Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 06. September 2005
Inhalt
GUATEMALA
KOLUMBIEN
VENEZUELA
ECUADOR
BOLIVIEN
BRASILIEN
URUGUAY
ARGENTINIEN
PERU
CHILE
GUATEMALA
Angehörige von ermordeten Studenten fordern Gerechtigkeit.
(Guatemala, 29. August 2005, cerigua-poonal).- DieVerantwortlichen für das Verschwinden und die Ermordung von elf Studenten im Jahre 1989 müssen gefunden und angeklagt werden. Das forderten die Angehörigen der Toten gestern (28. August) von der guatemaltekischen Regierung während eines Festaktes anlässlich der staatlichen Anerkennung der internationalen Verantwortung für die außerrechtlichen Hinrichtungen und für das Verschwindenlassen. Die elf Studenten waren zwischen dem 21. August und dem 10. September 1989 „verschwunden“ und dann gefoltert und brutal ermordet worden. Dies fand im Rahmen der Aufstandsbekämpfungspolitik statt, die das Land 36 Jahre lang beherrschte.
Vizepräsident Eduardo Stein Barillas bat um Verzeihung dafür, dass der guatemaltekische Staat nicht für die Sicherheit der Jugendlichen gesorgt hat. Stein Barillas war der offizielle Repräsentant bei dem Festakt, obwohl Präsident Óscar Berger sich ebenfalls im Nationalen Kulturpalast aufhielt. Er war bei einer Veranstaltung des Erziehungsministeriums.
Die Zeremonie fand im ehemaligen Sitz der Regierung und der vormaligen Präsidentengarde (Estado Mayor Presidencial, EMP) statt. Die Regierungskommission für die Menschenrechtspolitik (COPREDEH) gedachte der Opfer gemeinsam mit deren Angehörigen und Menschenrechtsaktivisten. Hochrangige Regierungsmitglieder fehlten allerdings, wie bemerkt wurde.
Mitglieder der Studentengruppe „Widerstandsblock“ (Bloque de Resistencia, BR) entrollten während der Veranstaltung Transparente sowie Plakate und skandierten Parolen wie „Kein Verzeihen, kein Vergessen; Prozess und Strafe“.
Hohes Risiko für Journalisten
(Guatemala, 31. August 2005, cerigua-poonal).- Diejournalistische Arbeit bleibt in Guatemala ein Beruf mit hohem Risikofaktor. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres wurden 31 Journalisten Opfer von gewalttätigen Übergriffen. Dies geht aus einem Bericht der Beobachtungsstelle für Journalisten (Observatorio de los Periodistas) der Nachrichtenagentur Cerigua hervor. Die Studie, die am vergangenen Mittwoch (31. August) in Guatemala-Stadt veröffentlicht wurde, deckt auf, dass seit 2003 einschließlich der ersten sieben Monaten dieses Jahres 150 Übergriffe auf Journalisten verübt wurden. Drei von ihnen endeten tödlich. Die Mehrheit der 2005 registrierten Fälle stammt aus der Hauptstadt, gefolgt von den Departments Huehuetenango, Chiquimula, Zacapa, Sololá, Retalhuleu, Jalapa, Escuintla, San Marcos, Jutiapa, Totonicapán und Baja Verapaz. Die Hauptprobleme in diesem Zeitraum waren Beschränkungen des Zugangs zu Informationsquellen von Regierungsinstitutionen. Einschränkungen der Pressefreiheit fanden zudem bei Strafprozessen und auf der Straße statt, als Journalisten über Demonstrationen und Proteste sozialer Gruppierungen oder über Aktivitäten ehemaliger Mitglieder der paramilitärischen Zivilpatrouillen PAC (Patrullas de Autodefensa Civil) berichteten.
In 76 Prozent der Fälle identifizierten die Opfer die Angreifer. Unter ihnen befanden sich Mitglieder der Nationalen Zivilpolizei PNC (Policía Nacional Civil), der ehemaligen Zivilpatrouillen PAC, öffentliche Funktionäre sowie bereits wegen Verbrechen verurteilte Personen. In 24 Prozent der Fälle wurden die Täter als „unbekannt“ gemeldet.
Nach Angaben der Beobachtungsstelle dokumentierte die Spezial-Staatsanwaltschaft für Übergriffe gegen Journalisten (Fiscalía Especial de Delitos contra Periodistas) für den gleichen Zeitraum sechs zusätzliche Fälle. Der Staatsanwalt für Übergriffe gegen Journalisten (Fiscal Especial de Delitos contra Periodistas) gab bekannt, dass sich alle aufgenommenen Anklagen im Stadium der Untersuchung befänden. Er erklärte, dass die Drohanrufe gegen Journalisten am schwersten aufzuklären seien.
Cerigua-Direktorin Ileana Alamilla stellte von Seiten der Beobachtungsstelle klar, dass sich die rechtswidrigen Taten gegen die Ausübung des journalistischen Berufes durch die bestehenden Beschränkungen bei den Untersuchungen noch verschärfen würden. Offenkundig komme es in der Mehrheit der Fälle nie zu einer Verurteilung, sagte sie. Alamilla fügte hinzu, dass „parallele Mächte“, das organisierte Verbrechen und der Drogenhandel hinter den Drohungen, Einschüchterungen und Ermordungen stünden.
KOLUMBIEN
Paramilitärs ermorden Gewerkschafter
(Fortaleza, 30. August 2005, adital-poonal).- DerGewerkschaftsverband CUT (Central Unitaria de Trabajadores) von Barrancabermeja verurteilt gegenüber der nationalen und der internationalen Öffentlichkeit den Mord an dem Gewerkschaftler Manuel Antonio Florez. Florez wurde am 20. August in der ländlichen Umgebung von Barrancabermeja ermordet. Er war Mitglied der Agrargewerkschaft SINTRAINAGRO (Sindicato Nacional de la Industria Agropecuaria) und Angestellter in der Fabrik „Las Brisas“, die ölhaltige Palmen verarbeitet. Florez war auf dem Weg zur Brücke Sogamoso, als er von den Killern abgefangen wurde und diese ihm mit drei Schüssen das Leben nahmen.
Für die Gewerkschaft CUT ist dieses neue Attentat gegen die Gewerkschaftsbewegung ein weiterer Beweis dafür, dass die paramilitärischen Vereinten Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens AUC (Autodefensas Unidas de Colombia) die für den friedlichen Dialog vorausgesetzte Bedingung der Beendigung von gewalttätigen Übergriffen nicht einhalten. Die AUC befinden sich in Verhandlungen mit der Regierung von Präsident Álvaro Uribe. Um den Dialog zu führen, sei es unerlässlich, dass diese Bedingung erfüllt werde. „Während der kolumbianische Staat mit Pauken und Trompeten die Demobilisierung des paramilitärischen Bloque Central Bolivar verkündet, verfolgen andere Paramilitärs unter dem Kommando von Julian Bolívar und Ernesto Beaz weiterhin das blutige Ziel, die Gewerkschaften zu vernichten, und das mit dem Wohlwollen dieser Regierung,“ bestätigt die CUT.
Zudem zeigt die CUT
den Mord an dem Arbeiter José Gualdron an, der in der Palmenfabrik Bucarelia arbeitete. Der am 21. August ermordete Gualdron wurde drei Tage später, bedeckt mit Palmenblättern, in einem Palmenfeld an der Strasse von Puerto Wilches zu dieser Fabrik gefunden.
Angesichts dieser neuen Tatsachen bittet die CUT Menschenrechtsorganisationen darum, Protestbriefe an die kolumbianische Regierung zu schreiben. Zudem müsse sich die internationale Gemeinschaft an den kolumbianischen Staat wenden und diesen dazu zwingen, dass er dafür sorgt, dass der Vernichtung sozialer und gewerkschaftlicher Bewegungen ein Ende gesetzt wird. Die Organisation Amerikanischer Staaten OEA (Organización de Estados Americanos) müsste in ihrer Aufgabe als Beobachter des „Friedensprozesses“ die Aktivitäten der paramilitärischen Gruppen energisch denunzieren. Nach Angaben der kolumbianischen Presse soll der von der Regierung betriebene Demobilisierungsprozess der AUC eines der Themen auf der Agenda des OEA-Generalsekretärs während seines anstehenden Staatsbesuchs in Kolumbien sein.
VENEZUELA
„Chávez propagiert den `Sozialismus des 21. Jahrhunderts`“
Interview mit Edgardo Lander über die sozialen Bewegungen in Venezuela – Teil II
Von Birgit Marzinka, Nils Brock und Niklaas Hofmann
(Berlin, August 2005, npl).- Der venezolanische Präsident Hugo Chávez gilt innerhalb und außerhalb Lateinamerikas als Hoffnungsträger für eine Erneuerung der Linken. Kritiker werfen ihm jedoch vor, dass seine autoritäre und populistische Politik die gesellschaftliche Emanzipation nicht fördere. Edgardo Lander ist Professor für Soziologie an der Universität von Caracas. Er beschäftigt sich mit Eurozentrismus, Freihandel und Geopolitik und versteht die sozialen Bewegungen als wichtigstes Moment der Entwicklung Venezuelas.
Bislang hat Chávez vor allem gegen den Neoliberalismus gewettert. Nun aber gibt er sich betont antikapitalistisch und preist einen Sozialismus des 21. Jahrhunderts. Wie bewerten Sie diesen neuen Tonfall?
Ich sehe im Moment keine wirklich neue Vision. Denn bisher gibt es keine Definitionen und keine klaren Aussagen dazu, was den Sozialismus des 21. Jahrhunderts ausmachen soll. Aber ich finde es sehr interessant, dass verschiedene Optionen für einen Wandel der kapitalistischen Gesellschaft diskutiert werden. Denn der Kapitalismus als Gesellschafts- oder Produktionsform führt nicht nur zu einer Konzentration größerer Reichtümer, sondern schafft auch zerstörerische Prozesse, die das Leben auf der Erde irgendwann unmöglich machen werden.
Wir wissen nicht, ob das, was nach dem Kapitalismus kommt, schlechter oder besser sein wird. Es könnte auch ein globales autoritäres Regime entstehen, beispielsweise eine ökologische Diktatur. Aber das alles folgt natürlich keinem vorbestimmten Drehbuch, sondern hängt von menschlichem Handeln, von sozialen Kämpfen ab. Also ist es unerlässlich, über organisatorische oder produktive Modelle nachzudenken. Die Etiketten sind nicht so wichtig. Mich interessiert vielmehr, welche Dinge wir radikal ändern müssen.
Chávez versucht, die klassischen Institutionen zu übergehen. Sie bezeichnen diesen Stil als einen „Bypass“. Wo liegen die Chancen und Grenzen einer solchen Politik?
Es geht nicht so sehr um den Politikstil. Es ist offensichtlich, dass die staatlichen Strukturen in Lateinamerika und besonders in Venezuela durch zwei wesentliche Momente gekennzeichnet sind. Einerseits dienen alle Strukturen dazu, nichts zu ändern und die aktuelle Ordnung aufrechtzuerhalten. Nun gut, dafür ist der Staat ja auch gegründet worden. Aber darüber hinaus brechen die staatlichen Strukturen ja auch zusammen. Denn sie sind ineffizient, von Korruption durchsetzt.
In Venezuela kommt hinzu, dass sich ein Teil der Bürokratie aktiv gegen jegliche Veränderung zur Wehr setzt. Es ist also ganz schwer, überhaupt eine Transformation der Institutionen zu planen. Der Bypass besteht nun darin, eine Art Mechanismus zu schaffen, um die staatlichen Strukturen umzudrehen. Heute dreht sich die Debatte in Venezuela zum Teil darum, in welchem Maße jene Strukturen, die ich Bypass nenne, ein Vorbild für die künftigen öffentlichen Institutionen sein könnten. Die Frage ist, wie man praktische Erfahrungen teilweise institutionalisieren kann, um alte Strukturen zu ersetzen. So könnte man neue Institutionen mit völlig anderen Eigenschaften schaffen. Diese wären schneller in der Lage, auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zu reagieren, und transparent. Im Moment gibt es in Venezuela eine Vielzahl alter und neuer Institutionen, deren Beziehungen untereinander nicht besonders klar sind. Und ich denke nicht, dass so etwas wie ein kohärentes Projekt existiert, um dieses Problem zu lösen.
Die Umgehung der staatlichen Institutionen ist einer der Gründe dafür, dass die Entwicklungen in Venezuela von den meisten lateinamerikanischen Linken positiv bewertet werden. Gab es von Beginn an diese Begeisterung für das bolivarianische Projekt von Chávez?
Eine Betrachtung des venezolanischen Prozesses im Licht der lateinamerikanischen Erfahrung ließen die Entwicklungen zunächst als einen militärischen Caudillismo mehr erscheinen. Mit einem populistischen Diskurs, einem antiimperialistischen und nationalistischen Kurs, so wie es eben viele Male in Lateinamerika der Fall war. Als sich der venezolanische Prozess konsolidierte und fortschritt, die Spannungen mit den USA zunahmen und das Profil eines partizipativen Projekts mit demokratischen Inhalten erkennbar wurde, begann sich die Wahrnehmung zu ändern.
Ich reise aus beruflichen Gründen sehr viel in Lateinamerika, bin in Kontakt mit vielen sozialen Organisationen und intellektuellen Gruppen, den Universitäten usw. Nun, in den ersten Jahren musste man viel erklären. Ich rede hier von meiner eigenen Meinung, denn ich bin ja nicht unterwegs, um für Chávez Propaganda zu machen. Wenn ich heute versuche, aktuelle Entwicklungen in all ihren Widersprüchen darzustellen, schlägt mir häufig ein uneingeschränkter Bolivarismus entgegen.
Ein weiteres Projekt der bolivarischen Linken ist „Alba“, das alternative Freihandelsmodell für Lateinamerika. Worin besteht die Alternative?
Alba sollte man sich nicht als ein Modell vorstellen, es ist viel eher eine Lagebestimmung. Ein Zeichen, um aufzuzeigen, dass andere Beziehungen zwischen den Völkern möglich sind. Wie zum Beispiel im Fall des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“. Das ist ja auch eine Art Losung, eine Wette über die Zukunft dieses Namens, der schließlich mit Inhalten gefüllt werden muss. Alba fasst ganz unterschiedliche Interessen zusammen, es geht um gemeinsame Medienarbeit, Ideen über eine andere Energiepolitik. Es sollen alternative Integrationsmodelle entwickelt werden. Nicht alle Integrationsformen müssen marktwirtschaftlich sein, sie können sich stattdessen mit Geopolitik, kulturellen Themen und auch einer produktiven Integration beschäftigen.
Noch aber bezahlt Venezuela seine Auslandsschulden und gibt Garantien für die Ölförderung. Das scheint doch ein bisschen schizophren. Ist das einfach Realpolitik?
Realpolitik hat ja immer eine schizophrene Dimension. Es ist in der Tat so, dass vom militärischen und geopolitischen Standpunkt aus gesehen das Überleben ein
es Projektes des Wandels in Venezuela keineswegs garantiert ist. Die imperiale Regierung der Vereinigten Staaten hat gezeigt, dass sie das internationale Recht nicht respektiert. Um den Prozess des Wandels in Venezuela zu schützen, ist es absolut notwendig, niemals eine politische Konfrontation mit den USA zu einer Krise werden zu lassen, die die Rechtfertigung für eine militärische Reaktion liefern könnte. Außerdem muss Chávez Allianzen fördern, und zwar vor allem innerhalb Lateinamerikas, um sich geopolitisch nicht zu isolieren.
Im Gegensatz zu fast allen übrigen Ländern in Lateinamerika ist das ölreiche Venezuela in der Lage, seine Schulden zu bezahlen, ohne sich auf die Konditionen des Internationalen Währungsfonds (IWF) einlassen zu müssen. Bis heute werden die Schulden ohne einen Tag Verspätung gezahlt, um nicht in Umschuldungsverhandlungen mit dem IWF treten zu müssen, der auf Strukturanpassungsmaßnahmen bestehen würde. Es ist doch besser, die Schulden zu bezahlen, um unsere Unabhängigkeit zu bewahren.
Dass die USA eine Menge venezolanisches Öl importieren, ist auch eine Sicherheitspolice. Außerdem verfügt Venezuela über ein Vertriebsnetz und Raffinerien in den USA. Wir reden hier unter anderem von einem Netz von 14.000 Tankstellen an der Ostküste der USA. Man kann das alles nicht von einem auf den anderen Tag verändern, ohne schwerwiegende Verluste hinnehmen zu müssen. Venezuela fehlen die geopolitischen und natürlich auch die militärischen Voraussetzungen, um einen Konflikt mit den USA auszutragen. Da hätte Venezuela alles zu verlieren.
ECUADOR
Verhandlungserfolg stoppt vorläufig weitere Besetzung von Ölquellen
(Buenos Aires, 1. September 2005, pulsar-poonal).- DieProvinzen SucumbÌos und Orellana sahen von der Durchführung des für vergangenen Mittwoch geplanten Streiks ab, nachdem zwischen Regierungsvertretern und Ölkonzernen eine Einigung erzielt werden konnte. Nach fast 20 Tagen intensiven Konflikts um die Besetzung der Ölquellen im Amazonasgebiet wurde ein Vertrag unterzeichnet, der eine weitere Eskalation der Auseinandersetzungen verhindern sollte. „Die Ölfördergesellschaften haben den Vertrag am 25. August unterschrieben. Damit normalisiert sich die Situation zum Glück wieder“ so Máximo Abad, Bürgermeister von Nueva Loja, der Hauptstadt der Provinz SucumbÌos.
Am Sonntag (14. August) hatten die Einwohner der beiden Provinzen die Bohranlagen erstmalig besetzt. Die Demonstranten forderten soziale Investitionen in die lokale Infrastruktur als Ausgleich für die enormen Gewinne, die ausländische Konzerne mit der Ölförderung erzielen. Die Aufstände wurden nach einigen Tagen mit militärischer Gewalt unterdrückt und die Regierung rief in den betroffenen Provinzen den Notstand aus. Diese Maßnahme spitzte die Auseinandersetzungen auch deswegen zu, weil die lokale Presse an der Verbreitung von Nachrichten gehindert wurde. Am Mittwoch dem 24. August hob der Kongress den Notstand wieder auf, nachdem mehrere Verhandlungen zwischen der Regierung, den Ölfördergesellschaften und den Einwohnern geführt wurden. Nach der Drohung der Einwohner, die Streiks fortzusetzen, unterzeichneten schließlich die Ölkonzerne die Einigung am 30. August.
Nach der Einigung verpflichten sich die Ölkonzerne zur Zahlung von 15 bis 20 Prozent Körperschaftssteuer an die Provinzen Orellana und SucumbÌos. Außerdem sollen in drei Jahren 260 Kilometer Landstraßen asphaltiert werden. Ferners sollen lokale Lieferanten bei der Vergabe von Aufträgen bevorzugt werden. Die vereinbarte Zusammenarbeit in sozialen Angelegenheiten soll in Regionen gelten, in denen das Rohöl gefördert wird.
Am 1. September meldete jedoch die Pressegruppe des Streikkomitees, dass die Ölunternehmen nachträglich „substanzielle Änderungen“ in den mit der Regierung ausgehandelten und auch von dieser unterschriebenen Verträgen vorgenommen hätten. So etwa mit Blick auf die zu zahlenden Steuern und den Zeitpunkt des zugesagten Baus der Straße.
BOLIVIEN
Geräumte Bauern aus Santa Cruz fordern Referendum
(Buenos Aires, 26. August 2005, púlsar).- Die vondem Grundstück „Las Pailas” geräumten Bauern fordern von der Regierung eine Volksabstimmung zur Lösung des Konflikts um das fehlende Land, das gebraucht wird, um überleben zu können. Die landlosen Bauern wurden am Mittwoch (24. August) von ihrem Land vertrieben. Nach Angaben von Valentín Callisaya wurden sie mit Waffengewalt durch die Sicherheitskräfte zum Verlassen der Grundstücke gezwungen. Mindestens sieben Bauern wurden dabei verletzt.
Bauern- und Indigenenorganisationen des Bezirks Santa Cruz verurteilten die “kriminelle Vorgehensweise” der Regierung und erklärten diese zum Feind der Bauern, indigenen Völker und der armen Klasse Boliviens. In einem öffentlichen Schreiben führender Vertreter verschiedener Bauernorganisationen heißt es, dass „die Regierung unter dem Vorwand, das Recht anzuwenden, die elementaren Menschenrechte verletzt hat, um diejenigen zu verteidigen, die mehr als 180 Jahre lang das Land ausgebeutet haben, sprich die Gruppe der Erdöl- und Großgrundbesitzer“.
Die Organisationen fordern ein Referendum zur Frage der Landvergabe, damit jeder Bürger von der Realität Kenntnis nimmt und die Bevölkerung darüber bestimmt, wie mit den nationalen Ressourcen umzugehen sei. In dem Bericht heißt es weiter: “Wir prangern die ambivalente Haltung der Regierung an. Auf der einen Seite beruft sie Sitzungen der Bezirks- und Nationalkommission für Landwirtschaft ein, und auf der anderen Seite unterdrückt und tötet sie die landlosen Bauern“.
Werden die Wahlen verschoben?
(Montevideo, 26. August 2005, comcosur).- In Bolivienmachen derzeit Gerüchte über eine Verschiebung der für den 4. Dezember dieses Jahres veranschlagten Wahlen die Runde. Dem bolivianischen Verfassungsgericht liegen Klagen verschiedener Kläger vor, die eine Verschiebung oder gar eine Annullierung dieser Wahlen fordern.
Die Initiative zu Neuwahlen wurde vom bolivianischen Kongress beschleunigt, nachdem es zu sozialen Unruhen und einer politischen Krise gekommen war. Die Forderungen nach einer Verschiebung wurden laut, nachdem Meinungsumfragen dem Kandidaten der Bewegung zum Sozialismus (MAS) Evo Morales ein anhaltender und deutlicher Vormarsch prognostiziert worden waren. Der Kokabauern-Abgeordnete ist demnach derzeit mit Blick auf die Prozentzahlen auf gleicher Höhe wie der ehemalige Präsident und überzeugte Neoliberale Jorge Quiroga.
Morales zufolge befinden sich die oligarchischen Strukturen und deren politischen Ideen derzeit in einen Todeskampf. Deren Ende sei also absehbar, betonte er, und deshalb müsse der anberaumte Termin für die Wahlen unbedingt eingehalten werden. Des weiteren bat er auch um internationale Präsenz im Lande, um während der Vorbereitung und der Durchführung der Wahlen eine Beobachtung zu garantieren und eine möglichst große Transparenz zu gewährleisten. Die Regierung hat indes angekündigt, die Wahlvorbereitungen für den festgesetzten Termin bis zu einer Entscheidung des Gerichtes weiterlaufen zu lassen.
BRASILIEN
Kampagne gegen Kindesmissbrauch
(Fortaleza, 30. August 2005, adital-poonal).- Am
vergangenen 15. August startete in Brasilien die “Nationale Kampagne zum Kampf gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen”. Bei der Meldestelle Discado Denuncia wurden daraufhin allein in der ersten Woche 70 Prozent mehr Fälle angezeigt. Discado Denuncia nimmt bei Vergewaltigungen von Kindern und Jugendlichen Anzeigen entgegen und wird vom Menschenrechtssekretariat des Präsidenten der Republik koordiniert.
Die Kampagne richtet sich mit dem Motto “Schütze sie, als wäre es deine eigene Tochter” an die gesamte brasilianische Gesellschaft. Sie soll aber speziell Fernfahrer auf diese Verbrechen aufmerksam machen und eine Telefonnummer für Anzeigen verbreiten.
Als Teil der Kampagne geht die Polizei der Bundesstraßen in gezielten Einsätzen auf den brasilianischen Straßen gegen dieses Verbrechen vor. Seit dem 15. August wurden mehr als 70 Mädchen und Jugendliche, die von der Polizei an potentiell gefährlichen Orten wie Tankstellen, Tanzbars am Rande von Straßen und sogar in Kabinen von Lastwagen angetroffen wurden, den Jugendämtern ihrer Städte überstellt. Da solche Einsätze noch nicht in allen Bundesstaaten durchgeführt wurden, ist es wahrscheinlich, dass sich diese Zahlen noch erhöhen werden. Allein in Bahía wurden 30 Mädchen den zuständigen Behörden überstellt.
URUGUAY
Menschenrechtler fordern Anklage gegen Ex-Präsidenten
Von Dana Cufré
(Berlin, 31. August 2005, npl) – Anwälte verschiedener uruguayischer Menschenrechtsorganisationen haben gestern (30. August) angekündigt, im Laufe des kommenden Monats verschiedene militärische und zivile Verantwortliche der vergangenen Militärdiktatur (1973-1985) anzuklagen. Im Zentrum des Prozesses soll der Ex-Präsident General Gregorio Alvarez stehen, der Uruguay vom September 1981 bis zum Ende der Diktatur regierte.
Nach Angaben des Vorsitzenden der Menschenrechtsorganisation „Serpaj“ Guillermo Payseé soll auch Anklage gegen mindestens fünfzehn weitere Personen erhoben werden. Hierzu zählten hohe militärische Funktionsträger, aber auch zivile Verantwortliche, die in der uruguayischen Diktatur Entscheidungsbefugnisse besaßen, so Paysée. Ziel sei es, die Wahrheit über die damaligen Ereignisse herauszufinden und die Täter einer juristischen Verantwortung zu unterziehen.
In einem vom Zusammenschluss ehemaliger uruguayischer politischer Gefangener gestern veröffentlichten Schreiben heißt es: „Mehr als 15.000 Personen waren in den Jahren von 1972 bis 1985 Opfer körperlicher und seelischer Misshandlung. Die Folter erstreckte sich manchmal über mehrere Jahre hinweg und beinhaltete unter anderem Elektroschocks, Untertauchen der Gefangenen in Wasserbecken und gezielte Schläge. Die uruguayischen Militärs müssen sich endlich zu ihrer Schuld bekennen.“
Maßgeblich für den möglichen Erfolg des Anklagevorhabens ist die Argumentation auf völkerrechtlicher Ebene. Denn in Uruguay können die Verantwortlichen der Diktatur bis auf wenige Ausnahmen wegen des im Anschluss an die Diktatur verabschiedeten „Schlusspunktgesetzes“ nicht juristisch verfolgt werden. Die Hoffnung der Ankläger ist deshalb, dass der international anerkannte Straftatbestand „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ der Rechtssprechung nach uruguayischem Gesetz vorgezogen wird. Ob sie damit Erfolg haben, bleibt abzuwarten. Selbst die linksgerichtete Regierung unter dem Sozialisten Tabaré Vázquez, der zahlreiche ehemals politisch verfolgte Personen angehören, erklärte bereits zu Beginn ihres Amtsantritts im März dieses Jahres, das „Schlusspunktgesetz“ beizubehalten und lediglich für eine Aufklärung der Verbrechen während der Militärdiktatur einzutreten, nicht jedoch für eine Verurteilung der Täter.
Neben der juristischen und politischen Initiative durch die Menschenrechtsorganisationen stand die vergangene Militärdiktatur gestern auch im Zentrum verschiedener kultureller Veranstaltungen. In Montevideo haben früher als in den anderen lateinamerikanischen Städten mehrere Feierlichkeiten zum weltweiten „Tag der Verschleppten und Verschwundenen“ (31. August) stattgefunden. Auf dem zentralen Cagancha-Platz fanden ab dem Nachmittag Lesungen und Auftritte verschiedener bekannter uruguayischer Musiker statt. In einer zum selben Anlass eröffneten Fotoausstellung finden sich neben den Fotos und Lebensdaten der „Verschwundenen“ auch Bilder der für die Ermordung verantwortlichen Militärs. Die Initiative für die Aktivitäten lag bei der Organisationen von Müttern und Familienangehörigen uruguayischer Diktaturopfer. Sie bildet den Beginn einer Reihe von Veranstaltungen, die im September unter dem Titel „Für die Erinnerung“ stattfinden.
ARGENTINIEN
Leiche einer während der Diktatur verschwundenen Nonne identifiziert
(Montevideo, 29. August 2005, recosur-pooonal).- Diesterblichen Überreste von Leonie Reneé Duquet, einer der beiden französischen Nonnen, die 1977 während der argentinischen Militärdiktatur entführt und „verschwinden gelassen“ worden waren, wurde nun von Spezialisten der Gruppe der Forensischen Anthropologen Argentiniens (EAAF) identifiziert. Dies gab der Richter Horacio Cattani während einer Pressekonferenz bekannt. Cattani ist als Richter am so genannten Wahrheitsprozess beteiligt. Dieser soll dazu beitragen, den Verwandten von Verhafteten-Verschwundenen das Auffinden der Überreste ihrer Angehörigen zu ermöglichen.
Die Menschenrechtsvereinigung EAAF hatte die Leiche in einem anonymen Grab im Friedhof der Küstenstadt General Lavalle entdeckt und anschließend ihre Identität mit Hilfe eines DNA-Tests an den Knochen festgestellt. Der Test ergab eine Übereinstimmung von 99,92% mit Duquets Verwandten in Frankreich.
Duquet wurde am 10. Dezember 1977 von einer Einheit der berüchtigten Mechanikerschule der argentinischen Marine ESMA entführt. Sie wurde aus ihrer Wohnung in der Pfarrei von San Pablo im Stadtteil Ramos Mejía verschleppt und in ein Konzentrationslager der ESMA gesteckt. Dort befanden sich bereits die französische Nonne Alice Domon und elf weitere Menschen, die drei Tage zuvor vor der Kirche von Santa Cruz entführt worden waren. Der damalige Fregattenleutnant Alfredo Astiz hatte sich im Auftrag der ESMA unter dem falschen Namen Gustavo Niño in die erste Versammlung von Angehörigen von Verhafteten-Verschwundenen eingeschleust und für die Entführung von zwölf von ihnen gesorgt.
Horacio Méndez Carreras, Anwalt der Familien der Nonnen und Leiter der Menschenrechtsabteilung im argentinischen Außenministerium, sagte: «Astiz war für die Entführung von Duquet verantwortlich und er versuchte damit, eine mögliche Zeugin für seine direkte Beteiligung an der Verschleppung der Menschen vor der Kirche von Santa Cruz auszuschalten. „Diese Gruppe von Angehörigen von Verhafteten-Verschwundenen traf sich regelmäßig in der Kirche. Zu ihnen gehörte auch Azucena Villaflor de Devicenti, die Gründerin der Madres de Plaza de Mayo. Bei einem Treffen am 8. Dezember 1977 nahm auch Astiz teil, der sich als Bruder eines Verschwundenen ausgab. Draußen `markierte` er zwölf Personen, indem er ihnen Abschiedsküsse gab. Diese zwölf, darunter auch Esther Ballestrino de Careaga und Mar&i
acute;a Eugenia Ponce de Bianco, wurden anschließend in die ESMA verschleppt.“
In der ESMA wurden sie nur wenige Tage festgehalten. Angesichts der Reaktionen aus Frankreich und anderen Ländern auf die Entführung der Nonnen fotografierten sie zunächst ihre Opfer mit einem Exemplar der Tageszeitung „La Nación“ in der Hand und einer Fahne der linken Guerillaorganisation Monteneros im Hintergrund. So versuchten sie, die Öffentlichkeit über die Urheberschaft des Verbrechens zu täuschen. Schließlich entschieden sich jedoch die Verantwortlichen in der ESMA dafür, die Nonnen und die anderen Entführten verschwinden zu lassen. Auf „Todesflügen“ wurden sie über dem offenen Meer abgeworfen. Sieben Leichen wurden von der Strömung an Land zurückgetrieben. Nach dem Fund der Leichen im Badeort Santa Sereninta wurden sie in anonymen Gräbern in General Lavalle bestattet.
Die EAAF arbeitet seit 2004 in General Lavalle. Im vergangenen Dezember fanden ihre Mitglieder die sieben Leichen, die sie gründlich untersuchten, um DNA-Proben zu entnehmen. Dies sollte eine Identifizierung ermöglichen. Luis Fondebrider, der vor Ort für die EAAF arbeitet, berichtete der Nachrichtenagentur DyN, dass sie “bereits fünf Menschen identifiziert haben. Bei den anderen beiden können wir ausschließen, dass es sich um die zweite Nonne Alice Domon handelt.” Die bereits identifizierten sind Angela Aguad, Azucena Villaflor de Devicenti, Esther Ballestrino de Careaga, María Eugenia Ponce de Bianco und nun Leonie Reneé Duquet.
Wegen der Verbrechen an den französischen Nonnen läuft gegen Astiz und seine Kameraden bei der ESMA Jorge Acosta, Antonio Pernias und Héctor Febres ein Prozess. Der Bundesrichter Sergio Torres ordnete bereits jetzt ihre Haft in der Marinebasis von Zaraté an. Schon 1990 war Astiz von einem französischen Gericht in Abwesenheit zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden.
PERU
Bürgermeister bittet Gemeinde zur Abstimmung über Mine Majaz
(Buenos Aires, 26. August 2005, púlsar-poonal).-Die Bevölkerung der Regionen Cajamarca, Amazonas und Piura soll mit einem Referendum über die Weiterführung des Projektes Minero Río Blanco entscheiden. Dies bestätigte der Bürgermeister von Jaén, Jaime Vílchez. Die englische Firma Monterrico Metals betreibt im Rahmen dieses Projektes die Ausbeutung der Mine Majaz.
Vílchez betonte die Notwendigkeit, eine Untersuchung über die Auswirkung des Abbaus auf die Umwelt durchzuführen. Zudem solle eine finanzielle Studie über die Mine erstellt werden, die es den Bauerngemeinschaften möglich macht, Nutzen und Schaden der Aktivitäten in Majaz einzuschätzen. Die Region war in den letzten Monaten in die Schlagzeilen gekommen, weil sich die Bauern gegen den ihrer Meinung nach umweltgefährdenden Abbau der Mine gewehrt hatten.
„Wir sind Bauern und das Modell, das wir ausgesucht haben, ist das einer nachhaltigen Agrarindustrie. Deswegen machen wir eine Untersuchung. So können die Gemeinden unterscheiden und feststellen, welches die für sie sinnvollste Option ist“, sagte Vílchez. In diesem Kontext versicherte er, dass die Aktivitäten von Majaz die Umwelt zerstören und das friedliche Zusammenleben jener Bauern gefährden könnten, die unmittelbar von den Produkten abhängig seien und nicht ihre Einwilligung zur Unterstützung des Projektes durch Monterrico Metals gegeben haben. „Wir kennen unser Gebiet und wissen, dass es dort ungeschützte Stellen gibt, wo Wasser entspringt. Wir befürchten, dass eine Firma Forschungen betreibt, die schließlich in Ausbeutung enden. Wir können nicht zulassen, dass erst einfach voran geschritten wird, um später dann dieses Problem lösen zu wollen,“ sagte Vílchez.
Der Bürgermeister von Jaez informierte zudem darüber, dass nun eine Stelle geschaffen worden sei, die die Bemühungen der Bürgermeister von Bagua, Utcubamba, Condorcanqui (Amazonas), Jaén, San Ignacio (Cajamarca); Huancabamba, Ayabaca und Morropón (Piura) koordinieren soll. Außerdem versicherte Vílchez, „wir sind nicht gegen die Mine und nicht gegen private Investoren, die helfen, für ein Wirtschaftswachstum in der Zone zu sorgen und damit deren Entwicklung zu fördern. Uns geht es darum, unsere Lebensqualität zu verbessern, die Umwelt zu schützen und eine Aussicht auf Entwicklung zu haben.“
CHILE
Vorwürfe gegen die Unternehmen CELCO und CODELCO
(Santiago de Chile, 30. August 2005, adital-poonal).-Das staatliche chilenische Kupferbergbauunternehmen CODELCO (Corporación Nacional del Cobre de Chile) hat Ansprüche auf mehr als 3500 Hektar Boden auf dem Gebiet der indigenen Gemeinden der Lafkenche-Mapuche im südlichen Küstengebiet Chiles registrieren lassen. Mehrere Organisationen erklären, dass das Unternehmen dabei wahrscheinlich von dem zum Holzwirtschaftskonzern Angelini gehörenden Zelluloseunternehmen CELCO benutzt werde, das den Bau einer zum Meer führenden Abwasserleitung durchsetzen will.
Der Eintrag der Förderansprüche erfolgte im Juli dieses Jahres. Registriert wurde der Grund und Boden von mehr als sieben Gemeinden der Lafkenche. Es handele sich um den Küstenstreifen zwischen der Nihue-Bucht im Süden der Region Araucanía und Rada de Vilulafquén, wobei die Mündung des Río Toltén dabei genau in der Mitte liege.
Mapucheorganisationen schöpften deshalb sofort Verdacht und reagierten. Ihnen zufolge sei die Registrierung aufgrund einer „strategischen Allianz“ zwischen der staatlichen CODELCO und dem Privatunternehmen CELCO zustande gekommen. CELCO wolle sich auf diese Art und Weise einen Zugang zum Meer für die umstrittene Abwasserleitung vom Zellulosewerk in San José de la Mariquina in der Provinz Valdivia verschaffen. Die für Territorialfragen zuständige Arbeitsgruppe der Mapucheorganisation „Coordinación de Identidades Mapuche“ erklärte dazu, sollte sich dieser Verdacht bestätigen, wäre dies ein schwerer Verstoß gegen die Territorialrechte der Mapuche und ihre natürlichen Ressourcen. Außerdem wäre es unmoralisch, wenn sich ein Staatsunternehmen für die Privatinteressen eines zur Angelini-Gruppe gehörenden Unternehmens benutzen ließe.
„CELCO muss zur Installation seiner Abwasserleitung Zugriff auf den Grund und Boden haben. Hätte das Unternehmen dies selbst beantragt, hätte das sofort Verdacht erregt. Darum glauben wir, dass CODELCO vorgeschickt wird. Und das Schlimmste ist, dass CODELCO Ansprüche auf das Land der Lafkenche-Gemeinschaften erhebt, was ein schweres Vergehen darstellt.“ – „Was hat ein Kupferunternehmen in diesem Gebiet zu suchen, wo doch die Kupfervorkommen im Norden Chiles liegen?“, fragen sich die Organisationen.
Die Arbeitsgruppe für Territorialfragen stellt weiterhin fest, dass es sich um einen schwerwiegenden Tatbestand handele, weil sich zeige, dass die staatlichen Stellen seit Monaten auf einen Zugang zum Meer für die CELCO-Pipeline hingearbeitet hätten. „Das Unternehmen hat erklärt, die registrierten Gebiete seien unbewohnt und würden landwirtschaftlich nicht genutzt. Das ist eine große Lüge. Es geht um Ländereien von indigenen Gemeinschaften und Kleinbauern, die vom Fischfang, vom Ackerbau und der V
iehzucht leben. Die Gegend ist stark besiedelt. Das Verhalten von CODELCO ist nicht zu begreifen.“
CODELCO ist ein autonomes staatliches Unternehmen mit privaten Anteilen. Es widmet sich der Erkundung, dem Aufschluss und dem Abbau von Kupfervorkommen und der Nebenprodukte, der Verarbeitung zu raffiniertem Kupfer sowie der anschließenden Vermarktung. CODELCO ist der größte Kupferproduzent der Welt. CELCO (Celulosa Arauco y Constitución) ist das Zelluloseunternehmen, das wegen der von ihm verursachten Umweltschäden – dem massenhaften Sterben von Schwarzhalsschwänen – am Río Cruces in der Provinz Valdivia und wegen schwerer Komplikationen in einer anderen Anlage in der Provinz Arauco verklagt worden war. Das Werk nahe des Río Cruces war daraufhin im Juni geschlossen worden, soll nun aber mit Aussicht auf den Bau einer ins Meer führenden Abwasserleitung wieder eröffnet werden.
Mehrere Organisationen haben bestätigt, dass die einzige Lösung die endgültige Stilllegung der Anlage sei. Andere erwägen den Bau einer Anlage mit geschlossenem Kreislauf. Es komme nicht in Frage, die Abwässer ins Meer zu leiten, weil dies vor allem durch die Dioxin- und Eisenbelastung zu schwerer Umweltverschmutzung führen würde.
Die Befreiung der Esmeralda
(Fortaleza, 30. August 2005, adital-poonal).- Das SchiffEsmeralda provoziert weiterhin Streit. Während der Diktatur war es ein Ort für Folter und andere Menschenrechtsverletzungen. Am 26. August 2005 richteten verschiedene Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International einen offenen Brief an den Oberbefehlshaber der Armee Admiral Rodolfo Codina Diaz. Sie forderten die Fortsetzung unabhängiger und unparteiischer Untersuchungen von Vorwürfen der Folter und Gewaltanwendung, die auf Armeeschiffen und -einrichtungen während der Militärregierung begangen worden waren. Die Verantwortlichen sollen sich vor Gericht verantworten müssen. Außerdem werden Bemühungen zum materiellen und moralischen Ausgleich für die Opfer und ihre Familien gefordert.
Mit dem Brief gingen Zeugenberichte und Petitionen von über 8.500 Personen aus 80 Ländern ein, die sich an der Aktion „Befreiung der Esmeralda“ beteiligt hatten. „Das Schulschiff Esmeralda kehrt am 28. August von seiner jährlichen Fahrt in den Hafen von Valparaíso zurück. Emotionen und Wehklagen haben immer das Eintreffen der `Esmeralda` auf ihren Lehrfahrten begleitet, wie wir alljährlich im Fernsehen und in der Presse sehen können. Wir versetzen uns in die Lage derer, die ihre Lieben für lange Zeit nicht sehen werden, sowie in die Lage der Ehefrauen, Mütter, Töchter und Söhne, die vor Freude weinen, wenn einer von ihnen zurück kehrt,“ erklärt der Brief.
Der Brief erinnert daran, dass die Esmeralda während der ersten Wochen nach dem Militärputsch von 1973 als Gefangenen- und Folterzentrum genutzt wurde. Die Organisationen bezeichnen es als Schande für Chile, dass 32 Jahre nach dem Militärstreich die Esmeralda noch immer die Weltmeere als „Wanderbotschafter“ durchkreuzt.
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