Rios Montt unter Hausarrest – Prozess wegen Völkermord

(Guatemala-Stadt, 31. Januar 2012, cerigua/poonal).- Die Aufarbeitung der Verbrechen der Militärdiktatur scheint in Guatemala voranzukommen. Am Donnerstag, den 27. Januar verhängte Richterin Carol Patricia Flores Hausarrest gegen Efraín Rios Montt, Juntachef der Militärdiktatur vom März 1982 bis Ende 1983. Sie ordnete die Eröffnung eines Strafverfahrens wegen Völkermordes und gewaltsamer Vertreibung an. Die Untersuchungshaft blieb dem General gegen Zahlung von rund 50.000 Euro Kaution erspart.

 

 

Gewaltsame Vertreibung und Massaker

Konkret wird Rios Montt vorgeworfen, als damaliger „De-facto-Staatschef“ für Massaker in der guatemaltekischen Provinz Quiché verantwortlich zu sein, denen im Jahr 1982 und 1983 mindestens 1.771 Menschen, darunter Frauen und Kinder zum Opfer gefallen sind. Montt hatte sich 1982, in der Zeit des Bürgerkrieges, an die Macht geputscht und wurde ein Jahr später von rivalisierenden Militärs wieder abgesetzt. Daneben wird dem mittlerweile 85-jährigen General im Ruhestand die gewaltsame Vertreibung von 29.000 Menschen zur Last gelegt. Beide Verbrechen wurden von der guatemaltekischen Armee begangen, deren Oberbefehlshaber Rios Montt zu jener Zeit war.

Die Eröffnung des Verfahrens gegen den Ex-Juntachef wurde erst mit dem Ende der parlamentarischen Immunität des Ex-Generals zu Beginn der neuen Legislaturperiode am 14. Januar 2011 möglich. Ríos Montt konnte von der Justiz jahrelang nicht belangt werden, da er seit dem Jahr 2000 als Abgeordneter im Kongress gesessen hatte.

Während der zwölfstündigen Anhörung legte die Staatsanwaltschaft Indizien und Beweise vor, wozu neben 84 Zeugenaussagen von Opfern und Angehörigen auch die Militäreinsatzpläne „Sofía“, „Victoria 82“ und „Firmeza 83“ zählten. Der verantwortliche Staatsanwalt, Manuel Vásquez, beschrieb während der Anhörung die Ermordung von 60 Dorfbewohner*innen, mit der er die Anklage gegen den Ex-General wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit untermauerte.

Opferverbände feiern Prozesseröffnung als Erfolg

Menschenrechtsorganisationen und Opfervereinigungen feierten die Verfahrenseröffnung gegen den Ex-Juntachef. Nery Rodenas, Direktor des guatemaltekischen erzbischöflichen Büros für Menschenrechte lobte Richterin Flores für ihre “mutige Entscheidung“, die nun die Möglichkeit eröffne, Befehlketten und Verantwortlichkeiten für die Verbrechen der Diktatur zu klären. Die Anklage zeige, dass niemand über dem Gesetz stehe.

Der Strafrechtler Oswaldo Samayoa, vom Institut für Vergleichende Studien in Strafrechtswissenschaft ICCPG (Instituto de Estudios Comparados en Ciencias Penales), kritisierte hingegen die Entscheidung der Richterin, Rios Montt nur unter Hausarrest zu stellen. Für eine Anklage dieser Schwere sehe das guatemaltekische Strafrecht ausschließlich Untersuchungshaft vor, zumal bei Rios Montt Fluchtgefahr bestehe und er seine politischen Kontakte zur Strafvereitelung nutzen könne.

Präsident Pérez Molina leugnet Völkermord

Rios Montts Anwalt, Danilo Rodríguez, räumte zwar ein, dass es während der Militärdiktatur Massaker an Zivilist*innen gegeben habe, argumentierte aber, dass Anzahl und Schwere dieser Verbrechen in der „Regierungszeit“ seines Mandanten abgenommen hätten und die militärisch-politische Linie, in deren Folge die Massaker in Guatemala begangen worden waren, bereits im Jahr 1965 ins Leben gerufen worden sei. Deshalb sei es unzulässig, seinen Mandanten als Verantwortlichen dieser Doktrin zur Rechenschaft zu ziehen. Guatemalas neuer Präsident, Otto Pérez Molina erneuerte indes seine Behauptung, in Guatemala habe es keinen Völkermord gegeben, sondern (nur) einen bewaffneten internen Konflikt.

Nach Bekannt werden der Verfahrenseröffnung hatte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International ein Kommuniqué veröffentlicht, in dem die Organisation daran erinnert, dass gerade in der Regierungszeit Rios Montts „Massaker, vor allem an indigenen Gemeinden in den ländlichen Gebieten des Landes, als Teil der Militärpolitik der Regierung begangen wurden“.

80 Prozent der Bürgerkriegsverbrechen vom Militär verübt

Der Abschlussbericht der UN-Kommission für geschichtliche Aufklärung CEH (Comisión para el Esclarecimiento Histórico) aus dem Jahr 1999 weist rund die Hälfte aller Menschenrechtsverbrechen der 36-jährigen Militärdiktatur der Regierungszeit von Rios Montt zu.

Laut UN-Bericht ist der guatemaltekische Staat – mittels Armee und Paramilitärs – für über 80 Prozent aller während der Diktatur begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich. Von 1960-1996 sind laut offiziellen Zahlen mindestens 45.000 Menschen ermordet worden, Menschenrechtsorganisationen sprechen jedoch von rund 200.000 Toten des Bürgerkrieges.

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