Poonal Nr. 427

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 427 vom 7. April 2000

Inhalt


MEXIKO

GUATEMALA

EL SALVADOR

NICARAGUA

COSTA RICA

KOLUMBIEN

BRASILIEN

ARGENTINIEN

LATEINAMERIKA

ECUADOR

CHILE

VENEZUELA

URUGUAY

PARAGUAY


MEXIKO

Nachfolger für Bischof Ruiz in Chiapas

(Mexiko-Stadt, 2. April 2000, Poonal).- Der Vatikan hat eine Entscheidung getroffen. Zum 1. Mai soll Bischof Felipe Arizmendi Esquivel den aus Altersgründen ausscheidenden Samuel Ruiz an der Spitze der Diözese von San Cristobal de las Casas im Bundesstaat Chiapas ablösen. Der 59jährige Arizmendi war bisher Bischof der Nachbardiözese Tapachula. Nachdem Ruiz logischer Nachfolger, Weihbischof Raul Vera, vor wenigen Wochen überraschend als Bischof in die Diözese Saltillo im Norden des Landes weggelobt wurde, war die Personalentscheidung aus Rom mit Spannung erwartet worden.

Für die Anhänger des scheidenden Bischofs stellte Vera eine Garantie dar, die stark sozialpolitisch engagierte und oft regierungskritische Pastoralarbeit in San Cristobal fortzusetzen. Sie befürchteten das Schlimmste, als der Weihbischof nicht für die Nachfolge berücksichtigt wurde. Nun drücken die meisten vorsichtigen Optimismus aus. Arizmendi wird ein wesentlich formalerer Stil als Ruiz zugeschrieben und er ist sicherlich ein Stück konservativer. Er gehört aber nicht zum sogenannten „Club of Rome“, einer Gruppe von reaktionären Bischöfen, aus deren Reihen ebenfalls Kandidaten für die Diözese San Cristobal genannt wurden. Auch wird ihm zugetraut, gegenüber der mexikanischen Regierung eine unabhängige Position zu bewahren.

Vielfach wird die Vertrautheit mit dem Bundesstaat Chiapas als ein wesentlicher Pluspunkt für die neue Aufgabe von Arizmendi angeführt. Den Ideen der aufständischen Zapatisten steht er wesentlich distanzierter gegenüber als sein Vorgänger, doch hat er sich auf verschiedenen Ebenen für eine friedliche Lösung des Konfliktes eingesetzt und auch Vermittlerdienste angeboten. Ruiz selbst äußerte öffentlich seine „Freude“ über die Entscheidung des Papstes. Arizmendi erklärte, die Arbeit von Ruiz fortführen zu wollen, merkte aber gleichzeitig an: „Wir sind alle unterschiedlich und haben verschiedene Begabungen.“

Freihandel: Mehr Arbeit und geringere Bezahlung für die Frauen

Von Cecilia Navarro

(Mexiko-Stadt, April 2000, fempress-Poonal).- Mit dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) zwischen Mexiko, den USA und Kanada hat eine größere Anzahl Mexikanerinnen im Maquila- und Dienstleistungssektor Arbeit bekommen. Doch die Arbeitsbedingungen haben sich verschlechtert, wie aus dem UNIFEM- Bericht „Der Einfluss von NAFTA auf die weibliche Arbeitskraft in Mexiko“ hervorgeht.

Demzufolge hat in den am schlechtesten bezahlten Bereichen die Anzahl der beschäftigten Frauen zugenommen. Zwar verdrängten vorrübergehend die Männer aufgrund der Wirtschaftskrise von 1994 bis 1996 in einigen als „traditionell weiblich“ angesehenen Branchen wie der Textilindustrie die Frauen, doch seit 1997 ist diese Situation rückläufig.

Das Dokument von UNIFEM verdeutlicht, dass die Frauen, die in der Maquila- Industrie für den Export arbeiten, weit unter dem Mindestlohn liegen. Im landwirtschaftlichen Bereich ist die Beschäftigungsrate von Frauen gestiegen, vor allem in der Agroindustrie. Derzeit gibt es etwa 1,2 Millionen Tagelöhnerinnen, die unter den schlimmsten Arbeitsbedingungen im Akkord Exportprodukte ernten. Das bedeutet keine Lohnnebenleistungen, keine feste Beschäftigung, zusammengepferchtes Wohnen ohne Möglichkeit auf einen festen Wohnsitz, Bezahlung oft unter dem Mindestlohn bei nicht vergüteten Überstunden. In den bäuerlichen Familien, die selbst anbauen, verrichten die Frauen häufig bis zu drei Viertel der Arbeiten und bekommen überhaupt keinen Entgelt.

Antonieta Barrón, Elena Cardero und Eugenia Gómez, die Verfasserinnen des Berichtes, schreiben, dass „die Realität in mehr Beschäftigung besteht, die von niedrigen Löhnen und schlimmmeren Arbeitsbedingungen begleitet wird.“ Die Behörden seien aufgefordert, diese Situation zu überprüfen. Nur die Chancengleichheit beim Zugang zur Bildung und ein gerechterer juristischer Rahmen könnten die Tendenz umkehren.

GUATEMALA

Gewerkschaften gegen Drogenbekämpfung durch die USA

(Guatemala-Stadt, 4. April 2000, cerigua-Poonal).- Die christdemokratisch orientierte Allgemeine Arbeiterzentrale Guatemalas (CGT), einem von mehreren Gewerkschaftsdachverbänden, ist gegen die US-Präsenz im Land zur Drogenbekämpfung. Derzeit befindet sich eine Gesetzesinitiative im Parlament, die den US-Truppen weitgehendere Vollmachten in Guatemala verleihen soll.

CGT-Generalsekretär José Pinzón weist daruf hin, dass die USA Guatemala bei der Drogenbekämpfung helfen könnten, ohne die Souveränität des Landes zu verletzen. Der Vorschlag US-Truppen zuzulassen, kommt seiner Meinung nach einer „legalisierten Invasion“ gleich. Er äußert die Vermutung, der Gesetzentwurf sei die Gegenleistung der Regierung für Unterstützung von der US-Botschaft.

Spekulationen über zeitweises Exil von Rigoberta Menchu

(Guatemala-Stadt, 2. April 2000, pulsar-Poonal).- Nachdem in Spanien die Anklage gegen führende Vertreter früherer guatemaltekischer Militärdiktaturen zugelassen wurde, fürchtet die Hauptklägerin und Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú in ihrem Heimatland offenbar um ihr Leben. Der Vorsitzende der Menchú- Stiftung schloss ein zeitweises Exil von Menchú nicht aus. „Sie haben ihr gesagt, Vaterlandsverrat werde mit dem Leben bezahlt und wenn diese Drohungen von völkermordenden Militärs kommen, sind sie ernst zu nehmen“, so Gustavo Meoño.

Aufgrund der Klage in Spanien bereitet die guatemaltekische Justiz derzeit ein Verfahren wegen Vaterlandsverrat gegen Menchu und ihre Mitarbeiter vor. In der Anklage wirft der Anwalt Julio Cintrón Gálvez Menchu vor, sie begünstige einen neuen spanischen Kolonialismus in Guatemala. Gálvez ist als Verteidiger der Militärs gegen den Vorwurf von Menschenrechtsverletzungen bekannt. Die guatemaltekische Staatsanwaltschaft will unterdessen prüfen, ob sie den aktuellen Parlamentspräsidenten und ehemaligen Diktator Efraín Ríos Montt anklagt. Anlass wäre der konkrete Fall eines Massakers in dem Ort Dos Erres in der Provinz Peten am 7. Dezember 1982. Die Möglichkeit, dass das Parlament, das ihn mit der Regierungsmehrheit zum Vorsitzenden wählte, Montt die Immunität entzieht, ist jedoch mehr als unwahrscheinlich.

EL SALVADOR

Präsident will von Jesuitenmorden nichts wissen

(San Salvador, 30. März 2000, pulsar-Poonal).- Präsident Francisco Flores sträubt sich weiterhin, Ermittlungen und Verfahren gegen Ex-Präsident Alfredo Cristiani und sechs frühere Militärchefs wieder aufzunehmen. Ihnen wird die Verantwortung für den Mord an sechs Jesuitenpatern und zwei Hausangestellten im Jahr 1989 zugeschrieben. Flores, der der rechten ARENA-Partei angehört, begründet seine Weigerung damit, eine Neuaufnahme des Falls würde den Versuch scheitern lassen, aus El Salvador ein neues Land zu machen und könne den Prozess der nationalen Versöhnung stoppen. Zudem müssten dann Tausende Fälle von im Bürgerkrieg umgekommenen Personen wieder aufgerollt werden.

Die Jesuiten, die in San Salvador die Zentralamerikanische Universität (UCA) leiten, haben vor einigen Tagen einen neuen Vorstoß für einen Prozess gegen Cristiani, vier Generäle und zwei Oberste gefordert. UCA-Rektor José María Tojeira hat angekündigt, notfalls bis zum Obersten Gerichtshof des Landes zu gehen. Er erwähnte auch die Möglichkeit, dass die Familienangehörigen der ermordeten Jesuiten spanischer Herkunft auf internationaler Ebene Prozesse initiieren könnten. Dennoch wolle man im Land selbst alle legalen Möglichkeiten ausschöpfen. Dies sei ein Beitrag zur Stärkung des Justizsystems und könne helfen, die Streitkräfte zu reinigen.

NICARAGUA

Somoza-Sohn sagt Heimkehr ab

(Managua, 30. März 2000, pulsar-Poonal).- Anastasio Somoza Portocarrero, Ex- Oberst und Sohn des langjährigen nicaraguanischen Diktators Anastasio Somoza Debayle, hat eine Erklärung abgegeben, nicht in das Land zurückkehren zu wollen. Er verstehe, dass dies den Wiederbeginn der Gewalt bedeuten würde. Tage zuvor hatte die Führung der rechtsextremen Liberalnationalistischen Partei (PLN) verkündet, Somoza Portocarrero werde definitiv wieder in Nicaragua wohnen und für das Präsidentenamt antreten. Die PLN stand mehr als 40 Jahre lang unter der Herrschaft des Somoza-Clans, bis die Familie mit dem Sieg der sandinistischen Revolution 1979 außer Landes floh. Die Rückkehr des Diktatorsohnes stieß selbst beim rechten Präsidenten Arnoldo Aleman auf Ablehnung. Sandinistenchef Daniel Ortega drohte sogar mit bewaffnetem Vorgehen gegen Somoza Portocarrero.

COSTA RICA

Etappensieg gegen Privatisierungen

(San Jose, 3. April 2000, pulsar-Poonal).- Präsident Miguel Ángel Rodríguez will seine Initiative zur Privatisierung des Telekommunikations- und Stromsektors für 60 Tage aus dem Kongress zurückziehen. Das ist die Konsequenz aus wochenlangen Protesten der Bevölkerung gegen seine Absichten. Die immer heftigeren Demonstrationen werden als die wichtigsten der vergangenen 20 Jahre angesehen und bedeuten eine schwere Krise für die Regierung. In der vergangenen Woche gingen etwa 100.000 Menschen gegen Rodríguez auf die Straße. Jetzt soll eine unabhängige Verhandlungskommission die Vorschläge oppositioneller Gruppen prüfen. Die Ankündigung des Präsidenten reichte aber nicht aus, Gewerkschaften, Studentenorganisationen und andere Gruppen dazu zu bewegen, ihre Proteste nieder zu legen. Für die Regierung kommen die Demonstrationen wenig passend: ab dem 5. April versammeln sich in San Jose der brasilianische Staatschef und alle mittelamerikanischen Kollegen.

Schärfere Bestimmungen zur sexuellen Belästigung vorgesehen

(San Jose, April 2000, fempress-Poonal).- Fünf Jahre nachdem das Gesetzes zu sexueller Belästigung verabschiedet worden ist, arbeitet die Frauenkommission des Parlaments eine Reihe von Reformen aus. Sie sollen den Frauen eine bessere legale Handhabe bieten. Zu den Vorschlägen gehört es, auch Beamteund Politiker wegen sexueller Belästigung anklagen und bestrafen zu können. Am Arbeitsplatz wird die sexuelle Belästigung nicht für das Verhältnis Chef und untergeordnete Person geregelt, sondern auch im umgekehrten Sinn (die abhängig beschäftigte Person, die den Vorgesetzen belästigt) und unter Arbeitskollegen. Die Ausführungen zu sexueller Belästigung im Arbeits- und Lehrbereich sollen zudem exakter gefasst werden.

KOLUMBIEN

Neue Guerilla-Offensiven

(Bogota, 3. April 2000, pulsar-Poonal).- Die beiden wichtigsten Guerilla- Organisationen des Landes, die FARC und die ELN, führen seit einigen Tagen wieder verstärkte militärische Offensiven durch. Dabei operierte die ELN zur Überraschung der offiziellen Streitkräfte in Gebieten, die traditionell unter der Kontrolle der FARC stehen. Ob dahinter Absprachen zwischen den Aufständischen stehen, ist bisher unbekannt.

BRASILIEN

Kirchliche Kritik an Monumentalkreuz

(Brasilien, 30. März 2000, alc-Poonal).- Ein gigantisches Kreuz aus rostfreiem Stahl, das von der Bundesregierung in Auftrag gegeben wurde, soll in der Pataxo- Gemeinde Coroa Vermelha eingeweiht werden. Dort kamen vor 500 Jahren die von Pedro Alvares Cabral geführten Portugiesen an. Das Kreuz von 17 Meter Höhe und fünf Metern Breite wird mit seinen 1.500 Kilo Gewicht auf einem 60 Tonnen schweren Granitsockel ruhen, der die Farben der brasilianischen Flagge – Grün, Gelb und Blau – trägt.

Präsident Fernando Henrique Cardoso selbst will das Werk des Bildhauers Mario Cravo am 26. April enthüllen, wenn sich der Tag der portugiesischen Ankunft zum fünfhundersten Mal jährt. Erwartet werden ebenfalls der portugiesische Präsident und der spanische König. Paulo Maldos, Berater des Indigena-Missionsrates (CIMI) der katholischen Kirche kritisiert das Monumentalwerk inmitten der Armut, die die Pataxo im extremen Süden des Bundesstaates Bahia erleben. Das Werk bekräftige die Besetzung und den Besitz des Indigena-Territoriums durch die Invasoren, so Maldos. Der Staat habe sich des Christuskreuzes bemächtigt und es für seine Zwecke deformiert. Der Berater des CIMI klagt die Regierung ebenfalls an, die katholischen Bischöfe kooptieren zu wollen.

ARGENTINIEN

Menschen lehnen Militärgerichtsbarkeit ab

(Buenos Aires, 3. April 2000, pulsar-Poonal).- Verschiedene Gesellschaftsgruppen haben die Absicht des Obersten Gerichtes der Streitkräfte kritisiert, sich in die Verfahren wegen Kindesaneignungen unter der Diktatur einzuschalten. Nach Vorstellung der Militärs sollen dort die Prozesse gegen angeklagte Mitglieder der Streitkräfte verhandelt werden. Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Regierung von Fernando de la Rua an, weil sie dem Bestreben der Streitkräfte kein schnelles Ende setzt.

Selbst Ex-Armeechef Martin Balza hat sich deutlich gegen den Vorstoß seiner Kollegen ausgesprochen. Er sei strikt dagegen, die Kompetenz der Bundesjustiz in Frage zu stellen, erklärte er. „Es scheint, die Geschichte wiederholt sich, als ob nichts passiert sei. Und es sind viele und schwerwiegende Dinge passiert“, so Balza, der sich als praktisch einziger hochrangiger argentinischer Militär selbstkritisch über die Rolle der Streitkräfte während der Diktatur von 1976 bis 1983 geäußert hat.

LATEINAMERIKA

Sojakriege: Lasche Gesetzgebung und Schmuggel erlauben die Einführung von

genmanipuliertem Saatgut

(Lima, März 2000, na/ips-Poonal).- Der Schmuggel von genmanipuliertem Soja- Saatgut aus den USA und Argentinien könnte desaströse Folgen für die landwirtschaftlichen Produzenten der Region haben, versichern die Experten. Verschärfend kommt ihrer Meinung nach hinzu, dass die diesbezügliche Gesetzgebung schwach ist und dass Gesetze, die genmanipulierten Anbau verbieten, nicht respektiert werden. Die wichtigsten transgenetischen Anbaupflanzen sind neben Soja Tomaten, Kartoffeln, Tabak, Baumwolle und Mais. Resistent gegen Plagen, werden sie von multinationalen Konzernen – vor allem Monsanto und dem Schweizer Unternehmen Novartis – entwickelt und verkauft.

Der brasilianische Ökonom Sebastiao Pinheiro warnt vor dem Schmuggel von genetisch modifiziertem Saatgut in sein Land. Auch wenn Brasilien offiziell von genmanipuliertem Anbau frei geblieben ist, so ist es für das Land schwierig, dies für seine Produkte wirklich zu garantieren. Brasilien ist mit jährlich etwa 30 Millionen Tonnen der zweitgrößte Soja-Produzent der Welt. Während mit Argentinien und den USA die zwei anderen großen Soja-Produzenten dem genmanipulierten Saatgut den Weg frei gemacht haben, hält Brasilien die Erlaubnis noch zurück.

In den USA ist die Aussaat transgenetischer Produkte üblich. Allerdings handelt es sich bei der Hälfte der Ernte immer noch um konventionelles Soja. Das ist eine ausreichende Menge, um die Märkte zu versorgen, die aus Furcht vor bisher unbekannten Schäden genmanipuliertes Soja ablehnen. Der Vorteil der USA ist ein relativ vertrauenswürdiges Zertifikationssystem, glaubt Mariana Paoli, die in Brasilien in der Greenpeace-Kampagne zur Genmanipulation aktiv ist.

Die Expertenkommission des brasilianischen Wissenschaftsministeriums zur Biosicherheit sprach sich im Mai 1999 bereits für den allgemeinen Gebrauch der Soja-Samen „Roundup Ready“ des Monsantokonzerns aus. Dieses genmanipulierte Saatgut produziert Pflanzen, die gegen das Herbizid Roundup resistent sind. Doch Ende Juni 1999 untersagte ein brasilianischer Richter dem multinationalen Konzern, das Saatgut auf den Markt zu bringen. Erst müsse eine Studie über die Umwelteinwirkungen vorgelegt werden.

Auch das brasilianische Landwirtschaftsministerium hegt angesichts der Widerstände der wichtigsten Märkte in Europa und Asien seine Zweifel über die Vorteile des genmanipulierten Soja. Doch laut Jose Hermetto Hoffman, Landwirtschaftsminister im Bundesstaat Rio Grande do Sul, gibt es seit zwei Jahren einen regen Schmuggelhandel mit Saatgut, das aus Argentinien kommt. Dagegen meint Ivo Carraro von einem Forschungsinstitut im Bundesstaat Parana, es gebe keine Information über geheime Pflanzungen. Das Problem beschränke sich auf Rio Grande do Sul. Er besteht darauf, der Schmuggel sei zum Stillstand gekommen. Das mit genmanipuliertem Soja bepflanzte Gebiet – es wird auf eine Fläche von 700.000 bis 1 Million Hektar geschätzt – habe seinen Ursprung in reproduziertem Saatgut, das vor drei Jahren importiert wurde.

Aber große Sorge herrscht ebenfalls bezüglich der mehr als 600 experimentellen Projekte mit genetisch modifizierten Organismen, die die erwähnte Kommission des Wissenschaftsministeriums gebilligt hat. Die unbekannten Auswirkungen der Biotechnologie auf die Landwirtschaft und die menschliche Gesundheit haben Umweltschützer und Konsumenten alarmiert. Konsumentengruppen aus Europa und Amerika verlangen die Kennzeichnung aller genmanipulierten Produkte. Sie fürchten Allergien als mögliche Folgen des Verzehrs von Lebensmitteln, die Gene anderer Pflanzen oder Tiere enthalten.

Im Januar kamen Repräsentanten aus 130 Ländern im kanadischen Montreal zusammen und einigten sich auf ein beispielloses Abkommen über Biosicherheit. Damit soll Handhabung, Transport und Vermarktung der genmanipulierten Produkte geregelt werden. Das entsprechende Protokoll soll im Mai in Nairobi, Kenia, unterzeichnet werden. Damit es in Kraft tritt, muss es allerdings von mindestens 50 Nationen unterschrieben werden.

Argentinien, dessen Agroindustrie von den transgenetischen Anpflanzungen abhängt, führt die Opposition gegen strikte Kontrollen der Biotechnologie an. Etwa 80 Prozent des argentinischen Sojas stammen aus genmanipuliertem Saatgut und weltweit hat das Land den höchsten Anteil an modifizierten Samen. „Die Landwirte nahmen das neue Saatgut massiv an, weil es ihnen eine Kostenreduzierung von mehr als 20 Prozent erlaubte“, erklärt Elsa Kelly, argentinische Delegierte an dem Treffen in Montreal.

Die sogenannte Miami-Gruppe, der Argentinien, Australien, Kanada, Chile, Uruguay und die USA angehören, unterstützt die Biotechnologie und beanstandete während des Treffens, die Kritiker würden versuchen, einige Länder zu begünstigen. Sie verwiesen auf die Europäische Union, die die landwirtschaftlichen Produkte subventioniert. Dagegen sprach sich ein Block von 74 Entwicklungsländern, die gegen die Pflanzungen mit manipuliertem Saatgut sind, für striktere Kontrollen aus.

In Ecuador geriet der Schwarzhandel Anfang des Jahres zum Thema. Etwa 50 Umweltschützer und Landwirte stoppten ein Schiff aus den USA, bevor es im Hafen von Guayaquil anlegen konnte. So wollten sie verhindern, dass 30.000 Tonnen genmanipuliertes Soja entladen wurde. Weitere Umweltschützer, die vom Menschenrechtsbeauftragten Hernán Ulloa und einem Richter zur Hafenkommandatur begleitet wurden, erreichten bei den Hafenbehörden, dass diese dem Boot die Anlegeerlaubnis verweigerten. Die ecuadorianische Verfassung von 1997 verpflichtet den Kongress oder die Regierung, zuerst ein Ergänzungsgesetz zu verabschieden, bevor irgendein genmanipulierter Organismus in das Land kommen darf.

Das Schiff konnte schließlich in den Hafen einfahren und am 10. Januar ausladen. Doch das Saatgut bleibt bis zu einer richterlichen Entscheidung im Hafen. Die Umweltgruppe „Ökologische Aktion“ erwartet ein Verbot, die Samen zu verteilen. „Wir hoffen, dass es keine Korruption gibt und das Gesetz erfüllt wird“, sagt seinerseits Jorge Loor von der Nationalen Bauernkoordination. Die Zeitschrift „Tribuna del Consumidor“ warnte bereits vor einigen Monaten über unerkannt ins Land gebrachte genmanipulierte Produkte wegen fehlender Auszeichnung. „Obwohl Ecuador wenig Soja importiert, kommen 80 Prozent davon aus Argentinien und niemand kann bisher versichern, dass es nicht genmanipuliert ist“, erklärt die Biologin Elizabeth Bravo von der Ökologischen Aktion.

ECUADOR

Einführung des Dollar hat begonnen

(Quito, 3. April 2000, pulsar-Poonal).- Seit dem Wochenende zirkuliert in den wichtigsten ecuadorianischen Städten neben der einheimischen Währung Sucre der Dollar. An den Geldautomaten der Banken gibt es nur noch Dollar. Große Geschäfte und Supermarktketten nehmen beide Währungen entgegen. Damit hat die von Regierung und Parlament gegen den Widerstand breiter Bevölkerungsteile begonnene Dollarisierung der Wirtschaft begonnen. Auf den Märkten und auf dem Land ist allerdings nach wie vor der Sucre die bestimmende Geldeinheit. Indigenas und Bauern weigern sich vielfach, Dollar für ihre Produkte entgegen zu nehmen. Die Zentralbank des Landes will mit einer Informations- und Bildungskampagne die Opposition zur neuen Währung brechen. Auf Spanisch und Quéchua sollen die Ecuadorianer von den Vorteilen der Dollarisierung überzeugt werden.

„Die Falle der Dollarisierung“ – Interview mit Alberto Acosta

(Quito, März 2000, na-Poonal).- Eine der letzten Maßnahmen der Regierung von Präsident Jamil Mahuad (1998-2000), die im Januar nach dem Aufstand der Indigenas abgesetzt wurde, war die Dollarisierung der Wirtschaft. Für die einheimische Sucre-Währung wurde gegenüber dem Dollar ein Wechselkursverhältnis von 1:25.000 festgelegt. Das Parlament stimmte dem Plan am 1. März zu. Im Interview mit Luis Ángel Saavedra erwähnt der ecuadorianische Ökonom Alberto Acosta die wichtigsten Punkte seiner bald erscheinenden Veröffentlichung „Die Falle der Dollarisierung“.

Warum hat Mahuad die Dollarisierung beschlossen?

Aus politischen Gründen. Mahuad sah in der Dollarisierung eine Art Wundermittel, um seinen Sturz zu verhindern. Tatsächlich half ihm das, noch zehn Tage zu überleben, als er im Grunde schon aus dem Haus geworfen war. Es existierten auch wirtschaftliche Gründe, aber nicht nur die des Präsidenten Mahuad, sondern der herrschenden Eliten. Sie gestanden mit der Dollarisierung öffentlich ihre Unfähigkeit ein, eine eigene Wirtschaftspolitik aufrecht zu erhalten.

Beschleunigt das die neoliberale Entwicklung in Ecuador?

Eine Niederlage beziehungsweise die Unfähigkeit der Eliten offenbarend, wird daraus eine Falle für die unteren Volksschichten. Denn durch die angeblich magische Lösung der Dollarisierung soll das neoliberale Modell verwurzelt, die Privatisierung des Öls, der Elektrizität, des Telefonwesens und der Sozialversicherung voran gebracht werden. Einher geht damit eine Flexibilisierung der Arbeit, was bedeutet, Arbeit unsicherer zu machen und die gesellschaftlichen Kräfte zu schwächen. Außerdem wird die Abhängigkeit der ecuadorianischen Wirtschaft von den USA im Handelsbereich radikalisiert. Wir werden ein neuer nordamerikanischer Markt, annektiert ohne irgendwelche Kosten für sie (die USA).

Und Ecuador im lateinamerikanischen Kontext?

Wir sind erneut an den Rand gedrängt und zeigen den Entwicklungen der horizontalen Integration die kalte Schulter. Es wird gesagt, Ecuador werde den Integrationsprozess in den US-Markt beschleunigen, wohin sich auch die anderen Länder der Region orientieren. Aber statt einen lateinamerikanischen Block zu bilden, um mit besseren Kräfteverhältnissen gegenüber den USA verhandeln zu können, verzichten wir auf jegliche gleichberechtigte, symmetrische Verhandlung, indem wir auf unsere Währung verzichten. Als die Aussetzung der Zahlung der Auslandsschuld, der Brady-Bonds und danach der Euro-Bonds verkündet wurde, da glaubten wir einen Momentlang , es könne eine neue Etappe bei der Verhandlung der Auslandsschuld auf lateinamerikanischer Ebene beginnen. Nichts davon wird jedoch geschehen, Ecuador bleibt aufgrund der Dollarisierung weiterhin ein Schlusslicht in diesem Prozess.

Wer profitiert davon?

Die wichtigsten Nutznießer sind die Importeure, nachdem die derzeitige Depression überwunden worden ist. Ebenso können bestimmte Personengruppen ausgemacht werden, die sich für die Produktion einsetzen, obwohl sie in Wirklichkeit Warenschmuggler und keine Produzenten sind. Nutzen haben die internationalen Banken, die Unternehmen, die Dienstleistungen und besonders die privatisierten ehemals staatlichen Dienstleistungen kontrollieren. Auch die Großhändler, die den Verkauf ihrer Produkte langfristig planen können.

Wer verliert?

Großer Verlierer ist das Land und seine Zukunft. In erster Linie verlieren diejenigen, die nicht mehr arbeiten können und sich nicht mehr mit einer neuen produktiven Anstrengung erholen können: die Rentner. Große Verlierer werden auch all diejenigen Personen sein, die auf einem immer kleineren Markt konkurrieren: Taxifahrer, Transportunternehmer, der landwirtschaftliche und industrielle Produktivapparat, der die heftigen Attacken der Importeure spüren wird.

Es wird davon geträumt, dass mit der Dollarisierung die ausländische Investition kommt. Ist das realitätsnah?

Durch die einfache Tatsache, eine dollarisierte Wirtschaft zu haben, werden wir weder produktiver noch weniger korrupt, weder konkurrenzfähiger noch weniger ineffizient sein. Die Wirtschaft wird sich immer mehr auf die Grundstoffe konzentrieren. Die einheimische Produktion wird auf Öl, Land- und Forstwirtschaft – vor allem der Holzausbeutung -, Minenwesen und etwas Tourismus beruhen. Das wird die ausländische Investition immer im Interesse der transnationalen Unternehmen anziehen.

Ich glaube nicht an einen großen Wandel oder den großen Eintritt von frischem Kapital. Diejenigen, die kommen, werden vor allem ein Schnäppchen ausnutzen wollen: den großen Ausverkauf, der mit der Dollarisierung gemacht wird, die Privatisierung, die Arbeitsflexibilisierung. Die Wirtschaft wird immer weniger einheimisch sein.

Woher werden die Dollar kommen, um die Wirtschaft zu stützen?

Durch Exporte und das bedeutet die Politik des „billigen Cholo“ (als Cholo wird mit abwertender Konnotation der spanisch sprechende „zivilisierte“ Indio bezeichnet; die Red.): geschenkte, überausgebeutete Arbeitskraft, für Stunden und für weniger als 65 Centavos Stundenlohn unter Vertrag genommen. Ohne gewerkschaftliche oder sonstige Arbeitsrechte. Mit diesen 65 Centavos müssen alle Kosten, selbst der Sozialversicherung, noch übernommen werden.

Welche Beziehung kennzeichnet Dollarisierung und Ökologie?

Mit den grünen Scheinen verlieren die ecuadorianische Umwelt und das Land insgesamt. Wir werden mehr Rohstoffe produzieren. Wenn wir jetzt von einer zweiten Pipeline sprechen so werden wir bald eine dritte brauchen, um immer mehr Öl aus dem Boden zu holen ohne uns um die Natur zu kümmern und ohne dass sich der Wert in den Dollar niederschlägt, die wir brauchen, um nicht Hungers zu sterben.

Ist dieser Prozess unumkehrbar?

Absolut nicht. Auch mit der Dollarisierung wird es immer Möglichkeiten zur Rückkehr für ein Land geben, das Würde und Souveränität hat und das den Respekt vor seiner Geschichte sucht.

Bundesarmee gegen „Grüne Armee“

(Quito, 29. März 2000, pulsar-Poonal).- Der ecuadorianische Verteidigungsminister Admiral Hugo Unda hat die Indígenas aus dem Amazonasgebiet dafür gewarnt, Organisationen zu gründen, die er als paramilitärisch bezeichnete. Die Indígenas hatten zuvor in einem öffentlichen Kommunique erklärt, eine „Grüne Armee“ zu bilden. Sie soll dazu dienen, die Amazonasbewohner und die Interessen ihrer Dörfer vor bedrohenden externen Kräften zu verteidigen. Dazu rechnen die Indígenas die Ölunternehmen, die in Ecuador präsenten US-Soldaten und die kolumbianischen Guerilleros. Der Verteidigungsminister erinnerte daran, laut Verfassung seien die Streitkräfte die „einzigen“, die mit der Wahrung der Sicherheit des Landes beauftragt sind. Unda lud die Indigenas aber ein, gemeinsam zu arbeiten, um Grenzüberschreitungen ausländischer Kräfte zu verhindern.

CHILE

Dünnere Luft für Pinochet

(Santiago, 4. April 2000, pulsar-Poonal).- Der Verteidigungsrat des Staates hat Augusto Pinochet vor dem Berufungsgericht, das über die Aufhebung der Immunität des Ex-Diktators entscheiden muss, angeklagt, die Entführung von 19 Oppositionellen gedeckt zu haben. Die Oppositionellen verschwanden im September 1973 im Rahmen der sogenannten Todeskarawane (vgl. zurückliegende Poonaldienste). Der Rat machte mit seiner Aktion den Anwälten Pinochets einen Strich durch die Rechnung. Jetzt ist der chilenische Staat formal Kläger gegen Pinochet und tritt für die Aberkennung der Immunität ein. Die Anwälte des ehemaligen Diktators versuchen derzeit, die Richter zuerst zu einer Erklärung über den Gesundheitszustand ihres Klienten zu bewegen, bevor über die Immunität entschieden wird. Vor Gericht kann nur Geisteskrankheit Pinochet vor strafrechtlicher Verfolgung bewahren. Allerdings muss auch das Parlament der Aufhebung der Immunität zustimmen.

Regierungssprecher äußern sich zu Nazi-Kongress

(Santiago, 4. April 2000, pulsar-Poonal).- Das Gesetz zur Nationalen Sicherheit könnte die legale Grundlage sein, das Treffen von ibero-amerikanischen Nazi- Gruppen in Chile zu verhindern. Die haben Regierungssprecher erklärt. Die Nazis wollen sich vom 17. bis 23. April versammeln. Wegen der zunehmenden Proteste wird der Ort geheim gehalten. Erwartet werden mehrere Dutzend Vertreter von Nazi-Organisationen aus etwa zehn lateinamerikanischen Ländern und Spanien.

Ex-Präsident Frei als Senator auf Lebenszeit eingeschworen

(Santiago, März 2000, recosur-Poonal).- Mit dem Amtsantritt von Ex-Präsident Eduardo Frei als Senator auf Lebenszeit ist die Senatskammer erstmals in der Übergangszeit zur Demokratie mit einer ausreichenden Regierungsmehrheit besetzt, um wichtige Gesetzesvorhaben mit Verfassungsrang durchzubringen. Zuvor konnte die parteipolitische Rechte zusammen mit nicht gewählten, sondern aufgrund von Bestimmungen aus der Pinochet-Zeit ernannten Senatoren mit einer Sperrminorität zahlreiche Initiativen zu Fall bringen. Der Christdemokrat Frei äußerte in einem Interview, er hoffe „zu arbeiten, damit Chile sich weiter entwickelt“. Analysten sehen die institutionelle Demokratisierung im Land durch die neuen Mehrheitsverhältnisse gestärkt.

Zu den ersten Vorhaben der neuen Regierung unter dem Sozialisten Ricardo Lagos gehört es, das Mandat der Senatoren auf Lebenszeit abzuschaffen und nur noch von der Bevölkerung gewählte Senatoren in die Kammer zu entsenden. Ausgerechnet der automatisch in den Senat gerückte Frei kann dazu die entscheidende Stimme beitragen. Gleiches Gewicht wird er haben, wenn es darum geht, dem Staatschef das Recht zurück zu geben, die Chefs der Streitkräfte zu ernennen. Bisher konnten sich das die Militärs selbst vorbehalten.

VENEZUELA

Erste positive Wirtschaftsprognosen

(Maracaibo, 4. April 2000, pulsar-Poonal).- In ihren Voraussagen über eine bessere wirtschaftliche Zukunft wird die Regierung vom Internationalen Währungsfonds unterstützt. Dieser erwartet für das Jahr 2000 ein Wachstum von drei Prozent. Allerdings wiegt dies bei weitem nicht die Reduzierung des Bruttoinlandsproduktes im vergangenen Jahr auf und liegt unter dem erwarteten lateinamerikanischen Durchschnitt. Präsident Chavez kommt die Nachricht mitten im Wahlkampf dennoch gelegen. Die Opposition, auch die seiner ehemaligen Weggefährten, wirft im Missmanagement in der Wirtschaft vor.

URUGUAY

Juan Gelman findet nach über zwanzig Jahren seine Enkelin wieder

(Montevideo, 1. April 2000, comcosur-Poonal).- Die Glückwunschadressen für den argentinischen Dichter Juan Gelman nehmen kein Ende. Nach über zwei Jahrzehnten Suche fand er seine Enkelin in Uruguay. Sein Sohn und seine Schwiegertochter waren von den Militärdiktaturen in Argentinien und Uruguay ermordet worden. Die Spur seines in der Haft geborenen Enkelkindes verlor sich in Montevideo. Gelman trug Detail für Detail zusammen, um die Wahrheit über das Schicksal des Kindes heraus zu finden. Dabei stieß er immer wieder auf das Schweigen der Behörden und der Militärs. In jüngster Zeit war es vor allem Uruguays bis vor kurzem regierender Präsident Julio Sanguinetti, der trotz einer internationalen Solidaritätskampagne für Gelmans Suche wenig Kooperationsbereitschaft zeigte. Eine radikale Änderung erfolgte mit dem Amtsantritt von Präsident Jorge Battle.

Was Sanguinetti in einem Jahr nicht gelang, erreichte Batlle in einem Monat. Er ließ Gelmans Informationen überprüfen, traf sich kurzfristig mit dem Dichter und stellte eigene Untersuchungen an. Offenbar verfügte er auch über von den Militärs gelieferte Daten, die Sanguinetti nicht hatte oder offiziell ignorieren wollte. Gleichzeitig schaltete Battle die Geheimdienste der Polizei und des Militärs aber nicht in die Ermittlungen ein. Die angesammelten Indizien führten zu einer 23jährigen Frau, bei der es sich um die Enkelin von Gelman handelt. Den letzten Beweis wird ein DNA-Test liefern, dem die junge Frau zugestimmt hat. Über ein Treffen zwischen Großvater und Enkeltochter gab Gelman in der Öffentlichkeit nur kurz Auskunft. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nannte er auch den Namen der 23jährigen nicht. Er bestätigte nur, dass sie – wie es seine Vermutung war, als er die Nachforschungen begann – in Montevideo geboren wurde und dort in einer Adoptivfamilie lebt. Der verstorbene Adoptivvater war Polizeioffizier.

Über das persönliche Schicksal hinaus hat das Ereignis eine weitergehende Bedeutung. Die Familienangehörigen von Verschwundenen in Uruguay und Argentinien haben neue Hoffnung, dass weitere Fälle sowohl von angeeigneten Kindern sowie mutmaßlich ermordeten Menschen unter der Diktatur aufgeklärt werden können. Oppositionsführer Tabare Vazquez vom Linksbündnis Frente Amplio konnte nach einem Gespräch mit Präsident Battle berichten, dieser sei bereit, die uruguayische Vereinigung der Familienangehörigen der Opfer zu empfangen. Auch dies markiert einen grundsätzlichen Unterschied zu seinem Vorgänger, der sich während zweier Amtszeiten den Gesprächsansinnen systematisch verweigerte.

Das Verhalten des liberalkonservativen Battle hat auch der linken Opposition, die heute zum Teil mit ehemaligen Guerilleros in Senat und Abgeordnetenhaus vertreten ist, Respekt abgenötigt. Er selbst sprach nach dem Auffinden von Gelmans Enkelin davon, dass „alle Uruguayer, gleich welcher Hautfarben, welchen Denkens, welcher sozialer Klassen und anderer Unterschiede fühlen müssen, dass dies ein Tag ist, an dem etwas sehr Wichtiges für jede Person erreicht worden ist“.

Um mit der Vergangenheit ins Reine zu kommen, hat Battle in den ersten vier Wochen seiner Amtszeit konkrete Vorschläge gemacht. Der Staat würde demnach seine Verantwortung für den Tod der Verhafteten-Verschwundenen akzeptieren, den Familienangehörigen eine Entschädigung zahlen und die Aufklärung der Fälle vorantreiben. Und Battle selbst würde – für viele das wichtigste – im Namen des Staates um Vergebung bitten. Die Familienangehörigen der Opfer sind damit nicht in allen Punkten einverstanden. Sie wehren sich dagegen, die Verschwundenen für tot erklären zu lassen, solange die genauen Umstände nicht bekannt sind. Auch hegen sie die Erwartung, das persönlich Verantwortliche für die Verbrechen doch noch zur Rechenschaft gezogen werden. Dennoch stellt der Vorschlag eine Diskussionsbasis dar, die es zuvor nicht gab.

Der Druck auf die Militär wird wachsen. Die uruguayische Bischofskonferenz arbeitet derzeit an einem Dokument, in dem dem Vernehmen nach die Täter aufgefordert werden, ihre Schuld einzugestehen. Mit Spannung wird eine Erklärung der Bischöfe erwartet, die sich vom 5. bis 12. April zu ihrer Konferenz treffen. Der Erzbischof von Montevideo, Nicolás Cotugno, hat bereits die Vermittlung der Kirche beim Thema der Verhafteten-Verschwundenen angeboten und als Ziel den „Frieden von der Wahrheit und der Gerechtigkeit ausgehend“ genannt. Selbst wenn die Militärführung ihre Haltung beibehält, vor der Vergangenheit die Augen zu verschließen, bietet sich für den Rest der uruguayischen Gesellschaft nach den jüngsten Ereignissen die Chance zur Versöhnung.

Für Gelman bleibt unterdessen noch ein weiteres persönliches Ziel. Ende der 80er Jahre hatte er nach intensiver Suche bereits das Grab seines in Buenos Aires ermordeten Sohnes ausfindig gemacht. Jetzt hat er die Hoffnung, auch den Verbleib seiner damals nach Uruguay verschleppten Schwiegertochter zu erfahren. „Ich wünsche zutiefst, dass ihre sterblichen Überreste gefunden werden, damit sie an der Seite ihrer Mannes, meines Sohnes, ruhen können. Ich weiß, wie sehr die beiden jungen Leute, 20 und 19 Jahre alt, das Kind aus dem Bauch von María Claudia erwarteten, das mein Sohn nie kennenlernte.“

Erstes Windrad installiert

(Montevideo, 27. März 2000, comcosur-Poonal).- Nahe der Küste in der Provinz Maldonado hat die staatliche Stromgesellschaft UTE den ersten stromerzeugenden Windgenerator im Land aufgebaut. Das Projekt geht auf eine Vereinbarung zwischen UTE und der Nationaluniversität zurück. Das aus Dänemark stammende Windrad hat eine Leistung von schätzungsweise 687 Megawattstunden im Jahr. Auf dem Prüfstand steht vor allem die Wirtschaftlichkeit der Windenergie in Uruguay. Bisher sind Wärme- und Wasserkraftwerke aufgrund ihrer massiven Energieproduktion auch in Uruguay billiger als die Alternativversuche. Der Staat zeigte in der Vergangenheit wenig Interesse an Pilotprojekten. So vergingen zwischen der Vereinbarung und der tatsächlichen Installation des Windgenerators zwölf Jahre.

PARAGUAY

Kirche für tiefgreifende Veränderungen

(Asuncion, 31. März 2000, comcosur-Poonal).- Die Bischofskonferenz des Landes hat in einem gemeinsam verfassten Brief ein „gerechtes Paraguay“ mit einer „neuen Ordnung“ von der Regierung gefordert, in welchem die Marginalisierung der Armen und der Campesinos beendet wird. „Wir Bischöfe halten es für unabdingbar, klar zu sagen, dass dies mit der Veränderung von jedem von uns anfangen und zur Transformation und zum Wandel dieser Gesellschaft führen muss, die uns so schmerzt“, erklärte Jorge Livieres Bank, Vorsitzender der Bischofskonferenz während der Messe, in der der Brief verlesen wurde. In diesem wird darauf hingewiesen, dass die Versuche, politisch, sozial und kulturell voran zu kommen, im zurückliegenden Jahr gescheitert seien und „Misstrauen in Regierung, Justiz, Gesetzgebung, gesellschaftliche und gewerkschaftliche Organisationen“ begründet haben. Wiederholte Proteste würden ein Missbehagen in der Gesellschaft ausdrücken, das dringende Lösungen verlange. Die Bischöfe rufen dazu auf, die staatlichen Institutionen und den Rechtsstaat zu respektieren. Der Brief erscheint ein Jahr nach der Amtsübernahme von Präsident Macchi infolge des Mordes an dem damaligen Vizepräsident Argaña und der Flucht des dafür mitverantwortlich gemachten Präsidenten Cubas ins Exil. Das Ansehen des anfangs populären Macchi ist in den letzten Monaten angesichts zahlreicher unbewältigter Probleme rapide gesunken.

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