Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 273 vom 16. Januar 1997
Inhalt
NICARAGUA
MEXIKO
GUATEMALA
Unsicherer Frieden: Kommentare zum Friedensvertrag
VENEZUELA
KUBA
KOLUMBIEN
ECUADOR
BOLIIVIEN
HAITI
PERU
BRASILIEN
CHILE
ARGENTINIEN
NICARAGUA
„Gordoman“ tritt sein Amt an – schwere Zeiten für die SandinistInnen
(Mexiko-Stadt, 10. Januar 1996, Poonal).- Nicht alle waren so gerührt wie Nicaraguas scheidende Präsidentin Violeta Chamorro. Während der offiziellen Amtsübergabe an den rechtsgerichteten Arnoldo Alemán wischte sie sich ein paar Tränen aus den Augen. Die Sandinist*innen dagegen, Hauptgegner von Alemán, nahmen aus Protest gegen die Unregelmäßigkeiten bei den Präsidentschaftswahlen vom 20. Oktober 1996 nicht an der Zeremonie teil. Für sie ist der neue Staatschef nach den Worten ihrer führenden Persönlichkeit Daniel Ortega nur ein „De facto-Präsident“ ohne wirkliche Legitimität. Vor Monatsfrist hatte Ortega die neue Regierung, die sich auf die drei Parteien der Liberalen Allianz stützt, bereits als „verfaulte Frucht“ bezeichnet. Trotz der starken Worte ist die Nationale Sandinistische Befreiungsfront (FSLN), die von 1979 bis 1990 das Land regierte und auch in den vergangenen sechs Jahren als stärkste Kraft im Parlament erheblichen Einfluß ausüben konnte, in der Defensive.
Die Aufwertung von Alemáns Amtsantritt durch die Anwesenheit von sieben lateinamerikanischen Staatspräsidenten und Delegationen aus 80 Ländern ist dafür nur ein äußeres Zeichen. Entscheidend sind die geänderten Machtverhältnisse im Land selbst. So versuchten die Sandinist*innen mit ihrer Bündnismehrheit im alten Parlament noch eine Reihe von Dekreten und Gesetzen zu verabschieden, die die Position der Abgeordneten gegenüber der Regierung stärken sollten. In einer Reihe von Sitzungen, die von den Mitgliedern der Liberalen Allianz boykottiert wurden, sprach sich das Parlament unter anderem das Recht auf die Ernennung der Zentralbankführung und des Bundesstaatsanwaltes zu. Außerdem wollte es die Landverteilungen unter den sandinistischen Regierungen als nicht mehr revidierbar garantieren. Doch der Oberste Gerichtshof Nicaraguas gab am 7. Januar der Beschwerde von Abgeordneten aus Alemáns Lager recht. Das Gericht erklärte die zum Jahresende verabschiedeten 23 Verordnungen und 58 Gesetze für ungültig. Diese Entscheidung wird von den Sandinisten und Abgeordneten einiger kleinerer Parteien als Kompetenzüberschreitung und Verfassungsverletzung angesehen. Sie werden jedoch nicht verhindern können, daß das neue Parlament über dieselben Themen möglicherweise anders abstimmen wird. Dort haben die Sandinist*innen 37 Sitze, die Liberale Allianz verfügt über 41 Sitze. Die zusammen 16 Abgeordneten anderer Parteien werden zu wechselndem Abstimmungsverhalten neigen. Dabei dürfte es dem Regierungsbündnis leichter fallen, eine Mehrheit zu finden, als der Nationalen Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN). Die Wahl des Liberalen Iván Escobar Fornos zum Parlamentspräsidenten ist dafür bereits ein Indiz.
Zu Beginn seiner fünfjährigen Amtszeit kann sich „Gordoman“ (gordo: dick), wie der 50jährige Alemán wegen seiner Leibesfülle auch genannt wird, relativ sicher fühlen. Er und seine rechtskonservative Regierung könnten versucht sein, die letzten Spuren der sandinistischen Revolution, die die Vorgängerregierung von Violeta Chamorro nicht beseitigen konnte, auszulöschen. Seine Gegner fürchten im schlimmsten Fall die Rückkehr in die Zeiten des Diktators Somoza. Doch in seinen Erklärungen vor und während der Amtseinführung hat sich Alemán vorerst gemäßigt geäußert. Den Sandinist*innen machte er zumindest indirekte Gesprächsangebote. Wenn er, wie gegenüber der Öffentlichkeit angekündigt, wirklich gegen Arbeitslosigkeit und Elend in Nicaragua angehen und die Demokratisierung fördern will, muß er eine weitere Polarisierung der Gesellschaft vermeiden. Angesichts von 60 Prozent Arbeitslosigkeit, 80 Prozent Armut und fünf Milliarden Dollar Auslandsschulden könnte sich selbst ein Gordoman sonst schnell verheben.
MEXIKO
Das falsche Skelett im Garten gefunden
(Mexiko-Stadt, 9. Januar 1996, Poonal).- Mexikaner*innen haben ein relativ unbefangenes Verhältnis zum Tod. Das im vergangenen Oktober im Garten eines der Häuser von Raúl Salinas, dem Bruder des ehemaligen Präsidenten Carlos Salinas de Gortari, gefundene Skelett stiftet dennoch reichlich Verwirrung. In den USA vorgenommene genetische Untersuchungen der Überreste sprechen gegen die ursprüngliche Vermutung, es handele sich um die Leiche des Regierungsabgeordneten Manül Muñoz Rocha. Dieser steht in dem Verdacht, im Auftrag von Raúl Salinas im September 1994 die Ermordung seines Parteikollegen José Francisco Massieu, des damaligen Generalsekretärs der Revolutionären Institutionellen Partei (PRI), organisiert zu haben. Von Muñoz Rocha fehlt seitdem jede Spur. Statt der Hoffnung, mit dem Leichenfund mehrere Verbrechen auf einmal aufklären zu können, gibt es nun mehr Fragen als zuvor.
Die Wissenschaftler in den USA fanden heraus, daß die Leiche vor 12 bis 24 Monaten im Garten von Salinas vergraben wurde. Zuvor wurde bereits eine Autopsie an ihr vorgenommen, möglicherweise war sie zürst an einem anderen Ort begraben. Sofort sind in Mexiko Vermutungen aufgetaucht, das Skelett sei zu Salinas Besitz geschafft worden, um die Indizienkette gegen ihn zu verstärken. Personen aus seinem Umkreis, die die Staatsanwaltschaft auf die Spur im Untergrund hinwiesen, werden von Salinas Anwälten beschuldigt, im September 1996 ein Schweigeversprechen gegen die Zahlung von zwei Millionen Dollar angeboten zu haben. Ins Zwielicht geraten sind ebenso der im Dezember ausgewechselte Bundesstaatsanwalt Lozano Gracia und sein mit dem Fall beauftragter Sonderuntersucher Chapa Bezanilla.
Während es bei dem ersten allgemein um die Verwendung enormer Geldmittel „zur freien Verfügung“ seiner Behörde geht, so wird nach dem Durchsickern von Informationen aus Regierungskreisen bei Bezanilla konkret von etwa 500.000 Dollar gesprochen, die er an den Hauptbelastungenzeugen für dessen Aussagen gegen Raúl Salinas gezahlt haben soll. Dieser Zeuge ist der Ex-Privatsekretär des verschwundenen Abgeordneten Muñoz Rocha. Die jüngsten Vorkommnisse bedeuten für Raúl Salinas keine endgültige Entlastung. Sie geben jedoch seiner Verteidigung Auftrieb. Die Anwälte fragen die mexikanische Justizbehörde, wielange sie den Bruder des ehemaligen Präsidenten ohne wirkliche Beweise noch in Haft halten will.
Zapatist*innen bezeichnen Vorschläge der Regierung als „Hohn“
(Mexiko-Stadt, 13. Januar 1996, Poonal).- Nach harten Worten der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) wird in Mexiko nach Wegen gesucht, den seit September vergangenen Jahres stockenden Verhandlungsprozeß mit der Regierung nicht völlig scheitern zu lassen. Die Zapatist*innen hatten am Samstag den drei Wochen zuvor von Präsident Zedillo uterbreiteten Vorschlag für Verfassungsreformen hinsichtlich der Indígena-Gesetzgebung als „infamen und unverschämten Hohn“ zurückgewiesen, der die zuvor in dem chiapanekischen Ort San Andrés getroffenen Vereinbarungen verleugne. Die Regierungshaltung wurde dabei von den Aufständischen als „rassistisch, ethnozentrisch und diskriminierend“ charakterisiert. Eine solch heftige Reaktion hatten die wenigsten erwartet. Nachdem Mexikos Präsident den Vorschlag der vermittelnden Parlamentarierkommission Cocopa im Dezember persönlich zur Weiterleitung an die EZLN übergeben hatte und vor wenigen Tagen sieben mutmaßliche Zapatist*innen nach zwei Jahren Haft in der Revisionsverhandlung freigesprochen wurden, deuteten die Zeichen auf ein gutes Klima für weitere Verhandlungen.
Die wenigsten dürften allerdings auch mit einem so mageren Angebot der Regierung gerechnet haben. Der bis zum vergangenen Samstag geheimgehaltene Entwurf für eine neue Indígena- Gesetzgebung bleibt in vielen Punkten hinter dem Kompromißvorschlag zurück, den die Cocopa erarbeitete. Deren Vorstellungen waren von den Zapatist*innen im Gegensatz zur Regierung im letzten Jahr gutgeheißen worden. Im Mittelpunkt befinden sich sieben Verfassungsartikel, in denen mit unterschiedlicher Gewichtung Autonomierechte der indigenen Bevölkerung in territorialer, rechtlicher, politischer, sozialer und kultureller Hinsicht behandelt werden. In keinem Fall geht es dabei um die Loslösung vom mexikanischen Staat. An vielen Stellen, an denen die Cocopa für konkrete Bestimmungen im Verfassungstext selbst eintritt, zieht die Regierung Ausführungsgesetze vor. Dies ist ein wesentlicher Kritikpunkt der Zapatist*innen. An anderen Stellen schwächt die Regierungsversion ab oder läßt Interpretationen zu, die im Text der Cocopa nicht aufkommen können. Das mexikanische Innenministerium verweist in einer Rechtfertigung darauf, die „nationale Einheit“ dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden. Die EZLN dagegen beklagt den Versuch, „Reservate“ zu formen. Das Gespenst einer „Balkanisierung“ des Landes werde gerade durch die Regierungsposition heraufbeschwört.
Die Blicke ruhen nun weniger auf den Zapatist*innen und der Regierung, sondern auf der Cocopa. Die in ihr vertretenen Senatoren und Abgeordneten können nach wie vor ihren eigenen Vorschlag zur Abstimmung in den mexikanischen Kongreß einbringen. Er gewinnt dadurch an Rückhalt, daß die Cocopa-Mitglieder aus allen vier im Parlament präsenten Parteien kommen und den Gesetzesentwurf gemeinsam erarbeiteten. Die Mitglieder der regierenden Revolutionären Institutionellen Partei (PRI), die den Entwurf mittrugen, dürften von ihrer Regierung und dem Präsidenten enttäuscht sein. Ob sie jedoch auf direkten Konfrontationskurs gehen werden, muß sich in den kommenden Tagen herausstellen. Große Teile der Öffentlichkeit fordern sie dazu auf. Sei es, weil sie wie die Nationale Vermittlungskommission (CONAI) unter dem Vorsitz von Bischof Samül Ruiz, den Cocopa- Entwurf für richtig halten oder sei es, weil sie wie der nicht besonders zapatistenfreundlich eingestellte Zeitungskommentator Héctor Aguilar Camín eine Chance für das Parlament sehen. Letzterer spricht angesichts der realen Gesetzgebungspraxis von der historischen Gelegenheit, daß die Vertreter des Volkes „erstmals ihr Gesetz gemacht hätten“. Zumindest das Parlament hätte dann einmal seine Autonomie erreicht.
GUATEMALA
Friedensabkommen: Chronologie der Ereignisse
Wie in der vergangenen Poonal-Ausgabe angekündigt, an dieser Stelle eine Zusammenfassung des Friedensprozesses und mehrerer Stellungnahmen dazu durch unsere Mitgliedsagentur CERIGUA.
Zehn Jahre Verhandlungen: Eine Chronologie
Oktober 1987: Während der Amtszeit von Vinicio Cerezo Arevalo kam es zum ersten Treffen zwischen der Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas (URNG) und einer Regierungsdelegation überhaupt. Es fand in Madrid im Rahmen des sogeannten Arias- Friedensplans statt, der von den mittelamerikanischen Präsidenten 1986 unterzeichnet wurde. Die Gespräche schritten jedoch nicht weiter fort und der interne Krieg verstärkte sich.
März 1990: Die „Grundvereinbarung über den Frieden durch politische Mittel“, auch als Oslör Abkommen bekannt, wird in Norwegen unterschrieben. Das Dokument enthält einen Zeitplan für die Gespräche zwischen der URNG-Generalkommandantur und den verschiedenen Gesellschaftsgruppen, um zu Verhandlungen zwischen der URNG, der Regierung und den Streitkräften zu führen. Das damalige Abkommen bestimmt Monseñor Rodolfo Qüzada Toruño zum Vermittler im Friedensprozeß und erbittet die Teilnahmer der Vereinten Nationen als Bebachter.
Mai 1990: Treffen zwischen der URNG und politischen Parteien in El Escorial, Spanien.
August 1990: Treffen zwischen der URNG und dem guatemaltekischen Koordinationskomitee der Kammern für Handel, Industrie, Landwirtschaft und Finanzwesen (CACIF) in Ottawa, Canada.
September 1990: Die URNG trifft sich mit Vertreter*innen der guatemaltekischen Kirchen in Quito, Ecuador.
Oktober 1990: In Metepec, Mexiko, spricht die URNG getrennt mit Gewerkschaftsrepräsentant*innen und Mitgliedern der Volksbewegungen sowie Vertreter*innen aus dem wissenschaftlichen Bereich, dem Genossenschaftswesen und mit mittelständischen Geschäftsleuten. Der zentrale Punkt dieses Treffens mit den verschiedenen Gruppen der Zivilgesellschaft ist die Feststellung, daß jede politische Lösung des bewaffneten Konfliktes die Wurzeln des Krieges betreffen muß.
26. April 1991: Mit der Regierung von Jorge Serrano Elias wird das „Mexiko-Abkommen“ geschlossen. Es enthält Verfahrensregeln für die Friedensverhandlungen und einen Elf- Punkte-Plan, der wirtschaftliche, soziale, politische und militärische Themen umfaßt. Trotz der Vereinbarung bleiben die Verhandlungen stecken.
25. Mai 1993: Serrano versucht, diktatorische Vollmachten an sich zu reissen. Tatsächlich beendet er damit seine eigene Amtszeit und vorerst den Friedensprozeß.
10. Januar 1994: In Mexiko-Stadt wird das „Rahmenabkommen für die Wiederaufnahme des Friedensabkommens“ mit Vertretern des Regierung unter Ramiro de Leon Carpio unterzeichnet. Es basiert auf dem Mexiko-Abkommen und ruft zu Anregungen durch die Zivilgesellschaft für die Entwicklung zukünftiger Abkommen auf. Die Vereinten Nationen ersetzen Monseñor Qüzada als Vermittler.
29. März 1994: Ebenfalls in Mexiko-Stadt kommt es zum „Allgemeinen Menschenrechtsabkommen“, das sofort in Kraft tritt. Ein Zeitplan für weitere Vereinbarungen wird aufgestellt. Im Rahmen des Menschenrechtsabkommen erklärt sich die Regierung bereit, die Menschenrechte zu respektieren, geheime Unterdrückungsstrukturen wie die Todesschwadronen aufzulösen und eine internationale Überprüfung der Vereinbarung durch eine UNO-Mission zu erlauben.
April 1994: Die Versammlung der Zivilen Gesellschaftsgruppen (ASC) mit Monseñor Qüzada als Vorsitzendem gründet sich. Die Aufgabe der ASC ist es, unverbindliche Vorschläge für den Verhandlungstisch zu den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen zu machen. Es geht weniger um Aspekte, die mit der Anwendung zu tun haben.
17. Juni 1994: Die Kriegsparteien unterzeichnen in Oslo das „Abkommen über die Wiederansiedlung der durch den bewaffneten Konflikt vertriebenen Bevölkerung“. Das Dokument sieht die Förderung einer integrierten Entwicklungsstrategie für die Vertriebenen vor und fordert zur Bildung eines Verwaltungskomitees mit Beteiligung der Vertriebenen auf, das die Anwendung des Abkommens überwachen soll.
23. Juni 1994: Das Abkommen über die „Einrichtung der Kommission für die historische Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen und Gewaltakte, die der guatemaltekischen Bevölkerung Leiden zufügten“ – auch bekannt als Vereinbarung zur Wahrheitskommission – wird ebenfalls in Oslo unterschrieben. Das Abkommen provoziert weitverbreitetes Unbehagen, da die beiden Seiten darin übereinstimmen, daß die Wahrheitskommission in erster Linie institutionelle anstelle individüller Verantwortung für die Kriegsverbrechen benennen und keine strafrechtliche Verfolgung gegen die Schuldigen anstrengen soll.
21. November 1994: Die UNO-Mission zur Internationalen Überprüfung der Menschenrechte in Guatemala (MINUGUA) wird offiziell eingerichtet. Die Überprüfung der Einhaltung des Menschenrechtsabkommens beginnt.
31. Januar 1995: Die katholische Kirche zieht ihre Vertreter einschließlich Monseñor Qüzada aus der Versammlung der Zivilen Gesellschaftsgruppen (ASC) ab. Dies bedeutet für die ASC einen Schlag, von dem sie sich nie vollständig erholt.
31. März 1995: In Mexiko-Stadt unterschreiben Regierung und Guerilla das „Abkommen über Identität und Rechte der Indígena-Völker“. Es ruft zu Verfassungsreformen auf, die Guatemala als einen Staat vieler Kulturen, Sprachen und Ethnien definieren. Ebenso spricht es sich für die offizielle Anerkennung der Indígena-Sprachen im Land aus. Die Regierung verspricht, alle Formen der Diskriminierung gegen die Völker der Maya, Garifuna und Xinca zu beenden. Es handelt sich um das letzte Abkommen unter der Regierung von Leon Carpio. Die Übergangsnatur dieser Regierung und die komplizierten ausstehenden Themen verhindern einen erfolgreichen Abschluß des Friedensprozesses noch im selben Jahr. Das Rahmenabkommen vom Januar 1995 hatte das vorgesehen.
19. März 1996: In getrennten Erklärungen kündigen die URNG und die neue Regierung unter Alvaro Arzu Irigoyen einen Stopp offensiver militärischer Aktion und ein Ende der Aufstandsbekämpfungsmaßnahmen an, solange die ausstehenden Punkte auf dem Friedensplan diskutiert werden.
6. Mai 1996: Das Abkommen über „Sozio-ökonomische Fragen und die Agrarsituation“ wird in Mexiko-Stadt unterzeichnet. Es sichert den Gemeinden eine Beteiligung an der Entwicklungsplanung für sie zu, sieht Kredit- und Sparhilfen für kleine und mittlere Unternehmen vor und verspricht ein überprüftes Landregister sowie ein Bodenbank. Dennoch sind viele Guatemaltek*innen vom Inhalt enttäuscht, besonders von der Abwesenheit einer Landreform.
9. September 1996: Abkommen über die „Stärkung der zivilen Macht und die Rolle der Streitkräfte“ in einer demokratischen Gesellschaft. Unterzeichnungsort ist die Stadt Pübla in Mexiko. Zu den wichtigeren Vereinbarungen gehört die Eingrenzung der Pflichten der Streitkräfte auf die Verteidigung der nationalen Souveränität und den Schutz der Grenzen. Vorgeschrieben werden die Auflösung repressiver Strukturen wie die paramilitärischen Zivilpatrouillen (PAC) und die präsidentielle Militärgarde (EMP). Stärke und Budget des Militärs sollen um ein Drittel gekürzt werden.
28. Oktober 1996: Die Friedensgespräche werden eine kurze Zeit unterbrochen, nachdem ein Kommandant der Organisation des bewaffneten Volkes (ORPA) – eine der vier Gruppen in der URNG – in die Entführung einer wohlhabenden Guatemaltekin verwickelt ist. Um die Wiederaufnahme der Gespräche zu beschleunigen bietet die URNG an, die Diskussion über einen endgültigen Waffenstillstand vorzuziehen, ORPA-Chefkommandant Gaspar Ilom zieht sich vom Verhandlungstisch zurück.
4. Dezember 1996: Der „daürhafte Waffenstillstand“, der mit einem Zeitplan für die Demobilisierung und Entwaffnung der Aufstandskräfte einhergeht, wird in Oslo unterzeichnet.
7. Dezember 1996: In Stockholm unterzeichnen Regierung und Guerilla das „Abkommen über Verfassungsreformen und das Wahlsystem“. Das Dokument bringt die in früheren Vereinbarungen enthaltenen Verfassungsreformen und neue Reformen des Wahlsystems zusammen. Die Wahlreformen begrenzen Wahlkampfkosten, sehen die Überwachung der Parteifinanzen vor und erlauben Mitgliedern der Streitkräfte, zu wählen.
12. Dezember 1996: In Madrid fällt die Unterschrift unter das „Abkommen über die Grundlagen der Wiedereingliederung der URNG in die Legalität“ Für die Mitglieder der URNG sind Finanzhilfen, Stipendien, Ausbildung, Wohnungen und Gesundheitsfürsorge vorgesehen, um ihre Rückkehr ins zivile Leben zu erleichtern. Die Vereinbarung enthält außerdem eine umstrittene Amnestie für die Rebell*innen und die Soldaten der Armee.
29. Dezember 1996: In Guatemala-Stadt beendet die Unterschrift beider Seiten unter das „Abkommen für den festen und daürhaften Frieden“ den Krieg offiziell. Die vorausgegangenen Vereinbarungen treten damit in Kraft. Früher am selben Tag setzen die Guerilla und die Regierung einen Zeitplan für die Umsetzung der Abkommen fest.
Unsicherer Frieden: Kommentare zum Friedensvertrag
(Guatemala-Stadt, Januar 1997, POONAL-cerigua).- Für Celso Cuxil von den Geheimen
Widerstandsdörfern im Peten (CPR-P) ist das wichtigste Abkommen zwischen der
Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas (URNG) und der Regierung das über die „Wiederansiedlung der vom bewaffneten Konflikt vertriebenen Bevölkerung“. Darin wird das Existenzrecht seiner Gemeinde anerkannt und es werden Garantien für Land und technische Hilfe für die Gemeindeentwicklung abgegeben. Doch wie viele andere Guatemaltek*innen, die unter dem Krieg litten, hat Cuxil Zweifel an dem Willen der Regierung, die Vereinbarungen zu erfüllen. „Dieses Abkommen über die Vertriebenen wurde vor mehr als zwei Jahren unterschrieben und es war ein richtiger Kampf, sie dazu zu bringen, wenigstens einen Teil davon zu erfüllen“, sagt er. „Welche Garantien gibt es, daß sie sich an die anderen Vereinbarungen halten?“ Das schwächste Friedensabkommen ist nach Cuxil das über „Sozio- ökonomische Themen und die Landsituation“. Es bringe zwar einige Fortschritte, trage aber nicht dazu bei, die große Lücke zwischen arm und reich in Guatemala zu schließen, meint er. „Sie ermutigen die Geschäftswelt, mehr Fabriken zu eröffnen und das könnte uns mehr Jobs bringen. Aber wir werden immer noch ihre Diener sein.“ Ohne das Abkommen über die Eingliederung der URNG in das zivile Leben, daß eine Amnestie sowohl für die Rebell*innen als auch für die offizielle Armee beinhaltet, bisher gelesen zu haben, äußert Cuxil sein Mißfallen über das, was er darüber gehört hat. „Wie können wir von Frieden reden, wenn die Leute, die unsere Familien töteten und unsere Dörfer zerstörten, frei herumlaufen?“ Er sieht es trotz allem als die Aufgabe der guatemaltekischen Menschen an, die vollständige Anwendung der Abkommen sicherzustellen. Wenn die Zivilgesellschaft darauf dränge, dann gäbe es die Hoffnung, daß zumindest einige der vereinbarten Bestimmungen erfüllt würden. Für die Geheimen Widerstandsdörfer stellt Cuxil die Bedeutung der internationalen Solidarität in der Nachkriegszeit als entscheidend heraus. Dies gelte für die Überwachung und das Vorantreiben der Vereinbarungen sowie für technische Hilfe für die Nachkriegsentwicklung. „Der Krieg war schwierig“, sagt er. „Aber ich glaube, die nächste Phase wird noch härter werden.“
Justina Tzoc ist Mitglied der Guatemaltekischen Koalition der indigenen Frauenorganisationen (COMIGUA). Obwohl die Friedensabkommen den Geschlechterfragen wenig Beachtung schenken, hofft Justina Tzoc auf stärkere politische, soziale und wirtschaftliche Beteiligung der Frauenorganisationen in der Zeit nach dem Krieg. Sie müßten Nutzen aus den von der Bevölkerung allgemein Erreichten ziehen und darauf aufbaün. „Als Frauen haben wir den Frieden immer gewünscht“, erklärt sie. „Wir hoffen, daß wir in dieser neuen Phase eine Beteiligung in für uns vorher verbotenen Bereichen erreichen. Es ist Zeit, diese Spielräume zu öffnen, für die wir so lange gekämpft haben.“ Dies wird wohl immer noch schwierig sein. Die Frauen, die sich organisieren, haben zahlreiche Verpflichtungen gegenüber der Familie, der Gemeinde und anderen Menschen. „Darum haben es die Compañeras, die diese Arbeit ohne Anfang und Ende übernehmen, nicht leicht“, sagt Tzoc. Für ihre Organisation bedeutet die Friedensunterzeichnung keine Veränderung in der Strategie. Aber eine Gelegenheit, die Arbeit vieler Jahre weiterzubringen, „so daß wir anerkannt werden, eine Stimme und ein Stimmrecht haben, so daß sie uns ernst nehem, so daß wir an den Gemeinderegierungen teilnehmen, unseren wirtschaftlichen, sozialen und politischen Beitrag leisten“.
Juan Tiney von der Nationalen Indígena- und Campesinokoordination (CONIC) ist überzeugt: „Die Friedensabkommen sind Minimalvereinbarungen.“ Er weist auf die Verworrenheit der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Themen hin, die sie behandeln. „Darum sagen wir, sie müssen maximal ausgeschöpft werden, um damit zu beginnen, einige der Probleme, die unsere Gesellschaft erleidet, zu lösen.“ Obwohl Tiney darauf besteht, sowohl die „substantiellen“ wie die „operativen“ (im Sinne von Umsetzung, die Red.) Abkommen seien wichtig für das Ende des Krieges, werde die CONIC sich auf das Indígena-Abkommen und die Vereinbarung über sozio-ökonomische Themen und die Landsitution konzentrieren. „Diesen geben wir den Vorrang, weil sie uns als Gruppe direkt betreffen.“ Wie andere auch fürchtet Tiney jedoch Schwierigkeiten. Einige Gesellschaftsteile würden ihr Bestes tun, die vereinbarten Veränderungen zu blockieren. „Nicht jeder, der mit dem Krieg zu tun hatte, ist mit den Abkommen glücklich“, erklärt das CONIC-Mitglied. „Eine der wichtigsten Parteien ist der Wirtschaftssektor, die Landbarone, die Industriellen, all die Wohlhabenden, die die Wirtschaft in unserem Land lenken. Sie sind mit diesen Lösungen nicht einverstanden. Sie beharren auf ihrer Vorstellung vom Respekt des Privateigentums, ganz egal, wie es erlangt wurde.“ Laut Juan Tiney haben die wirtschaftlich Mächtigen die Nationale Indígena- und Campesinokoordination beschuldigt, sich dem Friedensprozeß entgegenzustellen und Angriffe auf die Landbesitzer*innen durchzuführen. Das Gegenteil sei wahr. „Als die Friedensentwicklung begann, hat er [der Privatsektor] alles mögliche getan, die erreichten Abkommen herabzusetzen. Sie haben Steine in den Weg gelegt, wann immer es möglich war. Aber jetzt wollen sie sich anschließen, da sie sehen, daß sie isoliert werden… denn nur so werden sie in der Lage sein, die Mittel zu verwalten, die notwendig sind, den Frieden in Guatemala zu schaffen.“ Juan Tiney fordert die internationale Gemeinschaft auf, die Verwendung der finanziellen Hilfe, die bald ins Land fließen wird, scharf zu überwachen. Die Forderung der Graswurzelorganisationen, am Management der Entwicklungsprojekte in der neuen Etappe beteiligt zu werden, müsse von der internationalen Gemeinschaft unterstützt werden.
President Alvaro Arzu Irigoyen hat wegen seines Verhaltens bei den Friedensverhandlungen im Ausland mindestens so viele Punkte gesammelt wie zuhause. Angesichts dieser Unterstützung gab er der Rolle der internationalen Gemeinschaft während der Zeremonie am 29. Dezember und bei anderen Gelegenheiten breiten Raum: „Die internationale Gemeinschaft hat viel geholfen, damit das Ziel erreicht werden konnte. Es hat nie den geringsten Druck oder Einmischung bezüglich einer Beschleunigung der Friedensgespräche gegeben. Die internationale Gemeinschaft hat unser Land immer sehr respektvoll behandelt und ist stets mit guten Absichten, Wünschen und Fachwissen gekommen.“ Arzú schreibt der „reifen Haltung“ der Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas (URNG) den gebührenden Anteil am Erfolg der Verhandlungen zu. Bei den konservativsten Gruppen des Landes machte er unerwartete Unterstützung aus: „Ich erwartete Widerspruch vom traditionellen Teil des Privatsektors und von der Armee gegenüber der Art, wie wir den Weg freimachten. Doch weit davon entfernt. Von den Streitkräften und der Geschäftswelt haben wir nichts als … Unterstützung, Rückhalt und Geld erhalten.“ Arzú spricht von Opposition aus anderen Bereichen. „Prostestgruppen …, einige Nicht-Regierungsorganisationen, all die, von denen wir vollständigen Beifall, vollständige Sympathie, vollständige Unterstützung, vollständigen Rückhalt erwarteten, von ihnen kamen Widerstand und Hindernisse.“ Die Probleme seien jedoch leicht bewältigt worden, so der guatemaltekische Präsident. Nun beginne die Herausforderung, im neuen Zeitalter des Friedens zu regieren. „Wenn ich mit meinen mittelamerikanischen Kollegen zusammentreffe, bedaürn sie für gewöhnlich, daß vier Jahre zu wenig Zeit für eine Regierung sind. Für mich war dieses Jahr ehrlich gesagt eine Ewigkeit.“
Guerilla-Kommandant Daniel Ruiz von der URNG fürchtet den Wechsel vom bewaffneten zum politischen Kampf nicht. „Wir haben uns nie in den Krieg verliebt“, versichert er. „Er war nur ein Ziel, politische Ziele zu erreichen und wir glauben, sie werden erreicht. Wir bilden [jetzt] eine politische Partei als Instrument, politische Ziele durchzusetzen und am nationalen Leben teilzunehmen. Wir haben eine Änderung in der Strategie vorgenommen“, so Ruiz. Der revolutionäre Kampf endet nicht mit den Friedensvereinbarungen. Eher kämpfen wir nun auf anderen Ebenen weiter.“ Die neue Periode werde nicht ohne Feinde sein, doch die traditionellen Widersacher im Militär seien nicht mehr an der Macht. „Die neue Elite in den Streitkräften hat eine Politik des Wechsels innerhalb der Armee entwickelt“, meint Ruiz. Der Kommandant gesteht jedoch zu, daß der neue Frieden brüchig ist und Zeit braucht, sich zu konsolidieren. „Jeder Anfang ist wie ein Kind, das zu laufen beginnt. Anfällig und schwach, alles kann es umwerfen. Wenn wir aber wirklich zusammenarbeiten, mit Optimismus, mit Begeisterung und unsere kleine Kreatur ans Laufen kommt, dann könnte ein Erwachsener daraus werden. Aber sie kann das nicht alleine schaffen, sie braucht Unterstützung und Hilfe von innen und außen.“
VENEZUELA
Netzwerk gegen Aids
Von Giovanna Merola
(Caracas, Dezember 1996, fempress-Poonal).- In Venezuela ist es die Regel gewesen, der Situation tausender Aids-Kranker auszuweichen oder ihr nicht angemessen zu begegnen. Die Kranken haben keine kompetente Unterstützung. Das Tabu, die Vorurteile und die Falschinformation behindern immer noch die Vorbeugearbeit angesichts dieses Gesundheitsproblems, von dem besonders die jugendliche Bevölkerung betroffen ist. Die rückschrittlichsten Gruppen treten immer noch für das Verbot von so einfachen und zugänglichen Schutzmitteln wie Kondome ein, die die Übertragung des Hiv-Virus durch sexuelle Kontakte verhindern könnten. Zudem weist alles, was mit der Sexualerziehung von Kindern und Jugendlichen zu tun hat, noch Defizite auf. Die Folge sind erhöhte Zahlen der Mütter im Kindesalter, der Schwangerschaft bei Jugendlichen, der geheimen Abtreibung, der Geschlechtskrankheiten bei Jungendlichen und von Aids.
Der Staat tut angesichts dieser Situation kaum etwas. Langsam entwickeln sich jedoch Vorschläge von Freiwilligen und Nicht-Regierungsorganisationen. Eine von den Personen, die ihre Kräfte der Aids-Bekämpfung widmet ist die Lehrerin Barbara Martinez, deren Bruder an der Krankheit starb. Sie und ihre Kolleg*innen begannen mit verschiedenen Initiativen. Sie erarbeiteten eine Broschüre für Schüler*innen, in der über Aids und Schutzmaßnahmen aufgeklärt wird und setzten sich mit Ministerien und Schulbehörden des Landes in Kontakt, um die Jugendlichen besser zu erreichen. Über das Internet tauschen sie Informationen mit Organisationen in anderen Ländern aus. Gleichzeitig gründeten sie die Stiftung Marozo. Bisher ist der Wirkungsbereich auf die Hauptstadtregion konzentriert. Dort baut Barbara Martinez ein Netzwerk aus zehn Nicht-Regierungsorganisationen auf. Es ist unter den Namen „Red Met Sida“ (Red Metropolitana contra el Sida) bekannt. Das Netzwerk organisiert unter anderem Veranstaltungen, verteilt Medikamente und besorgt Kranken Plätze in Krankenhäusern. Außerdem hat die Vorbereitung für Gipfeltreffen der Gesundheitsministerien im Januar 1998 bereits begonnen. Die Mehrheit der Aids-Erkrankungen in Venezuela ist bisher in den großen Städten wie Caracas, Maracibo und Valencia aufgetreten. Auf dem Land und unter den Indígenas sind die Fälle seltener. Am meisten Betroffen ist derzeit noch die Gruppe der homosexuellen Männer.
KUBA
Forum über Neoliberalismus und Globalisierung
(Havanna, 14. Januar 1997, prensa latina-Poonal).- Kuba wird vom 6. bis 8. August dieses Jahres in der Hauptstadt ein internationales Forum über Neoliberalismus und Globalisierung veranstalten. Die Idee dazu entstand auf dem Kongreß des kubanischen Gewerkschaftsverbandes CTC im vergangenen Jahr, an dem Gewerkschaftsmitglieder aus 49 Ländern als Gäste teilnahmen. CTC-Vorsitzender Pedro Ross erklärte gegenüber dem einheimischen Fernsehen, das Ziel des Treffens im August müsse die Festlegung einer gemeinsamen Position angesichts der Wirtschaftskonzentration, des Vormarsches sozial unverträglicher Wirtschaftsstrategien und der Arbeitslosigkeit in der Welt sein.
China schenkt Computer
(Havanna, 14. Januar 1997, prensa latina-Poonal).- Im Rahmen eines Besuchs mehrerer lateinamerikanischer Länder besuchte das chinesische Politbüromitglied Hu Jintao mit einer Delegation Kuba. Die Führung der Karibikinsel unterstrich die Bedeutung des Besuches, indem auf dem offiziellen Empfang in der chinesischen Botschaft Fidel Castro und sämtliche Mitglieder des kubanischen Politbüros teilnahmen. Beide Seiten drückten ihre Zufriedenheit über die Entwickung der gegenseitigen Beziehungen und der Zusammenarbeit aus. Hu Jintao übergab dem Inselstaat als Geschenk 40 Computer und 10 Drucker.
KOLUMBIEN
Samper akzeptiert Truppenabzug aus Provinz Caquet
(Bogota, 14. Januar 1997, pulsar-Poonal).- Seit viereinhalb Monaten befinden sich mehr als 60 Soldaten der Bundesarmee in den Händen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC). Die FARC nahmen sie am 30. August 1996 in der Region von Las Delicias im Süden des Landes gefangen. Seitdem hat es mehrere Gespräche zwischen der Regierung und der Guerilla unter Einschaltung internationaler Vermittler gegeben. Zu einer Lösung kam es nicht. Die Forderung der Aufständischen an Präsident Ernesto Samper lautet, die wichtigsten Militärbasen in der Provinz Caquet räumen zu lassen. Anfangs stimmte Samper nur einem Teilabzug aus der Region zu. Jetzt hat er die vollständige Entmilitarisierung des Gebietes versprochen. Die FARC mißtrauen dem Präsidenten und der offiziellen Armee aber offensichtlich. In der vergangenen Woche schrieben sie der Regierung einen Brief, in dem sie die vorherige Teilräumung als falsches Versprechen bezeichneten.
ECUADOR
Bucaram muß mit verstärkter Opposition rechnen
(Quito, 14. Januar 1997, pulsar-Poonal).- Die Wirtschaftsmaßnahmen der Regierung von Abdal Bucaram stoßen auf allgemeinen Protest. Für die Gewerkschaft der Ölarbeiter kündigte Ivan Narvaez die Gründung eines Patriotischen Bündnisses zur Verteidigung des Volkes an. Darin sollen verschiedenste Gesellschaftsgruppen mit unterschiedlicher politischer Tendenz gemeinsam gegen die Regierung Bucaram vorgehen. In der wichtigsten Städten des Landes haben Student*innen wierderholt gegen die Regierungspolitik demonstriert. Ende dieser Woche soll das angekündigte Bündnis auf einer Nationalversammlung in Quito konkrete Gestalt annehmen. Für den 5. Februar ist bereits ein „BürgerInnengeneralstreik“ ausgerufen worden. Die Oppostion gegen Bucaram möchte die Rücknahme der Wirtschaftsmaßnahmen neoliberalen Zuschnitts erreichen.
BOLIIVIEN
Drohungen gegen fortschrittliches Kirchenradio
(La Paz, 14. Januar 1997, pulsar-Poonal).- Der Ordensgeistliche Roberto Durette, Direktor des Radios „Pius XII.“ meldet eine Reihe von Drohungen gegen den Sender, um ihn zum Schweigen zu bringen. Die Probleme begannen, als Reporter des Radios das gewalttägige Einschreiten von Polizei und Militär gegen die protestierenden Minenarbeiter von Potosi im ganzen Land bekanntmachten. Bei diesem in Bolivien das „Weihnachtsmassaker“ getauftem Verbrechen kamen zehn Minenarbeiter um. Nachdem der Sender „Pius XII.“ darüber berichtete, wurden seine Arbeitsmaterialien einschließlich eines LKW beschlagnahmt. Pater Durette fordert alle diejenigen, die die direkte Kommunikation mit der Bevölkerung praktizieren oder wollen, zur Solidarität auf. Von der Regierung verlangt er Sicherheitsgarantien, um mit der journalistischen Arbeit fortfahren zu können.
HAITI
Premierminister wankt
(Port-au-Prince, 14. Januar 1997, pulsar-Poonal).- Der haitianische Premierminister Rosny Smarth präsentierte dem Parlament seinen Arbeitsbericht über die ersten neun Regierungsmonate in einem feindseligen Klima. Obwohl Smarth der Politischen Organisation Lavalas (OPL) angehört, die sowohl das Abgeordnetenhaus wie den Senat beherrscht, ist der Druck gegen ihn groß. Die Abgeordneten verlangen seinen Rücktritt, da er in während seiner Amtszeit nichts für den Wandel auf Haiti getan habe. Aus dem Senat wird nicht sein Abgang gefordert, aber auch dort wird eine andere Regierungspolitik gewünscht. In den Straßen der Hauptstadt drückte die Bevölkerung ihre Unzufriedenheit aus. An mehreren Stellen wurden brennende Barrikaden errichtet. Regierungskräfte unterdrückten die Proteste unter dem Einsatz von Gewalt. Es gab mehrere Verwundete.
PERU
Fujimori will mit Botschaftsbesetzer*innen verhandeln
(Lima, 14. Januar 1997, pulsar-Poonal).- Präsident Alberto Fujimori hat dem Kommando der Revolutionären Bewegung Tupac Amaru (MRTA) in der japanischen Botschaft eine Kommission vorgeschlagen, die eine Vermittlerrolle bei den gegenseitigen Kontakten übernehmen könnte. Sie soll aus je einem Vertreter des Vatikan, des Internationalen Roten Kreuzes, der peruanischen Regierung und der MRTA zusammengesetzt sein. Die Aufgabe der Kommission bestünde unter anderem darin, einen Themenplan zu erarbeiten, der auch alle bisher behandelten Punkten in den Gesprächen zwischen MRTA und Regierung enthält. Bei Redaktionsschluß war die Reaktion der Guerillabewegung auf den Vorschlag noch unklar. Die Behauptung, die MRTA habe ablehnend reagiert, wurden nicht eindeutig bestätigt.
Unterdessen deutet alles darauf hin, daß Victor Polay Campos, der Gründer der MRTA und ihr oberster Chef, von der Botschaftsbesetzung durch seine Organisation noch nichts erfahren hat. In den vergangenen Tagen erschienen mehrere Presseberichte, die auf seine Isolationshaft hinwiesen und seine Haftzelle mit einem Grab verglichen. Nach Auskunft seiner Mutter, ist die Haftzelle von Campos zwei Meter lang, breit und hoch. In die 70 Zentimeter dicken Betonwände ist nur an der Decke ein Luftloch eingelassen. Ein Loch im Boden dient als Latrine. Der Häftling kann einmal im Monat 30 Minuten mit seiner Mutter sprechen. Nach der Botschaftsbesetzung wurden diese Besuche jedoch völlig suspendiert.
BRASILIEN
Cardoso kämpft um zweite Amtsperiode
(Brasilia, 13. Januar 1997, pulsar-Poonal).- Die Anstrengungen des Präsidenten Fernando Cardoso, ein zweites Mal für das Amt des Staatsoberhauptes kandidieren zu können, gehen in ihre Schlußphase. Das brasilianische Parlament stimmt in Kürze über den Gesetzesentwurf ab, der die Wiederwahl des Präsidenten, der Gouverneur*innen und Bürgermeister*innen ermöglichen würde.
CHILE
Sanktionen gegen Häftlinge
(Santiago, 10. Januar 1997, pulsar-Poonal).- Nach der spektakulären Flucht von vier politischen Häftlingen am 30. Dezember bekommen nun die zurückgebliebenen Gefangenen in dem Hochsicherheitsgefängnis die Reaktion der Staatsmacht zu spüren. Berichte sprechen von einem brutalen Vorgehen der stark bewaffneten Polizeikräfte zur Aufruhrbekämpfung im Innern des Gefängnis. Abgesandte des Weltkirchenrates informierten über mehr als 60 verwundete Häftlinge aufgrund der Polizeigewalt. Es wird vermutet, daß Gefangene mißhandelt und gefoltert wurden, um Informationen über die Fluchtumstände der vier Mitglieder der Guerillabewegung Patriotische Front Manuel Rodriguez zu erzwingen.
ARGENTINIEN
Arbeitsgesetzgebung: Menem gibt nach
(Buenos Aires, 10. Januar 1997, pulsar-Poonal).- Die argentinische Regierung wird die Umsetzung dreier Präsidentendekrete zur Arbeitsflexibilisierung verschieben. Damit beugt sich Präsident Carlos Menem vorerst dem Gerichtsurteil in erster Instanz, in dem aus Verfassungsbedenken gegen die Arbeitsreformen entschieden wurde. Dennoch bekräftigte die Regierung ihre Absicht, die Entscheidung des Richters Julio García Martínez für ungültig erklären zu lassen. Die argentinische ArbeiterInnenzentrale begrüßte die neue Haltung der Regierung. Der Weg für die Wiederaufnahme von Verhandlungen ist damit frei.
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