Poonal Nr. 305

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 305 vom 4. September 1997

Inhalt


MEXIKO

PERU

ARGENTINIEN

KOLUMBIEN

GUATEMALA

PANAMA

EL SALVADOR

CHILE

NICARAGUA


MEXIKO

Erster Erfolg für Mexikos Opposition – Regierung erleidet im

Parlament eine herbe Schlappe

(Mexiko-Stadt, 1. September 1997, Poonal).- Nach großen Turbulenzen und einer Beinahe-Verfassungskrise war das Finale erstaunlich ruhig. Am Montag antwortete dem mexikanischen Präsidenten erstmals nach 68 Jahren absoluter Herrschaft der Revolutionären Institutionellen Partei (PRI) ein Politiker aus den Reihen der Oppositionsabgeordneten auf den jährlichen Bericht zur Lage der Nation. Der symbolhafte Charakter dieses Ereignisses wurde allgemein als wichtiger angesehen als der Inhalt von Präsident Ernesto Zedillos Rede und die Replik des Parlamentspräsidenten Porfirio Muñoz Ledo von der Partei der Demokratischen Revolution (PRD). Nur wenige Stunden zuvor war sichergestellt worden, daß Abgeordnete und Senatoren der PRI dem Bericht des Präsidenten beiwohnen würden. Vorausgegangen waren heftige politische Machtkämpfe mit den vier Oppositionsparteien. Die überraschende Geschlossenheit der letzteren fügte der Regierungspartei eine der bittersten Niederlagen in ihrer Geschichte zu. Während die Kommentatoren jetzt vom wirklichen Beginn der parlamentarischen Demokratie in Mexiko sprechen, kamen die Auseinandersetzungen in den vergangenen Tagen oft einem billigen Theaterstück gleich. Die Parlamentswahlen vom 6. Juli dieses Jahres verschafften der Opposition, die aus der linken Partei der Demokratischen Revolution (PRD), der konservativen Partei der Nationalen Aktion (PAN) sowie den wenig profilierten kleinen Fraktionen der Partei der Grünen (PVEM) und der Partei der Arbeit (PT) besteht, im Abgeordnetenhaus eine rechnerische Mehrheit von 261 zu 239 Stimmen gegenüber der PRI. Trotz der ideologischen Differenzen traf die Opposition vor zwei Wochen unerwartet Vereinbarungen über eine neue Geschäftsordnung für das zukünftige Parlament und teilte wichtige Kommissionsposten unter sich auf. Die PRI als immer noch mit Abstand größte Fraktion reagierte mit wütenden Protesten. Sie wehrte sich vor allem gegen die Protagonistenrolle von Muñoz Ledo, der vor zehn Jahren im Zorn aus der PRI geschieden war. Vermittlungsbemühungen scheiterten ebenso wie der Versuch, den heterogenen Oppositionsblock zu spalten. Daraufhin boykottierte die Regierungspartei unter Hinweis auf Verfassungsbrüche die konstituierende Parlamentssitzung am vergangenen Samstag, zu der sie selbst Tage zuvor mit aufgerufen hatte. Dies erwies sich als Bumerang, denn im Gegensatz zur geschlossenen Opposition konnte die PRI auf ihrer „Eröffnung“ der neuen Parlamentsperiode am Sonntag keine gesetzlich vorgesehene Mehrheit zustande bringen. „Wir geben uns hier der Lächerlichkeit preis“, mußte der Abgeordnete Orlando Arvizu erkennen.

In diesem Licht wurde im Verlauf des Sonntags wohl auch die Ankündigung der noch bestehenden PRI-Mehrheit im Senat gesehen, nicht zum Regierungsbericht des Präsidenten zu erscheinen und damit dem mexikanischen Kongreß Legitimität zu entziehen. Die „gut informierten Quellen“ berichten von einem Machtwort des Präsidenten. Innerhalb weniger Stunden vollzog die Regierungspartei „zum Wohle der Nation“, so ihr Fraktionschef, die Kehrtwende. Die PRI-Abgeordneten erkannten das von den anderen vier Parteien einberufene Parlament an und nahmen am Montagmorgen ihre Arbeit auf. Die PRI-Senatoren waren schließlich allesamt zur Stelle, als Ernesto Zedillo über sein drittes Amtsjahr Rechenschaft ablegte. Parlamentspräsident Muñoz Ledo ließ sich den Triumph kaum anmerken und bot der Regierung staatsmännisch den Dialog an.

So ungewöhnlich die Vorkommnisse für die mexikanische Politik nach der jahrzehntelangen Herrschaft einer Partei auch sind, so wenig läßt sich daraus für die politische Zukunft des Landes ableiten. Offenbar ist Präsident Zedillo zu einer Zusammenarbeit mit der Opposition bereit. Wie bei seinen beiden vorherigen Regierungsberichten bescheinigen ihm die meisten Kommentatoren in ersten Reaktionen auch diesmal fehlende Visionen. Auf für die Entwicklung des Landes wichtige Probleme wie den Aufstand der Zapatisten im Bundesstaat Chiapas oder die Guerilla der Revolutionären Volksarmee (EPR) in Guerrero ging Zedillo mit keinem Wort ein. Die parlamentarische Opposition startet gestärkt in die dreijährige Legislaturperiode. Möglicherweise wird sie noch weiteren Zulauf von abtrünnigen PRI-Abgeordneten bekommen. Denkbar ist aber auch, daß es der Regierungspartei gelingt, mit der Zeit soviele Parlamentarier der anderen Fraktionen auf ihre Seite zu ziehen, daß sie doch wieder eine absolute Mehrheit von mindestens 251 Mandaten im Parlament erreicht. Der Oppositionsblock ist auch nach der Einschätzung aus den eigenen Reihen weder auf ewig angelegt noch basiert er auf ideologischen Übereinstimmungen. Ein Stück Geschichte hat er in Mexiko dennoch schon geschrieben.

PERU

Fujimori will um jeden Preis eine erneute Kandidatur durchsetzen

Von Eduardo Tamayo G.

(Quito/Lima, 28. August 1997, alai-Poonal).- Perus Staatspräsident Alberto Fujimori kämpft verbissen um die erneute Kandidatur für das höchste Amt im Staat. Einige Oppositionelle bezeichnen die Manöver des Präsidenten lediglich als plump, andere sehen darin schon „kriminelle Akte“. Sie haben zu einem raschen Popularitätsverlust Fujimoris geführt, seine Aussichten auf eine Amtszeit über das Jahr 2000 hinaus scheinen sich derzeit in Luft aufzulösen. Die Erstürmung der japanischen Botschaft im April verschaffte Fujimori nur eine flüchtige Atempause. Im Januar 1996 noch auf die Zustimmung von fast 74 Prozent der Bevölkerung bauend, sprachen im Juni 1997 nach Daten der Zeitschrift „IEDELE“ weniger als 30 Prozent ihrem Präsidenten das Vertrauen aus. Die Skandale wegen der Telefonspionage gegen Politiker*innen und Journalist*innen sowie die Angriffe gegen die Presse ließen die Popularität Fujimoris im August sogar unter 20 Prozent rutschen. Nicht einmal seine Reise nach Japan und neue Versprechungen – wie Lohnerhöhungen, Steuersenkungen und ein Plan zur Bekämpfung der extremen Armut – die er anläßlich des 176. Jahrestages der peruanischen Unabhängigkeit machte, konnten das Ansehen der Regierung verbessern. Diese steht immer mehr allein da, gestützt nur noch von der Militärführung.

Warum die Wiederwahl?

Die Wiederwahl ist ein strategisches Ziel für das Fujimori-Regime. Um dieses Ziel zu erreichen, ist sie bereit, alle möglichen Hindernisse ohne Rücksichtnahme auf Gesetz und Verfassung aus dem Weg zu räumen. Die Wiederwahl Fujimoris „ist kein persönliches Problem von ihm, sondern seiner militärischen und finanziellen Umgebung, die ihn zum Weitermachen verpflichtet. Diese schützt sich so selbst vor den begangenen Willkürakten und Machtmißbrauch und kann weiter Gewinn aus dem neoliberalen Programm ziehen“, meint der Abgeordnete Rolando Brená Pantoja von der Kommunistischen Partei Perus. In diesem Sinne ließ der Regierungschef den Kongreß über eine Änderung des Verfassungsartikels 102 aus dem Jahr 1993 abstimmen, der eine zweite Wiederwahl verbot. Danach, wieder über den Kongreß, entmachtete er drei Mitglieder des Verfassungsgerichtes, die eine eigenständige Haltung gegenüber der Regierung bewahrt hatten. „Und da Fujimori sich seiner Wiederwahl nicht sicher ist, hat er kriminelle Vorkommnisse in Kauf genommen“, sagt der peruanische Ökonom Oscar Ugarteche. Tatsächlich haben Klagen über Willkür und Repression das Image der Sicherheitskräfte erschüttert. Neben der Telefonspionage und den Attacken auf die Presse gehörten die Ermordung und Folterung von Geheimdienstmitgliedern und die Entführung eines widerspenstigen Divisionsgenerals dazu.

Einer der sensibelsten Punkte für das Regime sind seine Beziehungen zu den Medien, die nie zuvor so schlecht waren. Sowohl Medienbesitzer wie Journalist*innen haben Fujimori ein „krankhaftes Verhältnis“ gegen Kritiker bescheinigt, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der geplanten Wiederwahl äußerten oder Anklagen einreichten, die dem Präsidenten und seiner Umgebung nicht gefielen. Besonders Fernsehprogramme und Zeitungen wie „Frecuencia Latina“, „En Persona“, „Ojo“ und „La República“ wurden über verschiedene Mechanismen starkem Druck ausgesetzt. Diese Medien erreichen Bevölkerungsschichten, die bisher die sicheren Bastionen des „Fujimorismo“ waren. Anfang Juli schlugen drei bewaffnete Personen Luis Angeles Lainez, Politikredakteür der Zeitung „Ojo“ nieder. Kurz darauf kam der Entzug der Staatangehörigkeit für den Besitzer des Fernsehsenders „Canal 2 Frecuencia Latina“, Baruch Ivcher. Hauptgrund für diese Maßnahme, so Oscar Ugarteche, sei „die Veröffentlichung der Nachricht, daß der Anwalt Vladimiro Montesinos, Berater des Geheimdienstes, jährlich 1,6 Millionen Dollar verdiente“. Der Ökonom Urgarteche sieht darin die „Willkürlichkeit jenseits aller Vernunft“. Peru suche und fördere die Auslandsinvestition. „Ivcher legte sein Geld im Land an und gab seine Nationalität auf“. Seit Mai befindet sich der Unternehmer im Exil in Miami.

Fujimoris Platz inmitten von Militärs bringt Urgarteche zu der Überzeugung, Peru habe ein Militärregime mit einem zivilen Präsidenten. Die Macht ruht beim „Triumvirat“, zusammengesetzt aus Fujimori, Montesinos und Militärchef General Nicolás Bari Hermosa. Der Präsident hat sich geweigert, die beiden letztgenannten ihrer Posten zu entheben, obwohl Montesinos beschuldigt wird, die peruanische „Gestapo“ anzuleiten. Doch er wird vom Präsidenten geschützt. Ugarteche: „Montesinos scheint die politische Kontrolle des Landes zu haben. Er ist die einzige Person, die keine Rechenschaft ablegen muß. Vor einigen Monaten wurde nach den Quellen seiner Einkünfte als Geheimdienstberater gefragt. Aber in dem Moment, in dem der Direktor der Steuerbehörde ihn überprüfen wollte, wurde er entlassen.“

Gesundung für einige Wenige

Für den Abgeordneten Rolando Breña Pantoja hat die Krise der peruanischen Regierung nicht nur mit politischen Aspekten zu tun. Er sieht deren neoliberales Programm als erschöpft an. In einem bestimmten Moment erweckte dies bei der Bevölkerung die Hoffnung auf billige öffentliche Dienstleistungen in guter Qualität. Durch Privatisierung, Marktöffnung gegenüber dem Ausland, der Wiedereingliederung in den Finanzmarkt und der unbeschränkten Gültigkeit der Marktwirtschaft sollten die Beschäftigung erhöht, Löhne, Gesundheit und soziale Absicherung verbessert sowie das Land wieder aufgebaut werden. „All diese Versprechen sind auch Phrasen geblieben. Sieben Jahre nach der (ersten) Wahl von Fujimori kann man sagen, daß keines dieser Probleme gelöst worden ist“, sagt Breña.

Die wirtschaftliche „Erholung“ Perus ist der lateinamerikanischen Wirtschaftsgesundung sehr ähnlich: sie begünstigt eine relativ kleine Zahl von Leuten, die in Peru die Zahl von 1,9 Millionen nicht übersteigt. Nur diese sind nach den Erfahrungen Ugarteches, der als Berater von internationalen Organisationen tätig ist, überhaupt kreditwürdig. 90 Prozent sind vom „Modell“ ausgeschlossen und sie merken das: „Student*innen erfahren am Ende ihrer Ausbildung, daß sie keinen Arbeitsplatz finden werden. Arbeiter*innen verlieren ihre Stellen, Unternehmer*innen gehen bankrott“, schildert Ugarteche die Situation. Der scheinbare Wirtschaftsboom stützt sich auf den Primärsektor und die Spitzentechnologie. Es gibt keine Erholung in der Industrie, bei der Beschäftigung, bei den Löhnen, bei den Exporten. Der Wirtschaftsexperte kommt zu dem Schluß: „Das neoliberale Modell dynamisiert wie im übrigen Lateinamerika bestimmte Sektoren, nicht alle. Wir sehen eine Politik des Wirtschaftswachstums, die mit der Modernisierung verbunden ist ohne daß die Verteilungspolitik bezüglich des Einkommens sich verbessert.“

ARGENTINIEN

Mütter der Plaza de Mayo gegen Abfindung in Börsenpapieren

(Montevideo/Buenos Aires, 29. August 1997, comcosur-Poonal).- Eine Gruppe der Mütter der Plaza de Mayo besetzte auf friedliche Weise eine halbe Stunde lang das Gebäude der Handelsbörse in der argentinischen Hauptstadt. Sie protestierten gegen die Form der Entschädigung, die die Regierung den Familienangehörigen von Verschwundenen zahlen will. Es war ein ungewöhnliches Bild, wie die Frauen mit den weißen Kopftüchern die Aktivitäten der Börsenmakler*innen lahmlegten. Anlaß war der von Präsident Menem mit Unterstützung der Kongreßmehrheit gefaßte Beschluß, an die Familienangehörigen von unter der Militärdiktatur verhafteten und danach verschwundenen Personen Staatsschuldpapiere im Wert von jeweils 200.000 Dollar zu zahlen. Dies bedeutet, daß die Familien und Erben der Opfer kein Bargeld bekommen, sondern Wertpapiere, die sie auf den Finanzmärkten handeln müssen. Für die Mütter der Plaza de Mayo geht es nicht nur darum, daß mit der Entschädigung versucht wird, „Wunden einer Vergangenheit zu schließen, die offen ist“, da Regierung und Streitkräfte immer noch nicht das Schicksal der Verschwundenen aufgeklärt haben. In einem Kommunique erklären die Mütter ihre Ablehnung gegen die „Börsenbewertung des Blutes unserer Kinder“, deren Leben „nur in den revolutionären Herzen derer bewertet wird, die von einer gerechteren Welt träumen“.

Indígenas empört über Regierungskandidatin

(Montevideo/Buenos Aires, 29. August 1997, comcosur-Poonal).- Die argentinischen Indígena-Gemeinden haben Äußerungen der Abgeordnetenkandidatin „Chiche“ Duhalde als „klaren Akt der Rassendiskriminierung“ bezeichnet. Die für den Distrikt Buenos Aires antretende Angehörige der Regierungspartei hatte in abwertender Form von „den Indios“ gesprochen. Die Organisation „Zusammenkunft für die Rechte der Indígena-Völker“ und das „Quechua Aymará Zentrum“ forderten daraufhin die öffentliche Entschuldigung der Kandidatin. Sie versicherten: „Wir existieren mit unserer ursprünglichen Kultur trotz Invasion, Völkermord, Evangelisierung und Kolonialismus.“ Weiter erklären sie, trotz allem „sind wir respektvoll gegenüber allen Identitäten, die diesen Boden betreten“.

Wahlallianz weitet sich aus

(Buenos Aires, 29. August 1997, pulsar-Poonal).- Das Bündnis der beiden größten Oppositonsparteien, Frepaso und Radikale Bürgerunion (UCR) wird bei den Parlamentswahlen im kommenden Oktober in der Hälfte der 24 argentinischen Provinzen funktionieren. Nachdem bereits vor einigen Wochen eine gemeinsame Liste für die Provinz und die Hauptstadt Buenos Aires festgelegt wurde, gelang dies nach zum Teil schwierigen Verhandlungen in elf weiteren Provinzen. Damit wird es für die Regierungspartei von Präsident Carlos Menem noch schwieriger, die Abgeordnetenmehrheit zu behalten. Allerdings kamen Frepaso und UCR in wichtigen Wahldistrikten wie Rosario und Mendoza nicht zu einer Einigung, weil es Streit über die vordersten Listenplätze gab. Dies stellt auch ein Fragezeichen über die künftige Zusammenarbeit im neugewählten Parlament. Die führenden Oppositionspolitiker*innen sind dennoch zuversichtlich, bei den Präsidentschaftswahlen 1999 eine Regierungsalternative zu sein und die Epoche von Carlos Menem zu beenden.

Post privatisiert

(Buenos Aires, 27. August 1997, pulsar-Poonal).- Argentinien hat als erstes Land Lateinamerikas seine Post privatisiert. Präsident Carlos Menem erklärte, die Konzession über 30 Jahre für das Konsortium Francisco Macri-Banco de Galicia geschehe ohne irgendwelche Bedingungen. Das Gemeinschaftsunternehmen verpflichtet sich, jährlich 102 Millionen Dollar für die Konzessionsrechte an den argentinischen Staat zu bezahlen. Es hat zugesagt, in den kommenden zehn Jahren weitere 250 Millionen Dollar in den Postdienst zu investieren. Den Arbeiter*innen der argentinischen Post wurde die Privatisierung mit einer Beteiligung schmackhaft gemacht. Sie bekamen 14 Prozent des Aktienanteils.

KOLUMBIEN

Paramilitärs im Blickfeld

(Montevideo/Bogotá, 29. August 1997, comcosur-Poonal).- Das kolumbianische Verfassungsgericht wird über die Rechtmäßigkeit der Kooperativen für die ländliche Sicherheit entscheiden. Unter dem Namen „Zusammenleben“ haben sich in ihnen Zivilisten organisiert, die die Streitkräfte unterstützen und paramilitärische Funktionen haben. Menschenrechtsorganisationen äußern scharfe Kritik gegen diese Gruppierungen. Derzeit sind 414 von ihnen mit insgesamt über 3.500 bewaffneten Mitgliedern bekannt.

GUATEMALA

Schwierige Rückkehr ins geregelte Leben

(Guatemala-Stadt, 29. August 1997, cerigua-Poonal).- Die Wiedereingliederung der ehemaligen Guerillakämpfer*innen in das zivile Leben ist zu 80 Prozent abgeschlossen. Dies erklärte der Ex-Comandante Abel, Leiter von vier Lagern, wo etwas mehr als 400 Mitglieder der Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas (URNG) und ihre Familienangehörigen zeitweise untergebracht sind. Die 333 Erwachsenen und 76 Kinder haben nach der langen Zeit im bewaffneten Kampf keinen Ort zum Leben. Die im Mai errichteten Behelfsherbergen befinden sich in den Provinzen Alta Verapaz, Chimaltenango, Retalhuleu und Quetzaltenango. Abel weist auf die Schwierigkeiten hin, die es bei aller Anstrengung durch die URNG gibt. „Obwohl den ehemaligen Kämpfer*innen Hilfe angeboten worden ist, müssen viele Voraussetzungen erfüllt werden, um die Spenden zu bekommen und das hat uns geschadet.“ Die Ex-Guerilleros hätten zwar gewußt, daß es Hindernisse oder Verzögerungen geben könne, aber ihr Aufenthalt in den Lagern zöge sich länger als erwartet hin, ohne daß es Klarheit über den Zeitplan der weiteren Entwicklung gebe. Ein Hauptproblem bestehe darin, daß die Mehrheit der Rebell*innen vom Land stamme und ohne Mittel zum Leben und Arbeiten blieb. Er hoffe aber, die Eingliederung in das zivile und produktive Leben des Landes werde innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein. Abel konnte auch einige positive Ergebnisse vorlegen. In den Lagern sei eine 90prozentige Alphabetisierung erreicht. Mit der Berufsausbildung werde fortgefahren. In der Krankenpflegeausbildung bekamen die Absolvent*innen bereits ihr Diplom.

Neuer Menschenrechtsbeauftragter

(Guatemala-Stadt, August 1997, cerigua-Poonal).- Julio Eduardo Arango Escobar heißt der neue staatliche Menschenrechtsbeauftragte in Guatemala. Er löst Jorge Garcia Laguardia ab. Laguardia und der Anwalt Mario Torres waren seine Gegenkandidaten bei der Wahl durch die Parlamentsabgeordneten, die mit überwältigender Mehrheit für Arango stimmten. Dieser machte sich einen Namen als Sonderstaatsanwalt im Fall des vermißten Guerillakommandanten Efrain Bamaca Velasquez. Von diesem Amt war er jedoch nach täglichen Todesdrohungen und Schüssen auf sein Büro zurückgetreten. Seine neue Arbeit will Arango mit einem Stil der Versöhnung angehen: „Die Logik des Konflikts und einer Angriffskultur exististiert immer noch. Unsere Absicht ist es, sie durch Dialog und Konsenssuche abzuschaffen und zu minimalisieren“, erklärte er. „Das heißt nicht, die Menschenrechte nicht einzufordern“, fügte er hinzu. Er kündigte an, stärker als sein Vorgänger auf die Themen Bildung, VerbraucherInnenrechte, Frauen, Kinder und Häftlinge einzugehen. Die Wahl Arangos stößt auf breite Zustimmung. Die Vereinigung der Universitätsstudent*innen (ÄU) sieht die Anstrengungen für einen Neuaufbau des Landes nach 36 Jahren internen Krieges gestärkt. Der Rat der ethnischen Gemeinschaften „Runujel Junam“ (CERJ) forderte vom neün Menschenrechtsbeauftragten, die Bedeutung des Bodens für die Maya- Bevölkerung anzuerkennen. Beide Gruppen drängten Arango, unabhängig von der Regierung zu handeln.

URNG wieder komplett

(Guatemala-Stadt, 3. September 1997, pulsar-Poonal).- Einer der historischen Führer der früheren guatemaltekischen Gürilla wird in Kürze in sein Land zurückkehren. Es handelt sich um Generalkommandant Rodrigo Asturias, besser bekannt unter seinem Kampfnamen Gaspar Ilom. Die letzten Jahre war er überwiegend in Mexiko gewesen. Bei der feierlichen Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen der Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas (URNG) und der Regierung im vergangenen Dezember fehlte Asturias. Die Verwicklung seiner Guerilla-Mitgliedsorganisation, der Organisation des bewaffneten Volkes (ORPA), in die Entführung einer betagten Unternehmerin hatte zuvor die Friedensverhandlungen in Gefahr gebracht. Als ORPA-Chef mußte der Kommandant die Verantwortung übernehmen. Er machte seinen Platz am Verhandlungstisch frei und kehrte auch nicht mit den anderen Mitgliedern des URNG-Oberkommandos nach Guatemala zurück. Rodrigo Asturias gilt als eine der charismatischsten Figuren der Ex- Guerilla. Auf seiner Rückkehr ruhen viele Erwartungen. In dem vor kurzem in eine Partei umgewandelten ehemaligen Guerillaverband wird er eine wichtige Rolle spielen.

URNG formiert sich als politische Partei

(Guatemala-Stadt, 1. September 1997, pulsar-Poonal).- Die ehemalige Guerilla Revolutionäre Nationale Einheit Guatemalas (URNG) hat alle legalen Schritte hinter sich gebracht, die zur Umwandlung in eine politische Partei notwendig waren. Vor mehr als 3.000 Anhänger*innen informierte Ex-Kommandant Rolando Moran darüber, daß die erste Teilnahme an einem Wahlprozeß im Mai kommenden Jahres sein werde. Dann wird in 30 Landkreisen und 12 Provinzen Guatemalas gewählt. Moran schlosß Bündnisse mit anderen Parteien nicht aus. In Frage kommt in erster Linie das Demokratische Bündnis Neues Guatemala (FDNG), bisher die einzige linke Gruppierung im Parlament.

PANAMA

Chiquita Brands will vom Profit nichts abgeben

(Panama-Stadt, 3. September 1997, pulsar-Poonal).- Der US-

Bananenkonzern Chiquita Brands weigert sich, die Löhne entsprechend dem panamaischen Arbeitsgesetz anzuheben. Seit Anfang des Monats sind deswegen mehr als 4.000 Arbeiter*innen auf den Bananenplantagen in der Provinz Chiriqui an der Pazifikküste in den Streik getreten. Sie wehren sich außerdem gegen den beabsichtigten Abbau von mehreren hundert Stellen. Edgar Williams, Gewerkschaftssprecher der Bananenarbeiter*innen, hat erklärt, daß die Gewerkschaft ihre Lohnforderungen nach Anfangsverhandlungen von 12 auf 6 Prozent gesenkt hat. Chiquita-Sprecher Victor Mirones hat im Namen seines Arbeitgebers bisher nur vierprozentige Erhöhungen alle zwei Jahre angeboten. Das Gesetz schreibt 6 Prozent als Minimum vor. Auf den Plantagen in Chiriqui werden jährlich etwa 14 Millionen Kisten Bananen verpackt. Der Export nach Europa und in die USA bringt gut 200 Millionen Dollar ein. Auf anderen Ostplantagen in Panama beschäftigt Chiquita Brands weitere 7.000 Personen.

EL SALVADOR

Mord an Journalistin

(San Salvador, 29. August 1997, pulsar-Poonal).- Die 34jährige Journalistin Lorena Saravia ist durch einen Kopfschuß ermordet worden. Sie arbeitete als Reporterin und Nachrichtensprecherin im Fernsehen. Zuletzt moderierte sie auch im Radio. Es ist der erste Mord gegen Journalist*innen in der salvadoreanischen Nachkriegszeit. Über die Hintergründe der Tat fehlen bisher jegliche Informationen. Ein Motiv ist nicht bekannt. Saravia war weder an brisanten Nachforschungen beteiligt noch hatte sie zuvor Drohungen erhalten. Dennoch schlossen sich mehrere Medien der Besorgnis der Menschenrechtsbeauftragten Victoria Avilés an. Diese erklärte: „Ich hoffe nicht, daß es sich um eine unterschwellige Botschaft handelt, die gegen die Pressefreiheit in El Salvador gerichtet ist.“ Sie wies auf konstante Aggressionen gegen Journalist*innen in den vergangenen Monaten hin.

Frauen fordern den Erlaß der Agrarschuld

(San Salvador, 3. September 1997, pulsar-Poonal).- Hunderte von Campesinofrauen gingen zum ersten Mal den Weg zum Parlament in der Hauptstadt. Begleitet von ihren Kindern verlangten sie von den Abgeordneten eine Initiative, mit der den Campesinos ihre Kreditschulden erlassen werden. Es handelt sich dabei um etwas mehr als eine Million Dollar. Die Privatwirtschaft und die Regierungspartei versichern, ein Schuldenerlaß würde die salvadoreanische Ökonomie schädigen. Wirtschaftswissenschaftler*innen und die politische Opposition sehen dagegen in der Maßnahme den einzigen Weg, der Landwirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Die Genossenschafterin Lorena Martinez erklärte, den Schuldenerlaß werde nicht die Bevölkerung zahlen. Vielmehr handele es sich um eine Investition in die Zukunft, denn es würden dann die landeseigenen Produkte und nicht die anderer Länder konsumiert. Eine Sonderkommission des Parlaments muß innerhalb kurzer Zeit über die Forderungen der Bäuer*innen entscheiden. Das Ergebnis gilt als völlig unsicher.

CHILE

Regierung rüstet auf: Kauf neuer U-Boote, Panzer und Jagdbomber

angekündigt

(Santiago de Chile, 2. September 1997, pulsar-Poonal).- Nachdem die USA vor wenigen Wochen durch eine Entscheidung von Präsident Bill Clinton das Verbot gegen den Export moderner Waffen nach Lateinamerika aufhoben, scheint auf dem Kontinent ein neuer Rüstungswettlauf auszubrechen. Peru orderte bereits eine Flotte von Kriegsflugzeugen. Jetzt zieht Chile nach. Die Militärs kündigten den Kauf von zwei U-Booten, 200 Angriffspanzern sowie einer nicht genannten Zahl von Jagdbombern an. Die dafür nötigen Gesamtausgaben von 1 Milliarde Doller werden mit der Modernisierung der Streitkräfte begründet. Diese müßten effizienter und so stark sein, daß niemand sich ermutigt fühle, ihnen Probleme zu bereiten. Edmundo Perez Yoma, der chilenische Verteidigungsminister erklärt, die Regierung wolle die Truppenstärke reduzieren. Diejenigen, die übrig blieben, müßten aber über modernere und wirksamere Waffen verfügen. Die Waffenkäufe müssen bis zum Frühjahr kommenden Jahres bezahlt werden. Expert*innen haben errechnet, daß die Regierung mit dem Geld Wohnungen für 200.000 Personen baün könnte. In Lateinamerika haben ausserdem Argentinien und Brasilien schon Waffenkäufe angekündigt. Weitere Länder werden ihnen folgen.

NICARAGUA

Sandinist*innen schließen Guadamuz aus der Partei

(Managua, 2. September 1997, pulsar-Poonal).- Die Nationale Sandinistische Befreiungsfront (FSLN) hat eine ihrer bekanntesten Figuren am vergangenen Sonntag aus der Partei ausgeschlossen. Es handelt sich um Carlos Guadamuz, lange Zeit einer der engsten Mitarbeiter von Sandinistenchef Daniel Ortega. Die durch das Parteikomitee von Managua gefällte Entscheidung wird damit begründet, daß Guadamuz sich stets der Parteidisziplin widersetzt habe. Hintergrund ist jedoch ein frischer Skandal. Guadamuz und andere sandinistische Ratsmitglieder von Managua stimmten einer kräftigen Gehaltserhöhung für sich und ihre Kolleg*innen zu. Parteiintern gab es darüber große Aufregung und Streit. Um letzteren beizulegen, wurde Carlos Guadamuz zuerst seines Amtes als Chef der sandinistischen Ratsfraktion enthoben und schließlich auf Betreiben von Daniel Ortega ganz aus der Partei ausgeschlossen. Die Empörung ging allerdings über die Parteigrenzen hinaus und betraf nicht nur die Sandinist*innen. Oberbürgermeister Cedeno hätte mit einem Gehalt von 10.000 Dollar zum bestbezahlten Stadtoberhaupt Mittelamerikas werden können. Die allgemeinen Proteste zwangen ihn jedoch zum nachträglichen Verzicht, so daß er sich weiterhin mit monatlich 4.500 Dollar begnügen muß. Der Stadtrat von Managua erhöhte sich die Zahlungen pro Sitzungsperiode auf 1.500 Dollar – im Monat gibt es zwei Sitzungen. Der Rat wird von je acht Mitgliedern der Parteien in Managua zusammengesetzt. Die weitreichende Kritik über so hohe Gehälter wird verständlich, wenn man sich vor Augen hält, daß viele Nicarguaner*innen mit einem Monatseinkommen von umgerechnet gerade 20 Dollar überleben müssen.

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