Poonal Nr. 478

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 478 vom 18. Mai 2001

Inhalt


MEXIKO

GUATEMALA

EL SALVADOR

HAITI

PUERTO RICO

NICARAGUA

KOLUMBIEN

KOLUMBIEN/SCHWEIZ

CHILE

BRASILIEN

URUGUAY

USA / KOLUMBIEN


MEXIKO

Wem gehört Jesus?

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 13. Mai 2001, Poonal).- Norberto Rivera Carrera ist ein Machtpolitiker. Allerdings gehört er keiner Partei an, sondern der katholischen Kirche. Als Kardinal und Bischof der Erzdiözese von Mexiko-Stadt ist er einer der einflussreichtsten Kirchenmänner seines Landes, durchaus auf Nähe zu den wirtschaftlichen und politischen Eliten bedacht. Kritiker nennen ihn reaktionär, gegen das Adjektiv konservativ dürfte niemand Einspruch erheben. Rivera gilt ebenfalls als sehr „institutionell“, als Verteidiger der katholischen Amtskirche. Sieht er deren Position in der Gesellschaft angegriffen, lässt er sich etwas einfallen.

Ein neues Beispiel dafür wurde in diesen Tagen bekannt: Vor dem Obersten Gerichtshof hat die Erzdiözese eine Klage eingereicht, die präzedenzlos ist. Mit ihr sollen die staatlichen Behörden gezwungen werden, die Meinung der Diözese bei allen öffentlichen Veranstaltungen außerhalb der Tempel einzuholen, für die mit Jesus geworben wird und die nicht von ihr organisiert werden. Die beabsichtigte „Vormundschaft“ über das Jesusbild käme in der Praxis einem möglichen Vetorecht gegenüber öffentlichen Feiern nicht-katholischer Glaubenkongregationen gleich.

Nach Meinung von Beobachtern hat das Vorgehen einen ganz konkreten Hintergrund. Zwar ist die überwältigende Mehrheit der mexikanischen Bevölkerung nach wie vor katholisch, doch die Attraktivität beispielsweise der evangelischen Pfingstkirchen hat in den vergangenen Jahren spürbar zugenommen. Ein Beleg dafür war Ende 1999 eine Massenveranstaltung, die evangelische Kirchen und Organisationen in der Hauptstadt in der größten Fußballarena des Landes veranstalteten. Zur „Ehrung Jesu“ kamen etwa 100.000 Menschen in das Aztekenstadion. Für das Ereignis wurde im Vorfeld auf Plakaten mit einem Foto aus einem bekannten Jesusfilm kräftig geworben.

Rivera und die Erzdiözese verstanden das schon damals – sicher nicht grundlos – als eine Art Kampfansage und versuchten vergeblich, mit Interventionen beim Innenministerium und vor den Gerichten, ein Verbot der Veranstaltung zu erwirken. Diesmal dürften die Erfolgschancen ebenso gering sein. Möglicherweise wird der Oberste Gerichtshof oder ein untergeordnetes Gericht die Klage schon bald aus formalen Gründen für unzulässig erklären.

Aus nicht-offiziellen Kreisen des Gerichtshofes ist zu hören, das Ansinnen der Diözese sei „absurd“. Ebenso gut könne Fidel Castro erklären, das Urheberrecht auf das Image von Che Guevara gehöre Kuba oder Vladimir Putin darauf bestehen, Lizenzgebühren für die Vermarktung Lenins zu kassieren, gibt die Tageszeitung La Jornada anonyme Meinungen aus den Richtereihen wieder. Andere weisen auf die im Artikel 130 der mexikanischen Verfassung verankerte Religionsfreiheit hin. Kardinal Rivera wolle die öffentlichen Aktivitäten der evangelischen Kirchen bremsen und einen Alleinvertretungsanspruch der katholischen Kirche für die christliche Botschaft und deren Symbole geltend machen.Dem Kardinal und seinen Mitstreitern ist es wahrscheinlich klar, dass ihr Anliegen vor der Justiz ziemlich aussichtslos ist. Aber nicht zu übersehen ist: Ihr neuerlicher Vorstoß geschieht unter anderen Umständen. Seit Dezember 2000 regiert mit Vicente Fox erstmals ein Präsident das Land, der sich als offen praktizierender Katholik zeigt. Mehrere Kabinettsmitglieder und große Teile der Regierungspartei PAN stehen konservativen Strömungen in der katholischen Kirche sehr nahe. Schon länger tritt die Gruppe um Rivera aggresiver in der Öffentlichkeit auf, um ihren Einfluss zu festigen und auszuweiten. Insofern nimmt sich die Klage vor dem Gerichtshof vor allem als ein weiterer Versuchsballon aus, die Reaktionen der Gesellschaft und der staatlichen Instanzen auszutesten.

 

GUATEMALA

Mord an Nonne hat möglicherweise politische Hintergründe

(Guatemala-Stadt, 10. Mai 2001, alc-Poonal).- Die Katholische Kirche sowie Menschenrechtler protestierten anläßlich der Ermordung einer us-amerikanischen katholischen Nonne in der Hauptstadt des Landes und forderten eine restlose Aufklärung des Ereignisses damit das Verbrechen nicht ungestraft bleibt. Es wird ein politischer Hintergrund für den Mord vermutet..

Die us-amerikanische Ordensschwester Barbara Ann Ford, ehemalige Mitarbeiterin des ebenfalls ermordeten Bischofs Juan Gerardi, wurde am letzten Samstag, den 5. Mai, in einer Straße des Zentrums von Guatemala-Stadt bei einem Überfall, bei dem die drei Täter sich ihres Wagens bemächtigten, ermordet. Da die Männer das Auto nach wenigen Metern stehen liessen, wird Habgier als Tatmotiv als unwahrscheinlich angesehen.

Der Sachverhalt gibt Anlaß für viele Fragen in der Hauptstadt, wo gerade die Gerichtsverhandlungen zu dem Mord am Bischof und Menschenrechtler Juan Gerardi, mit dem die Nonne zusammen gearbeitet hatte, laufen. Für dieses Verbrechen, das am 26. April 1998 verübt wurde, stehen drei Militärs, ein Priester und eine Köchin vor Gericht.

Barbara Ann Ford, die dem Orden der Sisters of Charity in New York angehörte, hatte von 1978 bis 1986 in verschiedenen sozialen Einrichtungen im Departement Quiché gearbeitet. Dort, wie in einigen anderen Departements , war während des Bürgerkrieges die Gewalt gegen die Bevölkerung besonders groß gewesen. Anschließend war die Ordensschwester für drei Jahre in einem New Yorker Krankenhaus beschäftigt.

Bei ihrer Tätigkeit in Quiché hatten Mayas ihr von einigen der Greueltaten, derer sie Zeugen geworden waren, erzählt, was ihr ermöglichte, bei der Exhumierung von Opfern außergerichtlicher Hinrichtungen behilflich zu sein. In diesem Zusammenhang wirkte sie mit bei der Erstellung des Berichts zur Aufarbeitung der geschichtlichen Erinnerung (REMHI), den das Menschenrechtsbüro des Bistums, dessen Leiter Gerardi war, erarbeitet hatte und laut dem 90 Prozent der Menschenrechtsverletzungen dem Militär anzulasten sind.

„Vor diesem Hintergrund und angesichts der Art des Verbrechens glauben wir, dass es sich ein politisches Motiv für die Tat geben könnte“, erklärt Fernando Penados vom Sekretariat für Strategische Analysen. Die 64jährige Barbara Ford hatte nach ihrer Rückkehr aus New York 1989 im 180 km nördlich von Guatemala-Stadt gelegenen Quiché bei der katholischen Hilfsorganisation Caritas gearbeitet. Der Bischof von Quiché, Julio Cabrera Ovalle, erklärte in einer Stellungnahme: „Wir fordern die zuständigen Behörden auf, diesen Akt von Gewalt gegen das Leben der Schwester Barbara Ford nicht ungeahndet zu lassen“.

Die Konferenz der Geistlichen Guatemalas (CONFREGUA) merkte an, dass die Tat im Kontext institutioneller Gewalt zu sehen sei, die in der Verachtung für Leben und Menschenwürde sichtbar werde.

Mario Polanco, Direktor der Gruppe für gegenseitige Hilfe (GAM), bezeichnete den Angriff auf die Nonne als außergerichtliche Hinrichtung und damit als politisches Verbrechen. Seiner Meinung nach handelt es sich um einen direkten Angriff auf die katholische Kirche und gegen Menschenrechtsaktivisten. Er erinnerte daran, dass die guatemaltekische Bischofskonferenz in den letzten Tagen massive Kritik an der Ungewissheit, mit der man täglich leben müsse, geübt hatte.

Die Leiche der Nonne wurde am Montag in die Kathedrale der Hauptstadt gebracht, wo eine Menge Gläubiger zusammenkam, um ihres Lebens und Wirkens zu gedenken. Anschließend wurde die Tote nach New York überführt.

Wie die Sprecherin der Botschaft der USA in Guatemala, Kay Mayfield, bemerkte, waren innerhalb der letzten 18 Monate sechs us-amerikanische Staatsangehörige in Guatemala gewaltsam den Tod gekommen, ohne dass die Ermittlungen inzwischen zu Ergebnissen geführt hätten. Sie enthielt sich jedoch eines Kommentars zum Mord an Barbara Ford, da dieser bereits unter Mithilfe der Internationalen Polizei untersucht wird.

 

Justizwesen: Regierung missachtet Empfehlungen

(Guatemala-Stadt, 14. Mai 2001, cerigua-Poonal).- Der UNO-Berichterstatter für das Justizwesen, Param Cumaraswamy, übte im Anschluss an seinen zweiten Besuch in Guatemala Kritik an der Regierung. Diese sei der Mehrheit seiner Empfehlungen nicht gefolgt. Richter, Staatsanwälte und Anwälte seien zudem in den vergangenen Monaten verstärkt Opfer von Drohungen und Morden. Sie „leben in einem Klima der Angst, das der Justiz nicht zuträglich ist“. Cumaraswamy forderte die Bevölkerung auf, von der Regierung Schutz für das Gerichtswesen zu verlangen. Im Vergleich zu seinem ersten Besuch im Jahr 1999 gebe es keine Verbesserungen. Die Morden an sieben Anwälten im Zeitraum Oktober 2000 bis Februar 2001 und die Drohungen gegen Mitglieder des Justizapparates würden nicht nur von den Guatemalteken, sondern genauso von der Internationalen Gemeinschaft als ein direkter Angriff auf den Rechtsstaat aufgefasst. Diese Situation dürfe nicht toleriert werden.

 

EL SALVADOR

Weiterhin Bedrohung durch Erdbeben

(San Salvador, 14. Mai 2001, pulsar-Poonal).- Weit davon entfernt, sich an den Zustand zu gewöhnen, erleben die Einwohner El Salvadors nach wie vor fast tagtäglich eine Reihe von Erdstößen. Allein am Montag dieser Woche bebte die Erde fünfmal. Die Stärke erreichte zwischen 3,3 und 4,2 Punkte auf der Richterskala. Experten bezeichnen das Phänomen als „seismologische Schwärme“. Zwar gab es bei den neuerlichen Erschütterungen keine Opfer, doch geriet die Bevölkerung teilweise in Panik. Am 13. Januar und am 13. Februar dieses Jahre hatten zwei starke Erdbeben große Teile des Landes zerstört. Die offizielle Zahl der Todesopfer betrug 1.142. Etwa 200.000 Wohnungen wurden zerstört, der geschätzte wirtschaftliche Schaden beläuft sich auf 1,7 Milliarden Dollar.

 

HAITI

Giftiges Obst

(Porte-au-Prince, 14. Mai 2001, na-Poonal).- Etwa 50 Personen, in der Mehrzahl Kinder, starben während der letzten Monate daran, die Ackee-Frucht gegessen zu haben. Die Ackee ist eine beliebtes Obst in der haitianischen Küche. Wird sie jedoch unreif gegessen, hat der Verzehr Übelkeit, Erbrechen und sogar den Tod zur Folge. Grund für den Konsum von unreifen Ackees ist der Hunger, unter dem die Bewohner des Nordens Haitis zu leiden haben, seitdem ihre Ernte und das Vieh den Überschwemmungen im November letzten Jahres zum Opfer fielen. Das Fehlen von Nahrungsmitteln in Haiti, dem ärmsten Land des Kontinents, ist keine Ausnahme. Nach einem Bericht der UNO vom vergangenen Jahr leiden 62 Prozent der 7,8 Millionen Einwohner*innen Haitis an Unterernährung.

 

PUERTO RICO

US-Armee beendet Truppenübungen, der Protest geht weiter

(Vieques, 3. Mai 2001, pulsar-Poonal).- „Bei diesem Kampf gibt es kein zurück!“ Dies sagten die Anhänger*innen einer völligen Unabhängigkeit Puerto Ricos von den USA nur wenige Tage nach dem Ende der Bombenabwürfe der US-Marine über der Insel Vieques, die bis zum 1.Mai fortgesetzt worden waren.

Die US-Armee beendete am Dienstag Abend ihre diesjährigen Militärübungen in Vieques. Die Gegner*innen versprachen jedoch, einen Entwicklungsplan für die 3200 Hektar vorzulegen, die den Marine-Stützpunkt umfaßt.

„Wir werden unsere Proteste weiterführen und unseren Vorschlag verbreiten.“, sagte der Sprecher der Gemeindegruppen, Robert Rabin. Rabin ist US-Bürger und seit über 20 Jahren in Vieques verwurzelt. Er versicherte, dass die Menschen in Vieques den Abzug der US-Marine wollen und dass es ein Projekt der Gemeinde gäbe, um die Flächen zu nutzen, die 60 Jahre lang von der Marine besetzt sind.

Der Sprecher sagte außerdem: „Es geht auch um den Kampf für den Umweltschutz und dieser Kampf muss weitergehen bis die Bombenabwürfe ein für alle Mal gestoppt werden.“ Er wies darauf hin, dass die US-Streitkräfte zwar die Manöver jetzt beendet hätten, sie jedoch vor hätten wiederzukommen.

Rabin fügte hinzu, dass es eine Initiative gäbe, die darauf gerichtet sei, möglichst viele US-Kongreßabgeordnete für ihre Sache zu gewinnen. Er erinnerte daran, dass bislang 110 Kongreßabgeordnete einen an George Bush Jr. gerichteten Brief unterschrieben hätten, in dem er aufgefordert werde, einen sofortigen und endgültigen Stopp der Bombenabwürfe über Vieques zu veranlassen.

Bis jetzt haben die verschiedenen US-Regierungen immer den Standort Vieques verteidigt, da Vieques die Insel mit dem besten Bedingungen für diese Art von Übungen sei. Unter Zuhilfenahme dieses Arguments beteuern sie, dass sie nicht auf diese Bombenabwürfe verzichten könnten und das, obwohl bisher sogar ein Todesopfer zu beklagen ist.

 

NICARAGUA

Indigene Gemeinschaften wollen für ihr Land kämpfen

(Managua, 9.Mai 2001, alc-Poonal).- Wenn Ausländer*innen versuchen sollten, sich Länder der Gemeinschaften an den Ufern des am Nordatlantik gelegenen Flusses Prinzapolka anzueignen, könnte es zu einem Blutbad unter Indígenas und Ausländer*innen kommen. Darauf wies der Sondermenschenrechtsbeauftragte für die indigenen und schwarzen Völker, der Geistliche Norman Bent, hin. „Das Land ist für die indigenen Gemeinschaften heilig und ich bin mir sicher, dass sie eher gefesselt an einem ihrer Bäume sterben würden als auf die Rechte ihrer Vorfahren zu verzichten.“, bekräftigte Bent.

Die Unruhe unter den Gemeinden der Miskiten und Mayagnas hält an, nach dem der US-Amerikaner Robert Merrick via Internet 60.000 Hektar Land an den Ufern des Prinzapolka zum Verkauf angeboten hat, dass er seiner Ansicht nach gekauft hat. Der Menschenrechtsbeauftragte erläuterte, dass das Land, das der US-Amerikaner als sein Eigen betrachtet, „von Gott und der Welt verlassen scheine“. Einige Nicht-Regierungs-Organisationen verwalten Teile des Landes, unter ihnen der Evangelische Rat Pro Alianza Denominacional (CEDAP), der Morava-Kirche und der Christlichen Medizinischen Aktion. Trotz der dort vorkommenden reichen Flora und Fauna und der Edelhölzer wird das Gebiet nicht von Regierungsstellen betreut. Robert Merrick kündigte an, dass er in den nächsten Tagen die Region besuchen werde, um mit den Vertreter*innen der NROs und den Sprecher*innen der Gemeindegruppen zu diskutieren, um die Situation vor Ort kennen zu lernen und schließlich zusammen mit den Anwält*innen des Menschenrechtsbeauftragten zu einer Einigung zu kommen..

Norman Bent sagte, dass die Regierung einen größeren Konflikt vermeiden und eine Untersuchung anstrengen sollte, um heraus zu finden, wie Merrik dieses Land erschließen konnte und wie er im Falle berechtigter Ansprüche entschädigt werden könne, um Auseinandersetzungen zu vermeiden. Bent wies jedoch ebenfalls darauf hin, dass es an der karibischen Küste viele Ausländer*innen gäbe, die im Verbund mit Einheimischen Edelhölzer rauben würden. Dazu kämen dann noch die Interessen von Drogenhändler*innen, die Land für ihre illegalen Tätigkeiten kaufen würden.

„Wir müssen aufpassen, dass die karibische Küste nicht zu einem zweiten Kolumbien wird.“, sagte er. Die Gewalt in den Gebieten am Nordatlantik hat ihren Ursprung zum Teil in der Landfrage. Die Indígenas, behüten ihr Land, weil es heilig ist, und weil sie ohne dieses Land nicht leben könnten. Und das ist auch der Grund dafür, dass die verschiedenen Ethnien, falls es nötig sein sollte, bis zum Tod kämpfen, um das Erbe ihrer Vorfahren zu bewahren.

 

Gerichtsklagen gegen Präsidenten häufen sich

(Managua, 14. Mai 2001, pulsar-Poonal).- Präsident Arnoldo Alemán ist ein weiteres Mal vor der Justiz angezeigt worden. Diesmal reichte der Abgeordnete Sergio Garcia eine Klage wegen unrechtmäßiger Bereicherung ein. Garcia verließ die Reihen der Regierungspartei aus Protest gegen den Regierungschfe und dessen Politik. Er versichert, Aleman habe im Amt ein Vermögen von 250 Millionen Dollar angehäuft. Das Geld soll sich seinen Behauptungen nach auf Konten auf den Kanarischen Inseln, in der Schweiz und in Miami befinden. Der Vorgang sei nur vergleichbar mit der Bereicherung des Somoza-Clans während seiner 45-jährigen Herrschaft in Nicaragua, so Garcia, der derzeit Mitglied im zentralamerikanischen Parlament ist.

 

KOLUMBIEN

Regierung verspricht Offensive gegen Paramilitärs

(Bogotá, 3. Mai 2001, pulsar-Poonal).- Die Regierung von Andrés Pastrana versprach eine Offensive gegen ultrarechte paramilitärische Gruppen zu starten. Die sog. Operation Würde, die vor 13 Tagen von den kolumbianischen Streitkräften ins Leben gerufen wurde, scheint der erste Schritt zu sein. Diese Operation hat die Verhaftung der Verantwortlichen für das Massaker von Alto Naya, Cauca, zum Ziel.

Durch die „Operation Würde“ konnten bis jetzt 62 Paramilitärs festgenommen werden, die die vermutlichen Verantwortlichen des Massakers sind. Bei einem Besuch des Marinestützpunktes „La Isla“ sagte Präsident Pastrana, dass die aktuelle Operation die bislang größten Ergebnisse vorweisen könne.

Der Präsident sagte, dass die Zahlen für sich selbst sprächen und versicherte: „In nur vier Monaten haben wir mehr Paramilitärs festgenommen als im ganzen Jahr 2000. Ein deutliches Beispiel und ein deutliches Ergebnis der Politik, die die Regierung in ihrem Kampf gegen all jene führt, die sich selbst außerhalb des Gesetzes stellen. In Bezug auf die Bedingungen der internationalen Gemeinschaft im Kampf gegen den Paramilitarismus betonte Pastrana: „Wir handeln nicht aus Zwang, sondern aus Überzeugung.“

Die Operation begann acht Tage nach dem Massaker von Alto Naya, das sich am 12. und 13. April diesen Jahres ereignete und bei dem etwa 40 Menschen ermordet wurden. Diese Zahlen wurden von der Staatsanwaltschaft und der Menschenrechtsbeauftragten vorgestellt und verursachten eine Massenflucht unter 3000 Bauern und Bäuerinnen.

 

KOLUMBIEN/SCHWEIZ

Interview von Peter Stirnimann mit den Gouverneuren von Nariño, Putumayo und Tolima

(Bern, April 2001, ag-schweiz-kolumbien-Poonal).- Es ist nicht üblich und im Gewaltkontext von Kolumbien sicher auch nicht ungefährlich, dass kolumbianische Gouverneure ins Ausland reisen, um sich dort Gehör zu verschaffen. Welche Differenzen existieren zwischen Ihnen und der Regierung in Bogotá ?

Guillermo Alfonso Jaramillo: Bevor wir von Differenzen sprechen, möchte ich zuerst klar machen, dass es grundlegende und gemeinsame Anliegen zwischen uns und der Regierung Pastrana gibt. Gemeinsam ist uns die Suche nach einem Frieden in Kolumbien, auch die Suche nach Lösungen des Drogenproblems. Wir unterstützen unseren Präsidenten voll in seinem Anliegen, die Friedensgespräche mit den Guerillas FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) und dem ELN (Ejército de Liberación Nacional) vorwärts zu treiben. Ohne diese Gespräche wird es in Kolumbien nie Frieden geben. Es gibt viele Feinde eines Friedens mit sozialer Gerechtigkeit und Demokratie in unserem Land. Diese Kreise bedrohen uns, seitdem wir im vergangenen Oktober demokratisch gewählt wurden. Unsere Situation ist alles andere als einfach und höchst gefährlich. Trotzdem vertreten wir bezüglich des Plan Colombia eine andere Meinung als die Regierung.

Der Plan Colombia soll ein „Plan für Frieden, Wohlergehen und Stärkung des Staates“ sein, wie es im Titel heißt.

Parmenio Cuellar Bastidas: Präsident Pastrana wollte 1998 die Friedensgespräche mit der Guerilla durch einen Marshallplan zur Friedenssicherung verstärken. Er bat die USA dafür um Finanzierung. In Washington krempelte man den Plan zu einem Drogenkriegsplan in unseren Departementen um und vermischte undifferenziert Drogen- und Aufstandsbekämpfung. Die USA bewilligten 1,3 Milliarden Dollars für den Plan. Dieser wurde nie dem kolumbianischen Kongress, den regionalen Autoritäten, den NGOs , den Guerillas vorgelegt, geschweige denn mit ihnen abgesprochen.

Das heißt, Sie hatten als betroffene Gouverneure nie etwas zum Plan zu sagen und auch nicht zu dessen Umsetzung?

Parmenio Cuellar Bastidas: Nein, weder unsere Amtsvorgänger noch uns hat man je nach unseren Einschätzungen, Vorstellungen und Lageanalysen befragt. In Brüssel bekamen wir gestern durch Zufall bei einem Gespräch den aktuellen Budgetplan des Plan Colombia, der am 30. April den europäischen Geberländern durch unsere Regierung vorgelegt wird, zu Gesicht. Mit Erstaunen mussten wir erfahren, was die Regierung in Bogotá in unseren Departementen plant. Wir wissen auch, dass die Interamerikanische Entwicklungsbank BID ein Budget finanzierte, worin 100'000 US$ vorgesehen waren für Konsultationen in den betroffenen Gebieten. Dieses Budget wurde nicht ausgeschöpft.

Teile des „Plan Colombia“ zum Beispiel die Ausrottungsaktionen von Kokaplantagen durch hochgiftige Pestizideinsätze aus der Luft im Departement Putumayo sind nicht nur geplant, sondern werden bereits umgesetzt. 30'000 Hektaren sollen ausgerottet worden sein. Wurden diese Aktionen mit Ihnen Herr Guerrero als Gouverneur des Putumayos vorbesprochen?

Iván Gerardo Guerrero: Nein, man hat mich nie konsultiert. Erst als die Helikopter im Anflug waren, wusste ich, was es geschlagen hat.

Hätten Sie Ihr Einverständnis zu den Besprühungsaktionen gegeben?

Iván Gerardo Guerrero: Sicher nicht. Ich habe letzten Oktober die Wahlen in meinem Departement mit dem Motto „Für einen Putumayo ohne Koka – aber ohne Besprühungen“ gewonnen. Das ist ein Versprechen, das ich nicht bereit bin, zu brechen.

Warum sind Sie gegen die Besprühungsaktionen, welche von den US-Drogenbehörden als das einzig wirksame Mittel im Kampf gegen den Drogenanbau gepriesen wird?

Iván Gerardo Guerrero: Weil es eine Strategie ist, die das Problem nicht löst, sondern es nur verlagert. In den 90er Jahren hat man im Departement Guaviare agressiv die dortigen Kokafelder besprüht mit dem Resultat, dass sich diese in unser Departement verlagert haben…..

Parmenio Cuellar Bastidas:.. und seit im Putumayo besprüht wird, beginnt der Anbau bei uns. Und von Nariño werden sie sich in andere Gegenden verlagern, auch nach Ecuador, Perú. Die Besprühungsstrategie ist gescheitert, denn sie löst die sozialen Grundprobleme des Drogenanbaus nicht, sondern schafft zusätzlich neue.

Können Sie diese kurz umreißen?

Iván Gerardo Guerrero: Die unkontrollierten Beprühungsaktionen zerstören nicht nur die illegalen sondern auch die legalen Anpflanzungen der Bauern wie Mais, Yuca, Bananen. Von den 30'000 besprühten Hektaren sind 40-50% legale Anpflanzungen betroffen. Die Gesundheit der Betroffenen wird gefährdet. Tiere sterben oder werden krank. Tausende von Familien müssen flüchten. Die Pestizide verseuchen die Böden und das Wasser. Durch den erwähnten Verlagerungsprozess fällt weiterer Regenwald zum Opfer – eine ökologische Katastrophe.

Sie sagen unkontrollierter Pestizideinsatz. Existieren nicht klare Reglemente für solche Einsätze?

Iván Gerardo Guerrero: Im Valle Guamues wurden 50 Hektaren eines Drogenanbau-Substitutionsprojektes mit Pfefferschoten besprüht und zerstört. Wie kann man da von kontrolliertem Einsatz reden? Die praktizierten Einsätze verstoßen gegen unsere Gesetze, gegen die Menschenrechte und das Internationale Völkerrecht wie die Ombudsstelle kürzlich denunzierte. In den Reglementen wird auch vom Einbezug der lokalen Behörden gesprochen. Wir werden permanent übergangen, nie einbezogen!

Die Besprühungsstrategie ist gescheitert. Was schlagen Sie als Alternative vor?

Guillermo Alfonso Jaramillo: Wir schlagen einen Sozialpakt zwischen der Regierung und den betroffenen Koka- und Mohnbauern vor. Dieser sieht eine freiwillige, fortschreitende und manuelle Ausrottung der Kokapflanzungen vor. Dieser Prozess soll in drei Phasen ablaufen. Phase eins: den Bauern und ihren Familien, die den Sozialpakt eingehen und ihre illegalen Anpflanzungen ausrotten, wird die Nahrung für ein Jahr zugesichert. Sie erhalten in der zweiten Phase technische Unterstützung, um legale Produkte anbauen zu können. In der dritten Phase sollen die erzeugten Produkte auf regionalen, nationalen und internationalen Märkten verkauft werden. Bauern, welche keine Kokapflanzungen besitzen, können auch den Sozialpakt unterzeichnen.

Warum ?

Iván Gerardo Guerrero: Projekte der Regierung mit manueller Ausrottung ausschließlich für Kokabauern haben bei uns gezeigt, dass sie eine verhängnisvolle Dynamik auslösen. Um auch von den Vorteilen der Programme profitieren zu können, mussten die Nichtkokabauern zuerst einmal Koka anbauen, was wiederum den „Erfolg“ der manuellen Ausrottungen wettmachte. Unser Vorschlag will die Koka ausrotten und nicht einfach verschieben. Dies ist nur durch solche umfassende Sozialpakte in unseren Regionen möglich.

Die treibende Kraft des Drogengeschäftes – die Prohibition, welche die Preise der illegalen Drogen in konkurrenzlose Höhen treibt – bleibt aber unangetastet. Wäre nicht eine kontrollierte Legalisierung der ganzen Drogenhandelskette – Produktion, Handel, Konsum – ein nachhaltigerer Lösungsansatz?

Iván Gerardo Guerrero: (holt tief Luft) Von Legalisierung in Kolumbien zu reden, ist gefährlich. Wer das Wort in den Mund nimmt, wird sofort in die Ecke der Drogenhändler gedrängt. Wir haben nichts mit dem Drogenhandel zu tun!

Guillermo Alfonso Jaramillo: Der Drogenhandel macht sein Geschäft zweifellos mit der Prohibition, wie die jüngsten Besprühungen zeigen. Die Preise der Kokabase sind in den vergangen Monaten ums Doppelte gestiegen. Eine Drogenlegalisierung, welche diese Dynamik durchbricht, ist politisch zur Zeit nirgends auf der Traktandenliste. Wir müssen versuchen in den gegebenen Verhältnissen nach Alternativen zu suchen, um das Schlimmste abzuwenden. Gelingt uns das nicht, wird Kolumbien in einem Krieg mit unermesslichen Ausmaßen enden. Wir hoffen, dass man dies in Europa erkennt und danach handelt.

Das heißt, Sie erwarten Finanzierung aus Europa für Ihren Plan.

Parmenio Cuellar Bastidas: Ja, von wo denn sonst? Das Drogenproblem ist global und betrifft alle. Deshalb spricht man von geteilter Verantwortung in der Frage. Man darf aber nicht immer nur von dieser Verantwortung sprechen, sondern man muss sie auch wahrnehmen, indem man Projekte zur sinnvollen Drogenkontrolle in unseren Ländern finanzieren hilft. Das Drogenproblem hat negative ökologische Auswirkungen auf den Regenwald – die Lunge unserer Erde. Da fordert man uns auch immer auf, zu diesem wichtigen Gut Sorge zu tragen ohne auch nur einen Fünfer dafür aufzuwerfen.

Sie haben auch mit Vertretern des Schweizer Außenministeriums gesprochen. Wie ist die Haltung der Schweiz ?

Iván Gerardo Guerrero: Die Schweiz als demokratisch, föderalistisches Land versteht unser Anliegen sehr gut und hat von allem Anfang an eine ablehnende Haltung dem Plan Colombia gegenüber eingenommen. Auch Schweizer NGOs spielen eine aktive und positive Rolle. Für diese Solidarität mit unserem Land möchten wir uns ganz herzlich bedanken!

*Vgl. Einführenden Beitrag in Poonal 477

 

CHILE

Kardinal wird heftig kritisiert

(Santiago, 14. Mai 2001, na-Poonal).- Monsignor Francisco Javier Errázuriz Ossa, Erzbischof von Santiago und Vorsitzender der chilenischen Bischofskonferenz, ist hart von seinen Glaubensbrüdern kritisiert worden. Grund der Kritik ist seine Position zu den Gerichtsprozessen gegen den Ex-Diktator Augusto Pinochet und anderer wegen Verletzung der Menschenrechte Angeklagter. Errázuriz Ossa, der erst kürzlich durch den Papst Johannes Paul II zum Kardinal ernannt worden war hatte gesagt, dass „der Gerechtigkeitsexzess negative Auswirkungen auf die Versöhnung und den sozialen Frieden hätte“.

Der Prälat ist der Meinung, dass die nationale Versöhnung nur durch Vergebung erreicht werden könne. Dagegen verurteilte er die Forderung der Menschenrechtsorganisationen und Familienmitgliedern von Diktaturopfern nach Aufklärung und Gerechtigkeit. Bekannte Katholiken kritisieren in einem Brief an den Kardinal vom 28. April „die Vorstellung, dass der Kampf um Gerechtigkeit im Fall der Menschenrechtsverletzungen in Chile als exzessiv angesehen wird.“ Die Unterzeichner erinnern Errázuriz Ossa daran, dass bislang noch kein Verantwortlicher das Verschwinden und die Folter von Regimegegner gerichtlich verurteilt worden ist.

 

BRASILIEN

Außergerichtliche Hinrichtungen

(Brasilia, 14. Mai 2001, na/ips-Poonal).- Jedes Jahr werden in Brasilien mindestens 2,000 Menschen durch die Polizei oder Todesschwadrone hingerichtet. Dies bestätigt ein Bericht der Menschenrechtskommission der UNO, der am 18. April in Genf veröffentlicht wurde. Für den Bericht wurden 13,917 Mordfälle untersucht, die im ersten Halbjahr 1999 durch die Presse gingen. 1,148 von ihnen, d.h. 8.25 Prozent waren Hinrichtungen. Die Nichtregierungsorganisationen, die den Bericht verfasst hatten erklärten, dass die Ermordung von Kriminellen oder Verdächtigen durch die Polizei oder Todesschwadrone (die sich wiederum aus Polizisten zusammen setzten, die nicht im Dienst sind) wie ein roter Faden durch die brasilianische Geschichte zieht.

 

URUGUAY

Jugendliche aus Ecuador wie Sklaven ausgebeutet.

(Montevideo, 13. Mai 2001, comcosur-Poonal).- Paula Torres traute ihren Augen und Ohren nicht. Was ihr die beiden Jugendlichen erzählten, die plötzlich in ihrem Büro auftauchten, dürfte einfach nicht wahr sein. „Das ist Menschenhandel und Sklaverei, und unterlassene Hilfeleistung seitens der Behörden,“ sagt sie und redet sich erneut in Rage. Paula Torres arbeitet bei der kirchlichen Einrichtung Tacaru in Uruguays Hauptstadt Montevideo, die Straßenkinder betreut. Ihr ist es zu verdanken, dass der Fall von neun Jugendlichen, die aus Ecuador für eine sklavenähnliche Arbeit nach Uruguay gebracht wurden, schließlich vor Gericht landete.

Täglich zwölf Stunden mussten die Jugendlichen für ihren Arbeitgeber schuften. Ausgerüstet mit einem schweren Rucksack gingen sie von Tür zu Tür und verkauften Kleidungsstücke. Morgens bekamen sie Suppe und einen Teller Reis, das gleiche Abendessen wurde ihnen verweigert, wenn sie zuwenig verkauft hatten. Ihre Unterkunft war ein kleines, unmöbliertes Zimmer, in dem sie ständig kontrolliert wurden. „Nicht einmal sprechen durften wir miteinander. Und oft wurden uns Schläge angedroht, damit wir nicht mit Leuten draußen reden,“ berichtete die 15-jährige Claudia vor Gericht.

Die fünf Mädchen mussten auch noch für die Erwachsenen, die an dem Unternehmen beteiligt waren, kochen und ihnen die Wäsche waschen. Wie die ausgebeuteten Jugendlichen stammten die Aufseher und ihr Chef Segundo Morales aus Ecuador. Dort hatten sie den Handel eingefädelt: Die mittellosen Eltern hatten im Februar dieses Jahres eine Erklärung unterschrieben, die ihren Kindern die Ausreise nach Uruguay erlaubte. Inoffiziell vereinbarte Morales mit den Eltern, dass ihre Kinder sechs Monate lang informell in Uruguay arbeiten sollen. Danach sollten die Eltern je Kind 150 US- Dollar erhalten – die Jugendlichen selbst bekamen keinen Centavo.

Ein Unfall machte den Menschenhändlern einen Strich durch die Rechnung. Die 17-jährige Berta stürzte und verletzte sich schwer am rechten Zeigefinger. Als Morales erste Hilfe verweigerte, brachte ihr Cousin Jose sie ins Krankenhaus. Anstatt die von den Ärzten empfohlene Überweisung in eine Spezialklinik anzunehmen, um eine Amputation des Fingers zu verhindern, autorisierte Unternehmenschef Morales die Operation. Als er Berta entgegen ärztlichen Rat sofort wieder arbeiten schickte, floh Jose aus der Unterbringung und bat den Konsul seines Landes um Hilfe.

Doch die Odyssee, die nun schon zwei Monate währte, war damit noch nicht zu Ende. Konsul Alberto Spencer, ein bekannter Ex- Fußballprofi, erklärte, mangels Geld er könne nicht weiterhelfen. Auch die Polizei, die Jose als nächstes aufsuchte, wollte nichts hören und nichts sehen. Die Jugendlichen seien legal nach Uruguay eingereist, deswegen könne nichts unternommen werden, so die Begründung. Erst eine Nachbarin, der Jose mal ein Kleid verkauft hatte, gab ihm den Tipp, bei Tacuru um Rat zu fragen.

Paula Torres zögerte nicht lang. Mit Hilfe des Abgeordneten Victor Rossi alarmierte sie die Polizei und Justiz. Die Jugendlichen wurden befreit und ein Verfahren wegen sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen eingeleitet. Das Kinderhilfswerk bot den Jugendlichen Exil und kümmert sich um die Rückreise in ihre Heimat, was plötzlich auch der Botschafter Ecuadors als „wichtige Angelegenheit“ betrachtet.

Inzwischen ist Segundo Morales zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Offenbar war der Fall von Berta und Jose jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Nach den Presseberichten darüber häufen sich die Anzeigen: In vier Städten Uruguays wurden ähnliche Unternehmenspraktiken bekannt, die in drei Fällen erneut ecuadorianische, in einem Fall brasilianischen Jugendliche unter Zwang ausbeuten.

 

USA / KOLUMBIEN

Protektionismus in der Landwirtschaft

Von Hernán Pérez Zapata

(Sacramento, Kalifornien, Mai 2001, alai-Poonal).- Neil E. Harl, Professor für Landwirtschaft an der staatlichen Universität von Iowa (Ames, Iowa) gab an, dass „im Jahr 2000 mehr als 50 Prozent der Nettoeinkünfte der Farmer aus Regierungszuschüssen bestanden und ähnliche Werte für das laufende Jahr erwartet werden. Im vergangenen Jahr bezahlte der Staat die Rekordsumme von 28 Milliarden US-Dollar an Direkthilfen, den höchsten Betrag seit den 80er Jahren.“.

Die Geschichte der Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten weist zwei gegensätzliche Phasen auf: die der demokratischen Revolution des 19. Jahrhunderts und die gegenwärtige, die von Protektionismus und einer Tendenz zu neoliberaler und neokolonialer Politik gegen über den Ländern in ihrem Einflussbereich geprägt ist.

Ein Beispiel sind die Jahre zwischen 1860 und 1863 unter der Regierung Abraham Lincolns. Die Getreideimporte aus Europa wurden eingestellt. Präsident Lincoln selbst stellte sich auf die Seite derer, die die einheimischen Produzenten unterstützen wollten. Auf der anderen Seite standen die Importeure, welche die Einfuhr der besseren und billigeren europäischen Lebensmittel verteidigten. Die Regierung entschied sich zu Gunsten der ersteren. Die reichen Böden der Vereinigten Staaten wurden besiedelt, Arbeitsplätze wurden geschaffen und das Geld für die Importe blieb im Land.

Das Morrill-Gesetz von 1862, bekannt als Gesetz über die Land Grant Colleges (die Hochschulen, die von den Gemeinden Land übertragen bekamen und in denen die Universitäten ihren Ursprung haben), war eine andere Maßnahme. Das Gesetz verband die landwirtschaftliche Lehre mit der Forschung über Probleme der Produzenten und der Beratung auf Grundlage der gefundenen Lösungen.

Diese Regierungsmaßnahmen zur Entwicklung der Landwirtschaft ergaben sich aus dem Sezessionskrieg, der das feudal-sklavenhalterische Regime im Süden zerstörte. Damit ebnete die Regierung dem Kapitalismus der freien Konkurrenz den Weg. Kapital für die Industrie, die Städte und den Fortschritt konnte akkumuliert werden und machte dieses Land zu einer Vorhut.

Die organisierten Farmer konnten eine Regierungspolitik in Gang setzen, die vom Kongress aufgenommen wurde und zum Schutz ihrer für die Industrie und die nationale Ernährungssicherheit strategischen Produktion führten.

Vorangetrieben wurden auch öffentliche Fördermaßnahmen wie Elektrifizierung, Straßenbau, Mechanisierung, Bewässerung, Erhaltung und Verbesserung der Böden, günstige Kredite, Bekämpfung von Schädlingen, Krankheiten und Unkraut, Subventionen, Vermarktung und Lagerung von Produktionsüberschüssen und andere staatliche Dienste.

Der Widerspruch zeigte sich nach dem Zweiten Weltkrieg. Die USA nutzen ihre Nahrungsmittelüberschüsse als Instrument, um die nationale Produktion anderer Länder in den Ruin zu treiben. Sie üben wirtschaftliche und politische Macht über die Nationen aus, denen sie ihre Politik aufzwingen. Mittels ihrer Ex- und Importe ruinieren sie die Anstrengungen der nationalen Bourgeoisien, Arbeiter und Bauern.

Im Fall Kolumbiens haben wir den Ruin wichtiger Sektoren erlebt. Zuerst traf es in den 60er Jahren den Weizen mit der Anwendung des Bundesgesetz 480. Man zwang uns billigen Weizen auf, auf Pump und mit sehr niedrigen Zinsraten. Von anfangs einigen wenigen Tonnen importieren wir heute jährlich 1,1 Millionen Tonnen. Die Anbaugebiete von Boyacá, Cundinamarca, Nariño, Cauca, Caldas und Antioquia wurden aufgegeben. Mit der wirtschaftlichen Öffnung seit 1990 wiederholt sich heute die gleiche Geschichte mit dem Mais. Von 20.000 Tonnen im Jahr 1990 kamen wir über 1,8 Millionen Tonnen in der Gegenwart. Ähnliche Fälle stellen die fast 8 Millionen Tonnen Lebensmittel dar, die wir im vergangenen Jahr einführten. Vor zehn Jahren importierten wir weniger als 1 Million Tonnen. Es ist sogar geplant, Kaffee zu importieren, den wir seit 1830 exportieren.

Die neoliberale Globalisierung, die vom IWF, der Weltbank, der WTO und nun mit dem Plan Colombia und der FTAA (Amerikanische Freihandelszone) durchgesetzt wird, führt zum völligen Ruin der kolumbianischen Landwirtschaft. Daraus entsteht dann die Krise der Industrie, der Beschäftigung und allgemein der ganzen kolumbianischen Wirtschaft.

Nur durch ein Programm wie das, das die „Vereinigung für die Landwirtschaftliche Rettung Kolumbiens“ (Asociación por la Salvación Agropecuaria de Colombia) vorschlug, können wir der Krise entkommen und Nutzen aus den Lehren dieser kurzen Analyse der nordamerikanischen Erfahrung ziehen. Die Wichtigsten: Importe einstellen und die nationale Produktion schützen.

 

 

   

  Über uns   Quienes somos

 

Sobre nós  About us  

Sur nous 

CC BY-SA 4.0 Poonal Nr. 478 von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert