Poonal Nr. 366

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 366 vom 18.12.1998

Inhalt


PUERTO RICO

HAITI

KUBA

HONDURAS

GUATEMALA

EL SALVADOR

CHILE

URUGUAY

KOLUMBIEN

PERU

FELIZ NAVIDAD Y PRÓSPERO AÑO NUEVO


PUERTO RICO

Bevölkerung stimmt gegen formalen Beitritt zu den USA

Gouverneur Pedro Rossello spricht von „Protestwahl“

Von Stefanie Kron

(San Juan/Berlin, 14. Dezember 1998, npl). – Zum dritten Mal innerhalb von dreißig Jahren stimmten die Einwohner Puerto Ricos bei einem Referendum am vergangenen Sonntag gegen den Anschluß der Karibik-Insel als 51. Bundesstaat der USA. Für den von GouverneurPedro Rossello propagierten möglichen Beitritt hingegen votierten nur 46,5 Prozent der 2,2 Millionen wahlberechtigten Inselbewohner. Das Ergebnis des Referendums ist für die USA allerdings nicht bindend.

Damit bleibt die ehemalige spanische Kolonie ein assoziierter Freistaat der USA (ELA) mit Selbstverwaltung. Die Puerto-Ricaner besitzen zwar seit 1917 die us-amerikanische Staatsbürgerschaft und dienen in den US-Streitkräften, sind aber in den USA nicht wahlberechtigt. Außerdem ist sowohl für die Außen-, Verteidigungs- und Finanzpolitik als auch für den Außenhandel Washington zuständig. Bereits 1967 und 1993 hatte sich die Mehrheit der puertoricanischen Bevölkerung nach einem Referendum für die Beibehaltung des Status als assoziierter Freistaat ausgesprochen.

Dieses Mal zeichnete sich jedoch erstmals noch bis kurz vor der Volksabstimmung eine hauchdünne Mehrheit für einen Beitritt ab. Nach einer am vergangenen Samstag in der Zeitung „El San Juan Star“ veröffentlichten Umfrage, waren 47,6 Prozent für den Anschluß Puerto Ricos an die USA. 47 Prozent stimmten in der Umfrage für den Status quo. Kurz vor dem Referendum war lediglich klar, daß die Befürworter eines unabhängigen Puerto Rico keine Chancen haben würden. Den letzten Meinungsumfragen zufolge unterstützten diese Option lediglich 3,8 Prozent der Wahlberechtigten.

Die oppositionelle Volkspartei PPD hatte ihre Anhänger aufgerufen, für die Beibehaltung des Status quo zu stimmen. Die Partei fürchtet den Verlust der lateinamerikanischen Identität sowie die Diskriminierung der spanisch sprechenden Mehrheitsbevölkerung infolge eines Beitrittes zu den USA. Die Entscheidung der Volksabstimmung könnte der PPD Auftrieb geben. Ihre Vorsitzende, Sila Maria Calderon, Bürgermeisterin der Hauptstadt San Juan, gilt als mögliche Rivalin Rossellos bei den Wahlen im Jahr 2000.

Gouverneur Pedro Rossello, dessen regierende Fortschrittspartei PNP noch bis zuletzt mit lateinamerikanischen Klängen die Werbetrommel für den Beitritt zu den USA gerührt hatte, wertet das Ergebnis als „Protestwahl“, die gegen seine Person bzw. die Regierung gerichtet ist. Diese Annahme ist nicht unbegründet. Im Juli hatten die Gewerkschaften zu einem zweitägigen Generalstreik aufgerufen. Grund dafür war der von Rossello geplante Verkauf der puertoricanischen Telefongesellschaft an den US-Konzern GTE. An den Protesten beteiligten sich 300.000 Beschäftigte sowohl des öffentlichen Dienstes wie der Privatwirtschaft.

Einen Tag lag das gesamte öffentliche Verkehrsnetz lahm und in einigen Teilen der Insel war der Strom abgeschaltet. Gewerkschaften sowie unabhängige soziale Organisationen befürchteten einen massiven Verlust von Arbeitsplätzen und forderten ein Referendum. Dies lehnte der Gouverneur jedoch ab. Statt dessen präsentierte der als neoliberaler Modernisierer geltende Rossello bei den Feierlichkeiten am 25. Juli zum 100. Jahrestag der US-Invasion eine US-Flagge mit 51 Sternen.

Rossello will nun trotz gegenteiliger Entscheidung der puertoricanischen Bevölkerung beim US-Kongreß für ein Programm des Übergangs zur US-Staatlichkeit werben. Das Interesse der USA Puerto Rico als 51. Bundesstaat aufzunehmen, wird jedoch immergeringer. Nach der Eingliederung Kubas in den sozialistischen Block wurde die Karibikinsel von den USA zum Militärstützpunkt und wirtschaftlichen Vorzeigeobjekt ausgebaut. Zwar ist Puerto Rico auch nach Ende des Kalten Krieges für die USA militärisch immer noch attraktiv, die hohen Zuschüsse für die Kolonie sind der US- Regierung aber zunehmend ein Dorn im Auge. Wichtigste „Exportgüter“ Puerto Ricos sind schon lange nicht mehr Rohstoffe, sondern Menschen. Drei Millionen Immigranten puertoricanischer Abstammung leben auf dem Festland der USA. Sie gelten als Staatsbürger zweiter Klasse und billige Arbeitskräfte.

HAITI

Jean-Claude Duvalier verschwunden

(Paris/Port-au-Prince, 16. Dezember 1998, haiti info-Poonal).- Die französische Polizei hat jede Spur des haitianischen Ex-Diktators Jean-Claude Duvalier verloren. Einen Tag nach der Entscheidung der Briten, einer Auslieferung Augusto Pinochets an Spanien zuzustimmen, hatte auch der französischer Innenminister Jean-Jack Queyranne laut über die Abschiebung von Duvalier nachgedacht. Seine Kollegin aus dem Justizministerium, Elizabeth Guigou, äußerte sich ähnlich. „Wenn es eine Anklage gegen Jean-Claude Duvalier in Frankreich gäbe, würden wir sie prüfen“, sagte die Ministerin. Seitdem ist Duvalier verschwunden. In Haiti erklärte Innenminister Jean-Joseph Moliere, die Regierung werde alles tun, um den Forderungen der Opfer der Diktatur nachzukommen. Am 12. Dezember rief er die Opfer auf, Anklage gegen Diktator Duvalier zu erheben, damit ein Prozeß geführt werden könne. Die Regierung würde ihrerseits den Weg ebnen, so der Minister. Justizminister Pie! rre Max Antoine bekräftigte den Willen der Regierung, alle Verbrechen der Duvalierdiktatur und des Putschregimes vor Gericht zu bringen.

Bald auch ohne Senat?

(Port-au-Prince/Wiesbaden, 9. Dezember 1998, haiti info-Poonal).- An die Situation, keinen Premierminister an der Spitze des Kabinetts zu sehen, dürften sich die Haitianer*innen mittlerweile fast gewöhnt haben. Jetzt droht eine weitere politische Krise. Gemäß des Wahlgesetzes von 1995 endet das Mandat für ein Drittel der 27 Abgeordneten im Senat im Februar 1999. Danach wäre der Senat auf nur noch einen Drittel seiner vorgesehenen Mitglieder reduziert. Denn die vor 18 Monaten neu gewählten Parlamentarier*innen für diese Kammer – das dritte Drittel – haben ihre Arbeit nie aufgenommen. Meinungsverschiedenheiten über den Ablauf der Wahl verhinderten dies. Insbesondere die OPL macht Wahlfälschungen geltend. Treten die neun Senatoren im Februar zurück, ist die gesamte Institution arbeitsunfähig. Heute schon ist das erforderliche Quorum für Mehrheitsabstimmungen schwer zu erreichen und hängt von den zwei Senatoren an, die sich als als nicht fraktionsunhaa! angig erklärt haben: Jean-Robert Sabbalat und Samuel Maddistin. DieSenatoren im Amt haben deswegen einen Antrag auf Verlängerung ihrer Legislaturperiode bis zum November 1999 gestellt. Die OPL hat ihre Zustimmung signalisiert. Ein Meinungsumschwung könnte die Arbeit der Parlamentskammer jedoch faktisch beenden.

Zumindest UNIBANK expandiert

(Port-au-Prince/Wiesbaden, 9. Dezember 1998, haiti info-Poonal).- Die zweitgrößte haitianische Bank hat Anfang Dezember angekündigt, mehrere Filialen in Florida zu eröffnen. Die UNIBANK wird in ihren zehn Geschäftsräumen in den USA unter dem Namen UNITRANSFER auftreten und will vor allem die mehr als eine Million Haitianer*innen ansprechen, die dort leben. Diese senden jährlich zwischen 500 und 800 Millionen US-Dollar an ihre Familien im Heimatland. Die haitianische Bank sieht sich in der Rolle als Mittlerin zwischen der Diaspora und den Familien in Haiti, wobei die Vermittlungsfunktion recht lukrativ sein dürfte. In Haiti selbst hat die UNIBANK zwölf Filialen und weitere Auszahlungsbüros in der Hauptstadt Port-au-Prince und einigen Provinzstädten.

KUBA

Das Paradigma retten – Was fängt die studentische Jugend mit der

Revolution und ihren Organisationen an? Von Mar¡a Elena Gil

(Havanna, 10. Dezember 1998, alai-Poonal).-Der siebte Kongreß der Union Junger Kommunisten (UJC) hat Anfang Dezember eine Reihe von Problemen ans Licht der ™ffentlichkeit gebracht, die schwer auf der kubanischen sozialistischen Jugend lasten. Das Thema Jugend ist unter anderem deshalb so relevant, weil die kubanische Revolution am 1. Januar 1999 ihren vierzigsten Geburtstag feiert und die damals führenden Persönlichkeiten inzwischen allesamt über 65 Jahre alt sind.

Auch wenn das Ansehen Kubas sich in Lateinamerika immer wieder mit Gesten und Handlungen erneuert, wie zuletzt durch die solidarische Hilfe für die zerstörten mittelamerikanischen Nationen, so bleibt die Verantwortung, das Paradigma der Revolution für die Zukunft zu retten, im wesentlichen an der Jugend hängen. Diese sieht sich heute ganz anderen Konflikten und Umständen ausgesetzt als die Generation ihrer Väter und Großväter. Und es scheint, als ob sie nicht genügend darauf vorbereitet ist, die auf sie zukommende Aufgabe zu bewältigen.

Die Wochenzeitung „Juventud Rebelde“, das ofizielle Organ der UJC, widmete dem Thema am 20. September eine Reportage. Darin werden die Probleme aufgelistet, die zum schlechten Funktionieren der UJC und ihrem Mitgliederschwund führen. Dort heißt es unter anderem: „Am schlimmsten ist aber der Gebrauch, den einige Mitglieder von der UJC machen. Sie benutzen die Organisation, um ein fortschrittliches Bild von sich selbst zu schaffen. Wenn sie ihre persönlichen Ziele erreicht haben, wollen sie von alldem nichts mehr wissen.“ Der Medizinstudent Eugenio Arzuaga beklagt sich beispielsweise über seine Kommilitonen: „Ich habe Mitgliedergesehen, die das ganze Studium mitmachen und im letzten Jahr geben sie ihre Mitgliedskarte ab. Das ist eine Doppelmoral, diese Studenten haben etwas vorgespielt, haben mit der Lüge gelebt, doch letzendlich sind sie selbst die Betrogenen.“

Bleibt zu fragen, wo diese „Doppelmoral“ herrührt. Sie hat wohl auch damit zu tun, daß zwischen 1970 und 1990 politische Verdienste höher bewertet wurden als berufliche oder akademische Fähigkeiten. Das war entscheidend, wenn es darum ging, unter mehreren Anwärtern auf eine Festanstellung, eine Reise oder eine Förderung auszuwählen. Es ist auch eine sprachliche Barriere zu verzeichnen, die die Verständigung zwischen der Organisation und der studentischen Maße erschwert. Der „Barrikadendiskurs“ ist bei vielen Studenten aus der Mode gekommen. Immerwiederkehrenden ideologische Predigten locken in einem studentischen Ambiente oft niemand mehr hinter dem Ofen hervor.

„Wir müssen eine Sprache sprechen, die der Student auch versteht und nicht im siebziger Jahre-Jargon schwadronieren, so wie damals, als die Revolution noch frisch und schäumend war. Damit kann man den Studenten heute nicht mehr kommen“, sagte kürzlich der Studentenvertreter der Vladimir-Illich-Lenin-Schule, Carlos Lage junior, in einem Fernsehinterview. In diese Elite-Schule werden die Studenten per Eingangstest und wegen herausragender schulischer Leistungen aufgenommen.

Am Ende des Studiums lösen sich die sogenannten Basiskomitees der UJC in Nichts auf und sogar die offiziellen Zeitungen sprechen von einer steigenden Tendenz junger Kubaner, nach dem 30. Geburtstag „aus natürlichen Gründen“ aus der Jugendorganisation auszuscheiden, ohne sich für die nächsthöhere Stufe zu interessieren: die Kommunistische Partei Kubas. „Juventud Rebelde“ fragte jüngst: „Wer ist schuld daran, daß ein Mitglied nach dem dreißigsten Geburtstag nicht in die Partei eintreten will?“ und: „Warum wollen viele Jugendliche mit nachweislich revolutionärer Haltung nicht in die UJC eintreten?“

In den vergangenen sechs Jahren ist die UJC auf 4.739 Basisorganisationen geschrumpft. In den Klassenräumen der Lenin- Schule haben sich im Schuljahr 1995-1996 nur vier von 22 Schülern spontan dafür gemeldet, die politische Organisation zu übernehmen. Die kubanischen Autoritäten scheinen ernsthaft besorgt zu sein. Aus gutem Grund. Nach 40 Jahren Revolution ist es entmutigend festzustellen, daß der Teil der Bevölkerung, der genau zum Zeitpunkt der Revolution geboren wurde, sich nicht mit den sozialistischen Idealen identifiziert. Doch damit nicht genug: Viele wollen das Land verlassen, sei es sehr auf die riskante Art als Balseros, sei es auf die legale Weise. Andere entscheiden sich, von der Prostitution oder der Kupplerei zu leben, allesamt „gesellschaftliche Schwärwunden“ in der Liste der Laster, die auszurotten die Revolution einst angetreten war. ™rtliche Beobachter weisen jedoch immer wieder auf die wirtschaftlichen Gründe für ein solches Verhalte! n hin. Das „ideologische Fehlverhalten“ dürfe nicht überbewertet werden.

Der amtierende Außenminister Roberto Robaina schaffte es in seiner Zeit als UJC-Vorsitzender, in der kubanischen Jugendorganisation tatsächlich den jugendlichen Geist zu entfachen, auf den dieseAnspruch erhebt. Von den Traditionalisten kritisiert, von der Jugend akzeptiert, gelang es Robaina, bei Massenveranstaltungen die Plätze zu füllen und bei den freiwilligen Einsätzen in der Landwirtschaft Enthusiasmus hervorzurufen. Neben Robaina ist es nur noch dem Vizepräsienten Carlos Lage gelungen, aus der UJC in dieHöhen der kubanischen Polit-Hierachie aufzusteigen. Mehr solcher Beispiele würden vielleicht dazu beitragen, die Jugend zu motivieren.

Das Motto der sechziger und siebziger Jahre „Studium, Arbeit und Gewehr“ scheint heute unter den Jugendlichen nicht mehr in Mode zu sein. Die Führung des Landes hat sich jedoch nie von ihm verabschieden können. Die wachsende Debatte um die „Schulen auf dem Land“, in denen sowohl im Klassenraum gelernt wie auf dem Feld gearbeitet wird, dreht sich im wesentlichen um eine Äußerung des Erziehungsministers Luis Ignacio G¢imez, der sagt: „Die Schulen auf dem Land sind kein Gesetz, sondern gehören zur revolutionären Strategie.“

Doch immer mehr junge Kubaner suchen sich lieber einen Arbeitsplatz im Tourismusbereich oder bei den ausländischen Firmen. Dort wo die Devisen sind. Die Regierung beharrt jedoch auf dem Kurs, den sie seit Beginn der Revolution eingeschlagen hat: Sie gibt den für das Land als besonders notwendig angesehenen Studiengängen wie Pädagogik, Medizin und Ingenieurwissenschaften den Vorrang. UJC-Generalsekretär Otto Rivero stellt in der Zeitschrift „Trabajadores“ heraus: „Mehr als 90 Prozent derjenigen, die ihr Studium abgeschlossen haben, bekommen mit dem Abschlußzeugnis gleichzeitig einen Arbeitsplatz. Trotzdem verschwinden viele gleich nach dem sozialen Jahr in besser bezahlte Bereiche wie den Tourismus, einige machen sich sogar selbstständig.“

Nach den klassischen marxistischen Regeln, bestimmt die wirtschaftliche Basis den kulturellen, geistigen und ideologischen Überbau. In Krisenzeiten ist es daher logisch, wenn sich die Kompaßnadel jugendlicher Träume in Richtung Überleben ausrichtet. Die Leiterin der Hotelfachschule des Hotels Comodoro sagt in der Novembernummer von „Juventud Rebelde“: „Die Psychotests, die wir in allen Kursen anwenden, bringen deutlich hevor, daß die überwiegende Mehrheit der Schüler eher aus persönlichem als aus beruflichem Interesse hier anfängt.“

Vor 15 Jahren opferten zweitausend kubanische Jugendliche, die sich von denen der heutigen Generation vielleicht gar nicht so unterschieden, ihr Leben im angolanischen Freiheitskampf. Sie taten es für eine solidarische Sache in einem entfernt gelegenen Land im Namen des internationalen Proletariats. Heutzutage helfen hunderte junger Kubaner in den verwüsteten Ländern Mittelamerikas und im armen Haiti. Sie tun es, weil Präsident Fidel Castro es in ihrem Namen versprochen hat. Um das Paradigma der kubanischen Revolution an ihrem vierzigsten Jahrestag zu retten, müßte vielleicht ein weiteres der zahlreichen Revolutions-Mottos ernsthaft den neuen Zeiten angepaßt werden: „Mit der Erfahrung all der Jahre und mit der Begeisterung des ersten Tages.“ So könnten Brücken der Verständigung zur jungen Generation geschaffen werden, damit diese freiwillig ein sozio-politisches Projekt weiterführt und verteidigt und es als ein eigenes begreift – nicht als eingeerbt! es oder aufgezwungenes.

Ärzt*innen und Medikamente für Südafrika

(Havanna, 14. Dezember 1998, pl-Poonal).- Südafrika und Kubawollen ihre Zusammenarbeit auf medizinischem Gebiet weiter ausbauen. Der stellvertretende südafrikanische Gesunheitsminister Ayanda Ntsaluba will während eines viertägigen Besuches auf der Karibikinsel mehrere Abkommen unterzeichnen. Zu Beginn seines Aufenthaltes kündigte er an, über den Kauf von Impfungen und anderen pharmazeutischen Produkten mit der kubanischen Seite reden zu wollen. Er lobte die Arbeit der kubanischen Ärzt*innen in seinem Land und gab der Hoffnung Ausdruck, deren Präsenz könne zukünftig noch verstärkt werden, um zur weiteren Entwicklung der medizinischen Grundversorgung in Südafrika beizutragen.

HONDURAS

Umstrittene Verfassungsreform verabschiedet

(Tegucigalpa, 11. Dezember 1998, alai-Poonal).- Die Mehrheit im honduranischen Kongreß hat die Tragödie des Hurrikans Mitch dazu genutzt, den Artikel 107 der Verfassung zu ändern. Künftig wird es Ausländern erlaubt sein, für touristische Projekte auch an der Küste Land zu erwerben. Die mit der Verfassungsänderung beauftragten Kongreßmitglieder begründeten ihren Beschluß mit dem Argument, nach Mitch hätten sich die Umstände im Land in einem erschreckendem Maße verschlechtert. Es sei daher äußerst wichtig, im touristischen Sektor ausländische Investitionen zu erleichtern.

Gemäß der honduranischen Konstitution tritt die Verfassungsreform nur in Kraft, wenn sie der kommende Kongreß ratifiziert. Das Abstimmungsergebnis war nur deshalb ohne größen Widerstand möglich, weil sowohl Ind¡gena- und Schwarzenorganisationen, deren Mitglieder zum großen Teil von der Reform betroffen sind, wegen der äußerst schwierigen Lage im Land praktisch ohne Basis auskommen müssen. Sie können ihre Mitglieder derzeit kaum mobilisieren. Tulio Mariano Gonzales von den Vereinigten Schwarzenbewegungen von Honduras hat aber angekündigt, die Regierung wegen Völkermordes anzuklagen.

„Der Präsident des Nationalkongresses, Rafäl Pineda Ponce, hat uns mehrfach versichert, ohne die Zustimmung der Schwarzenorganisationen werde es keine Reformen geben“, so Gonzales. Für die indigene und schwarze Bevölkerung schafft die Reform nicht nur einen unsicheren rechtlichen Rahmen, was ihre gemeinsam verwalteten Ländereien angeht. Der freie Bodenhandel, so befürchten sie, öffne zudem Geldwäschern und Sextourismus Tür und Tor und werde das Land in Kürze in einen wichtigen Spielball der Drogenkartelle verwandeln. Außerdem sei die Existenz der an der Atlantikküste und am Fonseca-Golf gelegenen Siedlungen gefährdet, weil sich mit der dichter werdenden Besiedlung die Umweltbedingungen verschlechtern und die Armut erhöhen werde.

GUATEMALA

Privatisierte Telefongesellschaft entläßt Beschäftigte

(Guatemala-Stadt, 7. Dezember 1998, cerigua-Poonal).- Die erst im Oktober für 700 Millionen US-Dollar privatisierte Telefongesellschaft TELGUA hat 2.500 Arbeiter*innen entlassen. „Personalüberschuß“ wurde den Beschäftigten am 4. Dezember in einem Brief lakonisch als Grund mitgeteilt. Der Brief enthielt gleichzeitig einen Scheck mit Entschädigungssumme. Die überraschten Arbeiter*innen verlangten ihre Weiterbeschäftigung und reichten eine Klage bei den Arbeitsgerichten ein. „Mit der Privatisierung haben sie uns ausgetrickst“, so eine der mehrfach vorgetragenen Äusserungen. Viele Beschäftigten wandten sich auch gegen die beiden Gewerkschaften bei TELGUA. Keine hatte sich wirklich gegen die Privatisierung gewehrt. Der Protest weitete sich allerdings nicht aus. In einer sechsstündigen Verhandlung mit der Unternehmensführung erreichten die Beschäftigung Entschädigungszahlungen, die um das Dreieinhalbfache der gesetztlich vorgeschriebenen Summe liegen. Schw! angere, nicht sozialversicherte Personen und diejenigen Arbeiter*innen, die zum Zeitpunkt der Entlassung im Urlaub waren, sollen wieder eingestellt werden. Während Unternehmensanwalt Hector Mayora Dawe von einer „se hr guten Vereinbarung für die Arbeiter“ spricht, akzeptierten viele von diesen das Abkommen nur widerwillig. „Da die Gewerkschaften uns schutzlos vor dem Gesetz liessen, waren wir zu einer Vereinbarung gezwungen“, sagte ArbeiterInnenvertreter Rodolfo Carrillo.

„Cronica“ verkauft

(Guatemala-Stadt, 3. Dezember 1998, cerigua-Poonal).- Das wöchentliche Nachrichtenmagazin „Cronica“ ist an den Medienkonzern Unipress und eine konservative Investorengruppe verkauft worden. Die führende politische Zeitschrift im Land hatte bereits vor vier Monaten ihre finanziellen Schwierigkeiten öffentlich gemacht und die Regierung beschuldigt, das Blatt auf der schwarzen Liste zu haben und den Anzeigenverkauf zu boykottieren. Die neuen Eigner von Cronica ernannten den rechtsgerichteten Zeitungsmann Mario David Garcia zum Direktor. Ein Großteil der Cronica- Mitarbeiter*innen will den Berichten nach nicht unter ihm arbeiten und hat gekündigt.

EL SALVADOR

Héctor Silva ist immer eine Nachricht wert

(San Salvador, 14. Dezember 1998, alpress-Poonal).- „Diario de Hoy“, eine der beiden einflußreichsten Zeitungen des Landes und nicht eben fortschrittlich ausgerichtet, wählte San Salvadors gemäßigt linken Bürgermeister Héctor Silva zur „berichtenswertesten Persönlichkeit“ im Land für das Jahr 1998. Kein Minister wurde Woche für Woche so oft erwähnt wie derBürgermeister. Dabei kam er bei der Berichterstattung meistens gut weg. Silva kam als Kandidat einer Mitte-Linkskoalition mit der ehemaligen Guerilla FMLN als stärkster Kraft in sein Amt. Er ist der erste linke Bürgermeister, der die Hauptstadt regiert. Maßnahmen wie die Rettung des verfallenen Stadtzentrums und eine geschickte Verhandlungsführung mit dem Untersektor über ein neues kommunales Steuersystem haben ihm Respekt eingebracht.

CHILE

Geschenk für Chiles Demokraten am Tag der Menschenrechte –

Nationaler Sicherheitsrat tagt nach Entscheidung in London Von

Leonel Yanez (Santiago de Chile, 11. Dezember 1998, npl). – „Sie haben den Schakal, wir feiern Karneval“, tönte es in den letzten Tagen durch die Straßen der chilenischen Hauptstadt Santiago. Mehr als 500 Gegner des Ex-Diktators Augusto Pinochet ließen nach der Entscheidung des britischen Innenministers Jack Straw dem Antrag auf Auslieferung des Despoten nach Spanien stattzugeben, die Sektkorken knallen und veranstalteten Freudenmärsche. Als „nationale Schande“ bezeichnete hingegen Ramon Briones, Präsident der Pinochet-Stiftung, den Beschluß in London. Rund um die britische und spanische Botschaft in Santiago kam es zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen Pinochet-Anhängern und der Polizei.

Nicht nur die Angehörigen von Opfern der chilenischen Militärdiktatur (1973-1990) beurteilen die Londoner Entscheidung als Geschenk an alle, die unter dem Militär-Regime gelitten haben und als Symbol für die Stärkung der Menschenrechte weltweit. Auch internationale Menschenrechtsorganisationen begrüßten das Urteil des britischen Inneministers. Juan de Dios Parra, Vorsitzender der lateinamerikanischen Vereinigung für Menschenrechte mit Sitz in Quito (Ecuador) erklärte, dies sei die beste Würdigung an die Erklärung zum Schutz der Menschenrechte, die die internationale Gemeinschaft vor 50 Jahren verabschiedet habe. Es sei rechtlich völlig in Ordnung, so Parra, daß Menschen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit überall auf der Welt belangt würden.

Unterdessen machen die Rechten Chiles gegen die Entscheidung mobil und treiben einen weiteren Keil in das seit der Festnahme Pinochets in London am 16. Oktober brüchig gewordene Regierungsbündnis (Concertacion) aus Sozialisten und Christdemokraten. Die beiden rechtsextremen Parteien UDI und RN erklärten, die Schuld an der „nationalen Demütigung“ trügen die chilenischen Sozialisten. Alberto Espina, Präsident der RN erklärte, daß „die chilenische Regierung die richtige Position“ vertrete, jedoch würde „jede Aktion des Regierungspräsidenten Eduardo Frei durch die Sozialisten boykottiert“. Er bezog sich vor allem auf die Initiative einer Gruppe Abgeordneter der sozialistischen Partei Chiles, in der die britische Regierung vergangene Woche aufgefordert wurde, Pinochet nach Spanien auszuliefern.

Die Pinochet-Stiftung hingegen setzt die chilenische Regierung unter Druck. So erklärte Luis Cortes, ehemaliger General und Direktor der Stiftung, „nun muß sich die chilenische Regierung verantworten. Und diese Verantwortung trägt vor allem derRegierungspräsident“. Gegen die Äußerungen des Jugendverbandes der Stiftung wirkt diese Position allerdings noch gemäßigt. Deren Sprecher, Marcelo Cabrera, sprach sich für eine Intervention des Militärs in diesen Konflikt aus:“Jetzt bleibt nur noch die Möglichkeit, daß die Truppen des Militärs den Senator Pinochet nach Chile zurück holen.“

Der chilenische Verteidigungsminister José Florencio beeilte sich zwar nach der Entscheidung in London zu erklären, eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen Regierung und Militär sei ausgeschlossen. Trotzdem macht sich erneut Unruhe in den Reihen der chilenischen Streitkräfte breit. In einer öffentlichen Erklärung äußerten sie sich „erschüttert“ über die Nachricht aus London und bezeichneten sie als „ebenso willkürlich wie die Festnahme vor zwei Monaten“. Die Entscheidung dem Auslieferungsantrag Spaniens gegen Pinochet stattzugeben, sei eine „verletzende, demütigende Maßnahme, unvereinbar mit den fundamentalen Rechten eines ehemaligen Staatschefs, Militärobersten und Kongreß-Senatoren.“ Außerdem überginge die juristische Entscheidung in London das chilenische Justizsystem. Die chilenischen Streitkräfte, so hieß es weiter, werden Pinochet weiterhin „jede nötige Unterstützung zukommen lassen.“

Das internationale juristische Tauziehen um Pinochet berührt zunehmend die Frage der nationalen Souveränität eines Staates, in der sich selbst die lateinamerikanischen Linken nicht einig sind. Die Tupamaros beispielsweise, ehemalige Guerilleros aus Uruguay, sehen in der internationalen Verhandlung des Falles Pinochet eine Verletzung der nationalen Souveränität Chiles. Die Teilnehmer an dem Gipfel des südamerikanischen Wirtschaftszusammenschlußes Mercosur vergangene Woche in Rio de Janeiro, verabschiedeten eine Erklärung, in der sie sich gegen die einseitige Anwednung nationaler Rechte außerhalb des Landes wandten. „Dies“, so der Wortlaut, „verletze die rechtliche Gleichheit der Staaten“.

Nicht zufällig trat nach der Londoner Entscheidung zum vierten Mal in der Geschichte Chiles der nationale Sicherheitsrat (COSENA) zusammen. Das nichtgewählte Gremium, bestehend aus hochrangigen Vertretern der Armee und der Justiz, unter Vorsitz des Staatspräsidenten, ist ein Erbe der Pinochet-Verfassung von 1980. Der COSENA wird nur im Falle des nationalen Ausnahmezustandes einberufen. Dieses Mal sollte, gut unterrichteten Kreisen zufolge, über Lösungen von Problemen beraten werden, die als Gefahr für die Stabilität des Landes gelten.

URUGUAY

Beunruhigende Haftsituation

(Montevideo, 11. Dezember 1998, comcosur-Poonal).- Die Organisation Servicio Paz y Justicia (SERPAJ) hat sich in ihrem jährlichen Menschenrechtsbericht besorgt über die Lage in den uruguayischen Haftanstalten geäußert. SERPAJ kritisiert die Behandlung der Insassen und merkt gleichzeitig an, daß die Behörden der Organisation den Besuch von Gefängnissen verweigerten, was detaillierte Belege erschwert habe.

KOLUMBIEN

Hauptstadt-Portrait, Teil II* Das Bogotá des Bürgermeisters Pennnnalosa

(Bogot , Dezember 1998, ac-Poonal).- Am 1. Januar 1998 trat Enrique Pennnnalosa die Herausforderung an, die Probleme Bogotás, welche die Stadt chaotisch, unsicher und teuer machen, anzugehen. Dabei lehnte er es stets ab, sich mit einer der großen traditionellen Parteien (Konservative und Liberale) identifizieren zu wollen, obwohl er dort ursprünglich seine Heimat hatte. Er wollte dabei die Stadt wie ein Unternehmen verwalten. Pennnnalosa versicherte mehrmals, er plane, Bogotá zu einer den europäischen Großstädten ähnlichen Metropole machen. Daher sieht auch der Entwicklungsplan hauptsächlich vor, öffentliche Bereiche zurückzugewinnen, Parkanlagen zu bauen oder wiederherzurichten. Das heißt: die physisch-materielle Infrastruktur soll wiederhergestellt werden. Die soziale Situation wird dabei jedoch kaum berücksichtigt – und dies in einer Stadt mit schweren Problemen von Armut und Gewalt.

So wurden in den letzten Monaten die Straßenverkäufer*innen aus dem Stadtzentrum vertrieben, ohne ihnen eine andere Einkommensmöglichkeit anzubieten. Im Falle des „Flicken-Viertels“, der Calle del Cartucho, wo in erbärmlichen Hütten völlig verarmte Menschen leben, soll eine riesige Überbauung entstehen, ohne daß für die jetzigen Bewohner*innen irgendwelche Rehabilitations- oder Umsiedlungsprogramme entworfen werden.

In einem unausgeglichenen System und in einem Land mit einer langen, gewaltsamen Vorgeschichte, hat sich eine eigene Form der Gewalt in der am schnellsten und meisten wachsenden Stadt Kolumbiens herausgebildet: hohe Kriminalitätsrate, Zunahme der politischen und der innerfamiliären Gewalt. Die Stadtverwaltung zählte 1997 den Tod von 2.960 Personen, die kriminellen Gewaltakten zum Opfer fielen. Die Stadtpolizei zählte 1997 insgesamt 388 Banküberfälle, 1.142 Überfälle auf Wohnungen, 11.271 Überfälle auf Personen und 8.686 Fahrzeugdiebstähle. Dies sind jedoch nur die Vergehen, die angezeigt wurden. Um diese Problematik anzugehen wurde das Programm Solidarisches Bogot entworfen. Es sieht vor, in den Straßen Bogotás 1.300 Kontrollbeamte zu postieren und hat die 24-stündige Inhaftierung von Kleindelinquenten eingeführt.

Krise des Wohnungsbaus und der Bildung

Der Plan Metrowohnung sieht den Bau von 60.000 Sozialwohnungen vor, dies in einer Stadt mit einem 50prozentigen illegalen Wachstum und einem Wohnungsdefizit von 490.000 Einheiten. Dieses Bauprojekt ist aber noch nicht zur Ausführung gelangt. Anzumerken ist auch, daß diese Sozialwohnungen nicht den UNO-Kriterien für Wohnungsbau entsprechen.

Die öffentliche Bildung auf der Sekundarschulstufe soll fortan vorwiegend den ärmsten sozialen Schichten (Estratos 1 und 2) zugute kommen. Dies geht zu Lasten der untersten Schichten des „Mittelstandes“ (Estrato 3 und 4), welche bereits unter der anhaltenden Wirtschaftskrise enorm gelitten haben. Das Bildungsdefizit ist aber auch in den Estratos 3 und 4 sehr hoch Und betrifft eine Großzahl der Bevölkerung in einer Stadt, in der Jugendliche als „künftige Delinquenten“ betrachtet werden.

Der ambitiöse Entwicklungsplan „Für Bogot , wie wir es mögen“ verlangt viel Geld. Da der frühere Bürgermeister Antanas Mockus die Mittel der Stadt gewinnbringend anlegte, schienen die Finanzen Bogot s ausgeglichen zu sein. Dem war aber nicht so. Das entdeckte Budgetdefizit diente als Argument, die Privatisierung der städtischen Telefonbetriebe gutzuheißen. Der Verkaufserlös soll in den Entwicklungsplan fließen. In der zweiten Novemberhälfte wurde zudem von der Stadtregierung dem Stadtrat ein neues Steuergesetz unterbreitet, das zusätzliche Einkünfte bringen soll.

Es scheint, daß Pennnnalosa wie auch die früheren Bürgermeister nicht fähig sein wird, die Probleme des Transportwesens zu lösen. Das Personentransportwesen in Bogot ist teuer und schlecht. Es begünstigt nicht nur die privaten Transportunternehmen, sondern auch die Autokonzerne Chrysler und General Motors, welche den größten Teil des Fahrzeugparks stellen. Im letzten Jahr war viel von der Metro die Rede, aber es wurde bisher nicht einmal die Ausschreibung einer ersten Linie vergeben. Die Straßen werden von der mexikanischen Firma ICA völlig mangelhaft repariert und sind weiterhin in einem desolaten Zustand. Dies gilt auch für die Hauptverkehrsadern. Es ist von der Ausrufung eines Straßennotstandes die Rede, der die rasche und wirksame Instandstellung der Straßen ermöglichen soll. Das Straßennetz kann auch den Verkehr in Spitzenzeiten nicht aufnehmen. Daher wurden seit August dieses Jahres für Privatfahrzeuge Restriktionen erlassen. Z! us! ät zlich wird auf dem Treibstoff für alle eine Sondersteuer von 20 Prozent erhoben. Inmitten dieser Probleme und umgeben von Chaos, verläuft das tägliche Leben der Mehrheit der Bogotaner*innen. Diese wollen nicht nur eine Stadt nach dem Modell einer westlichen Metropole, sondern auch soziale Gerechtigkeit. *Teil I erschien in Poonal Nr. 363

Massaker in Guajira

(Bogot , 10. Dezember 1998, ac-Poonal).- Rund 200 schwerbewaffnete, uniformierte Männer, wahrscheinlich Paramilitärs, drangen im Morgengrauen des 8. Dezember – in Kolumbien ein Festtag – in Villanueva, einer ländlichen Gemeinde in der Provinz La Guajira ein. Sie ermordeten 18 Personen, darunter einen Minderjährigen, und verschleppten vier weitere Personen. Dieses Massaker geschah zeitgleich mit der Ankündigung der Paramilitärs, sie würden zum Jahresende einen Waffenstillstand einhalten. Die Paramilitärs können inzwischen offenbar auf eine grenzüberschreitende Struktur zurückgreifen. Beim zweiten zwischenstaatlichen Grenztreffen zwischen Kolumbien und Venezuela gab es Klagen über die Unterstützung kolumbianischer paramilitärischer Gruppen durch einige Gruppen von venezolanischer Seite.

Späte Verurteilung

(Bogot , 10. Dezember 1998, ac-Poonal).- 14 Mitglieder der inzwischen aufgelösten Anti-Entführungseinheit der Polizei (UNASE) in der Provinz Cauca wurden wegen des Verschwindenlassens einer Frau verurteilt. Die Tat ereignete sich im Dezember 1992. Die Mitglieder der UNASE-Einheit waren ohne richterlichen Befehl in eine Wohnung im Stadtviertel Yanaconas in Popay n eingedrungen. Sie suchten nach dem Entführer eines bekannten Unternehmers. Als sie den Mann nicht vorfanden, verschleppten sie dessen Frau und ein Kind, das auf schnelle und unerklärliche Weise vom Amt für Familienfürsorge zur Adoption freigegeben wurde. Was mit der Frau geschah, ist bis heute nicht bekannt. Dies ist die erste Verurteilung einer gesamten Abteilung der Nationalpolizei.

Das Debakel der Spar- und Darlehensgenossenschaften

(Bogot , 10. Dezember 1998, ac-Poonal).- Fehlende staatliche Unterstützung, die Wirtschaftskrise und die Korruption haben die genossenschaftlich organisierten Kleinbanken im Land schwer getroffen. Die Krise der Kooperativen hat weitere Ursachen: die Abweichung von den ursprünglichen Zielen einer solidarischen Wirtschaft im Dienste der Gemeinschaft und eine fehlende Integrationskultur und Mangel an Investitionsprojekten und wirtschaftliche Rezession. Ein Anstieg der Zinsen, der Rückzug offizieller Anleihen, zunehmende Zahlungsunfähigkeit und der Rückzug der Teilhaber*innen haben viele Projekte im Debakel enden lassen.

Kolumbien ist eines der Länder mit Finanzhandelsmargen von über 10 Prozent: die Zinse für Kredite sind sehr hoch, jene für Anleihen dagegen sehr niedrig. Ein gutes Geschäft für die Banken. Dies hat dazu geführt, daß viele Kolumbianer*innen alternative Anlagemöglichkeiten für ihre Ersparnisse oder ihre Bankgeschäfte suchten. Eine dieser Alternativen waren die Finanz- Genossenschaften. Deren Mitglieder sind hauptsächlich Leute mit geringen Einkünften. Sie haben sich in der Regel aufgrund des leichteren Zugangs zu Krediten für die Kooperativen entschieden. Alle Anleger*innen werden gleichzeitig zu Teilhaber*innen der Genossenschaften und bleiben nicht nur Kund*innen. Das Ursprungskonzept ging davon aus, daß im Sinne der Prinzipien einer solidarischen Wirtschaft in den Kooperativen eine einheitliche Behandlung von Teilhaber*innen und Kreditnehmer*innen erfolgen sollte. Doch nicht immer wurde daran festgehalten. Das Vertrauen in die Finanz-Genossenschafte! n ist von Tag zu Tag kleiner geworden. Etwa 500.000 Personen, Anleger- und Teilhaber*innen, sind heute von der Krise dies er Einrichtungen betroffen. Eine Krise, die sich seit Beginn 1997 abzuzeichnen begann.

Ein wenig Geschichte

Die ersten Kooperativen entstanden in Kolumbien Ende der 20er Jahre dieses Jahrhunderts. 1931 wurde das Gesetz 134 verabschiedet, das den Spar- und Darlehensgenossenschaften einen rechtlichen Status verlieh, der drei Jahrzehnte Gültigkeit hatte. 1963 reformierte eine Kommission unter dem damaligen Arbeitsminister Belisario Betancur das Gesetz 134 und arbeitete drei Dekrete aus, mit welchen die Gesetzgebung bezüglich der Kooperativen aktualisiert wurde. Es wurden eine „Nationale Aufsichtsbehörde für Kooperativen“ und das „Nationale Finanz- und Entwicklungsinstitut für Kooperativen“ gegründet.

Später begann ein Prozeß zur Veränderung dieser gesetzlichen Grundlage und der geschaffenen Institute, weil diese nicht den Bedürfnissen der Genossenschaften entsprachen. Der Staat übte eine rigide Kontrolle aus, unterstützte aber kaum. Der Kampf für Reformen ging stark von der Basis der Genossenschaften aus. Der erste „Nationale Entwicklungsplan für Kooperativen“ wurde 1979 mit dem Ziel erarbeitet, den Genossenschaftssektor zu einem Pfeiler der nationalen Wirtschaft zu machen. Im Verlauf der Jahre wurde versucht, diesen Plan anzupassen und zusammen mit anderen Instrumenten, so der „Nationalen Verwaltungsbehörde für Kooperativen“ (Dancoop), die 1981 die frühere Aufsichtsbehörde ersetzte, durchzuführen. Doch während die staatliche Kontrolle sich weiter verstärkte, gab es keine klare Politik gegenüber den Genossenschaften. Schwerkranke Kooperativen

Die erste Kooperative, die ihre Zahlungsunfähigkeit erklärte, war die „Kooperative Volkskasse“. Damals, im Jahr 1987, griff Dancoop ein, löste die Volkskasse aber nicht auf. Danach hatten die Genossenschaften im Rahmen einer vermeintlichen Stabilität der kolumbianischen Wirtschaft zu Beginn der 90er Jahre lange Zeit nicht mit größeren Schwierigkeiten zu kämpfen. Das ist anders geworden. In den letzten Jahren gerieten immer mehr Spar- und Darlehensgenossenschaften in eine Schieflage, die Zahlungsschwierigkeiten nahmen zu. Dabei hatten die „alternativen“ Finanzeinrichtungen weder die Infrastruktur noch die staatliche Unterstützung, auf die die Großbanken im Zweifelsfall zählen können.

Eine Lösung schien das Angebot von Anleihen durch die staatliche Behörden INURBE (Stadtreformbehörde) und ICETEZ zu sein. Dabei steckten jedoch die Vermittler hohe Summen in ihre eigene Tasche. Damit wurde ein korruptes Dreiecksgeschäft geschaffen: die Gelder der staatlichen Institutionen wurden als Kredite an die Spar- und Darlehensgenossenschaften vergeben – die Kooperativen vergaben die Darlehen wiederum an Privatpersonen, die ihnen von den Kreditgebern selbst empfohlen wurden. Das Geld wurde jedoch weder den Kooperativen noch den staatlichen Institutionen jemals zurückgezahlt. Dieser Betrug wurde erst entdeckt, als die Lauffristen der Kredite abliefen. Die Finanz-Genossenschaften gerieten in Zahlungsrückstand gegenüber den staatlichen Anleihern. Genauso konnten sie auch ihren Verpflichtungen gegenüber den Mitgliedern, die am meisten von der Krise betroffen sind, nicht mehr nachkommen. Der Bankrott war unausweichlich.

Der Bankrott

Die ersten Bankrotterklärungen wurden im letzten Quartal desJahres 1996 bekannt. Dabei erregte die von „Avancemos“ das größte Aufsehen. Entgegen ihrer sozialen Zielsetzung hatte Avancemos eine Reihe hoher Kredite vergeben. Begünstigt wurde ein Unternehmen des damaligen Außenhandelsministers Morris Harf. Aufgrund dieser Kreditverleihung war Avancemos nicht mehr in der Lage, die gesetzlich festgelegte Liquiditätssumme aufrecht zu erhalten. Die falsche Einschätzung bei Wertpapiergeschäften verschlimmerten die Lage. Einige Zweigstellen mußten ihre Bankgeschäfte einstellen. Obwohl Avancemos zehn Milliarden Pesos von INURBE und fünf Milliarden Pesos von der Regierung der Provinz Valle erhielt, konnten die Finanzen nicht saniert werden. Im Juni 1997 mußte Avancemos endgültig Konkurs anmelden.

Ähnlich lagen die Fälle von Cofiandina und Credisocial. Von Ende 1996 bis heute hat der Staat bei über 30 Spar- und Darlehensgenossenschaften interveniert. Die „Vereinigung der Kooperativen Ascoop“, in der mehr als 500 Genossenschaften zusammengeschlossen sind, sah Mitte 1997 aufgrund der prekären Lage ihre Mitglieder keinen anderen Ausweg, als den Offenbarungseid zu leisten unddas Eingreifen der Regierungzu fordern.

Die Antwort bestand jedoch lediglich in einer Reihe von Normen, die einzig und allein eine Funktionsverlagerung von der verrufenen Dancoop zur ins Leben gerufenen „Nationalen Behörde Für solidarische Wirtschaft“ (Dansocial) zur Folge hatten. Mit dem gleichen Ziel legte das in diesem Jahr verabschiedete Dekret 619 eine größere Überwachung durch den Bankaufensichtsrat bei den wichtigsten fest. Aufgrund dieses Dekrets übernahm der Bankenaufsichtsrat die Kontrolle über 65 Spar- und Darlehensgenossenschaften. Die Probleme löst das aber nicht. Die Zahlungsschwierigkeiten bleiben, finanzstarke Partner fehlen. Der Staat ist zu keiner wirklich bedeutenden finanziellen Stützung bereit.

Die aktuelle Situation

Im August 1998 verschärfte sich das Problem und zog mehr als 500.000 Sparer*innen und Teilhaber*innen in Mitleidenschaft. Sie sind die am stärksten Betroffenen, denn niemand kommt für ihre Einlagen in Höhe von insgesamt mehr als einer Billion Pesos (rund 646.000 US-Dollar) auf. Diese Gelder laufen Gefahr, völlig verloren zu gehen. Die Kooperativen haben keine Anlageversicherung beim kolumbianischen „Garantiefonds der Finanzinstitute“ (Fogafin). Fogafin sichert alle anderen dem Bankenaufsichtsrat unterstellten Finanzinstitute ab, aber eben nicht die Genossenschaften.

Die unterschiedliche Behandlung von Klein und Groß durch die Regierung illustriert der Fall „Granahorrar“. Während den Kooperativen keine Gelder zur Aufrechterhaltung der Liquidität zur Verfügung gestellt werden, wurden für das ebenfalls schwer kriselnde Finanzinstitut Granahorrar Mittel flüssig gemacht, um die Zahlungunfähigkeit zu verhindern. Außerdem schritt der Garantiefonds ein, um das Institut vor dem Konkurs zu retten. Die neue Regierung unter Andrés Pastrana hat erste kleinere Maßnahmen ergriffen, um den Genossenschaftsbereich vor dem völligen Ruin zu retten. So soll der „Garantie-Fonds für Kooperativen“ (Fogacoop) konsolidiert werden. Im Rahmen des Wirtschaftsnotstandes istvorgesehen, maximal bis 500.000 Pesos (323 US-Dollar) an Kleinsparer*innen auszuzahlen, die höchstens zwei Mindestlöhne (406.652 Pesos oder 263 US-Dollar) verdienen. Die Gelder für diese Auszahlungen sollen aus den neu erlassenen Steuern kommen.

PERU

Weihnachten unter der Rezession ist nicht das Gleiche Von Alvaro

Alfonso

(Lima, 15. Dezember 1998). – Jorge Alvarez hat sich entschieden: Ein großes Puzzle für den Jungen und eine dieser Billig- Barbiepuppen für die Kleine. Er ist nicht zufrieden. Jorge weiß, daß Marcio auf ein japanisches Computerspiel hofft, bei dem sich Manga-Kämpfer gegenseitig erschlagen. Und Claudia spekuliert auf eine echte Barbie. Aber was will man machen?

Jorge ersteht die beiden Geschenke in der China-Town von Lima, wo die Preise günstiger sind als in Miraflores oder einem der anderen hauptstädtischen Einkaufsviertel. Zusammen mit der Geldbörse für die Ehefrau sowie je einer Brieftasche für Mutter und Schwiegermutter zahlt er 50 Dollar. Früher wäre das für den Angestellten im öffentlichen Dienst mit einem Gehalt von 400 Dollar im Monat nicht besonders viel gewesen. Aber in letzter Zeit drücken ihn die Schulden. Jede Extra-Ausgabe schmerzt, auch wenn er damit den Kindern eine Freude machen kann.

„Rezession“ und „Zahlungsunfähigkeit“. Jorge kennt die Bedeutung dieser beiden Wörter nur zu gut. Sie erscheinen ihm aber so unmenschlich, daß er sie nicht mit Weihnachten in Verbindung bringen möchte. Weihnachten ist für die Peruaner ein Datum, an dem sie fröhlich sind oder zumindest so tun als ob. Dieses Jahr drängt sich jedoch immer wieder die Realität vor die Weihnachtsstimmung. Peru kämpft mit der Wirtschaftskrise. Es gibt kein Geld und Jorge spürt – ebenso wie seine 22 Millionen Mitbürger – die Konsequenzen am eigenen Leib. Deshalb bekommen sie auch Marcio und Claudia zu fühlen. Zu allem Überfluß sind sie bereits sechs und acht Jahre alt. So kann man ihnen nicht mehr vormachen, daß der Nikolaus die Schuld für die armseligen Geschenke trägt.

Die Menschen in Lima erzählen sich von früheren Weihnachtsfesten. Die Luft der bunt geschmückten Stadt war angefüllt mit tropischen Klängen, die von der nahen Karibik herüber schwangen. Jeder trug einen dieser typischen duftenden Weihnachtskuchen – Paneton genannt – in der Hand. Überall sah man bärtige Weihnachtsmänner und niemand konnte sich der festlichen Stimmung entziehen.

Nach der Wirtschaftskrise der 80er Jahre und einer kurzen Phase der Stabilisierung zu Anfang der 90er, nähert sich Peru am Ende des Jahrtausends erneut einem wirtschaftlichen Desaster. Es war ein schlechtes Jahr. Die Auswirkungen von „El Ninnnno“ und der Wirtschaftskrise in Asien haben auch Peru nicht verschont. Zusammen mit den fehlenden staatlichen Maßnahmen gegen den desolaten Zustand der Nationalökonomie ergibt sich ein entmutigendes Panorama. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung drücken das südamerikanische Land.

Rezession und Zahlungsunfähigkeit spiegeln sich auch in denStraßen von Lima wider. Es gibt dieses Jahr keine prunkvoll geschmückten Einkaufsstraßen, keine Straßenhändler, die den unglaublichsten Kitsch feilbieten und keine Menschenmassen, die in die Läden strömen. Es fehlen die fröhlichen Gesichter, deren heiteres Antlitz sich in einen Ausdruck von Bekümmerung und Traurigkeit verwandelt hat.

Mit seinen 37 Jahren hat Jorge genügend Erfahrung, um Vergleiche anzustellen. Obwohl noch relativ jung, wünscht er sich die früheren Zeiten zurück. Doch manchmal überkommt ihn eine Dosis Optimismus. Zum Beispiel wenn er feststellt, daß sich die politische Repression verringert hat. Oder weil es zwar kein Geld, aber deswegen auch keinen übermäßigen Verfall der Währung gibt. Wenn er hingegen an die steigende Alltagskriminalität denkt, kehrt die Mutlosigkeit zurück. Mit dem schnellen Anwachsen privater Verschuldung erhält der wirtschaftliche Alptraum eine neue Qualität. Auch Jorge, der immer ruhig zu Bett gehen konnte, ist inzwischen vom Schulden-Gespenst betroffen. Wenn die Hälfte des Gehalts in die Miete fließt und die Kinder Kleidung und Nahrung brauchen, bleibt ein Kredit oft als einziger Ausweg. Die Zinsen dafür können mittlerweile nur noch als Wucher bezeichnet werden.

Die Ankündigung des Präsidenten Alberto Fujimori, daß es keinen Grund gibt, dieses Jahr kein Weihnachtsgeld auszuzahlen, erleichtert die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung nur wenig. Die Auszahlung des Weihnachtsgeldes mag für den staatlichen Sektor bindend sein. Die meisten privaten Unternehmen haben ihre Angestellten jedoch vor die Entscheidung gestellt, auf das Extra- Gehalt zu verzichten oder zu kündigen. Andere erhielten, wie Jorges Nachbarin Teresa, die in einer kleinen Werbeagentur arbeitet, Warengutscheine statt Geld.

Jorge hofft, daß die Geld-Probleme nicht das Weihnachtsfest überschatten. Er war immer ein häuslicher Mann, nie ein Freund von übermäßigem Alkoholkonsum. Er träumt, daß der Dezember eine Oase wäre, frei von den Ängsten, die nach Geld riechen. Aber paradoxerweise ist der ökonomische Druck gerade in diesem Monat besonders stark. Jorge hört jedoch nicht auf, sich selbst davon zu überzeugen, daß die Zeiten gar nicht so schlecht sind. Schließlich hat das Puzzle für Marcio 200 Teile und die Billig-Barbie ist letztendlich genauso blond und blauäugig wie das teure Original.

FELIZ NAVIDAD Y PRÓSPERO AÑO NUEVO

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