und den USA erlebte Mexikos Wirtschaftsbasis einen Niedergang, der mit einem steten Sozialabbau einher ging, schreibt die Zeitschrift der Infostelle Lateinamerika, ILA. Im Gegensatz zu den Vorhersagen ist das Wirtschaftswachstum keineswegs gestiegen, und während in den Jahren 1998 bis 2000 zwar 36 Milliarden US-Dollar ins Land kamen, flossen im gleichen Zeitraum 48 Milliarden wieder ab, zumeist annordamerikanische Unternehmen. Statt wie früher Reis und Baumwolle zuexportieren, muss Mexiko diese Produkte heute teilweise in den USA einkaufen. Der Einbruch in der Agrarwirtschaft führte zu einer weiteren Konzentration des Landbesitzen und machte Millionen Landarbeiter*innen arbeitslos. Und die Menschen sind im Durchschnitt ärmer geworden: Der Basiswarenkorb in Mexiko verteuerte sich seit 1994 um 560 Prozent, während Löhne und Gehälter nur um 135 Prozent anstiegen.

Inzwischen wird in ganz Lateinamerika gegen die ALCA mobilisiert, Aktionstage und Referenden sind in Vorbereitung. Linke Hoffnungsträger wie Lula in Brasilien oder Ecuadors Präsident Lucio Gutiérrez haben sich zwar kritisch zur ALCA geäußert, aber gleichzeitig sind sie bereit, die Verhandlungen fortzusetzen. Konsens wird auf dem Weltsozialforum darüber herrschen, dass solche neoliberalen Projekte verhindert werden müssen. Die Frage ist nur wie.

Unzählige Veranstaltungen und Teilnehmer beim Weltsozialforum

Von Andreas Behn,

(Rio de Janeiro, 20. Januar 2003, npl).- „Wir bieten zwei Workshops auf dem Forum an. Einer handelt von alternativer Gesundheitspolitik, der andere thematisiert Jugendpolitik in Großstädten,“ sagt die Vertreterin einer der vielen brasilianischen Nicht-Regierungsorganisationen, die am Weltsozialforum teilnehmen. „Aber frag mich nicht, wann und wo du uns finden kannst, das wird wohl erst in letzter Minute bekannt gegeben.“

Viele fragen sich, wie Porto Alegre, die Stadt Südbrasiliens, in der das Weltsozialforum (WSF) nun schon zum dritten Mal in Folge stattfindet, das Chaos bewältigen soll. Über 100.000 Delegierte, Prominente, Journalisten und Teilnehmer werden erwartet, letztes Jahr waren es noch gut die Hälfte. Eine Woche lang werden an vier verschiedenen Orten Hunderte von Veranstaltungen angeboten, von Erfahrungsberichten indigener Gemeinden aus Panama über Großveranstaltungen der Anti-Kriegsbewegung bis hin zu Diskussionsrunden, an denen amtierende Minister konservativer Regierungen und Aktivisten der globalisierungskritischen Bewegung sich gegenüber sitzen werden.

Offiziell wird das weltweite Treffen der unterschiedlichen linken Bewegungen am kommenden Donnerstag (23.1.) eröffnet, und wird – wie das Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos, zu dem sich das WSF als Alternative versteht – bis zum 28. Januar dauern. Doch das internationale Jugendcamp, zu dem über 30.000 Rucksackreisende aus aller Welt erwartet werden, hat die Pforten schon seit Tagen geöffnet. Und die inhaltlichen Debatten in Porto Alegre haben spätestens seit Montag begonnen, als das Weltforum zu Fragen der Erziehung, an dem Minister, NRO-Vertreter und Unesco-Delegierte aus über 30 Staaten teilnehmen, eröffnet wurde.

An der Frage, wer alles in welcher Funktion an dem Forum teilnehmen soll und darf, ist bereits erster Streit entbrannt. Im Mittelpunkt steht dabei der neue Präsident des Gastgebelandes, Inácio Lula da Silva. Der ehemalige Gewerkschafter, der viele Jahre eine Ikone der linken Bewegungen Lateinamerikas war und es im vierten Anlauf schaffte, die Regierung des wichtigsten Landes der Region zu übernehmen, will sich nicht entscheiden, zu welchem der beiden Foren er gehört. So wird er zu beiden reisen, erst zur linken Basis seiner Arbeiterpartei PT nach Porto Alegre, dann im Rahmen einer Europareise zu seinen Amtskollegen, den Bankern und Unternehmenschefs in die Alpen.

„Die Teilnahme von Präsident Lula gefährdet die Glaubwürdigkeit des Forums", kritisiert beispielsweise Pablo Bergel, Repräsentant der argentinischen Gewerkschaftszentrale CTA. Die offizielle Einladung eines Staatschefs verletze die Statutes des WSF, so der Gewerkschafter. Sérgio Haddat vom brasilianischen Organisationskomitee hält dagegen: „Die Wahl Lulas (zum Präsidenten) ist auch Teil dieser Bewegung gegen das aktuelle Modell der Globalisierung, die das Forum ausmacht.“

Die Diskussion hat also schon begonnen. Lula, der für große Teile der brasilianischen und lateinamerikanischen Linken mehr denn je ein Hoffnungsträger ist, wird das Forum mit Sicherheit nicht spalten. Zumal sich das Weltsozialforum laut seinem Selbstverständnis nicht als Organisation, Vertretung oder sonstige Einheit versteht, sondern explizit als ein Raum, der zur Debatte einlädt. Zwar sollen Repräsentanten von Regierungen oder auch von bewaffneten Bewegungen nicht als solche Aktivitäten auf dem Forumentfalten dürfen, aber auch sie sind gerne als Referenten oder Teilnehmer an Debatten gesehen. Deswegen kann das WSF auch keine Erklärungen verabschieden oder bestimmte Positionen einnehmen.

Doch um die Durchführung dieses gigantischen Treffens zu gewährleisten, ist nicht nur ein Organisationskomitee nötig, das derzeit aus acht großenbrasilianischen NROs besteht. Die Konzeption des Ganzen liegt in Händen von rund 130 Gruppen aus allen fünf Kontinenten, vor allem große und oft etablierte Polit-Organisationen. Unvermeidlich, dass diese auf die politische Ausrichtung und die Präsentation des Bewegungsforums starken Einfluss nehmen, eine Tatsache, die schon nach den beiden ersten Treffen zu oft scharfer Kritik von unorganisierten Aktivisten und Basisgruppen führte.

LATEINAMERIKA

Wenig Exporte aus Lateinamerika

(Lima, 15. Januar 2003, na-poonal).- Vor 40 Jahren trugen Lateinamerika und die Karibik etwa acht Prozent zum internationalen Handel bei. Bis Ende der neunziger Jahre fiel diese Ziffer auf nur noch vier Prozent. Ohne Mexiko, das fast die Hälfte des Exportvolumens der Region von jährlich etwa 388Milliarden US-Dollar ausmacht, liegt der Anteil der Region sogar nur bei 2,6Prozent.

Die Länder Lateinamerikas sind in mehreren großen Handelsblöcken organisiert. Die zentralamerikanischen Länder sind im Gemeinsamen Markt Zentralamerikas MCCA (Mercado Común Centroamericano) zusammengeschlossen. Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay gehören dem Gemeinsamen Markt des Südens MERCOSUR (Mercado Común del Sur) an und Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Peru und Venezuela der Andengemeinschaft CAN (Comunidad Andina de Naciones). Mexiko ist Teil des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA).

Der neue brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und andere Staats- und Regierungschefs der Region haben eine größere regionale Integration gefordert, um Lateinamerika ein größeres Gewicht in den Verhandlungen mit den USA über die Gesamtamerikanische Freihandelszone ALCA zu verschaffen.

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