Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 16. April 2002
Inhalt
Aufstand oder Putsch? 48 Stunden Politchaos in Venezuela. Medien als Mittel
VENEZUELA
KOLUMBIEN
ARGENTINIEN
GUATEMALA
NICARAGUA
URUGUAY
CHILE
Aufstand oder Putsch? 48 Stunden Politchaos in Venezuela. Medien als Mittel
Von Roberto Roa
(Mexiko-Stadt, 14. April 2002, npl).- Am vergangenen Sonntag (14. 4.) ist der venezolanische Präsident Hugo Chavez wieder auf seinen Amtssessel zurückgekehrt. Massendemonstrationen von Unterstützern des Staatschefs zwangen die Putschisten, die das Land in der vergangenen Woche ins Chaos stürzten, dazu, den auf eine Insel entführten Chavez wieder freizugeben. Der Versuch abtrünniger Militärs und Unternehmer, die Macht in Venezuela zu übernehmen, war damit gescheitert.
Doch vorher durchlebte Venezuela 48 Stunden lang ein politisches Chaos und wurde zu einem Beispiel dafür, wie Medien Politik machen: War es tatsächlich ein Massenaufstand gegen den autoritären Präsidenten Hugo Chavez? Es begann am Donnerstag (11.4.) Abend, als eine Demonstration von Chavez-Gegnern gewaltsam aufgelöst wurde – die mindestens 15 Toten dienten einer Gruppe von Militärs als letzter Grund, den Präsidenten festzunehmen und einen Unternehmer zu seinem Nachfolger zu erklären. Kaum 48 Stunden nach den ersten Schüssen, am Samstag Abend, trat Pedro Carmona schon zurück, wiederum auf Geheiß von Militärs.
Inzwischen hatte es neue Proteste, diesmal gegen die Absetzung von Chavez, gegeben, erneut gab es Tote zu beklagen. Nachdem loyale Militärs den Regierungspalast zurückerobert hatten, wurde Carmona zum Rücktritt bewegt und mit der Amtseinsetzung des bisherigen Vizepräsidenten Diosdado Cabello – zumindest formal – die verfassungsmäßige Ordnung wieder hergestellt.
Der weitere Lauf der Dinge in Venezuela ist noch immer höchst ungewiss, vieles deutet darauf hin, dass die Konfrontation zweier unversöhnlicher Interessensgruppen in weitere Gewalt ausufern wird. Doch wie konnte es geschehen, dass am Freitag fast alle Presseagenturen und in Europa noch die meisten Samstagsausgaben der Tagespresse Versionen wiedergaben, die längst überholt waren? Präsident Chavez sei zurückgetreten, hieß es unhinterfragt, obwohl er zum fraglichen Zeitpunkt in der Gewalt einiger Militärs war, die seinen angeblichen Rücktritt verkündeten.
Schlägertrupps von Chavez sollen auf die Demonstranten geschossen haben, so der Tenor aller Nachrichten. Durchaus möglich, doch Zeugenaussagen zufolge soll die Mehrheit der Toten Chavez-Anhänger gewesen sein. Die Information, dass der Bürgermeister von Caracas und sein Polizeichef Henry Vivas der Opposition angehören und ihrerseits von der alten Regierung für die Toten verantwortlich gemacht wurden, ist in diesem Kontext auch von Interesse. Dementsprechend war zumeist zu lesen, dass ein Aufstand der Venezolaner und geläuterter Militärs sich des ungeliebten Hugo Chavez entledigt hätte und der Demokratie einen Dienst erwiesen hätte.
Dieselben Venezolaner und Militärs haben plötzlich den Spieß umgedreht, und es setzt sich die Erkenntnis durch, dass Interimspräsident Carmora alles andere als Demokratie in Sinn hatte: Neben Chavez ließ er mehrere Minister und Gouverneure festnehmen, löste das Parlament auf, setzte Gesetze außer Kraft und entließ den Obersten Gerichtshof samt Generalstaatsanwalt Isaias Rodriguez, der unermüdlich erklärte:" Chavez ist nicht zurückgetreten, wir erleben einen Putsch."
Fraglos ist der Ex-Militär Hugo Chavez, der 1992 seinerseits einen erfolglosen Putschversuch unternahm, ein sehr umstrittener Mann. Sein populistisches Auftreten und sein autoritärer Regierungsstil hat sogar viele seiner einstigen Mitstreiter gegen ihn aufgebracht, die Mehrheit der traditionellen linken Parteien Venezuelas kehrten ihm inzwischen den Rücken. Zu Recht kritisieren sie, dass den Versprechen, er werde die Armut und die Korruption bekämpfen, kaum Taten folgten. Statt dessen weitete er seine Machtbefugnisse weiter aus und beschimpfte und bedrohte die Opposition.
Zugleich darf nicht vergessen werden, dass er von einer klaren Mehrheit im Land gewählt und mehrfach an den Urnen im Amt bestätigt wurde. Dass er als Präsident die Beziehungen zu Kuba intensivierte, die US-Außenpolitik kritisierte und mit einer staatsfixierten Wirtschaftspolitik die Unternehmer und die Oberschicht gegen sich aufbrachte, bedeutet jedoch nicht, dass er ein Diktator ist.
Als autoritären Herrscher jedenfalls bezeichneten ihn seine Gegner, nachdem Chavez die Führungsriege des staatlichen Erdölkonzerns PDVSA durch ihm ergebene Manager ersetzte. Die Proteste gegen diese Maßnahme mündeten in einen Generalstreik, der Forderung nach seinem Rücktritt und der tragischen Demonstration vom Donnerstag. An diesem Tag war die Rolle der Medien, die meisten in Händen der Opposition, entscheidend. Sei es, weil sie den ganzen Tag über zu der Anti-Chavez-Demonstration aufriefen oder weil Chavez einigen Radio- und Fernsehsendern später die Frequenz abschaltete. Und weil es nach der Festnahme des Präsidenten nur noch eine Version der Ereignisse gab – die derjenigen, die sich als neue Machthaber etablierten.
Kaum einer hörte den abgesetzten Gesundheitsminister Aristobulo Isturiz, der erklärte, dass der Präsident nicht zurückgetreten sei, dass es einen Putsch gegeben habe. Oder den Sprecher der Menschenrechtsgruppe Red de Derechos Humanos, Alfredo Ruiz, der die internationale Gemeinschaft alarmierte und sagte, dass die Putschisten Tote benötigt hätten, um ihr Vorgehen zu rechtfertigen. (Zitiert aus der mexikanischen Tageszeitung "La Jornada" vom 13.4.)
Andererseits wurde bekannt, dass der Vorsitzende des Unternehmerverbandes Fedecameras, Pedro Carmona, von den aufständischen Militärs zum Interimspräsidenten erklärt wurde. Der 61-jährige setze kurzerhand die Justiz und die Legislative außer Kraft, ließ mehrere Minister und Gouverneure, die der Chavez-Partei "5. Republik" angehören, festnehmen und unternahm nichts, als die Polizei versuchte, die beginnenden Proteste der Chavez-Anhänger mit Gewalt unterdrückten.
Dass nach dem Sturz der linksnationalistischen Chavez-Regierung im viertgrößten Erdölexportland der Rohölpreis auf dem Weltmarkt sank, überrascht nicht. Eher verwundert, das Spaniens Regierungschef Jose Maria Aznar dem Interimspräsidenten Carmona sogleich telefonisch seine Unterstützung aussprach. Die Europäische Kommission bat um Neuwahlen "sobald wie möglich", ohne die Beendigung des Rechtsstaates in Venezuela zu bedauern. Und während die in Costa Rica versammelten lateinamerikanischen Staatschef zumindest die Art der Amtsenthebung von Chavez monierten, erklärte der Sprecher der US-Regierung, Ari Fleischer, dass in Venezuela "eine zivile Übergangsregierung im Amt sei", und dass es keinerlei Anzeichen für einen Putsch gebe. Die Ansicht Washingtons, dass Hugo Chavez als Präsident Venezuelas nicht toleriert werden sollte, war offenbar internationaler Konsens – auch zu Lasten des Rechtsstaats.
VENEZUELA
Was vorher geschah: Generalstreik und Kritik aus dem Militär setzen Präsident Chavez unter Druck. Menschenrechtler rufen beide Seiten zur Mäßigung auf
Von Roberto Roa
(Mexico-Stadt, 11. April 2002, npl).- Schwere Zeiten für Venezuelas Präsidenten Hugo Chavez: Seit Dienstag (9.4.) ist seine Regierung mit einem unbefristeten Generalstreik konfrontiert, der insbesondere den Erdölsektor in Mitleidenschaft zieht und von Demonstrationen der Opposition in mehreren Städten begleitet wird. Angeheizt wird die Stimmung zusätzlich durch die größtenteils Chavez-kritischen Medien und der anhaltenden Kritik aus dem Ausland, insbesondere seitens der US-Administration, die Venezuela auf dem Weg zu einem zweiten Kuba sieht.
Am Mittwoch eröffnete der Brigadegeneral Nestor Gonzales eine weitere Front gegen den Präsidenten. Auf venezolanischem Gebiet befänden sich Camps der kolumbianischen Guerilla, und Chavez sei darüber durch informiert, so Gonzales auf einer Pressekonferenz. Damit ist General Gonzales bereits der sechste hohe Militär, der seit Februar Chavez öffentlich kritisiert. Auch wenn Gonzales am Donnerstag präzisierte, dass es sich nicht um ständige Guerillacamps handele, sondern um "gelegentliche Nutzung des Territoriums" durch die Farc, zeigt der Vorfall, dass die Kritiker von Chavez auch im Militär Zuwachs haben.
Chavez verzichtete am Donnerstag, dem dritten Tag des Streiks, darauf, die Geschehnisse im Land zu kommentieren. Es ließ lediglich verlauten, dass er nicht zum Gipfeltreffen die Rio-Gruppe fahren werde, der zur gleichen Zeit in Costa Rica begann.
Am Vortag hatte Präsident Chavez dazu aufgerufen, den Konflikt im Dialog zu lösen. Ansonsten überließ der sonst wortreiche Präsident es seinem Verteidigungsminister Jose Vicente Rangel, die Regierungspolitik zu vertreten. Rangel widersprach Gerüchten, denen zufolge der Ausnahmezustand verhängt werden solle. Außerdem kritisierte er, dass es sich um einen politischen Streik handele, der zum Ziel habe, die Regierung Chavez zu stürzen.
Auslöser des Konflikt war im März die Entscheidung von Präsident Chavez, die Führungsriege des staatlichen Erdölkonzerns PDVSA neu zu besetzen. PDVSA ist das wichtigste Unternehmen des südamerikanischen Landes, das einer der größten Erdölexporteure weltweit ist. Die Proteste von Teilen der PDSVA-Belegschaft gegen diese Umbesetzung, die allerdings von der neuen Landesverfassung gedeckt ist, veranlasste den Gewerkschaftsdachverband CTV, sich der Streikbewegung anzuschließen. Gleiches tat die einflussreiche Unternehmervereinigung Fedecameras. Am Mittwoch dann verkündeten CTV-Chef Carlos Ortega und Fedecameras-Präsident Pedro Carmona, dass es sich um einen unbefristeten Generalstreik handele.
Diese eigenartige Streik-Koalition ist es, die die Regierung veranlasst, ihr politische Motive zu unterstellen. Zweifellos war die CTV immer schon eine der klassischen lateinamerikanischen Gewerkschaften, die mehr durch Korruption als durch Vertretung von Arbeiterinteressen Schlagzeilen machte. Und sie stand den traditionellen Parteien nahe, die Hugo Chavez und seine Bolivarianische Bewegung bei mehreren Wahlen seit 1999 derart besiegte, dass sie seitdem kaum noch eine Rolle in der Landespolitik spielen. Dass die Unternehmer das Ende der Chavez-Rgierung herbei sehnen, ist auch kaum verwunderlich: Der Ex-Militär, dessen populistischer Regierungsstil auch schon große Teile der Mittelschicht gegen ihn aufgebracht hat, ist vehementer Kritiker der neoliberalen Wirtschaftpolitik, plädiert für eine Landreform und erhöhte kürzlich die Unternehmenssteuern.
Doch der erwünschte Aufstand fand bisher nicht statt. Dem Streik gelingt es offenbar nicht, das Arbeitsleben in Venezuela lahm zu legen, auch wenn die Gewerkschaften von 60 bis 80 Prozent Beteiligung sprechen. Die Spitzen des Militärs sprachen Chavez ihre Unterstützung aus, und auch die befürchteten Versorgungsengpässe beim Erdöl lassen auf sich warten. Allerdings ließ es die Regierung nicht an Drohungen fehlen: Alle Streikenden würden sofort entlassen, erklärte Chavez im Fernsehen. Und es häufen sich Berichte über brutales Vorgehen der Polizei gegen die Protestierenden.
Unterdessen zeigen sich Nichtregierungsorganisationen zunehmend besorgt über die Eskalation der Lage in Venezuela. Die derzeitige Zuspitzung scheint die Befürchtung zu bestätigen, dass eine Regierung wie die von Hugo Chavez, die sich heraus nimmt, die Außen- und die Wirtschaftspolitik Washingtons zu krititisieren, vielen Anfeindungen ausgesetzt ist. Erst kürzlich wies die größte Menschenrechtsorganisation Venezuelas, PROVEA, darauf hin, dass es viele Mythen in Venezuela gebe, die die Demokratie gefährdeten. An erster Stelle nannte PROVEA den Mythos, dass das Land strikt in Gegner und Anhänger von Chavez gespalten sei. In Wirklichkeit zeigen alle Umfragen, dass 70 Prozent der Venezolaner auf keiner der beiden Seiten stehen und sich ein weniger konfliktives Klima wünschen.
Ein weiteres Problem sei, dass beide Seiten ihren Gegner als diktatorisch und sich selbst als demokratisch darstellen. In Wirklichkeit, so PROVEA, tendieren sowohl Regierung wie Opposition zum Autoritarismus. Schließlich dürfe nicht vergessen werden, dass Chavez von einer überwältigenden Mehrheit demokratisch gewählt wurde und noch heute bis zu 48 Prozent Zustimmung hat. Dies müsse die Opposition anerkennen, statt zu behaupten, dass eine Demokratie nur nach dem Abgang von Hugo Chavez möglich sei.
Dokumentation: Auszug aus der Erklärung der venezolanischen Menschenrechtsorganisation PROVEA (www.derechos.org.ve)
(Caracas, 13. April 2002, npl).- PROVEA (Programa Venezolano de Educacion-Accion en Derechos Humanos) klagt vor der nationalen und internationalen Gemeinschaft Menschenrechtsverletzungen gegen die Zivilbevölkerung und Sympathisanten von Hugo Chavez an. Unterdessen mehren sich die Demonstrationen gegen den Staatsstreich.
Heute Mittag, Samstag, den 13. April, werden mehrere Zwischenfälle an verschiedenen Punkten der Hauptstadt sowie in mehreren der wichtigsten Städte im Landesinnern berichtet. Während sich beim Militär Mobilisierungen für und gegen die verfassungsmäßige Regierung abwechseln, unterdrücken die Hauptstadtpolizei und die Nationalgarde gewalttätig die Demonstrationen, die Hugo Chavez unterstützen. Anzeigen über willkürliche Verhaftungen, Razzien, verschwundene Personen und Hinrichtungen häufen sich. Die große Mehrheit der Massenmedien haben bisher nicht über diese Vorkommnisse informiert.
Wir berichten im Folgenden über die Anzeigen, die beim Venezolanischen Programm für die Menschenrechts-Bildung/Aktion (PROVEA) eingegangen sind. Die Richtigkeit der Informationen kann nicht direkt von PROVEA nachgeprüft werden.
Ein Angestellter des Krankenhauses Domingo Luciani im Osten von Caracas hat heute Mittag über etwa 50 Kadaver informiert, die in der Leichenhalle dieser Einrichtung liegen. Laut dieser Quelle soll es sich um Personen handeln, die von Polizeikräften hingerichtet wurden…
Gestern und heute gingen Hauptstadtpolizei und die Nationalgarde gewaltsam gegen Teilnehmer von friedlichen Demonstrationen für Hugo Chavez vor.
Carlos Luque bezeugte heute Morgen, dass gestern, Freitag, eine Demonstration für Präsident Hugo Chavez von mindestens 1.500 Personen vor den Toren der Militärkaserne Fort Tiuna in Caracas gewaltsam von Polizei Nationalgarde unterdrückt wurde. Die Demonstranten trugen angezündete Kerzen mit sich und forderten die Freilassung von Chavez, wurden aber mit Tränengasbomben und Schüssen zurückgedrängt…
Eine andere Demonstration im Zentrum, diesmal im Stadtteil La Candelaria, wurde ebenfalls mit Schüssen angegangen. Laut der nachmittags von dem Menschenrechtsaktivisten Hector Gutierrez gemachten Anzeige bestand sie mehrheitlich aus Frauen…
In Catia, einem Stadtteil von Caracas, gingen Hauptstadtpolizei und Nationalgarde gegen eine Gruppe Demonstranten vor. Die Demonstranten wollten in Richtung des Regierungspalastes von Miraflores marschieren, doch die Polizei verhinderte dies.
… Gestern, am 12. April, erklärte der Gouverneur des Bundesstaates Zulia, Manuel Rosales, gegenüber dem Fernsehsender Urbe TV, alle Mitglieder der Bolivarianischen Kreise (der Regierung nahestehend) würden in diesem Bundesstaat vorbeugend verhaftet…
Jorge Giordani, Minister der Regierung Chavez, sprach gestern mit PROVEA und erklärte, um die körperliche Unversehrtheit seiner Familie und seiner selbst zu fürchten, da er telefonische Drohungen erhielt. Ihrerseits erklärte Lidia Noemi Vera vom Netzwerk der Anwälte für Menschenrechte (Red de Abogados por los Derechos Humanos), dass das Haus des Gouverneurs des Bundesstaates Guarico, Eduardo Manuitt Carpio, von Polizei und Mitgliedern des Geheimdienstes gestürmt wurden.
KOLUMBIEN
Protestant*innen bekräftigen erneut ihre Option für eine Verhandlungslösung des Konflikts
(Itagui, 8. April 2002, alc-poonal).-Repräsentant*innen des evangelischen Rats von Kolumbien (CEDECOL), ein Zusammenschluss aus fünf evangelischen Kirchen und sechs christlichen Organisationen, bekräftigten heute erneut, dass sie eine politische Verhandlungslösung des blutigen Konflikts in Kolumbien befürworten. Die Persönlichkeiten der kolumbianischen evangelischen Kirche betonten außerdem ihre "Vision und Berufung zu einer sozialen Mission zur Transformation der Nation".
Die Presseerklärung wurde in Itagui im nordkolumbianischen Bezirk Antioquia veröffentlicht, nachdem sich die evangelischen Oberhäupter mit Sprecher*innen des nationalem Befreiungsheer (ELN), die dort im Gefängnis einsitzen, gesprochen hatten. Die ELN ist eine der führenden bewaffneten aufständischen Gruppen des Landes. Die ELN verhandelt momentan mit der kolumbianischen Regierung in Kuba.
Die Erklärung informiert darüber, dass mit den Sprecher*innen der ELN "über die Konjunktur des Landes und den aktuellen Stand der Friedensverhandlungen" gesprochen wurde. Die Unterzeichner*innen der Presseerklärung versprachen außerdem, "eine nationale Einrichtung zu bilden, um für die Versöhnung, die Vermittlung und die Bildung des Friedens in Kolumbien zu sorgen und um eine 'Kultur des Lebens' einzuführen, die an die Stelle der Kultur des Todes tritt, die uns umgibt".
Die Presseerklärung wurde neben dem CEDECOL auch von den Repräsentant*innen der Adventisten, der Mennoniten, den Tabernakeln von Fe, der Vereinigten Pfingstgemeinde und den Presbyterier*innen unterzeichnet. Auch die Kommission Menschenrechte und Frieden, die Stiftung Christen für den Frieden, Gerechtigkeit und Frieden, Vision Abendmahl, nationales Netzwerk der Frauen für das Leben und für den Frieden und Christus für die Stadt unterzeichneten die Erklärung.
Ermordungen, Attentate, Entführungen und Verschwundene. Eine Erklärung der kolumbianischen Gewerkschaftsbewegung (von Jesús Antonio González Luna, dem Vorsitzenden der Abteilung für Menschenrechte)
(Bogotá, 7. April 2002, comcosur-poonal).- Am 20. März 2002 wurden Luís Omar Castillo und Juan Buatista Cevallos auf dem Weg zum Elektrizitätswerk in Rió Bobo im Bezirk Nariño ermordet. Die beiden gehörten der "Gewerkschaft der Elektrizitätsarbeiter" SINTRAELECOL an. Der Genosse Luís Omar Castillo war bereits in San Pablo bedroht worden. Deshalb wurde er in ein anderes Elektrizitätswerk versetzt. Auf dem Weg dorthin wurde er dann, gemeinsam mit Juan Bautista, von Paramilitärs hingerichtet.
Am 22. März 2002 wurde der Lehrer Ernesto Alfonso Giraldo Martínez auf der Straße von Rió Negro nach Medellín, im Department Antioquia umgebracht. Das Opfer war der Finanzbeauftragte der "Vereinigung der Volksschullehrer von Antioquia", ADIDA. Nach Informationen von ADIDA wurde der Genosse am 21. März aus seinem Haus gezerrt und auf ihn geschossen. Der Krankenwagen, der den Schwerverletzten ins Krankenhaus San Vicente in Medellín bringen sollte, wurde kurz vor der Stadt überfallen. Giraldo Martínez wurde noch auf der Bahre der Rest gegeben. Dabei handelt es sich offensichtlich um eine Verletzung Internationalen Rechts. Nach Aussage der Zeitung "El Tiempo" vom 24. März wurde dieses Verbrechen von der FARC ausgeübt.
Am 23. März 2002 wurde der Lehrer José Orlando Céspedes García, Direktor der Vereinigung von Lehrern von Arauca, ASEDAR, in Pueblo Nuevo, einem Ort auf der Straße nach Tame im Department Arauca, in seinem Auto angehalten und verschleppt. Bis heute ist sein Aufenthaltsort unbekannt.
Am 25. März 2002 wurden die Genossen José Pérez und Hernando Silva auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz in Quebrada La Nata in der Gemeinde Araguaney im Departement Casanare von Paramilitärs entführt. Die beiden sind Mitglieder der Arbeitergewerkschaft USO. Bislang ist nichts über ihr Schicksal bekannt.
Die oben genannten Barbareien spiegeln die reale Situation von Kolumbien wider, in der es keinen Respekt vor Menschenrechten gibt. Hauptverantwortlich für diese Barbareien ist der Staat mit seiner Regierung, an dessen Spitze Dr. Andrés Pastrana Arango, Präsident der Republik, steht. Für 100 Prozent der 3.800 Verbrechen, die in den letzten 15 Jahren gegen unsere Gewerkschaft ausgeübt worden sind, wurde niemand bestraft. Diese dramatische Situation, in der sich die Gewerkschaftsbewegung befindet, bringt uns dazu, die internationale und nationale Gemeinschaft, die Menschenrechts-NGOs, Gewerkschaften und andere Gruppen, die gegen dieses Unrecht stehen, dazu aufzurufen, von der kolumbianischen Regierung Garantien für die Ausübung unserer gewerkschaftlichen Arbeit zu fordern.
ARGENTINIEN
Ex-Präsident Menem droht erneut Gefängnis wegen Waffenschmuggels Geheimdienst setzt Justiz unter Druck. Proteste gehen weiter
Von Marcos Salgado
(Buenos Aires, 10. April 2002, npl).- Argentiniens Ex-Präsident Carlos Menem (1989-1999) könnte schon bald wieder im Gefängnis landen. Die Anklage ist dieselbe, die ihm bereits Mitte vergangenen Jahres 167 Tage Untersuchungshaft einbrachte, die Menem angesichts seines Alters im Hausarrest auf seinem luxuriösen Landsitz absitzen durfte: Schmuggel und illegale Waffenlieferungen an Kroatien und Ecuador, während beide Staaten wegen Kriegshandlungen einem UN-Embargo unterlagen.
Am 20. November kam Carlos Menem frei, nachdem der Oberste Gerichtshof Argentiniens die Anklage für haltlos befand. Da die obersten Richter allesamt Teil von Menems korruptem Klüngel sind, der das südamerikanische Land ein Jahrzehnt lang ausplünderte, überraschte dieses Urteil kaum. Schon eher erstaunte, dass Mitte vergangener Woche Ex-Wirtschaftsminister Domingo Cavallo wegen des gleichen Vorwurfs hinter Gitter kam.
Richter Julio Speroni, der im Fall des Waffenschmuggels ermittelt, lehnte eine Haftverschonung für Cavallo rundweg ab und ließ durchblicken, dass Menem schon bald mit einer Vorladung zu rechnen habe. Hinzu kommt, dass gegen die Mitglieder des Obersten Gerichts wegen Rechtsbeugung ermittelt wird – ein in Argentinien einzigartiger Vorgang, der, sollte er zur Entlassung der fraglichen Robenträger führen, auch die Aufhebung des Freispruch des Ex-Staatsoberhauptes bedeuten würde.
Doch die Hoffnung, dass wenigstens die Justiz im krisengeschüttelten Argentinien den Überblick bewahrt, hat sich bereits in Luft ausgelöst. Beobachter kommentieren, dass die spektakuläre Festnahme Cavallos in erster Linie dem Präsidenten Eduardo Duhalde dazu diente, von seinen Schwierigkeiten bei der Ankurbelung der Wirtschaft und den Schlagzeilen über das soziale Desaster im Land abzulenken.
Zu Wochenbeginn wurde der Verdacht konkreter: Der renommierte Journalist Horacio Verbitsky beschuldigte den argentinischen Geheimdienstchef Carlos Soria, bei einem Geheimtreffen mit über zehn Richtern die Justiz aufgefordert zu haben, Domingo Cavallo sofort festzunehmen – andernfalls könnten sie ihre Anstellung verlieren.
Weder die Justiz noch die Regierung reagierten mit entschlossenen Dementis, während mehrere Anwälte eine Anzeige gegen Soria ankündigten. Doch da alle zuständigen Richter im Text von Verbitsky namentlich erwähnt werden, hat sich bislang keiner der Sache annehmen können. Allerdings nutzen Cavallo und Menem die Gunst der Stunde und wiederholen ihren Vorwurf, dass es sich bei den Klagen gegen sie um politische Verfahren handele.
Andererseits sieht es kaum danach aus, dass sich die breite Genugtuung über die Festnahme Domingo Cavallos für den amtierenden Präsidenten auszahlen wird. Zwar ist Cavallo, der als Vater der Bindung der Landeswährung an den Dollar und Hauptverursacher der Zusammenbruchs der Wirtschaft gilt, der meist gehasste Mann in Argentinien. Gleichzeitig wissen die Argentinier, deren Proteste gegen Korruption und die Folgen der neoliberalen Politik im Dezember gleich mehrere Präsidenten zum Rücktritt zwangen, dass mit Duhalde einer derjenigen Peronisten an der Macht ist, denen sie das Desaster zu verdanken haben.
Neuesten Daten eines privaten Wirtschaftsinstituts zufolge verloren allein im März dieses Jahres 65.500 Menschen in Argentinien ihren Job, seit Jahresbeginn sind es insgesamt 170.000. Im Grossraum der Hauptstadt Buenos Aires sollen demzufolge bereits sechs Millionen Menschen unter der Armutsgrenze leben, 1,5 Millionen mehr als noch im Oktober. Hinzu kommt eine stetig steigende Inflation. Besonders erbost sind die Argentinier darüber, dass sie trotz aller Einbußen immer noch nicht über ihre Spareinlagen verfügen dürfen, die die Regierung Ende vergangenen Jahres eingefroren hatte.
Die explosive Stimmung führt immer wieder zu Protestaktionen im ganzen Land, vor allem vor großen Supermärkten, die von immer mehr Polizisten beschützt werden. Auch der Besuch einer Delegation des Weltwährungsfonds IWF diese Woche wurde mit massiven, teils gewaltsamen Demonstrationen begleitet. Mit Unverständnis reagierten die Aktivisten auf die Ankündigung Duhaldes vom Dienstag (9.4.), er werde in den Provinzen ein hartes Sparprogramm durchführen, das der IWF als Gegenleistung für einen 700 Millionen Dollar-Kredit einforderte.
Doch Angst herrscht nicht allein vor einer Fortsetzung der Wirtschaftspolitik, die Argentinien in die Zahlungsunfähigkeit führte. Die Polizei, die seit Jahren schwerer Menschenrechtsverletzungen angeklagt wird, fordert härtere Strafen gegen sogenannte Gewalttäter. Und während die Presse die Tätigkeiten des Geheimdienstes aufdeckt, kommt plötzlich das Gerücht auf, dass die argentinische Protestbewegung von der kolumbianischen Guerilla Farc unterlaufen sein soll – eine Propaganda, die schlimme Erinnerung an die Zeit der Militärdiktatur weckt.
Höchste Aids-Übertragung bei Kindern in Lateinamerika
Von Norma Loto
(Buenos Aires, 2. April 2002, sem-poonal).- Argentinien liegt mit sieben Prozent an Aids erkrankter Kindern in Lateinamerika an erster Stelle. Die Kinder wurden durch ihre Eltern infiziert. Zwar ist seit 1998 ein Gesetz in Kraft, das vorschreibt, jeder Schwangeren einen Aids-Test anzubieten. Dennoch ist die vorgeburtliche Übertragungsrate in Argentinien hoch. Die Zahl der Untersuchten liegt nach offiziellen Angaben unterhalb von 50 Prozent.
Seit 1982 schätzt man die Zahl der an Aids Erkrankten auf etwa 19.000, geht aber aufgrund von nicht registrierten Fälle sowie verspäteter Benachrichtigung des Gesundheitsministeriums davon aus, dass sie tatsächlich bei 22.000 liegt. Ebenso liegt die Zahl der HIV-Infizierten Schätzungen zufolge bei 120.000, wobei aber von weitaus mehr Betroffenen auszugehen ist, die in Unkenntnis der Ansteckung leben.
Nach Angaben von LUSIDA, dem nationalen Programm zur Aids-Bekämpfung des argentinischen Gesundheitsministeriums, ging die Zahl der Aids-Toten durch die kostenlose Ausgabe von Aids-Medikamenten im Zeitraum von 1997-1999 um 20 Prozent zurück. In den Statistiken lässt sich nach Angaben von LUSIDA ein Anstieg der Erkrankungen bei Frauen erkennen. Derzeit liegt das Verhältnis bei 1:3, während es 1998 noch bei 1:20 lag. Bei Frauen erfolgt die Ansteckung überwiegend, in fast 50 Prozent der Fälle, durch heterosexuellen Geschlechtskontakt, an zweiter Stelle durch Drogenkonsum und an letzter Stelle durch die Übertragung von Mutter zu Tochter.
GUATEMALA
Diebstahl von 3.000 Kilo Kokain weitere Unregelmäßigkeit bei der Drogenpolizei
(Guatemala, 8. April 2002, cerigua-poonal).- Der Diebstahl von etwa 3.000 Kilo Kokain mit einem Wert von fast 300 Millionen Quetzales aus den Lagerräumen der Abteilung zur Drogenbekämpfung (DOAN) war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Dieser Vorfall verlängerte die Reihe der Unregelmäßigkeiten in dieser Einheit und führte zur Aussetzung eines Teils der Hilfe der Vereinigten Staaten für die Drogenbekämpfung, wie Innenminister Eduardo Arélavos Lacs eingestand.
Das Verschwinden der Drogen wurde Ende März durch den für die Drogenbekämpfung zuständigen Staatsanwalt des Innenministeriums, Leonel Fernando Ramos Serra, entdeckt, als dieser das Verschwinden von 500 Akten von Drogenhändlern untersuchte.
Einige Tage zuvor entließ der Direktor der Nationalpolizei (PNC), Luis Arturo Paniagua Galicia, 150 Beamte der DOAN, weil er das "mysteriöse" Verschwinden von 500 Akten von Militärs und Zivilisten, die Verbindungen zu den "Capos" des Drogenhandels haben, bemerkte.
Das Außenministerium der Vereinigten Staaten hatte sich besorgt gezeigt über die Korruption in der Anti-Drogen-Behörde Guatemalas. In ihrem Bericht "International narcotics control strategy report" hob es hervor, dass dieses Land zu einer der hauptsächlichen Zwischenstationen für den Drogenhandel wurde.
Laut dem Dokument zirkulieren in Guatemala jedes Jahr mehr als 300 Tonnen Kokain, während unter der aktuellen Regierung der Kampf gegen den Drogenhandel beachtlich zurückging.
Davon ausgehend begann die Botschaft der USA mit einer Reihe von Maßnahmen Druck auf Guatemala auszuüben, um einen Säuberungsprozess in der DOAN anzustoßen. Als eine Maßnahme entzog die diplomatische Vertretung der Abteilung einen Teil der Hilfe und setzte die Schenkung von 30 Fahrzeugen aus, wie der guatemaltekische Innenminister selbst mitteilte.
In Absprache mit dem Minister und als Teil der Säuberungen in der DOAN wurden bereits 150 Beamte aus dem Dienst entfernt. Die Abteilung hatte zuerst 700 Mitglieder, aber es ist geplant, sie auf 400 zu reduzieren, um die Aufgaben zu zentralisieren und den Anti-Drogen-Kampf zu verbessern.
Eine Woche nach Bekanntwerden des Drogen-Diebstahls befahl Generalstaatsanwalt Adolfo González Rodas die Versetzung des Staatsanwalts für die Drogenbekämpfung, Leonel Fernando Ramos, in die Behörde von Izabal. Ramos trat daraufhin zurück, weil er dies als Degradierung betrachtete.
González Rodas versicherte, dass die Versetzung "aus organisatorischen Notwendigkeiten" geschah, weil es bislang keinen Staatsanwalt zur Bekämpfung des Drogenhandels im Verwaltungsbezirk Izabal gebe.
Unterdessen wurde Strafrichter Jaime Leonidas Ramos zum Untersuchungsrichter für den Drogendiebstahl ernannt, Alejandro Muñoz Pivaral wurde neuer Staatsanwalt gegen den Drogenhandel.
Am vergangenen Freitag schließlich versammelten sich die Chefs der drei beteiligten staatlichen Stellen, um den Diebstahl des Rauschgifts in der DOAN zu besprechen. Sie kamen überein, dem Kongress innerhalb von 72 Stunden einen Vorschlag zu unterbreiten, wie beschlagnahmte Drogen effektiver vernichtet und die Lagerräume besser gesichert werden können.
Getreideanbau in Gefahr
(Guatemala, 4. April 2002, cerigua-poonal).- Innerhalb der nächsten fünf Jahre könnte der Anbau verschiedener Getreidesorten in Guatemala zum Erliegen kommen, erklärt Rafael Gonzalez, Vertreter des Comité de Unidad Campesina (CUC). Schuld daran seien der drastische Klimawechsel der letzten Jahre und die mangelnde politische Unterstützung für das einheimische Getreide.
Starke Regenfälle beschleunigten den Rückgang der Produktion. Flüsse traten über die Ufer und rissen ganze Felder mit sich, auf denen Mais, Bohnen, Reis und Sesam angebaut worden waren. Gleichzeitig führten Dürreperioden dazu, dass Früchte vor der Ernte vertrockneten.
Auch die Koordinationsstelle für die wichtigsten Getreidesorten (Coordinadora Nacional de Granos Básicos – Conagrab) warnt, dass sich mit dem drohenden Verschwinden von Mais, Bohnen, Weizen und Sesam bis zum Jahre 2007 der Armutsgürtel verbreitern wird und die Bauern in andere Gegenden und Länder abwandern werden.
Gonzalez unterstrich die Bedeutung dieser Entwicklung, da Guatemala in weiten Teilen ökonomisch von vom Agrarsektor abhänge und die Landwirtschaft für Tausende von Familien die einzige Lebensgrundlage darstelle, was in der Konsequenz zu immensen sozialen Unruhen führen könne.
Der guatemaltekische Mais fällt Untersuchungen zufolge in die Kategorie US1 – für den menschlichen Verzehr geeignet, während der importierte Mais als US2 klassifiziert wird – als Tierfutter und zur industriellen Weiterverarbeitung. Laut Jorge Gonzalez von der Conagrab kommt es zu diesem Unterschied, weil der importierte Mais subventioniert wird, während der einheimische Mais keinerlei Unterstützung erhält.
Der Umstand, dass in Guatemala rund dreieinhalb Millionen Menschen im Getreideanbau arbeiten, verdeutlicht die Dimension der bevorstehenden Katastrophe für das mittelamerikanische Land.
NICARAGUA
Richterin geht gegen Politiker und Justizangestellte vor
Von Lidia Hunter
(Managua, 1. April 2002, sem-poonal).- Entschlossen und gefasst, mit der für Indígenas charakteristischen Klarheit erschütterte die Richterin Gertrudis Arias diese Woche die nicaraguanische Öffentlichkeit, als sie gegen mehrere Personen, unter ihnen der ehemalige Präsident Arnoldo Aleman und zwei mexikanische Staatsbürger, Haftbefehle erließ und einen Strafprozess gegen sie eröffnen wird. Ihnen wird Betrug und Veruntreuung zum Nachteil des Fernsehkanals Canal 6 vorgeworfen.
Unter den am 21. März Verhafteten waren Roberto Duarte, der unter Arnoldo Aleman (1997-2000) Präsidentschaftssprecher war, Sidney Pratt, ehemaliger Vorstand von Canal 6, und Dagoberto Rodríguez, der Geschäftsführer des Senders war. Wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung wurden auch Haftbefehle gegen die Mexikaner Ricardo Galán, dem früheren Botschafter Mexikos in Managua und Alejandro López Toledo. Beide sind derzeit untergetaucht. Auch gegen die Nicaraguanerin Mayra Medina läuft ein Haftbefehl.
Außerdem eröffnete sie Strafverfahren gegen den ehemaligen Geschäftsführer der Nicaraguanischen Telekommunikationsgesellschaft ENITEL, Salvador Quintanilla, den früheren Chef von Telcor, David Robleto, den Ex-Inhaber von "Hacienda y Crédito Público", Esteban Duquestrada; den ehemaligen Direktor des nicaraguanischen Tourismusinstituts INTUR, Ausberto Narváez und den einstigen Inhaber des Verwaltungs-Unternehmens für internationale Flughafen, Mario Medrano.
Was aber die öffentliche Meinung am stärksten beeindruckte, war die Entscheidung der Richterin Arias, ein Verfahren gegen den Ex-Präsidenten und jetzigen Parlamentspräsidenten Arnoldo Alemán sowie die Abgeordneten im Zentralamerikanischen Parlament David Castillo und Martha McCoy zu eröffnen. Dieser Justizakt setzt einen Markstein in der nicaraguanischen Geschichte, im Kampf gegen die Korruption. So die Meinung von verschiedenen Sachverständigen nach den Urteilen dieser Frau, die bis vor kurzem in der politischen Landschaft unbekannt war.
"Es musste eine Frau aus dem Volk sein, der nicht die Hände zitterten, die sich streng an das Recht hielt", kommentierte die sandinistische Führerin Dora María Téllez. Sie hervor hob, dass es das erste Mal sei, dass ein ehemaliger Regierender angeklagt werde. Ricardo Terán, der Vorsitzende der drittgrößten Wirtschaftsgruppe des Landes, erklärte seinerseits, dass man in Nicaragua "Null-Toleranz" gegenüber der Korruption haben dürfe, die die "schlimmste Last" für das Land sei.
Die Richterin wurde vom Sonderermittler Alberto Novoa unterstützt, der zur Aufklärung der Veruntreuungen bei Canal 6 ernannt wurde. Er sieht in dem Urteilsspruch "eine direkte Infragestellung der Richterschaft", da Gertrudis Arias gezeigt habe, dass die alten Gesetze und bürokratischen Strukturen kein Hindernis für die Justiz und Gerechtigkeit seien. Im April beginnt im Parlament das Verfahren zur Aufhebung Immunität von Ex-Präsident Alemán. Die Immunität schützt ihn zur Zeit noch vor der Vollstreckung des Haftbefehls und vor einem Gerichtsverfahren.
Kurz vor dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Enrique Bolaños, am 10. Januar dieses Jahres, konnten die neuen Behörden das Verschwinden der letzten 200.000 Dollar verhindern, die von 1,3 Millionen Dollar auf einem Konto in Managua geblieben sind. Nach den ersten Aussagen ordnete Präsident Alemán die Zuweisung des Geldes an Canal 6 an. Der Sender ist aus verschiedenen ehemals staatlichen Institutionen wie ENITEL, INTUR und der Flughafengesellschaft hervorgegangen. Von Canal 6 aus ging das Geld Monate lang von Hand zu Hand, und obwohl das alles aufgedeckt wurde, bleibt das Geld bis heute verschwunden. Die Angeschuldigten geben sich unschuldig oder bezeichnen sich als Opfer schlechter Führung, während schon die ersten Gerüchte über weitere Aufdeckungen von Korruption die Runde machen.
URUGUAY
Unterschriften gegen Privatisierung des Mobilfunknetzes
(Montevideo, 8. April 2002, recosur-poonal).- "Die Unterschriften für ein Referendum sind da und es gilt jetzt, sie zu verteidigen" bekräftigten Mitglieder der Kommission zur Verteidigung des nationalen Erbes (CDPN). Nach der Übergabe vom mehr als 700.000 Unterschriften gegen die Privatisierung des staatlichen Mobilfunknetzes kündigte die Regierung die Aufhebung der entsprechenden Artikel an.
Diese Woche wurde bestritten, dass die Unterschriften für die Durchführung einer Volksbefragung reichen. In Versionen, die in den Tageszeitungen El Observador und El Pais aufgetaucht sind, wurde aus anonymer Quelle, möglicherweise aus Kreisen des Wahlausschusses, bekanntgegeben, das mindestens 17 Prozent der abstimmungsberechtigten Bevölkerung unterschreiben müssten. Da dies nicht der Fall sei, würde die Volksabstimmung über Antel (die öffentliche Telefongesellschaft) nicht zugelassen werden. Walter Peispuiera, Präsident des Wahlausschusses, sagte, dies sei "Unsinn".
Vertreter*innen der CDPN gehen davon aus, dass nur sieben Prozent nötig seien, was bedeute, "dass es genügend Unterschriften sind, um ein Referendum wegen Antel zu legitimieren". Aus diesem Grund weisen sie "Spekulationen ohne realen glaubwürdigen Hintergrund oder ohne seriöse Quelle zurück". Diese sollten nur Ungewissheit schüren und der öffentlichen Meinung die Annahme nahelegen, "dass es kein Referendum geben wird".
CHILE
Rassismus und Antisemitismus in der Bevölkerung
Von Andrea González
(Santiago, 1. April 2002, sem-poonal).- Nach der Zweiten Umfrage zum Thema "Intoleranz und Diskriminierung", die am 1. Oktober 2001 in Chile durchgeführt wurde, gibt es trotz gewisser Fortschritte weiterhin eine starke diskriminierende Praxis gegenüber Kindern, armen Menschen und Migrant*innen im Land. Die Ablehnung homosexueller Menschen führt weiterhin die Liste an, wobei eine Tendenz hin zu mehr Toleranz zu verzeichnen sei.
Die Umfrage wurde durchgeführt von der "Fundación Ideas" und dem Soziologischen Institut der Universidad de Chile und stand unter der Schirmherrschaft verschiedener Ministerien. Die Befragung unter 1111 Personen ergab, dass allgemein gesprochen die Intoleranz im Vergleich zur letzten Umfrage von 1996, abgenommen hat.
Ein Rückgang wurde festgestellt beim Antisemitismus, der Diskriminierung behinderter Menschen, der Diskriminierung homosexueller Menschen sowie beim Rassismus und beim Sexismus. Francisco Estévez, Leiter der "Fundación Ideas" wies jedoch darauf hin, dass das keinesfalls bedeute, dass diskriminierende Praktiken oder Einstellungen gänzlich verschwunden oder nicht länger Grund zur Sorge seien. Beispielsweise bejahten 19,5 Prozent der Befragten die Aussage "Ein Wiedererstarken des Nazismus ist allein ein Problem der Juden", und 9,9 Prozent den Satz: "Auch wenn es uns nicht gefällt, Menschen mit einer Behinderung stellen ein Hindernis im Arbeitsleben dar".
Überraschend war, dass beinahe ein Drittel der Befragten die häusliche Prügelstrafe befürwortete. Der Leiter des Instituts führte dieses Ergebnis auf die Zeit der Diktatur und des damals verstärkt in die Familien hinein wirkenden Militarismus zurück. Stark verbreitet waren auch Ansichten, nach denen die Armen für ihre Lage selbst schuld seien oder der Lebensstil der Oberschicht unbedingt anzustreben sei.
Einen beunruhigenden Anstieg der Diskriminierung verzeichnete die Umfrage beim Thema MigrantInnen: 64 Prozent bejahten die Aussage "Die Peruaner/innen und Bolivianer/innen, die auf der Suche nach Arbeit nach Chile kommen, sollten keine politischen Rechte haben". Immerhin 31,7 Prozent der Befragten stimmten dem Satz zu "Die Menschenrechte sind eine wichtige Sache, sie sollten jedoch nicht auf Feinde des Vaterlandes angewandt werden".
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Poonal Nr. 518 von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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