Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 405 vom 22. Oktober 1999
Inhalt
CONO SUR
URUGUAY
CHILE
CHILE/USA
ARGENTINIEN/SPANIEN
ARGENTINIEN/PARAGUAY
BRASILIEN/KOLUMBIEN
PERU
BOLIVIEN
GUATEMALA
EL SALVADOR
HONDURAS
COSTA RICA
NICARAGUA
PANAMA
KUBA
HAITI
PUERTO RICO
SPANIEN
LATEINAMERIKA – Die Mythen des Tourismus, VI
CONO SUR
Die Sozialdemokratie schaut nach Süden
Von Marcos Salgado
(Buenos Aires, 21. Oktober 1999, npl).- In weniger als zwei Monaten wird es im südlichsten Teil Lateinamerikas drei neu gewählte Präsidenten geben. Sie haben eines gemein: Sozialdemokratische Politiker haben gute Aussichten, die konservativen Amtsinhaber abzulösen.
Die Serie der Wahlen beginnt kommenden Sonntag (24.10) in Argentinien, wo zum vierten Mal seit dem Ende der Militärdiktatur 1983 ein Staatschef demokratisch bestimmt wird. Fernando de la Rua, Bürgermeister der Hauptstadt Buenos Aires und Vorsitzender der „Union Civica Radical“ (Radikale Bürgerliche Union), ist laut Umfragen klarer Favorit. Er führt eine Wahlallianz mit der „Frente Pais Solidario“ (Bündnis Solidarische Land) an. Die „Alianza“ ist ein politisch äußerst heterogener Zusammenschluss: Von Ex-Kommunisten, verschiedensten politischen Gruppierungen bis hin zu namhaften Ex-Peronisten, die mit der Regierungspartei gebrochen haben, seit der peronistische Präsident Carlos Menem eine ultrakonseravative Wendung vollzogen hat.
De la Rua führt in Umfragen mit 43 Prozent vor dem Kandidaten der regierenden Peronisten, Eduardo Duhalde, dem 31 Prozent der Stimmen vorausgesagt werden. Sollte es wirklich zu einem Vorsprung von über zehn Prozent oder einer Mehrheit von 45 Prozent kommen, wäre die Wahl bereits im ersten Durchgang entschieden. Der noch amtierende Menem, der gern ein drittes Mal kandidiert hätte, unterstützt die Kampagne seines Parteifreundes aufgrund persönlicher Streitigkeiten nur halbherzig. Duhalde selbst distanzierte sich mehrfach von der autoritären, radikal neoliberalen Politik des Präsidenten, um aus dessen Schatten zu treten.
Eine Woche später (31.10.) finden im angrenzenden Uruguay Präsidentschaftswahlen statt. In den Wählerbefragungen führt Tabare Vazquez, Kandidat der progressiven Koalition „Frente Amplio“, deutlich. Mit Vazquez hat es die „Frente Amplio“ vor zehn Jahren erstmals geschafft, die Verwaltung der Hauptstadt Montevideo zu übernehmen und entgültig mit dem traditionellen Zweiparteiensystem zu brechen.
Als letzte sind im Dezember die Chilenen zum Urnengang aufgefordert. Mit überwältigender Mehrheit entschied dort im Juni der sozialdemokratische Vertreter Ricardo Lagos die internen Wahlen zum Präsidentschaftskandidaten der Regierungskoalition „Concertacion Democratica“ für sich. Die „Concertacion“ setzt sich aus der sozialistischen Partei und den Christdemokraten zusammen. Letztere stellten bisher mit Eduardo Frei den Präsidenten. Nur wenige zweifeln daran, daß der dritte demokratische Präsident seit Ende des Militärregimes 1990 Lagos sein wird, der bereits Mitglied der Partei „Unidad Popular“ von Salvador Allende war.
Erfüllen sich die Wahlprognosen, wird sich im sogenannten Südkegel Lateinamerikas ein politischer Wandel vollziehen, der ebenso viele Erwartungen wie Zweifel weckt. Kurz nachdem der klare Sieg von Ricardo Lagos bekannt geworden war, erklärte der ehemalige argentinische Präsident Raul Alfonsin, der Erfolg des Sozialdemokraten zeige „die Entwicklung der Concertacion hin zu sozialeren Positionen. Dies ist der gleiche Weg, den die Alianza in Argentinien beschreitet“. Der Politiker faßte mit Bezug auf Tabare Vazquez in Uruguay und auf seinen Parteigenossen Fernando de la Rua zusammen: „Die drei Präsidentschaftskandidaten sind ein Vorgeschmack auf kommende Zeiten“.
Diese Überzeugung prägte auch das Treffen des Rates der Sozialistischen Internationale (SI) vom Juli, der in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires tagte. Das von den Vertretern der 139 versammelten Parteien verabschiedete Dokument stellt klar: „Obwohl die Sozialistische Internationale die Marktwirtschaft begrüßt, wendet sie sich gegen eine Gesellschaft des Marktes“. Die Debatte um die politischen Möglichkeiten der Staaten, die sozialen Konsequenzen der Marktwirtschaft kontrollieren können, war eines der zentralen Themen des Treffens, ist jedoch gleichzeitig auch die größte Herausforderung für die drei politischen Experimente im Cono Sur.
De la Rua, Vazquez und Lagos versprechen bei jeder Gelegenheit, daß sie die sozialen Konsequenzen der Globalisierung und die „Herrschaft der Gesellschaft des Marktes“ unter Kontrolle bringen werden. Im Falle von Argentinien verkörpert das Erbe Menems alle negativen Auswirkungen dieser weltweiten Prozesse: 16 Prozent Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Rezession, steigende Verschuldung und eine Schwäche der nationalen Ökonomie.
Wenn alles so läuft, wie es sich die drei Herausforderer vorstellen, wird der Cono Sur demnächst von Parteien regiert sein, die sich auf die Sozialistische Internationale beziehen. Sie werden Parteien ersetzen, deren konservative Protagonisten eine zügellose Marktwirtschaft forcierten, von der sie letztlich aufgefressen wurden.
URUGUAY
Wichtige Stimmen aus dem Ausland zu Präsidentschaftswahl
(Montevideo, 15. Oktober 1999, comcosur-Poonal). – Am 31. Oktober bestimmen die Uruguayer*innen bei allgemeinen Wahlen die Zusammensetzung eines neuen Parlaments und die beiden Kandidaten, die zur Stichwahl um das Präsidentenamt antreten. Bei sich abzeichnenden knappen Ergebnissen werden die Stimmen der uruguayischen Bürger*innen im Ausland eine wichtige Rolle spielen. In Uruguay, das lange Zeit als Einwanderungsland galt, hat sich die Tendenz in den letzten Jahren verändert. Immer mehr Menschen kehren demsüdamerikanischen Land den Rücken, viele von ihnen siedeln sich in den Nachbarländern an. Doch nun, kurz vor den Wahlen kehren viele Uruguayer*innen zumindest für ein paar Tage in ihr Heimatland zurück, um am 31. Oktober mit entscheiden zu können.
Allein aus dem Nachbarland Argentinien werden mehr als 20.000 „Rückkehrer*innen“ erwartet. Dafür nehem sie zum Teil große Anstrengungen auf sich und suchen nach günstigen Transportmöglichkeiten. In der Hoffnung, dabei Stimmen für sich gewinnen zu können, bieten die uruguayischen Parteien ihre Hilfe an. Ein Vertreter des linken uruguayischen Oppositionsbündnisses Frente Amplio macht in Buenos Aires ein Transportangebot für 20 bis 30 Dollar. Ein guter Teil der Auswanderer identifiziert sich mit der Linksallianz, denn viele zwang die regressive Wirtschaftspolitik der traditionellen Regierungsparteien zum Verlassen des Landes.
Als wahrscheinlich gilt, daß Präsidentschaftskandidat Tabare Vazquez von der Frente Amplio im ersten Wahlgang die Nase vorn hat, aber eine Stichwahl nicht vermeiden kann. Dort wird er mit Jorge Batlle von der Colorado Partei oder Luis Lacalle von der Nationalistischen Partei um das Amt des Staatschefs konkurrieren müssen. Die beiden konservativen Regierungsparteien haben die Stichwahl in der aktuellen Legislaturperiode eingeführt, nachdem eine immer stärker werdende linke Mitte ihre Herrschaft gefährdete. Dennoch gilt Vazquez auch in der zweiten Wahlrunde nicht als völlig chancenlos.
CHILE
Pinochet soll höchstpersönlich Menschen mißhandelt haben
(Santiago, 18. Oktober 1999, pulsar-Poonal). – Zwei Personen, die zu den Leibwächtern des sozialistischen Präsidenten Salvador Allende gehörten, reichten in Spanien Klage gegen Augusto Pinochet ein. Sie beschuldigen den Ex-Diktator, persönlich mehrere politische Gefangene nach dem Putsch vom 11. September 1973 mißhandelt zu haben. Manuel Cortes und Pablo Cepeda übergaben ihre Informationen dem Richter Baltasar Garzon. Pinochet habe damals einen Raum betreten, in dem sich mehrere mit Stacheldraht gefesselte Personen befanden, die Gefangenen getreten und erklärt, alle würden umgebracht. Cortes und Cepeda begründeten die Anklageerhebung in Spanien damit, daß es in Chile keine Gerechtigkeit geben würde.
Auslieferungsverfahren gegen ehemaligen Geheimdienstchef
(Santiago, 11. Oktober 1999, pulsar Poonal). – Der Vorsitzende des Obersten Chilenischen Gerichtshofes hat den Beginn des Auslieferungsverfahrens nach Italien gegen den ehemaligen Chef des aufgelösten Geheimdienstes DINA, Manuel Contreras, bekannt gegeben. DINA ist für die Ermordung und das Verschwindenlassen zahlreicher Chilen*innen und Ausländer*innen verantwortlich. Die Auslieferung nach Italien wurde von dem europäischen Land verlangt, da Contreras für die Ermordung des chilenischen Exilanten Bernardo Leighton und dessen Frau in Rom für schuldig befunden wurde. Der chilenische Richter erklärte jedoch, Contreras müsse erst seine derzeitigen Strafen absitzen, bevor er ausgeliefert werden könne. Im Moment sitzt der Ex-DINA-Chef wegen des Attentats auf den Außenminister der Allende-Regierung, Orlando Letelier, und dessen Sekretärin Ronnie Moffit, die in Washington ermordet wurden, eine siebenjährige Haftstrafe ab.
CHILE/USA
Putschbeteiligung der USA dokumentiert
(Washington, 15. Oktober 1999, comcosur-Poonal). – Ein vom us-amerikanischen Außenministerium freigegebener Bericht bestätigt die Anschuldigungen, die in dem Film „Missing“ gemacht werden. In dem in den 80er Jahren produzierten Film wird die aktive Zusammenarbeit des Geheimdienstes CIA mit den chilenischen Putschisten um General Pinochet dargestellt. Unter anderem ist dem CIA die Mittäterschaft bei der Ermordung des US-Journalistin Charles Horman wenige Tage nach dem Staatsstreich zuzuschreiben. Dies geht aus dem Dokument hervor, daß die US-Regierung jetzt Hormans Witwe überreichte.
Für die Organisation Human Rights Watch handelt es sich um ein schwerwiegendes Vorkommnis, das strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könne. Jose Vivanco, bei der Menschenrechtsorganisation für Amerika zuständig, erklärte: „Bisher hatten wir keine Kenntnis – und viel weniger noch durch eine offizielle Quelle wie das Außenministerium – von Beweisen, die eine kriminelle Beteiligung nordamerikanischer Geheimdienste am Mord an einem nordamerikanischen Bürger in Zusammenarbeit mit den chilenischen Sicherheitskräften darlegen.“
Als Missing vor Jahren in die Kinos kam, protestierte US-Präsident Ronald Reagan gegen die Darstellung. Er leugnete jegliche Verantwortung seiner Geheimdienste. Die Zeit widerlegte jedoch die Aussagen des damaligen US-Regierungschefs.
ARGENTINIEN/SPANIEN
Garzon klagt weitere 29 Militärs an
(Madrid, 19. Oktober 1999, pulsar-Poonal). – Der spanische Richter Baltasar Garzon hat 29 neue Namen von argentinischen Militärs genannt, die wegen Verbrechen gegen die Menschenrechte, begangen in der Zeit zwischen 1970 und 1980, angeklagt werden. Damit stehen auf der Liste der von Garzon strafrechtlich verfolgten argentinischen Offiziere inzwischen etwa 150 Namen. Die jetzt Angeklagten sind oder waren Mitglieder der Polizei und der Armee in der Provinz Tucuman. Da Spanien Verbrechen gegen die Menschheit als Delikte anerkennt, die außerhalb des Tatlandes vor Gericht kommen können, kann Garzon mit dieser Anklage gegen die argentinischen Militärs vorgehen.
ARGENTINIEN/PARAGUAY
Angeschlagene Beziehungen zu Paraguay.
(Buenos Aires, 13. Oktober 1999, pulsar Poonal). – Der argentinische Außenminister Guido Di Tella hat zugegeben, die diplomatischen Beziehungen zwischen seinem Land und Paraguay seien zur Zeit etwas angespannt. Damit bezog er sich auf die Suspendierung eines Handelsabkommens zwischen beiden Ländern durch Argentinien. Die argentinische Regierung hatte am Mittwoch vergangener Woche die Gespräche mit Paraguay über eine zollfreie Zone im Hafen von Buenos Aires bis auf weiteres abgesagt. Damit reagierte sie auf die erneute Bemühung des Nachbarstaates um die Auslieferung des ehemaligen Generals und Putschisten Lino Oviedo.
Di Tella sagte, es gebe ein Abkommen über die Schaffung einer zollfreien Zone zwischen beiden Ländern, das Argentinien nun aufgekündigt habe. Sein Land bestehe außerdem auf einer Untersuchung illegaler Handelaktivitäten und schlampiger Durchsetzung existierender Handelsschranken durch die paraguayische Regierung. Argentinien hat auch die Rückkehr seines Botschafters Jose Maria Berro in die paraguayische Hauptstadt Asuncion aufgeschoben. Der Vertreter des Landes war aufgrund der Verstimmung der paraguayischen Regierung wegen der Ablehnung des Auslieferungsantrages zu Rückfragen nach Buenos Aires beordert worden.
BRASILIEN/KOLUMBIEN
Neue Vorwürfe gegen CIA
(Rio de Janeiro, 18. Oktober 1999, pulsar-Poonal). – Der US-Geheimdienst CIA steht im Verdacht, in Brasilien Piloten für den Kampf gegen die kolumbianische FARC-Guerilla anzuwerben. Dies legen zumindest die Aussagen eines Piloten gegenüber der Zeitschrift „Isto E.“ nahe. Danach werden in Rio de Janeiro brasilianische Militärpiloten der Reserve und zivile Flugkapitäne angeworben. Voraussetzung für die Anstellung ist Erfahrung in gefährlichen Situationen. Für jede Mission sollen zwischen 10.000 und 12.000 Dollar angeboten werden. Der Zeuge erklärte gegenüber dem Medium, er trainiere vier bis sechs Stunden täglich und werde bald zu einer Militärbase in Chile geschickt. Von dort aus sei die nächste Station das Einsatzgebiet Kolumbien, um die Guerilla zu bekämpfen. Ein Großteil der unter Vertrag genommenen Piloten habe zwischen 1992 und 1994 am Bürgerkrieg in Angola teilgenommen. Personen, die in den 80er Jahren in Nicaragua und El Salvador kämpften, seien ebenfalls dabei. Die Familienangehörigen der Piloten müssten sich verpflichten, im Todesfall keine Entschädigung und auch nicht den Leichnam des Vertragnehmers einzufordern.
PERU
Massive Proteste gegen dritte Amtszeit Fujimoris
(Lima, 14. Oktober 1999, pulsar Poonal). – Tausende von Peruaner*innen demonstrierten am Donnerstag (14.10.) in verschiedenen Städten des Landes gegen eine dritte Amtszeit von Präsident Fujimori. Vor dem Kongreßgebäude und dem Amtssitz des Präsidenten versammelten sich Arbeiter*innen, Student*innen und Rentner*innen. Der Protest war vom Gewerkschaftsbund CGTP ausgerufen worden. Taxifahrer*innen hatten die Zufahrten zum zentralen Busbahnhof blockiert. Als die Polizei räumen wollte, kam es zu blutigen Auseinandersetzungen, die mehrere Verletzte zur Folge hatten. In den im Süden des Landes gelegenen Städten Cuzco, Arequipa, Puno, Tacna, Ayacucho und Huancayo kam es sogar zum Generalstreik. Im Norden Perus wurde der Streikaufruf nur teilweise befolgt. Dort verliefen die Demonstrationen ohne Zwischenfälle. Der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes, Juan Jose Gorriti, erklärte, der Streik sei ein durchschlagender Erfolg gewesen. In allen mitkämpfenden Städte hätten alle Räder stillgestanden. Für die Zukunft seien mehr Protestaktionen geplant.
Weiterhin Klagen über Zwangssterilisationen
(Lima, 13. Oktober 1999, pulsar Poonal).- Die Frauenbeauftragte Perus, Rocio Villanueva, erklärt, ihre Dienststelle erhalte noch immer Klagen über Zwangssterilisationen. Diese Operationen würden vom Personal des Gesundheitsministeriums durchgeführt. Villanueva kündigte an, im kommenden Monat die Beschwerden in einem Bericht ihrer Stelle aufzulisten. Darin werde sie den Gesundheitsbehörden auch eine Reihe von Verbesserungsmaßnahmen vorschlagen. Die Zahl der gemeldeten Zwangssterilisierungen sei im Vergleich zum vergangenen Jahr zwar zurückgegangen, räumte Villanueva ein. Es sei jedoch nach wie vor beunruhigend, von Sterilisierungen ohne die Einwilligung der betroffenen Frauen zu hören. 1998 hatte die Frauenbeauftragte einen Bericht vorgelegt, in dem 160 Fälle aus städtischen und ländlichen Randbereichen Perus vermerkt waren. Die Frauenbeauftragte hatte bereits damals Vorschläge gemacht, wie die Maßgaben des Nationalen Familienplanungsprogramms umgesetzt werden könnten, ohne die Menschenrechte der Peruanerinnen zu verletzen. Villanueva erinnerte daran, daß die Leitung des Gesundheitsministeriums erklärt habe, sie werde die Vorschläge des Berichts umsetzen. Es sei nun notwendig, so die Frauenbeauftragte, daß alle nachgeordneten Stellen dies auch in die Tat umsetzten, damit solch bedauernswerte Vorfälle in Zukunft der Vergangenheit angehörten.
BOLIVIEN
Bauern fordern direkte Unterstützung ihrer Gemeinden
(La Paz, 14. Oktober 1999, pulsar Poonal).- Die organisierten Bauern Boliviens wollen sich mit Vertretern des Internationalen Währungsfonds (IWF) treffen. Bei der Zusammenkunft soll den Bankern der internationalen Kreditvergabestelle der Vorschlag unterbreitet werden, finanzielle Mittel in Zukunft direkt an die Gemeindeverwaltungen zu überweisen. Nach den Worten des Generalsekretärs des Bauernverbandes, Roman Loaiza, bleibt im Moment alles Geld, was eigentlich zur Armutsbekämpfung gedacht sei, „an korrupten Händen kleben“. Aus diesem Grunde sei es von erheblicher Bedeutung, solche Mittel künftig direkt an die Gemeinden zu vergeben.
Loaiza zufolge plant die Regierung demnächst ein Treffen mit IWF-Vertretern, an dem die Bauern teilnehmen können. Es sei an der Zeit, „daß nationale wie internationale Entscheidungsträger ihre Ohren öffnen“ und auf die Bevölkerung hörten, statt wie bisher Politik „zwischen vier Bürokraten“ zu betreiben. Die bolvianische Gewerkschaftszentrale hat unterdessen ein Gesuch des IWF um ein Treffen abgelehnt. Mit „den Henkern der Armen und Marginalisierten“ könne man nicht verhandeln, erklärten die Gewerkschafter.
GUATEMALA
Wahlfieber?
(Guatemala-Stadt, 19. Oktober 1999, cerigua-Poonal).- Angeblich herrscht in Guatemala grosses Interesse an den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 7. November. Nach der Umfrage der Firma Unimer sind 90,6 Prozent der befragten Wahlberechtigten sicher, am Stichtag ihre Stimme abzugeben. Traditionell ist die Beteiligung bei Wahlen und Abstimmungen in Guatemala sehr gering, so daß Zweifel an den Angaben zumindest berechtigt sind.
Verschiedene Persönlichkeiten der guatemaltekischen Gesellschaft stimmen darin überein, daß ein kostenfreier Transport zu den Wahlurnen die Wahlbeteiligung erhöhen könnte. Der Sprecher der Versammlung der Zivilgesellschaft (ASC), Eddy Armas, bezeichnete es als Pflicht des Obersten Wahlgerichts, für den Transport zu sorgen. Sollte es tatsächlich zu dem kostenfreien Transport kommen, könnten Tausende in extremer Armut lebende Guatemaltek*innen zu den Wahllokalen gelangen. Auch Edwin Ortega von der Einheit für Volks- und Gewerkschaftsaktion (UASP) ist der Meinung, daß ein Gratis-Trandport die traditionell niedrige Wahlbeteiligung erhöhen würde. Das Phänomen der niedrigen Wahlbeteiligung, sei aber im Wesentlichen auf die geringe Glaubwürdigkeit der politischen Klasse zurück zu führen, erklärte Ortega.
Favorit auf den Wahlsieg ist Alfonso Portillo von der rechtsgerichteten Republikanischen Guatemaltekischen Front (FRG). Dem auf den Sieg chancenlosen Alvaro Colom vom Linksbündnis Allianz Neue Nation (ANN) wird ein Achtungserfolg wegen stark ansteigender Sympathie bei der Bevölkerung vorausgesagt.
Neuer Staatsanwalt untersucht Gerardi-Mord
(Guatemala-Stadt, 18. Oktober 1999, alc-Poonal).- Die Untersuchung des Mordes an Weihbischof Juan Gerardi am 26. April 1998 liegt nun in den Händen von Staatsanwalt Leopoldo Zeissig Ramirez. Sein Vorgänger Celvin Galindo, zu dessen Ermittlungsteam er bereits gehörte, war nach Todesdrohungen vor zwei Wochen zurückgetreten und ins Ausland geflohen. Bundesstaatsanwalt Adolfo Gonzalez, der den neuen Ermittler unter zwölf Kandidat*innen auswählte, versicherte, seine Behörde werde nicht ruhen, bis die Verantwortlichen des Verbrechens gegen den Bischof gefunden worden seien. „Staatsanwalt Zeissig ist sich völlig darüber im Klaren, daß die Drohungen nicht über die Pflichterfüllung siegen. Der einzige Weg, den Frieden zu erreichen, besteht darin, dem Gesetz zu seiner Gültigkeit zu verhelfen“, so Gonzalez.
Victor Hugo Martinez, Vorsitzender der guatemaltekischen Bischofskonferenz, äußerte auf einer Pressekonferenz: „Ich hoffe, der neue Staatsanwalt wird dieselbe Linie wie Galindo verfolgen und die Untersuchung zum Ende führen, um die Wahrheit zu finden. Denn das ist das, was wir Bischöfe wollen.“ Er fügte hinzu: „Wir wollen die Wahrheit, ganz egal welche Personen in den Mord an Gerardi verwickelt sind, auch wenn es sich um ein Mitglied der Kirche handeln sollte. Das Verbrechen soll nicht ungestraft bleiben.“ Es ist kein Geheimnis, daß die katholische Kirche die Mörder in den Reihen der Militärs vermutet, obwohl die Behörden anfangs versuchten, einen Priester als den Schuldigen auszumachen.
EL SALVADOR
FMLN und politische Mitte unterstützen gemeinsamen Bürgermeisterkandidaten
(San Salvador, 15. Oktober 1999, alpress-Poonal).- Die Sozialchristliche Union (USC), die Nationale Befreiungsfront Farabundi Marti (FMLN) und die Gruppe Bürgerinitiative (IC) bekräftigten auf einer Pressekonferenz, die Kandidatur von San Salvadors Bürgermeister Hector Silva für eine zweite Amtszeit gemeinsam unterstützen zu wollen. Darüber hatte es in den vergangenen Wochen Spekulationen gegeben. Sowohl die FMLN, als auch die anderen Beteiligten des Bündnisses hätten eine Kandidatur des relativ populären Silva gerne unter dem eigenen Parteinamen begrüßt, um sich besser als Opposition gegenüber der rechtsgerichteten Regierungspartei ARENA profilieren zu können. Zeitweilig schien dies die Allianz zu spalten. Mit dem Vereinigten Demokratischen Zentrum (CDU) sprang denn auch ein Bündnispartner kurzfristig ab. FMLN und USC sind jedoch die entscheidenden Kräfte der Allianz. Deren Parteiprominenz demonstrierte auf der Konferenz in Anwesenheit des Bürgermeisters Geschlossenheit.
HONDURAS
Indigena-Protest von Polizei zusammengeschlagen
(Tegucigalpa, 14. Oktober 1999, pulsar Poonal).- Mindestens 24 Indigenas wurden von der hondurenischen Polizei verletzt, als sie gegen einen von der Regierung geplanten Landverkauf demonstrierten. Die mit ungewöhnlicher Härte vorgehende Polizei schlug den Protest der rund 5.000 Bauern direkt vor dem Regierungspalast zusammen. Die zum Verkauf stehenden Ländereien an der hondurenischen Atlantikküste sollen künftig dem Tourismus zur Verfügung stehen. Präsident Carlos Flores suspendierte die zwei für das brutale Vorgehen verantwortlichen Polizeioffiziere vom Dienst. Die Polizisten hatten Schußwaffen und Tränengas eingesetzt und bereits am Boden liegende Verletzte weiter malträtiert.
40 Prozent aller Kindern chronisch unterernährt
(Tegucigalpa, 11. Oktober 1999, pulsar Poonal). Das Ernährungsinstitut Mittelamerikas hat in einer Untersuchung herausgefunden, daß 40 von 100 hondurenischen Kindern chronisch unterernährt sind. Die Studie basiert auf Forschungen in den 8.100 Schulen des Landes. Die Unterernährung ist demnach auf die enorme Armut der Bevölkerung zurück zu führen, die auf Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit zurückzuführen ist. Die meisten chronisch unterernährten Kinder wurden auf dem Land verzeichnet. Die am stärksten Betroffenen sind Kinder unter fünf Jahren.
Die Hälfte der unterernährten Kinder sind in der geistigen Entwicklung zurückgeblieben und werden nicht für weiterführende Schulen empfohlen. Die Situation scheint sich sogar noch zu verschlimmern, denn nach Regierungsangaben stieg die Armutsquote in den vergangenen Jahren von 74 auf 82 Prozent. 40 von 100 Personen im arbeitsfähigen Alter sind arbeitslos. Mehr als 360.000 Menschen sind innerhalb eines Jahres unter die Armutsgrenze gefallen, nachdem der Wirbelsturm Mitch vergangenes Jahr weite Teile des Landes zerstörte. Der Sturm vernichtete 70 Prozent der Produktion in Honduras.
COSTA RICA
Indigenas besetzen Residenz des Präsidenten
(San Jose, 12. Oktober 1999, pulsar Poonal). – Rund 30 Indigenas besetzten friedlich die Residenz des Präsidenten in Costa Rica. Sie verlangten die Legalisierung von Ländereien, die sie seit vielen Jahrhunderten bewohnen. Die nur zwei Stunden dauernde Besetzung bildete den Schlußpunkt eines 300 Kilometer langen Marsches durch das Land und rief in dem mittelamerikanischen Land grosses Echo hervor. Präsident Miguel Angel Rodriguez versprach die Bereitstellung von 170.000 US-Dollar jährlich zur Förderung der indigenen Gemeinschaften und erreichte damit den Abzug der Indigenas aus seinem Amtssitz. Außerdem wurde die Einsetzung einer Ministerialkommission beschlossen, die die Bedingungen für die Legalisierung der Ländereien untersuchen soll. Indigena-Führer Pablo Sibar nannte die Besetzung nur einen ersten Schritt der indianischen Gemeinden im Kampf um Land und die Anerkennung der indigenen Kultur.
NICARAGUA
IWF stellt Regierung Bedingungen
(Managua, 14. Oktober 1999, pulsar Poonal).- Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat der nicaraguanischen Regierung eine Reihe von Bedingungen auferlegt, damit ein 80-prozentiger Erlaß der Auslandsschuld akzeptiert wird. Eine der wichtigsten Bedingungen ist die Wiederherstellung der Rechtssprechungsorgane im Land. Seit einem Monat ist der Oberste Gerichtshof Nicaraguas arbeitsunfähig. Bislang war es weder möglich, eine beschlußfähige Versammlung zur Wahl der Richter einzuberufen, noch die zuständigen Kammern zu besetzen.
IWF-Führungskräfte, die sich zu einem Treffen mit politischen Parteien und Nicht-Regierungs-Organisationen in Nicaragua aufhielten, versicherten, es gebe erst dann einen Schuldenerlaß, wenn wieder eine reale Regierbarkeit des Landes absehbar sei. Auf der anderen Seite hat die Stockholm-Gruppe dem IWF gegenüber ihre Besorgnis wegen des schlechten Ansehens und der Korruption ausgedrückt, das die nicaraguanische Regierung momentan auszeichne. Zudem kritisierte sie die von Liberalen und Sandinisten gemeinsam beschlossenen Verfassungsänderungen. Präsident Arnoldo Aleman gab die Regierungskrise in einem Interview zu, erklärte aber gleichzeitig, seine Regierung sei bereit, die Probleme baldmöglichst zu lösen.
Aleman prophezeit den Fall Fidel Castros
(Managua, 12. Oktober 1999, pulsar Poonal). – Der nicaraguanische Präsident Arnoldo Aleman hat sich bei einem Besuch in Puerto Rico als Wahrsager versucht. Auf einer Veranstaltung der National-Kubanischen „Mas-Canossa-Stiftung“ bezeichnete sich Aleman als einen Kubaner, der für die Freiheit Kubas kämpfe, und sich für die Wiedereinsetzung der Demokratie auf der Insel einsetze. Man dürfe den Glauben „an den Fall der letzten Diktatur“ nicht verlieren, rief er aus. „Auf jedweder internationalen Veranstaltung, auf der die Freiheit in Kuba diskutiert werde, werde das nicaraguanische Volk und seine Regierung die Menschenrechtsverletzungen und Morde des Diktators Fidel Castro anklagen“, sagte Aleman. Ein ehemaliger nicaraguanischer Stipendiat meinte dagegen, der Präsident danke so für die wirtschaftliche Unterstützung seines Wahlkampfes durch die Exil-Kubaner im Jahre 1996. Aleman habe sich zu einem Instrument der US- Regierung machen lassen und wolle den Iberoamerikanischen Gipfel boykottieren, der im Jahr 2000 auf Kuba stattfinden solle.
PANAMA
Fidel Castro zur Übergabe des Panama-Kanals eingeladen
(Panama Stadt, 13. Oktober 1999, pulsar Poonal).- Die von der panamaischen Präsidentin Mireya Moscoso geleitete Regierung hat zur offiziellen Kanalübergabe durch die USA am 14. Dezember den kubanischen Staatschef Fidel Castro eingeladen. Dies bestätigte Marcos Alarcon, der neue Botschafter für Panama in Kuba. Fidel Castro sei eine der herausragendsten Figuren des 20. Jahrhunderts und es gebe keinen Grund, ihn nicht zu der international bedeutungsvollen Feier zu laden. Panama und Kuba pflegten ausgezeichnete diplomatische Beziehungen, und man arbeite an einer Vertiefung, sagte Alarcon. Die ideologischen Unterschiede beider Regierungen stellten kein Hindernis für eine Verständigung der Völker dar. Zur formellen Kanalübergabe wird nach Angaben des panamaischen Außenministers Jose Miguel Aleman auch der amerikanische Präsident William Clinton erwartet. Die US-amerikanische Botschaft hat dies noch nicht bestätigt. Die Vereinigten Staaten kontrollieren den Panamakanal seit 1914. Mit der Unterzeichnung der Carter-Torrijos-Verträge 1977 wurde die komplette und absolute Hoheit Panamas über die Kanalzone ab dem 31. Dezember 1999 vereinbart.
KUBA
Irene hinterläßt nicht nur Zerstörungen
(Havanna, 19. Oktober 1999, pl-Poonal).- Obwohl der Hurrikan „Irene“ auch auf Kuba erhebliche Schäden anrichtete, waren seine Auswirkungen nicht nur negativ. Im Westen und im Zentrum des Landes füllten die Wassermassen mehrere Stauseen auf und verbesserten damit die Wasserversorgung. Allerdings hatte es in den genannten Zonen bereits im August und September ausreichende Niederschläge gegeben. Dagegen sind die östlichen Provinzen Las Tunas, Granma, Holguin und Santiago de Cuba nach wie vor von der Trockenheit betroffen. Die Niederschlagsmengen im Oktober erreichen bisher weniger als die Hälfte des historischen Mittelwertes.
Castro empfängt hohe Vertreter des Weltkirchenrates
(Havanna, 14. Oktober 1999, alc-Poonal).- Mehr als vier Stunden diskutierten der Generalsekretär des Weltkirchenrates (CMI), Konrad Reiser, der Präsident des lateinamerikanischen Kirchenrates (CLAI), Walter Altman, sowie mehrere hohe Vertreter der evangelischen Kirchen Kubas und der Karibik mit Staatschef Fidel Castro. Die Themen reichten von einer Diskussion über die Gedanken des Thomas von Aquin über das Problem der Auslandsschuld bis zur Verhaftung von Augusto Pinochet. Zum letztgenannten Thema wiederholte Castro seine Auffassung, die Verhaftung sei „moralisch gerecht, aber juristisch fragwürdig“. Pinochet müsse bestraft werden, aber nicht in Europa, sondern in Chile.
HAITI
Acht Jahre nach dem Putsch herrscht in Haiti Straffreiheit
Von Jane Reagan
(Port-au-Prince, 22. Oktober 1999, na-Poonal).- „Sie schlugen mich auf den Kopf und den ganzen Körper. Sie fingen Mittags an und prügelten mich fast Hundert Mal. Hauptsächlich auf meine Gesäßbacken, die zerfetzt wurden.“ Samuel (der Name ist fiktiv) erregt sich immer noch, wenn er die Misshandlungen beschreibt, die er am 7. August 1994 in der haitianischen Stadt Cabaret erlitt, nachdem er einen Gottesdienst besucht hatte. Damals fragte der Priester die Gläubigen, wer verantwortlich für ihr Leiden sei. Alle riefen „Cedras!“ und meinten damit General Raoul Cedras, der den Militärputsch vom 29. September 1991 gegen die demokratisch gewählte Regierung von Jean-Bertrand Aristide anführte. Nach der Messe kamen Soldaten in das Haus von Samuel und nahmen ihn mit.
Noch heute wartet Samuel auf Gerechtigkeit. „Ich habe eine Klage eingereicht und vor der Kommission für Wahrheit und Gerechtigkeit ausgesagt. Aber bis jetzt ist nicht passiert“, meint er enttäuscht. „Meiner Meinung nach fehlt es der jetzigen Regierung am guten Willen. Samuel ist nicht der einzige. Acht Jahre nach dem Putsch – dem drei Jahre der Gewalt mit Folter, Vergewaltigungen und Vertreibung folgten – widerfuhr kaum einem Opfer der Militärherrschaft Gerechtigkeit, von Entschädigungszahlungen ganz zu schweigen.
Die Verantwortlichen der Verbrechen in dem Karibikland hingegen leben in Freiheit, im Gegensatz zu ihren Opfern zumeist recht wohlhabend. Zwar versprach Präsident Aristide Gerechtigkeit, als er im Oktober 1994 aus dem US-Exil in sein Amt zurückkehrte. Doch in Washington unterschrieb er einen Tag vor seiner Rückkehr auf Druck der USA ein Gesetz, das den Putschisten für ihre Taten eine Amnestie erteilte.
Die Regierung von Aristide unternahm lediglich Gesten: Sie baute Denkmäler, richtete Büros für die Klagen der Opfer ein, die aber keinerlei juristische Kompetenz hatten, und bildete die „Kommission für Wahrheit und Gerechtigkeit“. In 13 Monaten sammelte dieses Gremium über 8.000 Zeugenaussagen. Am 6. Februar 1996, dem letzten Amtstag von Aristide, veröffentlichte sie einen 1.200-seitigen Bericht mit dem Titel „Wenn ich meine Stimme nicht erhebe“. Aber nicht einmal die Empfehlungen dieses Berichts wurden umgesetzt. Aristides Nachfolger im Präsidentenpalast, Rene Preval, geriet gar in den Verdacht, Entschädigungsgelder im Justizministerium versanden zu lassen.
Die Klagen von Menschenrechtsorganisationen angesichts der untätigen Justiz nehmen zu. Selbst die berüchtigsten Fälle schlummern in den Aktenschränken: Bis heute ist das Massaker von Raboteau, bei dem 20 Bewohner der Stadt Gonaives am 22. April 1994 von Soldaten und Mitgliedern der paramilitärischen FRAPH umgebracht wurden, ungesühnt. Vorschläge haitianischer Nichtregierungsorganisationen zur Reform von Polizei und Justiz scheitern bislang am Desinteresse des Justizministers.
Bereits 1996 verurteilte Human Rights Watch in einem 30-seitigen Bericht die Regierung Haitis ob ihrer Haltung zu den Opfern der Militärdiktatur. Die Kritik richtete sich auch an die USA, die sich weigern, den FRAPH-Gründer Emmanuel Constant auszuliefern. Vergangenes Jahr forderte amnesty international Washington erneut auf, 160.000 Seiten Dokumente sowie beschlagnahmte Videos und Fotos aus den Hauptquartieren der haitianischen Armee und der FRAPH freizugeben. Die Menschenrechtler glauben, dass die Dokumente Beweise für die Verbrechen der Cedras-Anhänger enthalten.
Zum achten Jahrestag des Putsches zog die Internationale Zivile Mission von UNO und OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) eine traurige Bilanz: Für die Straffreiheit in Haiti macht sie in erster Linie die Regierung verantwortlich. In dem 150 Seiten starken Bericht kommen sowohl die Regierung von Aristide wie die von Preval aufgrund ihres fehlenden politischen Willens schlecht weg. Richtern wird vorgeworfen, bei Menschenrechtsverletzungen die Verfassung und internationalen Normen zu mißachten. Auch die Muße der Behörden bezüglich der Auslieferung der Putschisten wird benannt. Putschführer Cedras befindet sich in Panama, andere Schergen der Diktatur sind über das gesamte Karibikbecken verteilt.
PUERTO RICO
Pentagon will neue Manöver bei Vieques
(San Juan, 18. Oktober 1999, pulsar-Poonal).- Eine US-Kommission hat Präsident Bill Clinton und der Regierung empfohlen, der nordamerikanischen Marine die Erlaubnis zu erteilen, ihre Manöver vor und über der zu Puerto Rico gehörenden Insel Vieques wieder aufzunehmen. Gleichzeitig sprach sie sich für den Abzug innerhalb von fünf Jahren aus der Umgebung Vieques aus. Verteidigungsminister William Cohen akzeptierte die Empfehlung, äußerte sich aber auch bereit, die Verhandlungen mit der puertorikanischen Regierung wieder aufzunehmen. In Puerto Rico gibt es landesweit Proteste gegen die Militärpräsenz bei Vieques. Vor einigen Monaten kam dort ein Bewohner bei einem Bombenabwurf der Marine um.
SPANIEN
Monsanto bietet Verkaufstopp für „Terminator“-Samen an
(Madrid, 13. Oktober 1999, pulsar Poonal). – Das multinationale Unternehmen Monsanto hat angekündigt, künftig kein hochgradig genetisch manipuliertes steriles Saatgut mehr auf den Markt zu bringen. Der Direktor des Unternehmens, Robert Shapiro, kündigte in Madrid an, es werde künftig auch keine Forschungen mehr in diese Richtung geben. Monsanto hatte das mit dem Spitznamen „Terminator“ belegte Saatgut als herbizid- und insektenresistent auf den Markt gebracht. Die Samen der daraus wachsenden Pflanzen waren genetisch so manipuliert, daß sie keine weiteren Samen produzierten. Dies hatte die Landwirte dazu gezwungen, zu jeder Aussaat neues Saatgut bei Monsanto zu kaufen.
Das Vorgehen weckte weltweit ethische, ökologische und gesundheitliche Bedenken. Auf einem im ecuadorianischen Quito veranstalteten Kongress lateinamerikanischer Landwirte im vergangenen Jahr wurde ein gemeinsamer Beschluß verabschiedet, der den Handel mit genetisch manipuliertem Saatgut kritisierte. Unter den darin erwähnten Problemen wurde insbesondere die Abhängigkeit der Bauern von den multinationalen Unternehmen und die ökonomische Schwierigkeit erwähnt, bei jeder Saatperiode neues Saatgut erwerben zu müssen.
Unbekannt sind außerdem die langfristigen Auswirkungen der genetisch manipulierten Samen auf die Gesundheit der Verbraucher. In Europa haben sich breite Bündnisse gegen die Vermarktung von Lebensmitteln gebildet, die aus der Ernte genetisch manipulierter Pflanzen hergestellt werden. Insbesondere wird eine stärkere amtliche Kontrolle gentechnisch veränderter Planzen gefordert.
LATEINAMERIKA – Die Mythen des Tourismus, VI
Spirituelle Reise in das Machu Picchu der Inkas
Von Lucien Chauvin
(Lima, 13. September 1999, na-Poonal). – Machu Picchu, die berühmte Inkafestung in der peruanischen Provinz Cusco, zieht Jahr für Jahr unzählige Touristen an. Die meisten von ihnen kommen, um an der spirituellen Energie teilzuhaben, die die noch immer mysteriösen Ruinen ausstrahlen sollen. Die auf einem Hügel liegende und als verlorene Inkastadt bekannte Kultstätte mit ihren Hunderten von Terrassen und Gebäuden blieb den Spaniern und ihrer Zerstörungswut bei der Eroberung des Inkareichs vor rund 500 Jahren verborgen. Aus diesem Grund überrascht Machu Picchu noch heute die Archäologen und fasziniert jedes Jahr mehr als 300.000 Besucher. Nach den Worten der UNESCO-Vertreterin in Peru, Patricia Uribe, machen die angeblich mystischen Qualitäten des Ortes einen Gutteil seiner Atrraktivität aus. „Die Menschen, die nach Machu Picchu kommen, sind nicht im eigentlichen Sinne Touristen, sondern eher Besucher, für die eine Reise an diesen Ort eine spirituelle Erfahrung ist,“ sagt sie.
Wenn es nach der peruanischen Regierung geht, sollen die Besucher ihre spirituelle Reise künftig in einer Seilbahn unternehmen. Nach Ansicht der Behörden ist das die billigste und sauberste Form, die wachsende Anzahl von Besuchern zu den Ruinen zu transportieren. Die Gegner des Seilbahnprojekts beschuldigen die Regierung dagegen schwerer Fehler bei der Ausschreibung und der Prüfung der Umweltverträglichkeit. Unter den Kritikern befindet sich auch die lokale Bevölkerung, die bisher nicht einmal angehört wurde. Zudem wirft die UNESCO der Regierung vor, dem im Tal des Urubambaflusses gelegenen Machu Picchu keinen ausreichenden Schutz angedeihen zu lassen.
Der Archäologe und Leiter des Macchu Picchu Parks, Ernesto Garcia Calderon, verteidigt die Idee. Er vertritt die Ansicht, der Bau der Seilbahn sei Teil des auf dem Plan stehenden Programms des Parks und erfülle außerdem alle von der UNESCO auferlegten Bedingungen für die als Erbe der Menschheit deklarierten Orte. In Peru gibt es neun der 582 zum Erbe der Menschheit deklarierten Stätten. Diese Einstufung bedeutet immer auch den Schutz wichtiger Zonen gegen Veränderungen der ursprünglichen Gegebenheiten. Macchu Picchu wurde 1982 in die Liste aufgenommen.
„Die Seilbahn ist das beste Transportmittel, weil sie Elektrizität benutzt, sie verschmutzt die Umwelt nicht und macht keinen Lärm,“ sagt Garcia Calderon. „Man wird nur drei Kabel sehen können, der Rest bleibt von den Ruinen aus unsichtbar.“ Zur Zeit können die Besucher die Ruinen zu Fuss, per Helikopter oder im Bus erreichen. Die meisten wählen den dritten Weg und steigen im nahegelegenen Aguas Calientes in den Bus, der sie dann die serpentinenreiche Strecke zu den Ruinen hinauffährt. Dies sei schädlicher als eine Seilbahn, meint Calderon.
Die Einwohner der Ortschaften zwischen Aguas Calientes und der ehemaligen Inkahauptstadt Cuzco, die heute der Hauptanziehungspunkt für Touristen in Peru schlechthin ist, wirft der Regierung vor, sie seien überhaupt nicht in die Pläne eingeweiht worden. „Es gab keinerlei Bemühungen, die ortsansässige Bevölkerung mit einzubeziehen,“ sagt auch Manuel Ollanta Aparicio, der ehemalige Leiter des Entwicklungs- und Erhaltungsprogramms für Cuzco. „Und das, obwohl sie diejenigen sind, die sich am meisten gegen das Projekt sträuben.“
Die größten möglichen Auswirkungen des Projekts blieben unbetrachtet, weil die Effekt des Seilbahnprojektes für die örtliche Bevölkerung gar nicht in die offiziellen Betrachtungen mit eingeflossen seien, erklärt Aparicio. Der oppositionelle Kongreßabgeordnete und ehemalige Bürgermeister von Cuzco, Daniel Estrada, versichert, die Lizenzvergabe und die Ausschreibung des gesamten Projekts stünden im Verdacht, auf betrügerische Weise durchgeführt worden zu sein, wobei die eigentlich vorgeschrieben archäologischen und ökologischen Untersuchungen nicht durchgeführt wurden. Eigentümlich sei insbesondere, daß sich nur eine einzige Firma bei der internationalen Ausschreibung des Projekts durchsetzen konnte, nämlich Teleferico de Machu Picchu.
Teleferico de Macchu Picchu ist ein Ableger von Peruval, die das Hotel in den Ruinen managt. Die Firma will bei einer Vertragslaufzeit von 25 Jahren etwa zehn Millionen US-Dollar in das Projekt investieren und erwartet diese Investitionen in zwei Jahren wieder eingenommen zu haben. „Allein die Tatsache, daß es nur eine einzige Firma bei der Ausschreibung geschafft hat, läßt mich vermuten, daß etwas faul ist“, sagt Estrada.
Der Ingenieur und Leiter des Seilbahnprojekts, Juan Carlos Cristobal, weist die Vorwürfe von Estrada zurück. Sowohl das Unternehmen wie die Regierung hätten die notwendigen Studien durchgeführt. Man werde bei der umweltverträglichen Bahn Material und Technologie aus der Schweiz benutzen. Die auf 25 Jahre angelegte Konzession habe man wegen der Risiken des Projekts gewählt. „Wir müssen uns auf die reale Möglichkeit von Erdrutschen und anderen Naturphänomenen genauso einstellen, wie auf mögliche politische Probleme“, erläutert Cristobal.
Calderon wie Cristobal gehen davon aus, daß die Seilbahn den Besuch Machu Picchus erleichtern wird. Deshalb sei von ansteigenden Besucherzahlen auszugehen. Die peruanische Tourismusindistrie, die derzeit eine Milliarde Dollar Umsatz pro Jahr macht, werde damit weiter wachsen. Diese Entwicklung erfüllt verschiedene Beobachter mit Sorge. Kari Poti von der finnischen Botschaft sagt, eine noch größere Zahl von Touristen könnte die Ruinen und ihr Umfeld verändern. Die finnische Regierung hat Mitte der neuziger Jahre eine Umschuldung mit der peruanischen Regierung vereinbart, bei dem sie einen neun Millionen Dollar schweren Kredit abschrieb, von Peru dafür aber die Pflege der Ruinen und des sie umgebenden Parks verlangte.
„Uns besorgt, daß die Seilbahn die dortige Umwelt beeinträchtigen könnte und dies wiederum zu einem Schaden des gesamten Gebiets führen würde“, sagt Poti. Für Uribe ist bei dem Seilbahnprojekt klar, daß kurzfristige Ziele, wie die steigende Zahl von Touristen, der Regierung wichtiger sind, als die ökologischen und historischen Schätze des Landes zu schützen. Die Regierung nehme die schleichende Zerstörung der Ruinen billigend in Kauf. „Machu Picchu nicht zu schützen ist, wie das Huhn zu schlachten, das goldene Eier legt,“ betont er. „Wenn die Ruinen vor die Hunde gehen, kommen auch keine Touristen mehr.“
Poonal Nr. 405 von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
Schreibe einen Kommentar