Zum Tod von Martín Almada

Almada Stroessner Diktatur
Eingangstor des Museo de la Memoria, Aunción, Paraguay
Foto: Lupa 18 via wikimedia
CC BY-SA 4.0 Deed

(Buenos Aires, 31. März 2024, la jornada/poonal).- Der Anwalt, Pädagoge und Menschenrechtsverteidiger Martín Almada starb am 30. März im Alter von 87 Jahren in Asunción. Obsessiv und couragiert kämpfte Almada für Gerechtigkeit, Wahrheit und Erinnerung. Zusammen mit dem jungen Richter Agustín Fernández forschte er so lange nach, bis er am 22. Dezember 1992 das so genannte Archiv des Schreckens aufspürte, das die Grausamkeit der Diktatur von General Alfredo Stroessner dokumentiert. Tausende von Dokumenten waren in einer Polizeistation versteckt worden.

Gigantischer Aktenfund

Fernández` Nachfrage nach dem Archiv war bei Gericht abgeschmettert worden, darauf setzte Almada seine Nachforschungen fort. Doch langsam kam Licht in das Dunkel des staatlichen Terrors gegen die Zivilbevölkerung. Der Hinweis eines Informanten, dessen Namen Almada niemals preisgab, führte ihn schließlich nach Lambaré, einer Stadt in der Metropolenregion Asunción. Zusammen mit seiner zweiten Frau, der argentinischen Pädagogin María Stella Cáceres, den Angehörigen anderer Opfer und zwei Journalisten seines Vertrauens gelang es ihm, das besagte Haus zu finden. Gemeinsam überwanden sie die halbherzige Gegenwehr der Polizisten und drangen in das Gebäude ein. Hier fanden sie weit mehr als die Unterlagen zum Fall des Arztes Agustín Goiburú, denen sie eigentlich auf der Spur waren: Tonnenweise Dokumente, die nicht nur Zeugnis über die Schrecken der paraguayischen Diktatur, sondern über die Terrorregimes verschiedener lateinamerikanischer Länder Zeugnis ablegten: abgefangene Briefe, Pässe von Verschwunden, detaillierte Folterprotokolle sowie die Kommunikation der Stroessner-Diktatur mit ähnlichen Regimen, die in den 1970er Jahren alle Länder des Cono Sur beherrschten, und schließlich Beweise über die Rolle der USA bei der Errichtung der Diktaturen und insbesondere bei der Operation Condor, der gemeinsamen Geheimoperation der extremistischen Regierungen in Argentinien, Chile, Paraguay, Uruguay, Bolivien und Brasilien.

Wichtiger Sieg gegen die Straflosigkeit

Die auf diese Weise sichergestellten Beweise spielten eine wichtige Rolle bei den nun folgenden Prozessen, die die Straflosigkeit durchbrechen sollten. Insbesondere in Argentinien wurden mehrere Verantwortliche für Verbrechen gegen die Menschheit vor Gericht gestellt. In Spanien ermittelte Richter Baltasar Garzón anhand der Akten und Beweise, die ihm von den Familien der Opfer übergeben wurden. Die Entdeckung des Archivs hat eine Tür geöffnet, die man heute bereits wieder zu schließen versucht, eine Entwicklung, die Almada vorausgesehen und befürchtet hatte. Es verletzte ihn zutiefst, dass dem Aktenfund, der das fast 40 Jahre währende Grauen der Diktatur dokumentiert, zunächst nicht die gebotene Bedeutung beigemessen wurde. „Wir sind nicht mehr als ein Schatten, und es gibt Etliches, das noch nicht hinreichend untersucht wurde, nicht nur über die Diktaturen des 20. Jahrhunderts, sondern auch über den Völkermord im so genannten Krieg der Dreierallianz (Argentinien, Brasilien und Uruguay gegen Paraguay Ende des 19. Jahrhunderts) und im Chaco-Krieg mit Bolivien, auch sie wurden gesteuert von ausländischen Mächten, den USA und Großbritannien, die damit ihre wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen verfolgten.“

Almada selbst gehört zu den Opfern der grausamen Diktatur

Wie seine Frau Celestina war Almada Mitarbeiter am Institut für Sonderpädagogik, als er 1971  verhaftet und entführt wurde. Seine Frau starb an einem Herzinfarkt, nachdem man sie gezwungen hatte, sich die Folterungen ihres Mannes anzuhören. Ihn brachte man in verschiedene Folterzentren. Bei jedem Ortswechsel war er Zeuge der Folterungen immer anderer Menschen in den Kerkern des diktatorischen Regimes und erlitt selbst unmenschliche Bestrafungen, hatte aber trotzdem noch die Kraft, Daten über die Verbrechen zu sammeln. Dank der internationalen Proteste gegen seine Verhaftung wurde er schließlich freigelassen und nach Panama geschickt, wo General Omar Torrijos regierte. Später ging er nach Frankreich und arbeitete für internationale Organisationen. Schon in Europa suchte er nach Beweisen für die Diktaturverbrechen. Nachdem Stroessner von seinen eigenen Leuten gestürzt worden war, kehrte Almada nach Paraguay zurück und ermittelte weiter. Er trat als Zeuge bei Prozessen in Argentinien, Italien und anderen Ländern auf und unterstützte die Opfer der Operation Condor, aber es gelang ihm nicht, die Straffreiheit in seinem Land zu durchbrechen. Erst der Fund des Geheimarchivs machte die Anklagen gegen die Menschenrechtsverbrecher möglich, die Prozesse laufen teils immer noch, und auch die Auswertung der Unterlagen ist noch nicht abgeschlossen.

Die Folterer zur Rechenschaft ziehen

„Als ich diesen Berg von Papieren sah, den ich mir in meinen Träumen ausgemalt hatte und der uns endlich Gerechtigkeit bringen sollte, konnte ich mich nicht beherrschen und weinte vor Rührung. Ein verängstigter Polizist führte uns in einen anderen Raum, in dem sich Akten der berüchtigten Operationen der berühmten Technischen Polizei befanden. Etwa 60 Meter von dem Gebäude entfernt haben wir dann noch einen Sack mit persönlichen Dokumenten von Paraguayern und Argentiniern ausgegraben; Pässe von verschwundenen Personen, die in Plastiktüten unter der Erde versteckt waren, um sie vor der Feuchtigkeit zu schützen“, erinnerte sich Almada in einem Interview mit La Jornada.

Für seine beharrlichen Bemühungen, „Folterer zur Rechenschaft zu ziehen und Paraguay auf einen neuen Kurs in Richtung Demokratie zu bringen“, erhielt Martín Almada im Jahr 2002 den Alternativen Nobelpreis. 2006 eröffnete er gemeinsam mit María Stella Cáceres das „Museo de las Memorias“ (Museum der Erinnerungen). Das Museum befindet sich in der ehemaligen Zentrale des Polizeigeheimdienstes.

Die Erinnerung an die Folter hat ihn in all‘ den Jahren nicht losgelassen, die Schrecken der Vergangenheit und die Schreie seiner Mitgefangenen blieben in seinem Kopf und machten Almadas Nächte zur Qual. Vor zwei Jahren begann sich sein Gesundheitszustand sehr zu verschlechtern. Er starb am 30. März nach schwerer Krankheit.

 

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