Polizei greift Militarisierungsgegner*innen in Chiapas an

(Chilón, 20. Oktober 2020, amerika21).- Mit Gewalt hat die Polizei am 15. Oktober im Gemeindebezirk Chilón im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas reagiert, als Indigene gegen das Einrichten eines Stützpunktes für die Nationalgarde durch die Regierung von Andrés Manuel López Obrador (Amlo) protestiert haben. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Fray Bartolomé de Las Casas (Frayba) haben die polizeilichen Angriffe 13 Verletzte hinterlassen. Zwei Bauern wurden verhaftet.

Die Behörden des Bundesstaats Chiapas, wo die Regierungspartei „Bewegung der nationalen Erneuerung“ (Morena) regiert, haben zudem eine angemessene Verteidigung der beiden Verhafteten blockiert. Die beiden Bauern wurden dem Haftrichter vorgeführt und sind nun unter dem Vorwurf des Landfriedensbruchs im fünf Fahrstunden entfernten Gefängnis „El Amate“ inhaftiert. Frayba gab ebenso bekannt, dass der Bauer Juan Hernández Morales aus dem Dorf San Jerónimo Bachajón seit der gewaltsamen Räumung als vermisst gilt.

Zwei Bauern verhaftet, einer vermisst

„Wir leben in Frieden und Ruhe und haben keine Notwendigkeit für eine militärische Präsenz in unserem Gebiet.“ So begründeten die Protestierenden in den Medien ihren Widerstand gegen die Einrichtung der Nationalgarde in ihrer Gemeinde.

Sie erklärten außerdem, dass die Bundesregierung nach 1994 im Rahmen der Aufstandsbekämpfung der zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) verschiedene Militärstützpunkte in indigenen Gemeinden von Chiapas errichtete. Dies führte jedoch zu einer hohen Rate an Morden und Frauenvergewaltigungen. Die Protestierenden könnten sich auch an die Zunahme von Alkoholismus, Drogenabhängigkeit und Prostitution sowie Ausbreitung des organisierten Verbrechens im Zuge der Militarisierung gut erinnern.

Die Nationalgarde wurde von Amlo geschaffen. Zu ihr gehören mittlerweile 100.000 Einsatzkräfte. Theoretisch ist sie polizeilicher Natur, hat aber de facto einen militärischen Charakter. Das Verteidigungsministerium bildet nicht nur die Nationalgardisten aus und fort, López Obrador hat jüngst auch die operative Kontrolle der Guardia Nacional in die Hände des Verteidigungsministeriums gelegt. Kritiker*innen sehen in der Nationalgarde einen weiteren Schritt in die Richtung einer Militarisierung des Landes.

Kritiker*innen fürchten weitere Militarisierung

Die Auseinandersetzung um den geplanten Stützpunkt in Chilón ist nur einer der vielen sozialen Konflikte im südlichsten Bundesstaat Mexikos. Im benachbarten Tila hat eine Gruppe von bewaffneten Menschen am 11. September eine Demonstration von den Zapatistas nahestehenden Kleinbäuer*innen angegriffen. Ein Demonstrierender kam dabei ums Leben.

Als die zahlenmäßig klar überlegene Demonstration dennoch in den Hauptort von Tila vordrang, wurden bei Auseinandersetzungen mehrere Personen verletzt und, je nach Quelle, zwischen zwei und vier Personen getötet. Viele Gemeinden in Tila bestehen auf eine autonome Selbstverwaltung und erkennen den mehrfach wiedergewählten Gemeindepräsidenten Límberg Gregorio Gutiérrez Gómez nicht an.

Die lokalen Machthaber kehrten unter dem Schutz von Polizei und Nationalgarde am 1. Oktober nach Tila zurück. Dies sei eine staatliche Unterstützung, die gemäß den autonomen Gemeinden den alteingesessenen paramilitärischen Strukturen in der Region zugutekommt.

Sowohl Tila als auch Chilón, beide in der Zona Norte von Chiapas gelegen, waren in den 1990er Jahren gefürchtete Hochburgen der Paramilitärs, die zur Aufstandsbekämpfung sowie zur Eingrenzung des zapatistischen Einflussgebiets eingesetzt wurden. Mitte 2019 gab die EZLN jedoch bekannt, dass sie sowohl in Chilón wie auch in Tila neue zivile Autonomiestrukturen errichten würden.

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