Poonal Nr. 787

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 30. Oktober 2007

Inhalt


HONDURAS

NICARAGUA

HAITI

KOLUMBIEN

BRASILIEN

BOLIVIEN

ARGENTINIEN

USA-LATEINAMERIKA


HONDURAS

Social-Watch-Bericht: Regierung schützt Frauen nicht ausreichend

(Fortaleza, 23. Oktober, adital-poonal).- In Honduras wurden von 2003 bis Juli diesen Jahres 637 Frauen ermordet – ihre Mörder wurden nicht bestraft. Auch die Fälle häuslicher Gewalt nehmen weiter zu. Allein 2006 wurden 12.000 Fälle registriert. Die Taten wurden zu rund 12 Prozent von den eigenen Partnern verübt. Teilweise hatten die Opfer den zuständigen Behörden bereits vorher Übergriffe gemeldet, ohne dass ihnen daraufhin der gesetzlich vorgeschriebene Schutz gewährt worden war.

Zwar waren im 2006 verabschiedeten Haushalt umgerechnet knapp 622.000 Euro für die Schaffung von Sondereinheiten zur Untersuchung von Frauenmorden vorgesehen. Bis jetzt wurden die veranschlagten Mittel jedoch nicht von der Regierung bereitgestellt und an das Innenministerium weitergeleitet.

Die Informationen entstammen dem diese Woche vorgelegten Jahresbericht „Würde und Menschenrechte wahren“ des NGO-Netzwerks Social Watch, das die Umsetzung der international vereinbarten Anstrengungen im Kampf gegen Armut und für Geschlechtergleichheit überwacht. Im Fall von Honduras hebt der Bericht die Untätigkeit der Regierung sowohl bei der Frauengleichstellung als auch bei der Armutsbekämpfung hervor.

Neben den vorgelegten Zahlen weist Social Watch auch auf die Nichterfüllung der vom UN-Menschenrechtsausschuss im November 2006 ausgesprochenen Empfehlungen hin, was als weiterer Beleg für die Untätigkeit der honduranischen Regierung gewertet wird. 

„Sowohl im offiziellen als auch im alternativen Bericht zum Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte empfahl der Ausschuss der Regierung, 'geeignete Maßnahmen für den Kampf gegen häusliche Gewalt zu ergreifen und die rechtliche Verfolgung der Täter zu gewährleisten'“, heißt es. „Zweifellos spiegelt die Realität nicht die Beachtung und Umsetzung dieser Empfehlungen wider.“

NICARAGUA

Ortega will anderen Schuldendienst

(Buenos Aires, 24. Oktober 2007, púlsar-poonal).- Präsident Daniel Ortega hat die internationale Gemeinschaft und die multilateralen Institutionen um deren Zustimmung zu einer neuen Festlegung der Inlands- und Auslandsschulden für Nicaragua gebeten, damit man auf den durch das Klima bedingten Ausnahmezustand im Land reagieren könne. Ortega verkündete, dass seine Regierung schon vor Ausbruch von Hurrikan Felix am 4. September mit der lokalen Bank die Möglichkeiten einer langfristigen Umschichtung der Schulden zu einem niedrigeren Zinssatz verhandelt habe, jedoch bislang keine Einigung erzielt worden sei.

Der Staatschef gab darüber hinaus bekannt, dass über 40.000 Familien von den Folgen des 52 Tage lang anhaltenden Regens, der Unterkünfte, Straßen, Brücken, den landwirtschaftlichen Anbau, Gesundheitszentren und Schulen zerstört hat, betroffen sind und von der Regierung Unterstützung erwarten.

Am 19. Oktober hatte Ortega für das gesamte Land einen „Nationalen Katastrophenzustand“ ausrufen lassen. Dieser gibt der Regierung die Möglichkeit, Gelder, die eigentlich für externe Ausgaben wie z.B. die Bedienung des Schuldendienstes verwendet werden müssen, umzuleiten und Maßnahmen zum Wiederaufbau der zerstörten Gebiete zu ergreifen.

Ortega erklärte, das Land könne die mehr als drei Milliarden US-Dollar an Inlandsschulden nicht zahlen und verwies auf die Notwendigkeit, diese Mittel für die Bekämpfung des Notstandes einzusetzen.

Der Vertreter der Vereinten Nationen, Alfredo Missair, erklärte seinerseits die Bereitschaft der UN, die betroffenen Familien zu unterstützen. Ähnlich äußerte sich ein Vertreter der Entwicklungshelferkonferenz, der um eine schnelle Ermittlung der Schäden bat, um entsprechende Maßnahmen einleiten zu können.

Angesichts der Naturkatastrophe entschied die Regierung Nicaraguas auch, vorübergehend den Einfuhrzoll von 30% auf Bohnen auszusetzen, um so der Knappheit dieses Grundnahrungsmittels entgegen zu wirken und zu verhindern, dass der Preis für Bohnen auf den lokalen Märkten weiterhin ansteigt. Ein Großteil der eigenen Bohnenernte war durch die Regenfälle im Zuge von Hurrikan „Felix“ zerstört worden.

In den ersten neuen Monaten dieses Jahres hat Nicaragua Bohnen für 34 Millionen US-Dollar  importiert. 2006 waren im selben Zeitraum laut des Außenhandelszentrums CETREX (Centro de Trámites de las Exportaciones) dafür 30 Millionen US-Dollar ausgegeben worden.

HAITI

UNO verlängert Mandat der MINUSTAH

(Fortaleza, 18. Oktober 2007, adital).- Trotz zahlreicher Kritik und Protestaktionen von Menschenrechtsgruppen hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am Montag, den 15. Oktober, einstimmig beschlossen, die UN-Stabilisierungsmission in Haiti (MINUSTAH) um ein weiteres Jahr zu verlängern. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon unterstützte ausdrücklich die Verlängerung der von brasilianischen Truppen geführten Mission.

Nach einer kürzlich von Inter Press Service veröffentlichten Studie, kostet jedoch die MINUSTAH-Mission zahlreichen armen haitianischen Bürger*innen, darunter auch Kindern, das Leben. Diese werde jedoch sowohl von Seiten der internationalen Presse als auch von Menschenrechtsorganisationen weitgehend ignoriert.

Der Bericht weist eine große Übereinstimmungen zwischen der militärischen Taktik der in Haiti unter dem Kommando der UNO eingesetzten brasilianischen Truppen und dem militärischen Vorgehen der brasilianischen Polizei in Brasilien selbst nach. Dort stehen die Sicherheitskräfte immer wieder unter dem Verdacht, in den Favelas, den Armensiedlungen der Großstädte wie São Paulo und Río de Janeiro, unterschiedslos gegen Zivilist*innen und bewaffnete Band vorzugehen.

So schossen laut Bericht von Inter Press Service am 2. Februar diesen Jahres UNO-Truppen in der haitianischen Stadt Cité Soleil rücksichtslos um sich und zwei Jugendliche wurden im Schlaf getötet. In der Presse wurde über diesen Vorfall nicht berichtet. Auch eine fünf Tage später abgehaltene Demonstration, die die Rückkehr des 2004 ins Exil gezwungenen Ex-Präsidenten Jean-Bertrand Aristides forderte, fand in den Medien keine Resonanz.

Im Jahr Dezember 2006 ermordeten MINUSTAH-Soldaten Augenzeugen zufolge in Cité Soleil 30 Personen, weitere 60 wurden verwundet, darunter Frauen und Kinder. Das Vorgehen der UNO-Mission in der Gemeinde Cité Soleil richtete sich gegen eine Demonstration von Anhängern der Partei Fammi Lavalas des Ex-Präsidenten Aristide. An der Kundgebung hatten etwa zehntausend Menschen teilgenommen. Sie forderten die Rückkehr von Aristide und verurteilten die militärischen Besatzung des Landes durch ausländische Truppen.

Die offizielle Erklärung der UNO-Mission für das Eingreifen in Cité Soleil lautete, man sei dem Ruf der Regierung René Préval gefolgt, die um Unterstützung im Kampf gegen kriminelle Banden gebeten habe. Videoaufnahmen der alternativen haitianischen Nachrichtenagentur HIP (Haiti Information Project) zeigen jedoch, dass unbewaffnete Zivilisten im Kugelhagel der UN-„Friedenstruppen“ starben. So wurden Menschenrechtsaktivist*innen getötet und Personen ohne Verbindung zu kriminellen Banden verletzt und verhaftet.

Frantz Michel Guerrier, Sprecher des im Stadtteil Bois Neuf ansässigen Komitees der Notablen für die Entwicklung von Cité Soleil, beschuldigte die MINUSTAH, im Juli 2005 von Hubschraubern aus auf Zivilisten geschossen zu haben während gleichzeitig Panzer ihre Häuser zerstörten. „Wir konnten hören, dass schwere Waffen im Einsatz waren. Viele Tote und Verletzte wurden in ihren Häusern gefunden.” Dem Roten Kreuz sei nicht gestattet, den Verletzten vor Ort Hilfe zu leisten, vielmehr verweigerte man ihm den Zugang an den Ort des Geschehens.

Im Verlauf jenes Tages wurden etwa 22.000 Schüsse abgegeben. In einem Dokument der US-amerikanischen Botschaft erklärte ein Beamter der UNO-Mission: „Da die Häuser in Cité Soleil in so schlechtem Zustand sind und wir soviel Munition verbraucht haben, ist es gut möglich, dass unsere Kugeln in zahlreiche Häuser eindrangen und Menschen trafen, die keine Zielpersonen waren.“

Aus eine Studie der Universität Miami zur Menschenrechtssituation auf Haiti geht hervor, dass unter der Übergangsregierung des US-treuen Präsidenten Alexandre Boniface (2004-2006) mehr als Tausend politische Aktivist*innen der Aristide-Partei Lavalas verhaftet wurden. Allein in der Hauptstadt Port-au-Prince wurden etwa 8.000 Menschen ermordet, weitere 35.000 wurden Opfer sexueller Übergriffe.

KOLUMBIEN

Regionalwahlen fordern Todesopfer

(Buenos Aires, 23. Oktober 2007, púlsar).- Im Vorfeld der kolumbianischen Regionalwahlen am 28. Oktober hat die politische Gewalt in Kolumbien 19 Todesopfer unter den Kandidat*innen gefordert, wie die unabhängige Wahlbeobachtungsmission MOE (Misión de Observación Electoral) der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) berichtete.

Die kolumbianische Tageszeitung El Tiempo, die mit Hilfe von Berichten lokaler Behörden und Polizeidienststellen eine Liste erstellt hat, zählte hingegen 27 ermordete Politiker*innen.

Die beiden zuletzt registrierten Gewalttaten ereigneten sich am 22. Oktober in der Ortschaft Puerto Asís, im Departement Putumayo an der Grenze zu Ecuador, als ein Sprengsatz auf das Büro einer der kandidierenden Parteien geworfen wurde und explodierte.

Die Anzahl der Opfer ist damit bisher geringer als vor den letzten Regionalwahlen im Jahr 2003, als 29 Kandidat*innen zu Tode kamen.

Die Kolumbianer geben ihre Stimme für den Gouverneur und die Abgeordneten ihres Departements, sowie für Bürgermeister und Gemeinderäte ab.

BRASILIEN

Parapolizeiliche Gruppe ermordet MST-Mitglied

(Buenos Aires, 23. Oktober 2007, púlsar-adital).- Am Sonntag,den 21. Oktober, griff eine parapolizeiliche Gruppe Mitglieder der Landlosenbewegung MST (Movimento dos Trabalhadores Rurais sem Terra) an, die ein Grundstück im Bundesstaat Paraná besetzt hatten. Dabei wurde der 42-jährige Valmir Mota de Oliveira durch zwei Schüsse in die Brust getötet und weitere fünf Aktivisten verletzt.

Die Landlosenbewegung hatte ihr Lager auf einem Feld aufgeschlagen, auf dem das Unternehmen Syngenta Experimente mit genverändertem Saatgut durchführt. Das Feld war im März 2006 besetzt worden, um auf den illegalen Anbau von genverändertem Saatgut von Soja und Mais hinzuweisen. Die Besetzung machte die Vorgehensweise des multinationalen Unternehmens in der ganzen Welt bekannt.

Nachdem die Familien das Gebiet 16 Monate besetzt hatten, verließen sie es am 18. Juli diesen Jahres wieder. Sie ließen sich daraufhin vorübergehend in der Siedlung Olga Benaria, ebenfalls in Santa Teresa do Oeste, nieder. Die Organisation Bäuerlicher Weg (Via Campesina) gab an, dass nur Stunden später eine Gruppe von 40 Parapolizisten gewaltsam in das Lager eindrang. Dabei sei auf anwesende Personen geschossen worden.

Die Bauernvereinigung unterstrich, dass die Landlosenbewegung schon seit Monaten auf Aktionen von parapolizeilichen Gruppen hingewiesen habe. Vor allem seien einige ihrer Anführer Opfer ständiger Bedrohung. Der Bäuerliche Weg forderte eine Bestrafung sowohl der Gewalttäter als auch der geistigen Anführer der Aktion. Weiter forderten sie die Auflösung der bewaffneten Milizen in der Region sowie den Schutz der Mitglieder des MST.

Die Landlosenbewegung sagte, sie werde weiterhin für die Veränderung der Region in ein „agrarökologisches Zentrum“ zu kämpfen. Dies beinhalte die Nutzung einheimischen Saatguts, die Förderung von Familienbetrieben in der Landwirtschaft sowie eine Agrarreform.

Polizeieinsätze in Rio de Janeiro fordern immer mehr Todesopfer

(Buenos Aires, 19. Oktober 2007, púlsar).- Das Institut für Öffentliche Sicherheit von Río de Janeiro veröffentlichte Mitte Oktober Zahlen, nach denen die Polizei der Stadt Río de Janeiro im ersten Halbjahr dieses Jahres 694 Personen getötet hat. Das sind 33,5% mehr Personen, die zu Todesopfern von polizeilichen Operationen wurden, als in der gleichen Zeitspanne im vergangenen Jahr. Damit ist die Anzahl von Menschen, die durch Polizeikräfte getötet wurden, die höchste seit dem Jahr 2000.

Die Menschenrechtsorganisation amnesty international verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die Polizeikräfte Rios mit die brutalsten der Welt sind. Sie würden ihre Todesopfer häufig als Mitglieder von Drogenhändlerringen oder -banden ausgeben, die sich der Festnahme widersetzt hätten.

Zur gleichen Zeit sicherte der Gouverneur von Río de Janeiro, Sergio Cabral, im Radiosender CBN den Polizeikräften seine Unterstützung für ihr Vorgehen zu. Er bezog sich dabei auf einen Einsatz in den vergangenen Tagen, bei dem in der Favela Coréia bei einer Verfolgungsjagd durch die Polizei zwölf Personen ums Leben kamen.

BOLIVIEN

Opposition verschärft Auseinandersetzungen mit Regierung Morales

(Buenos-Aires, 23. Oktober 2007, púlsar-poonal).- In Bolivien sind am Montag, den 22. Oktober, in der ostbolivianischen Stadt Santa Cruz zwei Sprengsätze detoniert, die Unbekannte aus einem fahrenden Auto geworfen haben. Ziel der Anschläge waren das venezolanische Konsulat und eine Unterkunft für Ärzte und Botschaftspersonal aus Kuba. Menschen wurden beim dem Anschlag nicht verletzt. Während Präsident Morales von einem „terro
ristischen Akt“ sprach, beschuldigt die Opposition Venezuela und die Regierung von Hugo Chávez, hinter dem Anschlag zu stehen, um die Opposition Boliviens in Misskredit zu bringen.

Einige Tage zuvor war es auf dem Flughafen Viru Viru zu einer Auseinandersetzung zwischen den Anhängern des Gouverneurs des oppositionell regierten und wohlhabenden Departements Santa Cruz, Rubén Costas, und der Armee gekommen. Costas und seine Anhänger versuchten den Flughafen zu stürmen, nachdem eine Sondereinheit der Armee die Kontrolle darüber übernommen hatte. Anlass dafür waren Beschwerden ausländischer Fluglinien, dass sie von Angestellten der staatlichen Luftfahrtbehörde AASANA und dem örtlichen AASANA-Direktor erpresst würden, indem mehrfach zusätzliche Landegebühren von ihnen unter der Hand gefordert worden waren. Die Luftfahrtbehörde wird von Anhängern der Opposition kontrolliert. Zwei ausländische Fluglinien hatten auf Grund der Erpressung ihre Flüge nach Santa Cruz eingestellt. Die Übernahme der Kontrolle durch die Armee sollte der dort ausgeübten Korruption Einhalt bieten.

Nachdem die Armee das Gelände besetzt hatte, versuchte Costas zusammen mit dem „Bürgerkomitee Pro Santa Cruz“ den Flughafen zu stürmen. Costas machte in einer Hetzrede Venezuela für die Militäraktion verantwortlich, weil in Viru Viru ein venezolanisches Flugzeug gelandet sei und beschimpfte Hugo Chávez als einen „Affen“. In dem Flugzeug, so ließ später die bolivianische Regierung verlauten, befanden sich venezolanische Stipendiaten. Bei der Erstürmung des Flughafens wurde ein Soldat angeschossen.

Angesichts der Vorkommnisse erklärten die bolivianischen Streitkräfte am 23.10., dass sie nur den Anweisungen des Präsidenten des Landes, Evo Morales, gehorchen würden und bekräftigten, dass sie in der Lage dazu sind, die Stabilität der demokratisch gewählten Regierung zu garantieren. In einer Erklärung, die an Häuserwände angeschlagen wurde, stellte die Armee fest, dass „die Gouverneure kein Teil der Befehlsstruktur über die Streitkräfte sind, die ausschließlich dem verfassungsmäßigen Präsidenten unterstehen.“

Mit dieser Erklärung reagiert die Armee auf die Aussage von Rubén Costas, der erklärt hatte, er sei „der einzige Kommandant“ in der Region.

Costas und sein Bürgerkomitee in Santa Cruz machen, wie auch die Oppositionsanhänger aus den anderen östlichen Provinzen Boliviens, seit Monaten Stimmung gegen die Regierung von Evo Morales. Die Verfassungsgebende Versammlung, die seit zwei Monaten nicht mehr tagt, blockieren sie mit ihrer Forderung, der Sitz der Hauptstadt solle von La Paz in die Hauptstadt Sucre verlegt werden. Zudem fordern sie seit geraumer Zeit Autonomie für die Provinzen.

ARGENTINIEN

Argentiniens Ex-Präsident De la Rúa angeklagt

(Buenos-Aires, 23. Oktober 2007, púlsar-poonal).- Der argentinische Ex-Präsident Fernando De la Rúa wird beschuldigt, für fünf Tote und mehr als 150 Verletzte während der Repressionen gegen den Aufstand im Dezember 2001 verantwortlich zu sein. Die Anklage lautet auf fahrlässige Tötung und Körperverletzung. Am Montag, den 22. Oktober, wurde der Prozess eröffnet. Wird De la Rúa verurteilt, drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

Laut Bundesrichter Claudio Bonadío hatte der damalige Präsident nicht die ihm zur Verfügung stehenden Mittel genutzt, um die Gewalt zu verhindern. Die Justiz sah von einer Inhaftierung ab, beschlagnahmte aber 20 Millionen Pesos (ca. 4,4 Mio. Euro) aus dem Besitz De la Rúas als Kaution.

Ebenfalls angeklagt wurden der Vizechef der Bundespolizei Osvaldo Cannizzaro, der ehemalige Kommissar Daniel Manzini sowie die Kommissare Próspero Treseguet, René Jesús Derecho und Alfredo Salomón.

Bei Demonstrationen in der Innenstadt von Buenos Aires am 19. und 20. Dezember 2001 gegen die Regierung und die Wirtschaftskrise waren mindestens 30 Menschen getötet worden. De La Rúa trat nach den Protesten zurück und flüchtete mit dem Hubschrauber aus dem Präsidentenpalast.

Erster Strafprozess zu Verbrechen im Folterzentrum ESMA

(Buenos-Aires, 18. Oktober 2007, púlsar-poonal).- Die argentinische Justiz eröffnete am 18. Oktober das erste Strafverfahren über Verbrechen, die im Folterzentrum der Mechanikerschule der Marine ESMA (Escuela de Mecánica de la Armada) während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 begangen wurden. Das Gericht rechnet mit der Anhörung von ungefähr 50 Zeugen und erwartet ein Urteil für Anfang Dezember.

In dem Prozess, der vor dem 5. Bundesstrafgericht in Buenos Aires geführt wird, steht Héctor Antonio Febrés in vier Fällen unter Anklage. Er wird beschuldigt zwischen 1977 und 1978 an den Entführungen und Folterungen von Carlos Lordkipanidse, Carlos García, Josefa Prada de Olivieri und Alfredo Margari beteiligt gewesen zu sein. Febrés war in der Zeit von 1977 bis Ende 1981 zunächst Vizepräfekt und später Präfekt der nationalen argentinischen Seebehörde. 

In ihrer ersten Aussage beschuldigten Zeugen Febrés als einen der blutigsten Folterer des geheimen Zentrums. Carlos Lordkipanidse erzählte, dass sich Febrés den Gefangenen mit dem Satz „Hier vor Ort bin ich der Folterer“ präsentierte. Lordkipanidse und Carlos García berichteten zudem von der in der ESMA stattfindenden Sklavenarbeit, der die Gefangenen unterworfen wurden. So mussten sie Dokumente jedweder Art fälschen und beim Druck der Tageszeitung „Convicción“ mithelfen, die von Diktator Emilio Eduardo Massera heraus gegeben wurde.

Die Erklärungen der Überlebenden bringen Febrés in Bedrängnis, der die ihm vorgeworfenen Verbrechen abstreitet und behauptet, er sei nie in der ESMA gewesen.

Mit Héctor Febrés ist nur einer der Beteiligten der Arbeitsgruppe angeklagt, die in dem geheimen Lager und Folterzentrum in Buenos Aires unter dem Befehl des Diktators Emilio Eduardo Massera tätig war. Die Anwälte der Anklage sowie die Staatsanwältin Mirna Goransky beantragten zuvor ohne Erfolg die Aussetzung des Verfahrens. Sie forderten anstelle des individuellen Prozesses eine gemeinsame Anklage und Verurteilung aller Verantwortlichen, die in der ESMA an Verbrechen beteiligt waren.

Der Strafprozess gegen Febrés ist die vierte öffentliche Hauptverhandlung seitdem der Oberste Gerichtshof des Landes im Juni 2005 die bis dahin bestehenden Befehlsnotstands- und Schlusspunktgesetze (Leyes de Obediencia Debida y Punto Final) für nicht verfassungskonform erklärte und aufhob. Diese unter Präsident Raúl Alfonsin 1987 verabschiedeten Gesetze sollten Strafprozesse gegen Täter aus den Reihen der Militärs verhindern, die Verbrechen während der Zeit der Militärdiktatur begangen hatten.

Die ESMA war das größte Folterzentrum während der Militärdiktatur, die insgesamt 30.000 Menschen das Leben kostete. Es wird angenommen, dass die Militärs auf dem an einer Hauptverkehrsstrasse in Buenos Aires gelegenen Gelände schätzungsweise 5.000 Menschen folterten, exekutierten und verschwinden ließen.

USA-LATEINAMERIKA

Bush will vom Kongress 500 Millionen US-Dollar für „Plan México“

(Buenos
Aires, 23. Oktober 2007, púlsar-poonal).- Der US-amerikanische Präsident George Bush hat beim Kongress die Bewilligung von 500 Millionen US-Dollar beantragt, um den „Plan México“ in Kraft zu setzen. Mit dieser Initiative sollen der Drogenhandel und das organisierte Verbrechen in Mexiko bekämpft werden. Bush beantragte weitere 50 Millionen US-Dollar für die Region Zentralamerika. Insgesamt sollen in den „Plan México“ 1,4 Milliarden US-Dollar investiert werden.

Dana Perino, Sprecherin des Weißen Hauses, sagte, das Ziel sei „die Gefahren des Drogenhandels sowie das internationale Verbrechen und den Terrorismus auf dem Kontinent zu bekämpfen“. In Zentralamerika sollten die Gelder eingesetzt werden, um gegen „Gefahren durch das organisierte Verbrechen, gewalttätige Banden und Drogenhändler“ vorzugehen.

Hinter dem Plan México verbirgt sich eine Sicherheitskooperation zwischen den USA und Mexiko, die ein bisher nicht gekanntes Ausmaß annimmt und die von vielen Beobachter*innen als eine Militarisierung Mexikos, die zahlreiche Menschenrechtsverletzungen erwarten lässt, kritisiert wird. Anders als beim „Plan Colombia“ in Kolumbien wird jedoch eine direkte Truppenpräsenz von US-Soldaten in Mexiko ausgeschlossen. Der Widerstand gegen solch einen Schritt wäre wohl in der Bevölkerung, aber auch in Teilen der Regierungspartei und bei den Streitkräften zu hoch.

Herausgeber: Nachrichtenpool Lateinamerika e.V. Köpenicker Straße 187/188, 10997 Berlin, Tel.: 030/789 913 61 e-mail: poonal@npla.de, Internet: http://www.npla.de/

Redaktion in Mexiko: Kristin Gebhardt, Wolf-Dieter Vogel Tel./Fax.: 0052-55-55541480, e-mail: poonalmex@npla.de

Koordination in Berlin: Eva Völpel

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