(Tegucigalpa, 12. September 2023, Ökubüro).- Honduras gehört zu den zehn größten Palmölproduzenten weltweit. Im fruchtbaren Tal des Aguán-Flusses beanspruchen wenige große Unternehmen die Ländereien für Ölpalm-Plantagen für sich. Die lokalen kleinbäuerlichen Genossenschaften werden immer wieder vertrieben. Über 150 ihrer Mitglieder wurden seit 2010 ermordet. Während seit dem Amtsantritt der Regierung von Xiomara Castro zunächst ausschließlich illegale bewaffnete Gruppen die Kooperativen und sozialen Organisationen terrorisierten, ist seit Oktober 2023 auch die Gewalt staatlicher Repressionsorgane zurückgekehrt. Am 2. Oktober wurde die kleinbäuerliche Empresa Asociativa Campesina Isletas (EACI) von 800 Polizisten gewaltsam geräumt. Zwei Wochen später wurde beim Versuch der EACI-Bewohner*innen, auf ihr Land zurückzukehren, der 24-jährige Kevin Meza erschossen, mutmaßlich von Polizisten, die aus der Dunkelheit auf die Rückkehrer*innen feuerten. Am 12. September 2023 sprachen wir in München mit Esly Banegas über die Hintergründe des Konflikts und den bisher vergeblichen Versuch, ein Abkommen mit der Regierung umzusetzen.
Wie kam es dazu, dass sich im Aguán Tal Kleinbauern und -bäuerinnen ansiedelten, und warum haben sie dort ausgerechnet Ölpalmen angepflanzt?
ESLY BANEGAS: Das Aguán-Tal war Teil der Agrarreform der 1970er Jahre. Durch das Gesetz über die Agrarreform 1974 konnten sich dort kleinbäuerliche Familien und Kooperativen ansiedeln. Viele Menschen aus verschiedenen Gegenden des Landes, aus dem Süden, Westen und Osten, kamen ins Aguán-Tal. Das war eine vom Nationalen Agrarinstitut veranlasste Umsiedlung. Die Menschen kommen im Agúan an, und da zwingt man sie, afrikanische Ölpalmen zu pflanzen, die sie überhaupt nicht kannten. Dabei hatten sie doch immer ihre Grundnahrungsmittel angebaut: Mais, Bohnen und Reis. Also formierte sich Widerstand; dabei kamen Techniker des Nationalen Agrarinstituts zu Tode. Die Kämpfe im Aguán-Tal gingen von Anfang an um den Zugang zu Land, aber auch um das legitime Recht zu überleben, das Recht auf Nahrung. Und dagegen standen immer Repression und Militarisierung. Anfangs war es zumindest möglich, dass die kleinbäuerlichen Familien sich legal organisierten. Mehr aber auch nicht. Alle weiteren Rechte mussten sie sich erkämpfen. Später verschlossen sich alle Möglichkeiten: In den 90er Jahren wurde ein neues Gesetz verabschiedet, das die Konzentration von Land in den Händen weniger begünstigte. Und die machten sich prompt im Aguán breit. Da waren auch Unternehmen von ausländischen Personen dabei, die in keinem Fall Begünstigte des Agrarreform-Gesetzes waren. Es begannen Drohungen, Verfolgung, Entführungen und Morde an Kleinbauern. Auf diese Weise wurde den kleinbäuerlichen Familien das Land entrissen. Und dann kam der Staatsstreich. Die Militarisierung und die strafrechtliche Verfolgung gegen die Führungspersonen der Campesinos wurde noch brutaler. Seit dem Putsch 2009 bis zum Amtsantritt der Regierung von Xiomara Castro wurden 150 Kleinbauern ermordet. Dazu kam eine Welle der Verfolgung gegen diejenigen, die ihre Rechte verteidigen wollten. Gleichzeitig wurden bewaffnete Gruppen gegründet, die sich sogar in die bäuerlichen Organisationen infiltrierten. Dadurch konnte in die Erzählung in die Welt gesetzt werden, dass sich die Campesinos gegenseitig umbringen.
Was hat sich unter der neuen Regierung von Xiomara Castro verändert?
EB: Der Amtsantritt von Xiomara machte den Familien große Hoffnung. Die Hoffnung gründete sich darauf, dass wir mit ihr gemeinsam Widerstand geleistet hatten (gegen den Putsch 2009, Anm. d. Red.). Die Bevölkerung und die Organisationen hatten eine lange Geschichte des Kampfes hinter sich, denn die Konflikte haben tiefe historische Wurzeln, und niemals wurde wirklich eine Lösung gesucht. Mit der neuen Regierung haben wir am 22. Februar 2022 ein Abkommen unterschrieben. Xiomara war da gerade mal einen Monat im Amt, und sie hatte sich dafür eingesetzt, einen Ausweg aus der Problematik zu finden. Jedenfalls hatten wir gedacht, dass es den politischen Willen gab, Lösungen zu finden. Aber bisher hat das Abkommen nur dazu geführt, dass die Morde an unseren Compañeros weitergehen. Heute geht es auch um die Verteidigung des Nationalparks, gegen die Tagebaue von Lenir Pérez und seiner Ehefrau Ana Facussé. Die Familie Facussé ist im Agrarsektor tätig und inzwischen eben auch noch im Bergbau, was wiederum Gefängnis und Tod für unsere compañeros bedeutet, die die Umwelt und den Zugang zu Land verteidigen.
Wir wollen, dass alle in dem Abkommen vereinbarten Kommissionen anfangen zu arbeiten. Die Agrarkommission hat bereits einen Bericht vorgelegt, in dem die Illegalität der Landnahme klar dargelegt wird.
„Wir haben also ein Abkommen unterschrieben, aber es geht nichts voran. Wir wollen, dass alle vereinbarten Kommissionen anfangen, zu arbeiten. Die Agrarkommission hat bereits einen Bericht vorgelegt, in dem die Illegalität der Landnahme klar dargelegt wird. Nicht einmal diejenigen Gesetze (zu Gunsten der Palmölbarone und Agrarkonzerne d.Red), die gemacht wurden, um Landraub und Landkonzentration zu ermöglichen, wurden eingehalten. Und jetzt gibt es wieder Verfolgung und es wird versucht, alles zu boykottieren.“ Wir meinen, dass das Problem tief in der Narcodiktatur verwurzelt ist, in den Beziehungen zum organisierten Verbrechen. Die Drogenkartelle haben sich in unserer Region stark ausgebreitet, und seit bestimmte Mitglieder der Kartelle an die USA ausgeliefert wurden, fangen sie an, in New York über ihre Verbündeten, ihre Komplizen bei den illegalen Aktivitäten zu reden.
Was steht denn noch in dem Abkommen der Kooperativen und kleinbäuerlichen Betriebe aus dem Aguán-Tal mit der honduranischen Regierung?
EB: Das Abkommen vom 22. Februar 2022 sieht auch die Einrichtung einer Drei-Parteien-Kommission mit Vertretern von uns als Opferorganisationen, mit Regierungsvertretern und mit Gesandten des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte vor. Die Kommission soll die Menschenrechtsverletzungen untersuchen, die Morde, die straflos blieben, sowohl die aus früheren Zeiten als auch die aktuellen in der Regierungszeit von Xiomara Castro. Außerdem sollen Reparationen für die Opfer geleistet und es soll dafür gesorgt werden, dass die Geschehnisse sich nicht wiederholen. Und schließlich sollen die Verantwortlichen für die Verbrechen bestraft werden. Ein für alle Mal soll der Zugang zur Justiz und zu Land geregelt werden. Es müssen endlich die Rechte derer anerkannt werden, die Landtitel haben, die Dokumente haben, zum Beispiel über die Freiheit von Hypotheken für die Kooperativen. Und die Verfolgung der Kleinbauern muß endlich aufhören. Wir versuchen seit Februar, dass die Dreier-Kommission endlich eingesetzt wird. Seit neun Monaten gehen wir von einer Besprechung in die nächste und warten auf ein Resultat. Wir haben die Arbeitsrichtlinien für die Kommission ausgearbeitet, wir haben die Kommissionsmitglieder von unserer Seite benannt. Jetzt behauptet die Regierung, es gebe kein Geld. Am 22. Februar 2022 haben wir das Abkommen unterzeichnet. Im September 2022 hätten sie Haushaltsmittel dafür bereitstellen können. Das haben sie nicht gemacht. Jetzt wird wieder der Haushalt diskutiert, und sie rechtfertigen sich wieder damit, dass es keine Mittel gebe. Wir haben versucht, Druck zu machen. Demonstrationen in Tegucigalpa. Versammlungen, Kundgebungen, verschiedene Aktionen, damit endlich diese Kommission eingerichtet wird. Denn solange das nicht der Fall ist, geht die Verfolgung weiter. Kürzlich warteten Schwerbewaffnete vor der Tür unseres Büros. Diese Leute sind bereit zu töten. Wir sind verzweifelt und fordern, dass endlich etwas getan wird. Wir haben Anzeigen erstattet über die Verfolgung mit Autos und Motorrädern. Die Farbe, die Marke, alles haben wir angegeben. Aber sie wechseln ihre Fahrzeuge ständig und machen dann eben mit anderen weiter. Unsere Häuser überwachen sie regelmäßig mit Drohnen. Wir wissen, dass die Agrarindustrie-Unternehmen dahinter stecken. Wir wissen, dass die Chefs ihrer privaten Sicherheitsunternehmen sich mit bewaffneten Gruppen verbündet haben, die uns bedrohen. Dass es Todeslisten gibt. Am 11. Januar haben wir deshalb Miguel Mauricio Facussé angezeigt. Er ist der Eigentümer des Unternehmens DINANT. Wir haben bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gestellt, und eine Woche später wurde Omar Cruz, der Vorsitzende der Kooperative Los Laureles, ermordet. Wir kennen die Verbindungen zwischen Unternehmen und bewaffneten Gruppen, aber es gibt keine Ermittlungen. Sie versuchen stattdessen, den friedlichen und gewaltfreien Kampf von Organisationen wie COPA, der Agrarplattform und anderer zu diskreditieren.
Könnte das deutsche Lieferkettengesetz etwas an der Situation ändern, wenn es zum Beispiel auf Palmöl angewendet würde?
EB: In bestimmten Fällen könnten deutsche Unternehmen sanktioniert oder bestraft werden, wenn Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette nachgewiesen werden. Das könnte Unternehmen in Deutschland betreffen, die Menschenrechte verletzen, indem sie Palmöl aus Honduras importieren. Aber leider trifft das nicht den Kern des Problems. Denn die Strategie ist, dass das Palmöl über dritte Länder hierher kommt. Und in dem Fall greift das Gesetz nicht. Ich fürchte also, auf diesem Weg gibt es wenig Hoffnung. Ich sage nicht, keine Hoffnung, denn wir können weiter Informationen sammeln, und es gibt eine Instanz, um Beschwerden einzureichen. Aber wir denken, dass auf diesem Weg doch eher wenig möglich ist. Ein anderer Ansatzpunkt wären die Versuche, z.B. von DINANT, eine Zertifizierung nach RSPO zu bekommen. Das heißt, deren Produktion würde als nachhaltig und sozial verantwortlich anerkannt. Hier könnten Organisationen mit ihrer Expertise eingreifen, damit das nicht passiert.
Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung der Initiative Ökubüro.
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