Poonal Nr. 282

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 282 vom 20. März 1997

Inhalt


CHILE

PARAGUAY

URUGUAY

VENEZUELA

PERU

KUBA

GUATEMALA

MEXIKO

NICARAGUA

EL SALVADOR

ECUAD0R

(Quito, 4. März 1997, sem-Poonal).- Die althergebrachten

ARGENTINIEN

BRASILIEN


CHILE

Guerilla grüßt im Internet

(Montevideo, 7. März 1997, comcosur-Poonal).- Mauricio Hernández, einer der am 30. Dezember 1996 per Hubschrauber aus einem Hochsicherheitgefängnis geflüchteten vier Mitglieder der Guerillaorganisation „Patriotische Front Manuel Rodríguez grüßte seine ehemaligen Mithäftlinge über das Internet. In seiner Botschaft verkündete er: „So groß die Unterdrückung und die Sicherheitsmaßnahmen im Gefängnis auch sein mögen, der Freiheitswille und die Freiheitsliebe der Revolutionäre kann nicht gebeugt werden.“

PARAGUAY

Journalist*innen im Blickfeld

(Montevideo, 7. März 1997, comcosur-Poonal).- Die paraguayischen Journalist*innen fordern Sicherheitsgarantien bei ihrer Arbeit. Sie haben Angst, nachdem ein gescheiterter Plan bekannt wurde, den Korrespondent der Tageszeitung „ABC Color“ in Ciudad del Este zu ermorden. Verdächtigt wird ein ehemaliger Bürgermeister der Stadt, Aileo Mino Geret. Dieser wurde von der Polizei verhaftet, nachdem der Killer, der für 10.000 Dollar angeheuert worden sein soll, ein Geständnis ablegte. 1991 starb in Ciudad del Este der Journalist Santiago Leguizamón. Ihn brachte die einheimische Mafia um.

URUGUAY

Gefängnisaufstand von Jugendlichen

(Montevideo, 7. März 1997, comcosur-Poonal).- Bei einem Aufstand jugendlicher Häftlinge in dem Gefängnis „Miguelete“ gab es mehrere Verletzte. Die Polizei unterdrückte die Rebellion. Für die Jugendlichen ist die Nationalbehörde für Minderjährige verantwortlich. Der Vorfall brachte die Frage auf, wie die Haftanstalt für die Rehabilitation jugendlicher Straftäter geeignet sein soll, wenn sie zuvor wegen äußerst schlechter Bedingungen als Gefängnis für erwachsene Häftlinge von der Justiz geschlossen wurde.

Korruptionskritiker angeklagt

(Montevideo, 14. März 1997, comcosur-Poonal).- Dem Abgeordneten Leonardo Nicolini vom Linksbündnis Frente Amplio/Encuentro Progresista wird in diesen Tagen von seinen politischen Gegener*innen der Prozeß gemacht. Nicolini war einer der Hauptankläger im Fall der Unregelmäßigkeiten bei Verkaufsabschlüssen zwischen dem uruguayischen Staat und der spanischen Firma FOCOEX (Poonal berichtet in mehreren Nummern darüber; die Red.). Nun wollen die konservativen Regierungsparteien Partido Colorado und Partido Nacional ihn vom Parlament verurteilen lassen, „schwere“ Delikte gegen den uruguayischen Staat begangen zu haben. Dies wird sich schwerlich belegen lassen. Dennoch ist ein Tadel durch die Abgeordnetenmehrheit der Regierungskoalition so gut wie sicher. Dies ist vor allem auf den Druck um die Gruppe des ehemaligen Präsidenten Alberto Lacalle herum zurückzuführen. Lacalle hatte die Stabilität der Koalition aufs Spiel gesetzt, um eine Bestrafung Nicolinis durchzusetzen. Der linke Abgeordnete hatte Lacalles Regierung mehrfach der Korruption bezichtigt.

Militärs wollen Schweigen über Menschenrechtsverletzungen brechen

(Montevideo, 14. März 1997, comcosur-Poonal).- Das hartnäckige Schweigen von Regierung und Militär über das Verbleiben der Verschwundenen unter der uruguayischen Militärdiktatur (1976-1983) könnte aufbrechen. Hohe Militärs sollen bereit sein, eine abschließende Lösung zu dem Thema zu suchen. Unter der ersten zivilen Regierung nach der Diktatur entband ein Amnestiegesetz die Menschenrechtsverletzer unter den Militärs der strafrechtlichen Verantwortung. Gleichzeitig ordnete das Gesetz jedoch an, den Verbleib der erst verhafteten und dann verschwundenen Regimegegner*innen aufzuklären. Doch dieser Artikel 4 des Gesetzes wurde nie erfüllt. Der erste zivile Präsident Julio Sanguinetti, auch heute wieder im Amt, weigerte sich damals, die Nachforschungen aufzunehmen. Nun könnten ihn paradoxerweise die Militärs dazu bewegen. Nach einer in der Presse wiedergegebenen Quelle soll ein Teil von ihnen die Aufklärung „unabdingbar für die Versöhnung halten“. Allerdings haben diese Kreise gleichzeitig Bedingungen genannt: „Keine Identifizierung der direkt Verantwortlichen und der Schutz der Einheit der Streitkräfte.“

VENEZUELA

Journalist wegen Korruptionsenthüllungen verurteilt

(Montevideo, 7. März 1997, comcosur-Poonal).- „Wieviel kostet ein Richter?“ Diese Frage war der Titel eines Buches des Journalisten William Ojeda. In dem Buch greift Ojeda die Korruption der venezolanischen Gerichtsbarkeit an und nennt einige der Verantwortlichen. In einem Gerichtsverfahren, in dem er sich weigerte, seine Beschuldigung zurückzunehmen, verurteilte die Justiz ihn zu einem Jahr Gefängnis und löste damit eine große Polemik im Land und über dessen Grenzen hinaus aus. Bei Haftantritt wurde Ojeda von einigen tausend Personen begleitet, die das Urteil zurückwiesen und einen Gnadenerlaß durch den Präsidenten forderten. Inzwischen hat sich ein weltweites Unterstützungsnetz gebildet. Der Journalist weist die Angebote für politisches Asyl im Ausland zurück, denn „ich habe kein Verbrechen begangen, sondern ein tiefe Besorgnis über meine Gesellschaft empfunden“.

PERU

Keine Lösung des Geiseldramas in Sichtweite

Von Lucien O. Chauvin

(Lima, 13. März 1997, noticias aliadas-Poonal).- Drei Monate nach der Botschaftsbesetzung durch ein Aufstandskommando deutet alles darauf hin, daß die Geiselkrise noch länger dauern wird. Die Gespräche zwischen der peruanischen Regierung und den Rebell*innen der Revolutionären Bewegung Tupac Amaru (MRTA) sind an einem toten Punkt angelangt, auch wenn beide Seiten versichern, eine friedliche Lösung zu wollen. Die Gerüchte um den Tunnelbau (vgl. Poonal 281) waren stark genug, die Hoffnungen auf eine schnelle Einigung verschwinden zu lassen. Zudem gibt es keine Anzeichen dafür, daß das MRTA-Kommando politisches Asyl im Ausland akzeptieren könnte. Präsident Alberto Fujimori unternahm überraschende Reisen in die Dominikanische Republik und nach Kuba, um persönlich mit den Präsidenten dieser Länder diese Möglichkeit zu diskutieren (vgl. Poonal 280). Auch wenn die Rebell*innen sich mit der kubanischen Regierung identifizieren – sie haben die erfolgreiche Revolution von 1959 zum Vorbild – sagte Kommando- Anführer Nestor Cerpa, daß er an keinem politischen Asyl auf der Insel interessiert sei. „Bezüglich der Bereitschaft der kubanischen Regierung, uns aufzunehmen, halten wir es für richtig, dazu jetzt keine Stellung zu nehmen, damit unsere Worte nicht verdreht werden. Wir machen das aus Respekt gegenüber der kubanischen Regierung, dem Kommandanten Fidel Castro, seiner Revolution und seinem Volk“, erklärte Cerpa außerdem in einem Radiointerview mit einem ausländischen Medium.

Der Kontakt des Guerillaführers mit der ausländischen Presse sorgt für weiteren Wirbel. Am selben Tag, an dem Cerpa sich entschloß, nicht an den Gesprächen mit Regierungsvertreter Domingo Palermo teilzunehmen, rief letzter den Vorsitzenden der Vereinigung der Ausländischen Presse in Peru (APEP), Yves-Claude Llorca, an. Laut Llorca hat Palermo behauptet, daß Cerpa „von Leuten draußen beraten wird, einschließlich ausländischer Journalisten“. Am folgenden Tag verließ Miguel Real, Korrespondent des „World Television Network “ aus Großbritannien, das Land. Er gab Druck von Seiten des peruanischen Geheimdienstes und der Behörde zur Terrorismusbekämpfung (Dincote) an. „Ich fühle mich nicht sicher, um meine Arbeit wirksam weiterzumachen“, erklärte Real. Die Antiterrorismusgesetze in Peru erlauben den Sicherheitskräften, jede Person, die verdächtigt wird, die bewaffneten Gruppen – Revolutionäre Bewegung Tupac Amaru (MRTA) und Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad) – zu unterstützen, zu verhaften und 15 Tage den Kontakt mit der Außenwelt zu verwehren. Der britische Korrespondent sagte, ihm seien Informationen zugetragen worden, daß die Dincote ihn unter der Anklage „Rechtfertigung des Terrorismus“ festnehmen wollte. Eine Verurteilung aus diesem Grund bedeutet mindestens 20 Jahre Haft.

In einem Aufruf an die Presse anläßlich des Internationalen Frauentages am 8. März dementierte Nestor Cerpa Hilfe von außerhalb der japanischen Botschaft. „Wir benötigen von niemandem Beratung. Wir sind eine politisch-militärische Organisation und haben diese Aktion seit einem Jahr bis ins Detail vorbereitet“, versicherte er. Obwohl er sich am 9. März mit der Kommission der Garantinnen traf, um über die mögliche Neuaufnahme der Gespräche zu reden, herrscht in Lima der Eindruck vor, die Lösung der Krise sei wieder in weiter Ferne gerückt. Während die Regierung unermüdlich ihren Willen zu einer friedlichen Lösung bekundet, herrst unter Beobachter*innen doch Einigkeit, daß insbesondere die Streitkräfte eine militärische Lösung favorisieren. Zwar sind 57 Prozent der Peruaner*innen für einen gewaltlosen Ausweg, dennoch glaubt eine Mehrheit, daß der Tunnel existiert und eine militärische Operation anläuft. „Die Militärs wollen uns beweisen, daß sie tapfer sind. Sie halten sich für James Bond“, meint beispielsweise der Unternehmer Marco Saavedra aus Lima. Die Tageszeitung „Expreso“, die die Regierung bedingungslos unterstützt, äußerte anfangs Zweifel an der Existenz des Tunnels. In einem kürzlichen Kommentar schrieb sie nun, selbst wenn es ihn gäbe, so bestehe das Problem nicht in dem Plan, sondern darin, daß die Militärs dabei entdeckt wurden. Der Tunnel hätte die wirksamste Operation mit einer geringeren Anzahl von Opfern ermöglicht, glaubt „Expreso“. Die Geschäftsführerin einer Cafeteria nahe der besetzten Botschaft verfolgt das Geschehen dagegen aus ökonomischen Gründen interessiert. „Unsere Kunden sind sehr zurückhaltend und diese Situation hat sie ferngehalten. Wir mußten die Preise für Frühstück und Mittagessen für die Journalist*innen senken, die jetzt unsere einzigen Kunden sind. Uns hat das sehr geschadet und wir möchten, daß das endlich zu Ende geht.“

Solidarität mit Geiseln

(Lima, 17. März 1997, alc-Poonal).- In Peru nehmen drei Monate nach Beginn der Botschaftsbesetzung die Solidaritätsbekundungen mit den Geiseln der Revolutionären Bewegung Tupac Amaru (MRTA) zu. In Lima läuteten am 17. März die Kirchenglocken. Die Gespräche zwischen der Regierung und dem MRTA-Kommando sind aber nach wie vor suspendiert. Bildungsminister Palermo Domingo und RebellInneführer Nestor Cerpa haben sich jeweils getrennt mit der Kommission der Garanten getroffen, ohne daß dies Fortschritte gezeigt hätte. Die um den Diplomatensitz herum postierte Polizei verstärkt ihre Sicherheitsmaßnahmen. Für Unruhe sorgte ein Helikopter über der japanischen Botschaft. In Peru ist der Ruf nach einer friedlichen Lösung, die das Leben der Geiseln respektiert, nahezu einhellig.

KUBA

Vorbild für die Elfenbeinküste

(Havanna, 17. März 1997, prensa latina-Poonal).- Die Elfenbeinküste will sich in ihrem Land am kubanischen Gesundheitssystem orientieren. Dies erklärte ihr Gesundheitsminister Maurice Kakov während eines Aufenthaltes in Havanna. Vor allem das kubanische Modell der Erstversorgung vor Ort interessiert Kakov. Sein einheimischer Amtskollege Carlos Dotres drückte die Bereitschaft Kubas aus, das afrikanische Land bei dem Ziel, eine flächendeckende medizinische Hilfe in der Elfenbeinküste zu erreichen, zu unterstützen. Dort leben 13 Millionen Menschen. Doch es gibt nur 1.600 Ärzt*innen, von denen 60 Prozent in der Hauptstadt arbeiten. Auf tausend lebend geborene Kinder kommen 82 tote, die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt nur 45 Jahre. „Unser grundsätzliches Interesse für das Jahr 2000 besteht in der sanitären Vorsorge, dem Kampf gegen übertragebare Krankheiten und der Betreuung von Mutter und Kind. In diesen Aspekten ist Kuba ein Symbol“, so Kakov. Während seines mehrtägigen Kubabesuches will er das Konzept der Gemeindeärzt*innen und die entsprechenden Programme sowie die Gesamtorganisation des Gesundheitswesens kennenlernen.

Macho Castro

(Havanna, 17. März 1997, pulsar-Poonal).- Zum Jahrestag der Verabschiedung des Helms-Burton-Gesetzes forderte der kubanische Präsident Fidel Castro die USA heraus. Sie sollten doch ihre Truppen zu einem Kampf Mann gegen Mann schicken, so Castro. Er sei bereit, mit der Waffe in der Hand zu sterben. Kubanische Militärs überreichten dem Staatschef eine Liste mit mehr als 250.000 Unterschriften aktiver und nicht-aktiver Soldaten, die die Haltung bekräftigen, vor dem Druck des nordamerikanischen Präsidenten Bill Clinton nicht zu kapitulieren. Castro kritisierte in seiner Rede auch die Öffnung „unseres Schwesterstaates Rußland“ gegenüber dem Kapitalismus. „Die Waffen der Revolution und des Sozialismus werden nicht kampflos abgegeben“, sagte Castro. Gegenüber den kubanischen Kadern versicherte er, „unser Kampf- und Siegeswillen ist größer als der in diesen kriminellen Gesetzen“. Wenige Tage zuvor hatte Fidel Castro in klarer Anspielung auf Clintons Vorschlag, das politische System Kubas zu verändern, den Nordamerikaner*innen empfohlen, ihr Imperium auf den Müllplatz zu bringen.

GUATEMALA

Gewerkschaften mobilisieren gegen Privatisierungen

(Guatemala-Stadt, 11. März 1997, cerigua-Poonal).- Beim ersten größeren Protest gegen die unpopulären Wirtschaftsmaßnahmen der Regierung von Alvaro Arzú gingen am 7. März tausende Menschen auf die Straßen. Tage später schloß sich die katholische Kirche den Stimmen an, die eine Aufhebung des Privatisierungsprogrammes fordern. Vertreter*innen der regierenden Partei der Nationalen Vorhut (PAN) hatten vor dem Demonstrationsaufruf bezweifelt, daß die Gewerkschaften den zentralen Platz der Stadt vor dem Nationalpalast füllen könnten. „Wir werden in der Lage sein, die wirkliche Mobilisierungstärke und -Kraft der Gewerkschaften messen zu können“, so der PAN-Abgeordnete Jorge Mendez Herbruger. Die meisten Beobachter*innen sind der Meinung, daß die ArbeiterInnenbewegung – monatelang im Schlaf versunken – die Herausforderung angenommen hat. Der Demonstrationszug mobilisierte mehr als 10.000 Menschen: Gewerkschafter*innen, Student*innen, Hausfrauen, Campesinos und Strassenverkäufer*innen. Die Gewerkschaftsführer*innen äußerten sich überrascht von der Größe des Protestes.

President Arzú dagegen sprach von einer kleinen Gruppe Bürokraten, die unglücklich mit den jüngsten Reformen sei, weil sie zwinge, den ganzen Tag zu arbeiten. „Es ist nicht fair, daß die Leute keinen Zugang zu Dienstleistungen haben, weil der Staat dieser Faulenzertruppe durchziehen muß“, gebrauchte der Präsident starke Worte. Seit den Friedensabkommen vom 29. Dezember 1996 mit der Guerilla hat die PAN ihr Programm neoliberaler Reformen beschleunigt. Kritiker*innen sehen darin einen Grund für die starken Preiserhöhungen. Im Februar betrugen sie 2,33 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist das eine mehr als dreieinhalbmal höhere Inflationsrate. Der durchschnittlich in der Stadt gezahlte Monatslohn beträgt 890 Quetzales (148 US-Dollar). Viel zu wenig, wenn die 1.500 Quetzales (250 US-Dollar) zum Vergleich herangezogen werden, die das erzbischöfliche Büro in Guatemala- Stadt gerade erst als notwendiges Minimum für den Lebensunterhalt einer Familie genannt hat. Die Kirche warnt, der starke Verfall öffentlicher Leistungen, wachsende Arbeitslosigkeit und Kriminalität würden „ein gefährliches Klima sozialer Unregierbarkeit“ im Land schaffen.

Neuer Fall von Lynchjustiz

(San Raymundo, 8. März 1997, cerigua-Poonal).- Eine brutal vorgehende Menschenmenge in dem Dorf San Raymundo brachte am 5. März eine Frau um und verletzte eine weitere, weil sie sie beschuldigte, ein Baby rauben zu wollen. Etwa 300 Frauen und Männer holten Maria del Carmen Gonzalez Herrera und Elvia Caal Choc aus der Zelle einer Polizeistation und schlug sie mit Stöcken, Steinen und Zementblocks. Vier Polizisten, die versuchten, die Frauen zu schützen, wurden bei dem Vorfall verletzt, die meisten ihrer Kollegen flohen oder versteckten sich. Die Frauen selber hatten bei ihrer Verhaftung angegeben, nur um Geld für Getränke gebeten zu haben. Jetzt ist Gonzalez tot und Caal liegt im Krankenhaus.

Die örtlichen Behörden sagen, die Gewalt hätte vermieden werden können. Die Polizei gibt an, schon fünf Stunden vor dem Mord hätten sich die Menschen zusammengerottet. Man habe unverzüglich die Sofortige Einsatzkraft (FRI) in der nahen Hauptstadt angerufen, doch die Spezialtruppe ließ sich viel zu spät blicken. Journalist*innen aus Guatemala-Stadt waren dagegen schnell da und filmten den Totschlag. Das Innenministerium hatte die FRI an diesem Tag gegen Campesinos losgeschickt, die wegen Landstreitigkeiten protestierten. Beobachter*innen sehen die Untätigkeit der Regierung als einen Faktor an, der zu diesem und anderen Lynchfällen beigetragen hat. „Die Sicherheit der Bürger*innen liegt in der Verantwortung des Staates und besonders der Sicherheitskräfte, die zu diesem Zweck geschaffen wurden und nicht dafür, Demonstrationen gesellschaftlicher Unzufriedenheit zu unterdrücken“, so eine Stellungnahme der Organisation Familienangehöriger von Verhafteten und Verschwundenen in Guatemala (FAMDEGUA).

Manche spekulieren, die Totschläge könnten für die Regierung ein häßliches aber nützliches Ventil für die Wut und Frustration der Bevölkerung gegenüber der um sich greifenden Kriminalität darstellen. Aufgebrachte Menschenmengen haben im Zuge der Lynchjustiz seit Januar 1995 mindestens 31 Menschen umgebracht und 75 verletzt. Wie die Bundesstaatsanwaltschaft zugibt, ist dafür keine einzige Person verhaftet worden. „Die Leute gucken nicht, wer dafür [das Ausmaß der Kriminalität] verantwortlich zu machen ist, sondern wer dafür bezahlen könnte“, schreibt der Kommentator Oscar Clemente Marraquin, der die Lynchjustiz als „feiges und willkürliches“ Töten verurteilt.

MEXIKO

Weitere Opfer im Krieg niedriger Intensität

(Chiapas, 18. März 1997, Poonal).- Das Menschenrechtszentrum Bartolomé de Las Casas in San Cristóbal zählte allein in den ersten beiden Märzwochen 15 tote Zivilpersonen bei verschiedenen gewalttätigen Zusammenstößen in Chiapas. Überwiegend starben sie im Norden des Bundesstaates. Allein am vergangenen Wochenende kamen fünf Menschen um. Ein Konflikt wurde ausgelöst, als Anhänger der Regierungspartei PRI Mitglieder der oppositionellen PRD unter der Beschuldigung angriffen, mit den Zapatist*innen zu sympathisieren. In mehreren Fällen gibt die Polizei an, von Campesinos angegriffen worden zu sein. Der mexikanische Journalist Hermann Bellinghausen schreibt dagegen am 18. März in „La Jornada“: „In wenigen Wochen haben sich drei den staatlichen Sicherheitskräften gelegte 'Hinterhalte' in Wirklichkeit als Angriffe von Polizisten gegen Campesinos herausgestellt.“

Neuer Rückschlag für Regierungspartei

(Mexiko-Stadt, 18. März 1997, Poonal).- Bei den Kommunal- und Parlamentswahlen im Bundesstaat Morelos erlitt die regierende Revolutionäre Institutionelle Partei (PRI) wie bei anderen Wahlen in den vergangenen Monaten Verluste, deren Höhe nicht erwartet wurde. Die PRI, die in der Heimat des Revolutionshelden Emiliano Zapata stets weit über 50 Prozent der Stimmen bekam, liegt diesmal deutlich unter 40 Prozent. Wahrscheinlich hat sie die drei größten Städte des Bundesstaates an die Opposition verloren. Allerdings könnte sie etwas mehr als die Hälfte der 33 Landkreisregierungen von Morelos behalten. Unter Umständen kann die PRI sogar von einer Wahlrechtsreform, die sie und die konservative Partei der Nationalen Aktion (PAN) gegen die linke Partei der Demokratischen Revolution (PRD) verabschiedeten, profitieren. Die Reform ermöglicht unter bestimmten Bedingungen der stärksten Partei die absolute Mehrheit im Parlament selbst dann, wenn sie nur ein gutes Drittel aller Stimmen bekommt. Am Dienstag war jedoch noch nicht ausgeschlossen, daß vielleicht sogar die PRD stärkste Partei in dem Bundesstaat geworden ist. Für die PRD ist das Ergebnis so oder so ein großer Erfolg. Sie wird statt einem nun mindestes zwölf Landkreise regieren und verzeichnet in den letzten Monaten eine ständige Aufwärtstendenz. Die PAN, die lange Zeit die einzige realistische Option auf eine bundesweise Ablösung der PRI zu haben schien, schnitt dagegen auf einem für sie unbefriedigenden dritten Platz ab. Die Partei kann sich mit dem fast sicheren Gewinn von Bundesstaatshauptstadt Cuernavaca trösten. Morelos ist einer der kleinsten mexikanischen Bundesstaaten. Das Augenmerk auf die Wahlen war dennoch sehr gross. Als erste Bundesstaatswahlen in diesem Jahr und gleichzeitig letzte Wahlen vor der Abstimmung über die Zusammensetzung des Bundesparlaments und über die Regierung von Mexiko-Stadt galten sie als wichtiges Stimmungsbarometer. Weiteres Gewicht bekommt Morelos durch die gemeinsame Grenze mit dem Hauptstadtdistrikt. Dieser ist nach den Oppostionserfolgen im ebenfalls angrenzenden Bundesstaat Mexiko nun innerhalb kurzer Zeit mit einem Gürtel von Kommunen umgeben worden, die von PAN und PRD beherrscht werden.

Jesuiten und Indigena-Führer freigelassen

(Mexiko-Stadt, 14. März 1997, pulsar-Poonal).- Die am 8. März bei Palenque verhafteten zwei Jesuiten und zwei Indígena-Führer sind auf richterliche Anordnung hin freigelassen worden. Sie wurden der Anstiftung zum Mord bei einem Hinterhalt auf die Polizei, des Waffenbesitzes und weiterer Delikte angeklagt. Jetzt mußten sie wegen Mangel an Beweisen und starken öffentlichen Drucks freigelassen werden. Die katholische Kirche hatte mit einer landesweiten Mobilisierung gedroht. Bei den sozialen Organisationen und der Opposition wurde die Freilassung einhellig begrüßt.

NICARAGUA

Erfolg für StudentInnen

(Managua, 14. März 1997, pulsar-Poonal).- Das nicaraguanische Parlament verabschiedete gegen den Willen der Regierung von Arnoldo Alemán ein Gesetz, das sechs Prozent des Staatshaushaltes für die Universitäten bestimmt. Die Abstimmung fiel mit 47 zu 46 Stimmen denkbar knapp aus. Das Ergebnis wurde möglich, weil außer der gesamten Opposition auch der 24jährige Student Franciso Ramos vom Regierungsbündnis Liberale Allianz für den Gesetzentwurf stimmte. Während der Abstimmung demonstrierten mehrere hundert Student*innen vor dem Parlamentsgebäude lautstark für den Entwurf. Es handelt sich um die erste Niederlage der Regierung im Parlament. Sie verfügt dort über 42 eigene Abgeordnete gegenüber 36 Sandinist*innen und 15 unabhängigen Parlamentarier*innen. Der Universitätshaushalt erreicht 37 Millionen Dollar.

EL SALVADOR

Verhaltener Jubel bei der FMLN – Salvadoreanische Ex-Guerilla

erringt bedeutende Wahlerfolge

(Mexiko-Stadt, 18. März 1997, Poonal).- Die günstigen Wahlprognosen im Vorfeld haben sich für die ehemalige salvadoreanische Guerilla der Nationalen Befreiungsfront Farabundi Martí (FMLN) zum Teil erfüllt. Trotz der Dienstag immer noch andauernden Stimmenauszählung steht fest, daß die FMLN bei den Kommunal- und Parlamentswahlen vom vergangenen Sonntag das Rennen um das Bürgermeisteramt in der Hauptstadt San Salvador deutlich für sich entschieden hat. Auch in anderen wichtigen Städten und Landkreisen liegt die Ex-Guerilla klar vorn. Statt wie zuvor nur ein Dutzend der 262 Kommunen wird die linke Partei nun mindestens 50 davon regieren. Bezüglich der Sitzverteilung im nationalen Parlament ist Spannung bis zur Auszählung fast der allerletzten Stimme gesichert. Die Regierungspartei Republikanisch- Nationalistisches Bündnis (ARENA) und die FMLN lagen am Dienstag mit einem Stimmenanteil von 35 Prozent so gut wie gleichauf. Damit ist eine eigenständige Mehrheit einer der beiden Seiten in dem 84köpfigen Parlament ausgeschlossen. Letzte Berechnungen ergaben je Block 29 Sitze. Sowohl die Partei der Nationalen Versöhnung (PCN) mit voraussichtlich zehn Sitzen und die Christdemokraten (PDC) mit erwarteten acht Sitzen bekommen durch ihr Koalitionspotential so mehr Bedeutung als die sieben, acht Prozent für sie aussagen. Die übrigen acht Parlamentsplätze werden sich wahrscheinlich vier weitere Parteien aufteilen, darunter die Demokratische Konvergenz (CD) und 9ie MU, die mit der FMLN ein Bündnis eingegangen sind. Die Demokratische Partei (PD), immer weiter nach rechts abgedriftete Abspaltung der ehemaligen Guerilla, ist von den Wählerinnen bestraft worden. Sie wird mit weniger als einem Prozent der Stimmen kaum den Sprung ins Parlament schaffen. Klar ist: Kleine, sich wahrscheinlich noch ergebende Änderungen bei der Sitzverteilung können für die Mehrheitsverhältinisse grosse Auswirkungen haben.

Nicht nur diese Unsicherheit hat den Jubel innerhalb der FMLN trotz ihres grossen Fortschritts relativ verhalten klingen lassen. Es gibt mehrere Faktoren, die dies begründen. Die 60 Prozent Wahlenthaltung unter den potentiell 2,6 Millionen Wählern sind eine höhere Ziffer als bei den Kommunal- und Parlamentswahlen drei Jahre zuvor. Die ersten Schätzungen gehen davon aus, daß damals gut 230.000 Menschen mehr abstimmten. Sie waren in der grossen Mehrheit ARENA-Anhänger, die diesmal zuhause blieben. In absoluten Zahlen dürfte die FMLN ihr Wählerpotential gehalten haben, mehr nicht. Zudem hatte es zeitweise so ausgesehen, als könnte sie einen überwältigenden Wahlsieg mit noch mehr Bürgermeisterämtern auf kommunaler Ebene erringen und im Parlament aus eigener Kraft eine Mehrheit bilden. Da, wo die FMLN und mit ihr verbündete kleinere Parteien gewannen, wird das Regieren nicht leicht sein. Das beste Beispiel ist die Hauptstadt San Salvador. Dort gewann Héctor Silva gegen den amtierenden ARENA-Bürgermeister Mario Valiente. Silva wird es mit einer immer noch starken ARENA- Parteistruktur, einer ARENA-Stadtverwaltung, einem in der Hauptstadt amtierenden ARENA-Präsidenten und einer seiner Partei wahrlich nicht freundlich gesinnten Unternehmerschaft zu tun haben. Ganz zu schweigen von Alltagsproblemen wie dem, die wachsenden Müllberge von San Salvador entsorgen zu müssen oder sich der Kriminalität stellen zu müssen. Ausreichende Elemente, Schwierigkeiten zu prophezeien. Die ARENA, einst immerhin als Partei der Todesschwadronen berüchtigt, hat in diesen Tagen ihre Niederlagen trotz aller Entschuldigungen erstaunlich offen eingestanden und dem dem früheren politischen Todfeind sogar gratuliert. Vielleicht vertraut sie darauf, die FMLN werde sich, einmal in wichtigen Machtpositionen, schnell verbrauchen. Es liegt an der ehemaligen Guerilla, das Gegenteil zu beweisen.

ECUAD0R

Frauen haben in der Politik weiterhin wenig zu sagen

Von Consuelo Albornoz

(Quito, 4. März 1997, sem-Poonal).- Die althergebrachten

Auffassungen, die die Frauen auf den Rang von Jungfrauen oder

Prostitutierten, Heilige oder Denkerinnen reduzieren, fanden ihren

Höhepunkt und stärksten Ausdruck im jüngsten Streit um Politik und Verfassung. Der Vorfall zeigte die doppelte gesellschaftliche Moral, um die Frauen mit öffentlichen politischen Aktivitäten zu verurteilen, aber auch die Zersplitterung und schwache Identität der Frauenbewegung, die noch nicht vollständig zu einem gesellschaftlichen Faktor geworden ist. Was beim Politiker als „Verhandlungskapazität“ und „Kampf zur Erreichung seiner Ideale“ angesehen wird, gilt bei den Politikerinnen als „verschlagen“ und „krankhafter Darstellungsdrang“. Diese Dichotomie kam durch die gescheiterten Versuche der Vizepräsidentin Rosalía Arteaga wieder zum Vorschein, die nach der Absetzung von Präsident Abdalá Bucaram druch das Parlament am 6. Februar dessen Nachfolge antreten wollte.

Alles begann mit der Wahlkampagne 1996, als die 41jährige Arteaga, die sich selbst als „eine Frau mit Genus -Bewußtsein“ bezeichnete, den Sieg von Bucaram ermöglichte. Diesen nannte die Fempresskorrespondentin Alexandra Ayala „den Stereotyp des ecuadoreanischen Machos, unfähig, die Bezugspunkte des Machismo in Frage zu stellen“. Aufgrund dieser Eigenschaften schwächte die Figur von Arteaga das autoritäre und aggressive Profil von Bucaram ab und förderte die Akzeptanz unter breiten Teilen der Mittelschicht, insbesondere bei Frauen und Intellektüllen. So triumphierte das Zweigespann Bucaram-Arteaga mit seinem politischen Motto „die Kraft der Armen“ über den sozialchristlichen Jaime Nebot und den Karrierediplomaten Diego Cordovez. Rosalía Arteaga wurde die erste Ecuadoreanerin in den 167 Jahren der Existenz dieser Republik, die die Vizepräsidentschaft übernahm. Am 10. August des vergangenen Jahres, als Präsident und Vizepräsidentin ihre Ämter antraten, waren die Gerüchte über ein distanziertes Verhältnis der beiden und der sie unterstützenden Gruppen allerdings weit verbreitet. Grund: Die Verteilung von Machtposten.

Während der kaum sechs Monate Amtszeit von Bucaram wollte die Regierungspartei die Verfassungsartikel über die Amtsnachfolge bei endgültiger Abwesenheit des Präsidenten klarer formulieren. Die Parlamentsmehrheit, darunter Fabián Alarcón, der heutige Interimspräsident, weigerte sich jedoch. Einige Gruppen glauben, die Nachfolgefrage in den Händen des Kongresses zu lassen, kam sowohl dem Parlament wie der Regierung entgegen. Das Verfassungsvakuum erlaubte es den Abgeordneten, Rosalía Arteaga das Recht auf das höchste Staatsamt zu verwehren. diese Entscheidung ist der Kern einer Debatte, in der jetzt darüber diskutiert wird, wie schwer es wog, daß Arteaga eine Frau ist. Desweiteren wird darüber diskutiert, ob die Absetzung Bucarams nicht Arteaga hätte einschließen müssen. Diejenigen, die nicht dieser Meinung sind, verweisen auf die Akzeptanz, die Arteaga bei mehr als 90 Prozent der Wähler*innen hatte. Eine Ende Februar von der Hauptstadt-Tageszeitung „Hoy“ veröffentlichte Umfrage zeigte, daß 95 Prozent der Befragten sich dafür aussprachen, daß Arteaga ihr Amt bis zum Jahr 2000 behält und nicht, wie vom Kongreß vorgesehen, nur bis 1998. Die Historikerin und Professorin Patricia de la Torre, die sich kritisch gegenüber der Vizepräsident zeigt, gibt zu, daß deren Frausein Einfluß hatte, sie nicht an die Stelle Bucarams zu setzen. Sie argumentiert aber auch, „wenn [ihr] per Tradition die Nachfolge zustand, so nicht wegen Legitimität“. Arteaga sei Teil des Zweigespanns gewesen und „so verseucht wie er“. Ihr politisches Verhalten „hat sich nicht von dem der Männer unterschieden und sie war eine Gegenspielerin mehr. Ihre Kontrahenten sahen sie nicht als Frau. Sie behandelten sie schlecht, aber sie hielt das aus, war nicht direkt und beteiligte sich an dem selben schmutzigen Spiel wie sie. Sie war genauso Komplizin von Bucaram wie jeder andere auch. Sie paktierte mit ihm und zog genauso Nutzen daraus wie die Leute aus dem Parlament.“

Alexandra Ayala dagegen versichert, daß „Rosalía Arteaga tatsächlich die Nachfolge zu 90 Prozent vereitelt wurde, weil sie eine Frau ist. 20 Prozent trug sie mit ihrem persönlichen Verhalten dazu bei. Ich glaube, daß sie nicht mehr und nicht weniger ehrgeizig ist wie jeder Mann, aber ihr Ehrgeiz stach hervor, weil sie eine Frau ist. Es stimmt aber auch, daß ihr zweideutiges Verhalten an der Macht entscheidend dafür war, sie nicht zur Präsidentin zu machen.“ Die Journalistin glaubt allerdings ganz sicher, „falls anstelle von Rosalía ein Mann gewesen wäre, wäre die Hartnäckigkeit, die Macht zu behalten, grösser gewesen“. Ayala sieht die Notwendigkeit für die Frauenbewegung, eine gründliche Debatte über die Frauenbeteiligung in der öffentlichen Politik zu beginnen: „Wir Frauen sind sehr kritisch mit den übrigen Frauen, vielleicht, weil wir nicht daran gewohnt sind, sie auf hohen Posten zu sehen.“

Die Anwältin Guadalupe León, Vorsitzende des Ständigen Forums der Ecuadoreanischen Frau, ist überzeugt, „wir neigen dazu, uns eher die Legitimation zu entziehen, uns härter zu beurteilen und uns leichter zu desqualifizieren, weil wir verinnerlicht haben, daß die Autorität männlich ist. Darum verlangen wir von einer weiblichen Autorität Perfektion und das ist menschlich nicht möglich, denn wir alle können Fehler begehen.“ León hatte dabei eine entscheidende Rolle, die Chancen einer spezifisch weiblichen öffentlichen Politik auszuloten, die sich von der traditionellen unterscheidet. „Das wird nur in dem Masse möglich sein, in dem die Frauenbewegung eine Akteurin mit eigener Identität wird“, sagt sie. Andernfalls „werden wir von Frauen in der Politik sprechen, die aber sich aber nicht notwendigerweise mujeres verpflichtet fühlen, eine andere Politik zu machen.“ Guadalupe León war als Teil der „Quote“ von Rosalía Arrteaga Kabinettsmitglied in der vorherigen Regierung. Sie meint, daß die Gesellschaft von den Frauen ein anderes Verhalten erwartet. Aber, wenn sie sich beteiligen, befinden sie sich im selben Spiel. Das macht es schwierig, daß sie sich auszeichnen. In diesem Sinne macht sie dieselbe Art von Politik wie die der Männer verletztlicher.

Frauen besitzen in Ecuador seit 1929 das Wahlrecht. Ab der Rückkehr zur Demokratie 1979 nach anderthalb Jahrzehnten Militärdiktaturen wurde die politische Beteiligung der Frauen nach und nach sichtbarer. Dennoch war keine einzige Frau Präsidentschaftskandidatin, keine einzige Mitglied des Obersten Gerichtshofes oder Vorsitzende des Parlaments. Dagegen gibt es weibliche Abgeordnete, Ministerinnen und Bürgermeisterinnen. Rosalía Arteaga ist bisher die einzige Ecuadoreanerin gewesen, die ein so hohes Amt wie das der Vizepräsidentin erreichte und zudem – wenn auch nur drei Tage lang – mit der Präsidentschaft beauftragt war. Sonia Palón, Mitglied der nationalen Leitung der Politischen Koordination der Ecuadoreanischen Frauen, meint bezüglich des Verhältnisse von Ex-Präsident und Arteaga: „Ich glaube nicht, daß Bucaram einen Vizepräsidenten so behandelt hätte. Er wäre deutlicher und klarer gewesen. Ich glaube, da sie eine Frau war, konnte Bucaram Arteaga anfangs leichter etwas vormachen, ihr einen politischen Darstellungsraum und Macht anbieten, die sie tatsächlich nie hatte. Ich glaube, damit wurde eine Schwäche in der Machtausübung geboren, die mit dem aktuellen Resultat endete. Die Ökonomin und linke Aktivistin sieht die grosse momentante Herausforderung darain, „zu erreichen, daß die Frauen, die politische Führungsposten übernehmen, solider der Amtsausübung sind. Das bedeutet, daß sie über eine soziale Basis verfügen, die sie unterstützt und einen Rechenschaftsbericht von ihnen fordert.“

Jaime Breith, Experte in Genus-Themen, macht einen Unterschied zwischen dem Kampf der Frauen in kollektiver Hinsicht und dem, der aus individueller Perspektive geführt wird, wie dem von „Frauen in Vorreiterrollen in der jüngeren Geschichte““. Auf Arteaga gemünzt, erklärt Breith, daß „die Tatsache, Frau zu sein, bei niemand eine korrekte Genus-Position oder eine wirkliche Verkörperung der Bewegung gegen die Ungleichheit garantiert“. Von diesem Standpunkt ausgehend, beschuldigt der Wissenschaftler Rosalía Arteaga, „sich hinter dem Genus-Diskurs verschanzt zu haben, um zu versuchen, das nicht zu rechtfertigende zu rechtfertigen“. Er klagt sie des Versuchs an, sich als weibliches Opfer des Machismo darzustellen, wo sie selber „ein Beispiel des Machismo mit Röcken“ sei, „mit unmässiger Machtgier und Machtwillen“.

Vom Verhalten Arteaga abgesehen, hat die jüngste politische Krise in Ecuador Frauen, ob organisiert oder nicht, in der Rolle von Protagonistinnen gehabt. Darin zeigt sich nach Ansicht einiger befragter Expertinnen das Aussmaß des Fortschrittes, den die Frauen bezüglich ihrer Rechte auf politische Beteiligung trotz noch lückenhafter Organisation gemacht haben. Die Politische Koordination der Frauen hat an die neue Regierung von Präsident Alarcón Forderungen gestellt. Darunter befindet sich die, ein BürgerInnenkomitee gegen die Korruption zu schaffen, das Kontrollmechanismen untersucht und einführt, die im Korruptionsfall zum Widerruf des Mandates führen. Die Frauenkoordination hofft, daß bei den Wahlen 1998 viele Frauen in der politischen Entwicklung intervenieren.

ARGENTINIEN

Filmfestival über Menschenrechte

(Montevideo, 7. März 1997, comcosur-Poonal).- Die Organisation Großmütter der Plaza de Mayo, die Universität von La Plata und andere Einrichtungen haben das Erste Film- und Videofestival über Menschenrechte angekündigt. Es ist für den 20. bis 23. März vorgesehen. Zugelassen sind Filmbeiträge, die nach dem 1. Januar 1994 gedreht wurden. Beschränkungen bezüglich Dokumentation oder Fiktion, Produktionsort oder Nationalität der Autor*innen gibt es nicht. Das Festival beruft sich auf eine Resolution der Vereinten Nationen. Darin heißt es: „Jeder Mann, jede Frau, jedes Mädchen, jeder Junge, muß sich aller seiner Menschenrechte, seiner bürgerlichen, kulturellen, wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rechte bewußt sein, um sein volles menschliches Potential ausschöpfen zu können.“

Millionen Obdachlose

(Buenos Aires, 17. März 1997, pulsar-Poonal).- Bis zum Beginn dieses Jahrzehnts waren die Obdachlosen in der argentinischen Hauptstadt fast immer alleinstehende alte Menschen, Alkoholiker*innen oder psychisch Kranke. Heute ist ihr Profil weitaus vielfältiger. Es handelt sich um immer jüngere Leute, oft zwischen 30 und 40 Jahren, Beruftstätige, Aids-Kranke, Drogenabhängige, Arbeitslose jeden Alters, Rentner*innen, Ausländer*innen ohne Papiere, ganze Familien. Es gibt Personen mit einer Arbeit darunter, aber ihr Lohn ist so niedrig, daß die Wohnungskosten damit nicht abgedeckt werden können. Er reicht nur für Essen und Kleidung. Die Statistiken verzeichnen für 1989, dem ersten Amtsjahr von Präsident Carlos Menem, die Zahl von 2.400 Obdachlosen in Buenos Aires, für 1996 bereits 12.000. Die wirkliche Zahl dürfte noch um ein Vielfaches höher liegen.

Vor einem Jahrzehnt waren diejenigen ohne Dach über dem Kopf Menschen, die ihre Wohnungen aufgrund persönlicher Probleme verliessen. Heute handelt es sich um ein gesellschaftliches Problem. In ganz Argentinien wird die Zahl der Familien auf der Straße auf drei Millionen geschätzt. Von den Personen, die durch die Strassen der Hauptstadt irren, ist bekannt, daß ein großer Teil der Mittelklasse angehörte, die Tag für Tag weniger Geld in ihren Taschen hat. Noch vor kurzem sah sich der Caritas- Vorsitzende Bischof Rafael Rey Kritik von der Regierung ausgesetzt. Er hatte öffentlich gemacht, daß innerhalb von drei Jahren die Zahl der minderjährigen Bedürftigen, die in Caritaskantinen Essen erhalten, von 50.000 auf 400.000 angestiegen ist.

BRASILIEN

Roman von Frei Betto

(Montevideo, 7. März 1997, comcosur-Poonal).- Das Leben Jesu wird das Hauptthema eines neuen Romans von Frei Betto sein. Der 52jährige Dominikanerpater, derzeit Berater der Bewegung derer ohne Land (MST), hat bereits einen Bestseller geschrieben, der in 30 Sprachen übersetzt wurde und eine verkaufte Auflage von etwa zwei Millionen Exemplaren vorweisen kann: „Fidel und die Religion“. Der linke Priester, einer der Hauptvertreter der Theoligie der Befreiung und von der Hierachie des Vatikan mit wenig Sympathie betrachtet, arbeitete Ende der 60er Jahre mit der Guerillabewegung Nationale Befreiende Aktion zusammen. Er verbrachte deswegen mehrer Jahre in Haft.

Asyl für MST-Mitglied

(Montevideo, 7. März 1997, comcosur-Poonal).- Die Bewegung derer

ohne Land wird für ihr Führungsmitglied José Rainha um politisches Asyl bitten. Gegen Rainha besteht ein Haftbefehl der Justizbehörden von San Pablo. Er wird zusammen mit vier weiteren Personen beschuldigt, die Besetzung von Privatgrundstücken durch Campesinos anzustacheln. Die Justizmaßnahme wird von vielen als ein rein politisch motivierter Akt bezeichnet. Sie fällt zusammen mit der Freilassung von fünf Angestellten einer Hacienda, die verhaftet wurden, nachdem sie auf eine Gruppe von Campesinos geschossen hatten. Am selben Tag, für den der Prozeß gegen Rainha vorgesehen ist, soll dieser den Preis der Stiftung König Balduin von Belgien wegen seines Kampfes für eine Landreform verliehen bekommen.

CC BY-SA 4.0 Poonal Nr. 282 von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.

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