Poonal Nr. 424

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 424 vom 17. März 2000

Inhalt


EL SALVADOR

NICARAGUA

HAITI

VENEZUELA

PERU

KOLUMBIEN

BRASILIEN

URUGUAY


EL SALVADOR

Ehemalige Guerilla gewinnt Parlamentswahlen

Von Sandra Corona

(San Salvador, 14. März 2000, npl/pulsar-Poonal).- Die ehemalige Guerilla El Salvadors, „Frente Farabundo Marti“ (FMLN) feiert ihren größten Wahlerfolg seit der Unterzeichnung des Friedensvertrages 1992 und der Umwandlung zu einer legalen Partei. Offiziellen Hochrechnungen zufolge hat die in der FMLN zusammen geschlossene Linke bei den Parlaments- und Bürgermeisterwahlen am Sonntagsowohl die meisten Sitze im Kongress errungen als auch in den wichtigsten Städten gewonnen. In der Capitale San Salvador wurde Hector Silva mit 56 Prozent der Stimmen, 15 Prozent mehr als bei den Wahlen von 1997, klar im Amt als Bürgermeister bestätigt.

Mit 39 Prozent liegt die FMLN zwar nur knapp vor der regierenden „Alianza Republicana Nacionalista“ (Arena) mit Präsident Francisco Flores an der Spitze, auf die 37 Prozent entfallen. Doch erstmals konnte die FMLN die seit 1989 ununterbrochen regierende rechte Arena-Partei, 1981 von dem inzwischen verstorbenen General und antikommunistischen Zugpferd Roberto D'abuisson als Gegenpart zur Befreiungsbewegung FMLN gegründet, auf den zweiten Platz verweisen. Die seit dem Friedensschluss von politischen Flügel- Streitigkeiten zerrissene FMLN scheint ihre Legitimationskrise überwunden zu haben.

Die oberste Wahlbehörde (TSE) errechnete bereits die Verteilung der 84 Parlamentssitze. Demnach können dort 31 Abgeordnete der FMLN und 29 der Arena ihre Plätze einnehmen. Die übrigen 24 Mandate verteilen sich auf vier kleine Parteien, wobei die Partei der Nationalen Versöhnung (PCN) mit 14 Sitzen die Christdemokraten (5), das Vereinigte Demokratische Zentrum (3) und die Partei der Nationalen Aktion (2) klar auf die weiteren Ränge verweist. Der PCN kommt zudem eine Schlüsselrolle zu, da sie mit ihren Stimmen beiden der führenden Parteien eine Parlamentsmehrheit verschaffen kann.

Der größte Triumph auf kommunaler Ebene ist ohne Zweifel Silva in der Hauptstadt gelungen, die auch das politische Zentrum des Landes ist. Dort gilt das Bürgermeisteramt als Absprungbrett für potentielle Staatschefs. Auch Silva wurde auf seiner ersten Pressekonferenz nach der Wiederwahl nach entsprechenden Absichten gefragt, reagierte aber ausweichend. Insgesamt wird die FMLN mehr als 70 der 262 Gemeinden des Landes regieren, unter ihnen die bevölkerungsreichsten und ökonomisch wichtigsten rund um San Salvador.

Hector Silva outete sich einmal mehr als Realo innerhalb der Links-Partei: „Unser Triumph öffnet die Türen für eine Zusammenarbeit meiner Partei mit dem Präsidenten Francisco Flores und der Unternehmerschaft, damit wir die Entwicklung unserer Stadt weiter fördern können. Der eigentliche Gewinner der Wahl ist die Nation“, betonte Silva pathetisch und schlug damit einen für manche zu versöhnlichen Ton an.

Der ehemalige FMLN-Rebellenchef, Schafik Handal, erklärte hingegen am Wahlabend: „Die Bürger haben uns gesagt: Die Linke soll regieren. Ohne Zweifel ist dies der wichtigste Triumph, den wir seit Ende des Bürgerkriegs hatten.“ Der 70jährige, eine historische Leitfigur des salvadorianischen Befreiungskampfes, wird nun als aussichtsreichster Kandidat für den Vorsitz des Kongresses gehandelt. Handal versicherte, dass sich das Programm der ehemaligen Aufständischen strikt an die Verfassungsnormen halten werde: „die weder sozialistisch und noch weniger kommunistisch sind; aber auch die Verfassung verlangt soziale Gerechtigkeit und Gleichheit.“ Soziale Gerechtigkeit ist allerdings die größte Herausforderung für die Linke. 47 Prozent der Salvadorianer leben unter der Armutsgrenze.

Letztendlich war es eine Minderheit der Bürger, die die von Handal zitierte Botschaft an die FMLN richtete. Vorherrschend war die Wahlmüdigkeit. Nur 38 Prozent der Wahlberechtigten des kleinen zentralamerikanischen Landes gingen zur Urne. Wie bei den Wahlen 1997 bleibt die Enthaltung mit über 60 Prozent stille Siegerin.

Avenida Romero

(San Salvador, 16. April 2000, alpress-Poonal).- Die zentrale 2. Avenida Sur in der Hauptstadt San Salvador wird am 24. März in Avenida Monseñor Oscar Arnulfo Romero umbenannt, um an den 1980 von Todesschwadronen ermordeten Erzbischof zu erinnern. Der Feier zur Umbenennung wird der am vergangenen Wochenende (12.3.) mit absoluter Mehrheit wiedergewählte Bürgermeister Hector Silva vorsitzen. Zuvor hält Erzbischof Fernando Saenz, der von Kritikern wegen seiner im Gegensatz zu Romero konservativen Haltung angegriffen wird, eine Gedenkmesse ab.

NICARAGUA

Neue religiöse Partei

(Managua, 10. März 2000, alc-Poonal).- Drei Dissidenten der Partei Cristlicher Weg (PCC) sind die Hauptinitiatoren einer neuen politischen Partei mit evangelischer Ausrichtung. Die Parlamentsabgeordneten Francisco Garcia Saravia, Gilberto Molina und Guillermo Castillo haben die Bewegung der Christlichen Einheit (MUC) gegründet, weil sie mit der Politik des PCC-Vorsitzenden, dem Pastor Guillermo Osorno, nicht einverstanden sind. Erstes Ziel ist es, eine landesweite Organisation aufzubauen und 100.000 Unterschriften zu sammeln. Letzteres ist eine vom Obersten Wahlgericht gestellte Bedingung, um an den kommenden Kommunal- und Präsidentschaftswahlen teilnehmen zu können. Hintergrund für die Abspaltung von der PCC ist Osornos Unterstützung für den Pakt zwischen der regierenden Liberalen Partei und den oppositionellen Sandinisten der FSLN. „Der Mensch, der sich verkauft, sich wendet oder mit anderen Parteien verhandelt, hat keine Prinzipien“, heißt es bei der MUC in klarer Anspielung auf Osorno.

HAITI

Wahlchaos hält an

(Port-au-Prince, 13. März 2000, sicrad-Poonal).- Die Verwirrung im Wahlprozess Haitis nimmt kein Ende. Die Ankündigung des Provisorischen Wahlrates (CEP), die erste Runde der Parlaments-, Regional- und Kommunalwahlen nun für den 9. April festzusetzen, hat eine neue Krise ausgelöst. Präsident Rene Preval beklagt sich, von diesem Beschluss nicht offiziell in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Der Wahlrat sei nicht nur „unhöflich“ vorgegangen, sondern habe auch das Wahlgesetz nicht respektiert. Der Artikel 16 dieses Gesetz behält es dem Präsidenten vor, per Verfügung das Datum für den Urnengang zu bestimmen.

Auch Premierminister Jacques Alexis kritisierte das Verhalten des CEP und bezeichnete es als „schweren Fehler“. Der Vorsitzende des Wahlrates, Leon Manus, betonte seine Bereitschaft zu Verhandlungen mit der Regierung. Gleichzeitig berichtete er über ein kürzliches Treffen mit Preval, bei dem dieser den Juni als Wahltermin vorgeschlagen habe. Damit werde aber praktisch die Wiederaufnahme der Parlamentsarbeit am zweiten Montag im Juni unmöglich gemacht. Dieses Datum wiederum schreibt die Verfassung vor. Proteste für die Einrichtung neuer Wahlbürös im ganzen Land hält Manus für Manöver, den Wahlprozess zu behindern.

Von den politischen Parteien spricht sich die Mehrheit für die Einhaltung des 9. April als Wahltermin aus. Andernfalls solle der Staatschef zurücktreten. Eine wichtige Ausnahme bildet die Organisation von Lavalas Familie mit Ex-Präsident Jean Bertrand Aristide als dominierender Figur. Washington zeigte sich beunruhigt und schickte zwei Emissäre für einen 24-Stundenbesuch nach Haiti. Der im US-Außenministerium für den Haiti-Bericht zuständige David Steinberg und Präsident Clintons ehemaliger Sicherheitsbeauftragter Anthony Lake trafen sich mit Preval, dem Wahlrat und einigen Parteienvertretern. Anschließend verkündeten die beiden US-Amerikaner, für einen Aufschub der Wahlen über den 9. April hinaus gebe es keine Entschuldigungen.

VENEZUELA

Keine Ruhe nach dem Sturm

Von Alvaro Cabrera

(Caracas, 13. März 2000, npl).- Erst drei Monate sind nach der größten Überschwemmungskatstrophe in der Geschichte Venezuelas vergangen, die im Dezember 99 den Bundesstaat Vargas an der Karibikküste nahezu vollständig unter Wassermassen begrub. Trotzdem steht derzeit eine politische Debatte im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, die Hugo Chavez auf dem Präsidentenstuhl unsicher sitzen lässt.

Am 28. Mai sind die Venezolaner in vorgezogenen Wahlen aufgefordert, gemäß einer im Dezember beschlossenen neuen Verfassung, die Regierung und alle politischen Ämter bis zur Gemeindeebene zu bestätigen – oder abzuwählen. Den Startschuss für den Wahlkampf gaben schwerwiegende Auseinandersetzungen innerhalb der links-populistischen Regierungskoalition von Chavez, dem „Polo Patriotico“. Der Staatschef ist in die massive Kritik seitens drei seiner engsten politischen Vertrauten geraten, mit denen der ehemalige Militär am vierten Februar 1992 einen Putschversuch gegen das politische Establishment aus Christ- und Sozialdemokraten (AD und Copei) unternahm.

Francisco Arias Cardena, Gouverneur des Bundestaates Zulia, Yoel Acosta Chirinos, Koordinator der Partei des Präsidenten (MVR) und Jesus Urdaneta, bis vor wenigen Tagen Direktor des venezolanischen Geheimdienstes (Disip), veröffentlichten zum Jahrestag des versuchten Staatsstreichs eine Anzeige in der Presse, in der sie die Nähe von Chavez und der aktuellen Regierung zu Vertretern der nach Jahrzehnten Ende 1998 abgewählten und als extrem korrupt geltenden politischen Klasse kritisierten.

Die öffentliche Kritik an Chavez wandelte sich umgehend zu einer handfesten Regierungskrise. Chavez kündigte im Namen seiner Partei MVR an, den drei Dissidenten die Unterstützung im Wahlkampf in ihren Bundesstaaten zu entziehen und enthob Chirinos seines Amtes als Koordinator der MVR. Die Distanzierung des Dissidenten-Trios vom Präsidenten erreichte ihren Höhepunkt, als Arias Cardenas am 10. März verlauten ließ, im Mai als Präsidenteschaftskandidat gegen Chavez anzutreten.

Dabei wäre angesichts der fortwährenden allgemeinen Notsituation im Land mehr einheitliches und effektiveres Handeln der Regierung geboten. Für Vargas existieren auch zwölf Wochen nach der Flutkatastrophe keine offziellen Opferzahlen. Schätzungen verschiedener staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen gehen von mindestens 10.000 Toten sowie weiteren 114.33 Menschen aus, die ihr Hab und Gut in den Fluten verloren. Stark in Mitleidenschaft gezogen wurde auch das gesamte Wasserleitungssystem und die Stromversorgung des Bundesstaates. Die zuständigen Ministerien haben einen Gesamtschaden in Höhe von umgerechnet knapp 1,8 Milliarden Dollar allein in Vargas errechnet.

Seit Jahresbeginn wird die Regierung auch zunehmend für Misstände in der Nationalökonomie verantwortlich gemacht. Insgesamt sind inzwischen 75 Prozent der Bevölkerung offiziell arbeitslos oder im informellen Sektor beschäftigt, die Kaufkraft sank 1999 um 20 Prozent. Das hat zwei Gründe. Zum einen drosselte die Regierung im vergangenen Jahr die Staatsausgaben um 10 Prozent, um die Inflation zu bremsen. Diese ist zwar nun mit 0,4 Prozent aus dem niedrigsten Stand seit 12 Jahren, andererseits verursachte die Maßnahme eine starke Reduktion des im Land zirkulierenden Geldes. Hinzu kommt der gravierende Rückgang von Devisen aus dem Ausland aufgrund der bei internationalen Investoren umstrittenen Regierung.

Die Situation in Venezuela vor den Wahlen ist also in jeder Hinsicht angespannt. Zur angekündigten Präsidentschaftskandidatur von Arias Cardenas kommt, dass sich die drei Parteien des „Polo Patriotico“ nicht auf gemeinsame Kandidaten für die Gouverneurs- und Bürgermeisterämter einigen können. Prognosen zufolge haben aber auch Arias Cardenas sowie die traditionellen Parteien AD und Copei nur eine Chance, wenn sie mit gemeinsamen Kandidaten antreten. So ist Chavez zwar weiterhin Favorit für das höchste Amt im Staate, aber mit Arias formiert sich eine neue Opposition aus der gleichen politischen Richtung, die letztlich auch den linkspopulistischen Charismatiker an die Macht gebracht hat – das Erbe des Aufstandes vom vierten Februar 1992.

PERU

Klagen über vorbereiteten Wahlbetrug häufen sich

Von Lucien Chauvin

(Lima, 13. März 2000, na-Poonal).- Obwohl Mario Bisso nicht weiss, für wen er bei den Präsidentschaftswahlen am 9. April stimmen wird, ist er sich jedoch sicher, dass es nicht für Präsident Alberto Fujimori sein wird, der für ein drittes Mandat antritt. „Früher habe ich für Fujimori gestimmt, aber jetzt nicht mehr. Seine Regierung ist jedes Mal korrupter und wir brauchen nach zehn Jahren einen Wechsel“, sagt Bisso, nachdem er die Schlagzeilen der Zeitungen am Kiosk gelesen hat.

Ständig angeklagt, den Wahlkampf zu manipulieren, um eine weitere Amtszeit von fünf Jahren zu sichern, wird Fujimoris „Bewegung Peru 2000“ nun beschuldigt, 1,2 Millionen Unterschriften gefälscht zu haben (vgl. Poonal 423). Diese wurden Ende Dezember bei der Einschreibung vor der Wahlbehörde präsentiert. Für Bisso sind die neuen Anklagen eine Bestätigung seiner Entscheidung. „Fujimori will die ganze Macht. Um die Leute kümmert er sich nicht mehr“, meint er.

Offen gelegt wurde der jüngste Fall am 29. Februar in einem gründlich recherchierten vierseitigen Artikel der Tageszeitung „El Comercio“, dem wichtigsten Blatt Perus. Danach beschäftigte die „Bewegung Peru 2000“ im vergangenen November 400 Personen mit der Aufgabe Namen zu kopieren und Unterschriften zu fälschen, die dem Einschreibregister für die Gemeindewahlen von 1998 entnommen wurden. Direkt beteiligt sind nach den Recherchen von „El Comercio“ der zur Wiederwahl anstehende Abgeordnete Óscar Medelius, der ehemalige Landwirtschaftsminister Absalón Vásquez, jetzt für Peru 2000 auf dem ersten Listenplatz und Luis Navarrete, in der Kommunalpolitik der Hauptstadt Lima für die Gruppe „Vamos Vecinco“ aktiv, die ebenfalls gegenüber Fujimori linientreu ist.

Ausgerüstet mit den von El Comercio und Beobachterdelegationen – wie der aus dem Carter Center und dem Nationalen Demokratischen Institut zusammengesetzten – gelieferten Indizien reichte der Ombudsman Jorge Santistevan eine formelle Klage bei der Wahlbehörde ONPE ein. Diese versprach eine vollständige Ermittlung, doch ein für den Fall ernannter Staatsanwalt nahm die in Frage gestellten Wahllisten aus ihren Büroräumen mit. Funktionäre der Wahlbehörde und des Wahlrates erklärten daraufhin, sie brauchten nun nicht mehr zu ermitteln, da die Staatsanwaltschaft sich eingeschaltet habe.

Oppositionskandidaten und Wahlbeobachter äußern sich skeptisch über die Ergebnisse jedweder Ermittlung. Präsidentschaftskandidat Luis Castañeda Lossio, derzeit Dritter in den Umfragen, hält den Vorgang für ein Beispiel mehr, wie Fujimori und seine Verbündeten „die Verfassung mit den Füssen treten und außerhalb des Gesetzes stehen“. Auch wenn Eduardo Stein, früherer guatemaltekischer Außenminister und Missionschef der Wahlbeobachter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) von Problemen im Wahlprozess spricht, haben die Betrugsanklagen außerhalb Perus kaum Beachtung gefunden. Die Europäische Union und die USA forderten freie und saubere Wahlen, vermieden es aber, Fujimori offen zu kritisieren.

Peruanische Politologen wie Fernando Rospigliosi sehen einen Grund für diese Zurückhaltung in externen Problemen, insbesondere in der instabilen politischen Lage Ecuadors und der Bedrohung von Guerilla und Drogenhandel in Kolumbien. Nordamerikanische Politiker und Unternehmer schätzen Peru als eine Insel der Ruhe in den Anden.

Barry Levitt, der wichtigste politische Beobachter in der gemeinsamen Delegation des Carter Centers und des Nationalen Demokratischen Instituts, führt aus, die Fälschungen seien zwar offensichtlich, ihr Einfluss auf die Wahlkampagne aber schwer zu messen. Denn die Einschreibung von Peru 2000 wurde Ende Dezember formal vom Wahlrat akzeptiert. „Die größte Auswirkung wird politisch sein und von der Reaktion des breiten Publikums bestimmt werden“, meint Levitt.

Die Abgeordneten Fujimori bezeichnen die Anschuldigungen als einen verzweifelten Versuch der Opposition, die sich ihrer Niederlage gewiss sei. „Wir brauchen keine Unterschriften zu fälschen. „El Comercio“ hat das Gerücht aufgebracht, weil er sich gut mit den Oppositionskandidaten stellen will“, sagt die ehemalige Kongressvorsitzende Martha Chavez, eine der treuesten Verbündeten von Fujimori. Regierungsnahe Medien ihrerseits gingen sofort zu Attacken auf „El Comercio“ und den Ombudsman über. Die Mehrheit der acht Oppositionskandidaten hält Fujimoris erneute Ambition für verfassungswidrig. 1990 wurde der amtierende Präsident zum ersten Mal gewählt. Während seines Mandates löste er den Kongress auf und berief eine verfassungsgebende Versammlung ein. Die neue, 1993 per Referendum bestätigte Verfassung, erlaubt zwei aufeinander folgende Präsidentschaften. Im Jahr 1995 erfolgte die Wiederwahl Fujimoris mit 64 Prozent. Kurz darauf verabschiedeten seine Verbündeten im Kongress das sogenannte „Authentische Interpretationsgesetz“. Darin wird angeführt, dass Fujimori nur einmal unter der neuen Verfassung gewählt wurde und somit im Jahr 2000 erneut kandidieren darf.

Die Anklagen über eine Manipulation des Wahlkampfes bestehen seit Monaten, doch der Wahlrat hat bereits ein gutes Dutzend von Einwänden gegen die Kandidatur des Regierungschefs verworfen. Ein Vorwurf gegen Fujimori bezieht sich auf die Verwendung öffentlicher Gelder für den Wahlkampf. So gab die Regierung 1999 etwa 60 Millionen Dollar aus, um für ihre Politik zu werben. Die Kampagne „Peru: Land mit Zukunft“ benutzt das gleiche Design wie die „Bewegung Peru 2000“. Ebenso wird die Regierung beschuldigt, mit öffentlichen Geldern die wichtigsten Fernsehsender abzuhalten, die Regierungsvorstellungen der Opposition zu senden. Der Abgeordnete Rafael Rey, Kandidat der Bewegung „Avancemos“ für das Vizepräsidentenamt berichtet über vergebliche Versuche bei sechs Fernsehkanälen, trotz angebotener Vorauszahlung Spots unterzubringen – und dies, obwohl die meisten Sender Geldprobleme haben. „Der Druck kommt von anderer Seite“, schlussfolgert Rey. Erst nach wiederholten Beschwerden der Opposition öffneten sich einige Fernsehkanäle. Zum Teil bieten sie nun gratis Sendeplätze an, zum Teil verlangen sie aber auch das vierfache üblicher Tarife für Werbespots.

Trotz aller Kritik liegt Fujimori nach Meinungsumfragen immer noch vorne. Laut Datum Internacional unterstützen 37 Prozent der Wähler*innen den amtierenden Präsidenten, der Rest teilt seine Präferenzen unter den übrigen acht Kandidaten auf. Seit Januar hat Fujimori zwei Prozent an Zustimmung verloren. Wenn er am 9. April nicht die absolute Mehrheit erreicht, wird er sich im Juni einer Stichwahl mit dem zweitplazierten Kandidaten stellen müssen. Selbst wenn er diese gewinnen würde, verlöre ein nicht im ersten Urnengang siegreicher Fujimori nach Ansicht von Beoabachtern viel von Macht und Einfluss, die er derzeit genießt.

KOLUMBIEN

Verhandlungen erneut gefährdet – FARC gegen Plan Colombia

(Bogota, 15. März 2000, ac-Poonal).- Die Ablehnung der Guerilla- Organisation FARC gegenüber dem Regierungsvorhaben zur Drogenbekämpfung setzt ein Fragezeichen hinter weitere Friedensverhandlungen. Die FARC ist der Meinung, der sogenannte Plan Colombia verletzte die ersten Abkommen über die Substitution von Drogenpflanzungen. Nach Meinung der Guerilla gibt der Plan der Besprühung von Drogenpflanzungen absoluten Vorrang. Diese Besprühungen würden mit kriegsähnlichen Methoden durchgeführt und stünden im Widerspruch zum dritten gemeinsamen Kommuniqué vom 25. Januar 1999. Darin hatten die Verhandlungspartner festgehalten, dass eine der Prioritäten der Aufbau von Alternativen zu Drogenpflanzungen sein müsse. Die FARC sollte die Alternativmaßnahmen begleiten und unterstützen.

Vergangene Woche stellten der Direktor des Nationalen Planungsbüros, Mauricio Cardenas Santamaria, und der Regierungsbeauftragte Jaime Ruiz – zwei der Funktionäre, die wesentlich bei der Ausarbeitung des Plan Colombia mitwirkten – dessen Inhalt am Verhandlungstisch in der entmilitarisierten Zone vor. Die FARC zeigten sich von der Darlegung wenig überzeugt und unterstrichen ihre Bereitschaft, die Bevölkerung gegen militärische Aktionen, die mit der US-Hilfe und der Unterstützung anderer Nationen für den Plan Colombia durchgeführt würden, zu verteidigen. Ebenso bat die größte Guerillaorganisation des Landes die europäischen Länder, sich nicht an der für Juni in Spanien geplanten Geberkonferenz für Kolumbien zu beteiligen.

In Bezug auf die gemeinsame Europareise der Unterhändler der Regierung und der FARC hatte der offizielle Friedensbeauftragte Victor Ricardo noch betont, der Friedensprozess habe noch nie ein derartiges Vertrauen genossen wie jetzt. Doch die harsche Kritik der FARC am Plan Colombia sowie die umgehende Antwort von Präsident Pastrana, er werde das Thema „Staatspolitik“ nicht an den Verhandlungstisch bringen, zeigen, dass die Annäherungen bei wichtigen Themen minimal sind. Dies zeigte sich bereits bei der Diskussion über humanitäre Abkommen, die Bekämpfung der Paramilitärs und den Gefangenenaustausch. Diese Ereignisse können in gewisser Weise den zunehmenden Vertrauensverlust erklären, der in der Zivilgesellschaft gegenüber dem Friedensprozess besteht.

Viele Experten weisen darauf hin, dass das Interesse beider Seiten zwar darin bestehe, die Idee eines Prozesses aufrecht zu erhalten, jedoch nicht darin, tiefergehende Fortschritte zu erzielen. Das Misstrauen ist auch ein Ergebnis anderer Aktionen der Konfliktgegner. Beobachter meinen, dass die Regierung nicht von Frieden sprechen kann, wenn sie gleichzeitig ihren militärischen Apparat mittels einer diplomatischen Offensive im Ausland auszubauen versucht. Die FARC ihrerseits stellen die Entführungen nicht ein, was die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft zieht.

Im Bereich der Justiz sieht es ähnlich trostlos aus. Vergangenes Wochenende (11./12.3.) floh der Hauptmann Diego Fernando Rodriguez in aller Ruhe aus einem Militärgefängnis in Medellin. Er ist angeklagt, an der Ermordung des ehemaligen stellvertretenden Jugendministers Alex Lopera beteiligt gewesen zu sein. Bereits ein Jahr zuvor war Major David Hernandez Rojas, der in den gleichen Fall verwickelt ist, aus dem Gefängnis der 4. Brigade geflüchtet. Diese Ereignisse zeigen die Ineffizienz der Militärjustiz auf, in deren Verantwortungsbereich die Mehrzahl der Fälle von angeklagten Armee- und Polizeimitgliedern fällt. Wenn die Fälle nicht wegen Verjährung straffrei ausgehen, so können die Angeklagten stets fliehen. Andererseits hat die FARC auch ein Jahr nach der Ermordung von drei nordamerikanischen Umweltaktivist*innen noch keine Untersuchungsergebnisse bekannt gegeben.

BRASILIEN

Kirchen kritisieren politisches System ohne Ethik

(Brasilia, 13. März 2000, alc-Poonal).- Der Nationale Rat der Christlichen Kirchen Brasiliens (CONIC) hat in der Hauptstadt Brasilia die Solidaritätskampagne 2000 unter dem Motto „Menschliche Würde – Neues Jahrtausend ohne Ausschlüsse“ eröffnet. Seit die katholischen Bischöfe vor 37 Jahren mit der Solidaritätskampagne begannen, ist es das erste Mal, dass sie einen ökumenischen Charakter hat. Neben den Katholiken beteiligen sich Lutheraner und Anglikaner sowie Mitglieder zahlreicher weiterer christlicher Kirchen. Im Grundsatzdokument der Kampagne wird darauf hingewiesen, dass die sozialen Probleme im Land sich in den vergangenen fünf Jahren verschärft haben. Dafür sei jedoch kein Regierungschef im Besonderen verantwortlich zu machen, sondern alle Regierungen, die sich entschlossen hätten, „ein politisches und soziales System ohne ethische Bremsen“ durchzusetzen. Zur sozialen Schuld Brasiliens gehörten der Angriff auf die Menschenrechte und die Würde der Personen, die Versklavung von Arbeitern, die Kinderprostitution und die wachsende Zahl Obdachloser.

URUGUAY

Schildbürgerstreich Mega-Brücke

(Montevideo, 13. März 2000, comcosur-Poonal).- Die Megabrücke zwischen der uruguayischen Stadt Colonia und der argentinischen Metropole Buenos Aires ist zwar noch nicht gebaut, doch mächtige Unternehmergruppen und mit ihnen verbündete Politiker halten an dem Projekt fest. Auf der anderen Seite verstummt die Kritik an der Brücke über das Mündungsbecken des Rio de la Plata in keinster Weise. In der lateinamerikanischen Fachzeitschrift „Geosur“ hat jetzt der Ingenieur Manuel Carlos Giavedoni Pita auf ein Detail hingewiesen, das den geplanten Bau als Schildbürgerstreich erscheinen lässt.

So sehen die Pläne der beauftraten binationalen Kommission eine maximale Brückenhöhe von 60 Meter vor. Das wäre weder für große Containerschiffe noch für viele Speicherschiffe ausreichend. Der Hafen von Buenos Aires verlöre mit einem Schlag seine Bedeutung und ein Großteil der argentinischen Exportprodukte wären blockiert. Pita kritisiert ebenso die fehlende Planung im Hinblick auf die Transportinfrastruktur im Mercosur. Die Brücke sei, wenn überhaupt, an anderer Stelle sinnvoller.

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