(2. Januar 2019, Diálogo Chino).- Vier neue Umweltminister*innen sind in den letzten Monaten in den Ländern der Amazonasregion ernannt worden. Diese Region beherbergt den größten tropischen Regenwald der Welt. Doch durch die extreme Abholzung ist die weltweit größte Sauerstoffreserve gefährdet.
Brasilien: Gemeinsame Sache mit der Agrarindustrie
Der neue brasilianische Umweltminister Ricardo Salles wurde als letzter der 22 Minister*innen von Präsident Jair Bolsonaro ernannt, der am 1. Januar dieses Jahres sein Amt antrat. Einer der ersten Kommentare von Salles nach seiner Ernennung bezog sich auf den Klimawandel: „Die Diskussion darüber, ob es eine Erderwärmung gibt oder nicht, ist zweitrangig.“ Wichtiger sind ihm die Vereinfachung der Umweltgenehmigungen, die Verringerung der Steuerlast für landwirtschaftliche Produzent*innen und die Steigerung der Effizienz seines Ministeriums. Er verspricht auch, den Privatbesitz vor den sozialen Bewegungen und ethnischen Gemeinden zu schützen. Indigene Gruppen werden wohl am stärksten unter den Entscheidungen Salles leiden, denn auch Bolsonaro hatte bereits angekündigt, dass er dem Bergbau nun auch den Weg auf indigene Territorien ebnen werde.
Die Ernennung von Salles wurde wohlwollend bei den großen Agrar-Produzent*innen aufgenommen, der Umweltsektor reagierte hingegen mit Entsetzen. Nicht nur wegen seiner politischen Positionen, sondern auch wegen des extrem sensiblen Zeitpunktes seiner Ernennung: Zwischen August und Oktober des vergangenen Jahres hat die Abholzung des Amazonasgebietes laut Daten des Nationalen Instituts für Weltraumforschung (Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais) um knapp 49 Prozent zugenommen. Für das einzige Aufatmen bei den Umweltschützer*innen hat die Nachricht gesorgt, dass der zukünftige Minister nicht gedenkt, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen auszusteigen. Dennoch, als klar war, wer der neue Umweltminister ist, hat sich das ein oder andere Nackenhaar aufgestellt: Salles stammt aus einer Anwaltsfamilie und ist schon länger in der Politik aktiv. 2010 bezeichnete er sich stolz als einzigen offenen Rechten in der politischen Landschaft Brasiliens. Er gründete eine Organisation (Movimento Endireita Brasil) mit der Absicht, Brasilien politisch weiter nach rechts zu rücken und bezeichnete die Wahrheitskommission zur Aufarbeitung der Militärdiktatur als „Rachekommission“. Er verteidigt das Militärregime und ist gegen gleichgeschlechtliche Ehen und das Recht auf Abtreibung. Er wurde von der Generalstaatsanwaltschaft wegen Unregelmäßigkeiten und vorsätzlicher Umweltschädigung im Rahmen des Plans für das Naturschutzgebiet Várzea do Rio Tietê angeklagt. Ein Richter verurteilte ihn zudem wegen administrativer Unregelmäßigkeiten, was für Bolsonaro, der sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben hat, problematisch werden könnte.
Kolumbien: Ein Minister mit langjähriger Erfahrung
Der kolumbianische Umweltminister Ricardo Lozano ist seit August 2018 im Amt. Zwei Jahre nach Abschluss des historischen Friedensvertrags von 2016 zwischen der ehemaligen Guerilla FARC und der kolumbianischen Regierung beginnt die Abholzung nun auch in den Territorien, die von der ehemaligen FARC-Guerilla kontrolliert wurden.
Lozano ist Geologe und der erste Umweltminister mit langjähriger Erfahrung in diesem Sektor. Er wurde als Leiter des Meteorologischen Instituts Ideam bekannt. Unter seiner Führung wurde 2012 ein Überwachungssystem der Waldbestände aufgebaut, das auch ein öffentliches Frühwarnsystem hinsichtlich der Abholzung beinhaltet. Genau das stellt nun seine größte Herausforderung dar, denn jährlich werden in Kolumbien knapp 220.000 Hektar Wald abgeholzt. Gleichzeitig fördert die Regierung unter Iván Duque den Ausbau des großen Agrarsektors und lehnt darüber hinaus den Friedensvertrag mit den FARC ab.
Lozanos Ernennung wurde wohlwollend von der Umweltbewegung aufgenommen. Er hat sich im Laufe seines Arbeitslebens mit wichtigen Umweltthemen wie dem Klimawandel, der Wasserverteilung und der Risikobewertung auseinandergesetzt. So produziert Kolumbien nur wenig Treibhausgase, ist aber stark von den Auswirkungen des Klimawandels in Form von Überschwemmungen und Erdrutschen betroffen. Er steht nun vor der Herausforderung zu verdeutlichen, dass diese Probleme sich durch viele Bereiche ziehen: „Die Abholzung ist weder ein Problem des Umweltministeriums noch das eines einzelnen Ministers, sondern des ganzen Staates“, hat Lozano mehrfach erklärt.
Ecuador: Ein Minister aus dem Erdölsektor
Marcelo Mata Guerrero ist erst vor wenigen Wochen – im Rahmen der Kabinettsumstrukturierung durch den Präsidenten Lenín Moreno – zum Umweltminister ernannt worden. Diese Ernennung löste große Besorgnis bei den Menschen aus, die in und von der Amazonasregion leben, denn er kommt aus dem Erdölsektor. Mata Guerrero ist Anwalt und war der Verantwortliche für Umwelt bei der Ölfirma Repsol Ecuador und Berater für Umwelt- und Sozialfragen der staatlichen Ölfirma Petroecuador. Er arbeitete auch im Erdöl- und Bergbauminister, wo er Direktor für Umweltschutz und Koordinator für gesellschaftliche Partizipation und für Beziehungen zu Gemeinden war. Seine Ernennung hat harte Kritik im Umweltsektor hervorgerufen, denn in seinem bisherigen Werdegang habe er immer im Interesse des Neo-Extraktivismus´ und nicht im Sinne der Umwelt gehandelt. Vor allem wird seine Arbeitsbeziehung zu zwei Unternehmen kritisiert, die im Nationalpark Yasuní im Amazonasgebiet Erdöl fördern. Ein Thema, das die ecuadorianische Gesellschaft gespalten hat. „Es ist inakzeptabel, dass an der Spitze des Umweltministeriums ein ehemaliger Funktionär der ersten Ölfirma steht, die diesen Nationalpark ausgebeutet hat; den Nationalpark mit der höchsten Biodiversität im ganzen Land, wo Völker freiwillig isoliert leben“, sagte Elizabeth Bravo von der Ökologische Aktion (Acción Ecológica), einer der bekanntesten Umwelt-NGOs des Landes. Und sie fügte hinzu: „Er war auch im Politikbetrieb im Bereich des Bergbaus mit dabei. Deswegen fürchten die ecuadorianischen Umweltbewegungen, dass seine Ernennung dazu führen kann, die Durchführung von Bergbauprojekten in sensiblen Ökosystemen zu erleichtern.“
Peru: Geregelter Holzhandel
Fabiola Muñoz Dodero hat ihren Ministerposten gemeinsam mit dem neuen Präsidenten Martín Vizcarra im April 2018 angetreten, nachdem sie ein Jahrzehnt im Wald- und Forstbereich gearbeitet hatte. Die Anwältin leitete die letzten vier Jahre den Nationalen Dienst für Waldbestand und Wildtiere Serfor (Servicio Nacional Forestal y de Fauna Silvestre), der dem Landwirtschaftsministerium untergeordnet ist. Einen wichtigen Teil in ihrem Arbeitsleben nimmt der Kampf gegen illegale Abholzung ein, die den Amazonas und andere Ökosysteme in Peru stark dezimiert. Bei Serfor hatte sie sich auf Abholzung und illegalen Holzhandel spezialisiert und ist dem Nationalen Pakt für Legales Holz beigetreten. Ziel dieses Paktes ist es, dass bis 2021 alle Hölzer, die vermarktet werden, aus legalem Abbau stammen und verifiziert sind. Als Umweltministerin konzentriert sie sich auf den illegalen Bergbau und die Abholzung und legt ihren Schwerpunkt auf Alternativen für die betroffenen Gemeinden: „Wir müssen anerkennen, dass wir für gewöhnlich nicht so effizient sind, um Bedingungen dafür zu schaffen, dass legale Unterfangen günstiger und schneller sind als illegale“, sagte Muñoz Dodero im April 2018.
In jedem Fall hat die Regierung unter Präsident Vizcarra eine Ministerin gesucht, die auch Brücken zum Privatsektor schlägt: „Wir brauchen eine Umweltministerin, die versteht, dass der beste Weg, um die Umwelt zu schützen, der ist, Investitionen ins Land zu holen, aber auf verantwortliche Art und Weise für den Sektor, den sie übernehmen wird“, sagte Premierminister César Villanueva, nachdem er sie zur Umweltministerin ernannt hatte. Hier kann es hilfreich sein, dass Muñoz Dodero schon bei der peruanischen Filiale des britischen Unternehmens Anglo American als Leiterin des Bereichs „Beziehungen zu den Gemeinden“ gearbeitet hat. Anglo American beutet die Kupfermine Quellaveco aus.
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