Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 26. Juli 2005
Inhalt
MEXIKO
GUATEMALA
EL SALVADOR
HONDURAS
NICARAGUA
KOLUMBIEN
VENEZUELA
BRASILIEN
URUGUAY-ARGENTINIEN
CHILE
LATEINAMERIKA
BOLIVIEN
MEXIKO
Zapatisten organisieren außerparlamentarisches Linksbündnis
Von Gerold Schmidt
(Mexiko-Stadt, 20. Juli 2005, npl).- Knapp zwei Jahre lang konzentrierte sich die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) mit ihrer zivilen Basis auf den Aufbau von indigenen Selbstverwaltungsstrukturen in ihrem Einflussgebiet im Süden Mexikos. Alle Kraft der Bewegung schien auf die Konsolidierung ihrer fünf autonomen Regionen im Bundesstaat Chiapas gerichtet. Zwar blieben die Zapatisten für viele Linke im In- und Ausland ein Bezugspunkt, der Anspruch nationaler und internationaler Präsenz, der die Jahre zuvor bestimmend für die zapatistische Bewegung war, trat jedoch in den Hintergrund. Das hat sich nun innerhalb weniger Wochen grundlegend geändert. Zu einem Zeitpunkt, an dem die politischen Parteien Mexikos schon ganz auf die erst in einem Jahr stattfindenden Präsidentschaftswahlen ausgerichtet sind, geht die EZLN mit einer „anderen Kampagne“ in die Offensive. Vorgenommen hat sie sich damit nicht gerade wenig: Eine neue Verfassung, ein anderes Land, eine andere Welt.
Bereits Ende Juni riefen die Zapatisten die Alarmstufe Rot aus. Der erste Eindruck war verwirrend. Einige Beobachter machten sogar bevorstehende Kampfhandlungen aus. Ohne die nach wie vor bestehende Bedrängung der EZLN-Basis durch Bundesarmee und paramilitärische Gruppen verharmlosen zu wollen, lässt sich die Maßnahme im Nachhinein als taktisch kluger Paukenschlag interpretieren. Sie bereitete das Terrain für die “Sechste Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald“. Diese ist Rückbesinnung und Aufbruch zugleich. Ein weiteres Mal wollen sich die Zapatisten der Gesellschaft öffnen. Fernab jeder Parteipolitik beabsichtigen sie, mit der „wirklichen Linken“ ein breites Bündnis einzugehen. Mit den von neoliberaler Zerstörung marginalisierten Menschen soll „etwas anderes“ aufgebaut werden. Am Konkretesten ist dabei der Vorschlag, eine neue Verfassung auszuarbeiten, die den Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht.
Nachdem die Alarmstufe Rot seit Ende vergangener Woche wieder aufgehoben ist, läuft die „andere Kampagne“ auf Hochtouren. Bereits ab Anfang August soll in den zapatistischen Gemeinden mit Mitgliedern verschiedener gesellschaftlich organisierter Gruppen versucht werden, die Kampagne inhaltlich zu füllen und zu einem Grundkonsens zu kommen. Später wollen die Zapastisten selbst durch das ganze Land reisen und sich die Vorstellungen derjenigen anhören, die die Hoffnung in das herrschende mexikanische Regierungs- und Parteiensystem verloren haben. Für das Jahresende ist ein internationales Treffen geplant, das an die von der EZLN initiierten so genannten intergalaktischen Treffen gegen den Neoliberalismus aus den Neunzigerjahren anknüpft.
Die Zapatisten selbst geben zu, mit ihrem erneuten Strategiewechsel ein hohes Risiko einzugehen. Die Versuche, ein landesweites großes außerparlamentarisches Linksbündnis zu schmieden, sind in der über elfeinhalbjährigen Aufstandsgeschichte mehrfach gescheitert. Zu verschieden und sektiererisch waren die Positionen. Sie ließen dem Nationalen Demokratischen Konvent (CND) ebensowenig eine Chance wie später der Bewegung der Nationalen Befreiung (MLN). Nur das 1996 gegründete Zapatistische Bündnis der Nationalen Befreiung (FZLN) hat bis heute als Organisation überlebt, aber ohne die angestrebte Massenbasis. Erste Reaktionen auf den EZLN-Vorstoß sind zwar überwiegend positiv, für die Erfolgschancen der „anderen Kampagne“ könnte die radikale Ablehnung jeglicher politischer Parteien und ihrer voraussichtlichen Präsidentschaftskandidaten jedoch problematisch werden. Andrés Manuel López Obrador, populärer Bürgermeister von Mexiko-Stadt ist mit seiner Partei der Demokratischen Revolution (PRD) für EZLN-Sprecher Subcomandante Marcos bestenfalls „die linke Hand der Rechten“. Viele Sympathisanten der Zapatisten dürften dagegen trotz aller Skepsis bereit sein, dem in Umfragen führenden Präsidentschaftsanwärter López Obrador eine Chance zu geben.
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GUATEMALA
Regierung bittet um Verzeihung
(Guatemala-Stadt, 18. Juli 2005, cerigua).- Dieguatemaltekische Regierung gestand bei einer Erinnerungsfeier am 18. Juli die Verantwortung des Staates für das Massaker in der Gemeinde Plan de Sánchez ein. Dort wurden am 18. Juli 1982 268 Menschen ermordet. Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte IAGMR (Corte Interamericana de Derechos Humanos) hatte den Staat Guatemala dazu verurteilt, sich für das Massaker verantwortlich zu erklären.
Vizepräsident Eduardo Stein bat die Überlebenden des Massakers und die Angehörigen der durch staatliche Einheiten Getöteten um Vergebung für die Tat. Obgleich die Entschuldigung angenommen wurde, empfanden die Geschädigten sie als unzulänglich im Sinne der Gerechtigkeit. Stein war in Begleitung einer offiziellen Delegation sowie der Sonderberichterstatterin für Menschenrechte der Organisation Amerikanischer Staaten OAS (Organización de Estados Americanos) Susana Villarán. Bevor er um Verzeihung bat, hatte er die Kapelle besucht, in der die Überreste der vor 23 Jahren durch Militärs ermordete Indígenas ruhen. Der Vizepräsident erklärte, dass gemäß dem Gerichtsurteil der Entschuldigungsakt am selben Ort vollzogen werde, an dem das Massaker stattgefunden hat. Am 24. November 2004 verurteilte das IAGMR den guatemaltekischen Staat zu „Reparationsleistungen“, die zehn Aspekte umfassen und zu denen die beschriebene Zeremonie zählt.
Nach den Berichten Überlebender beschossen am Morgen des 18. Juli 1982, einem Markttag in Rabinal, Granatwerfer des Kalibers 105 mm den Osten und den Westen des Dorfes. Am Nachmittag kam ein etwa 60-köpfiges Kommando aus Soldaten, gerichtlich Beauftragten und Zivilisten in Militäruniform mit Sturmgewehren in die Gemeinde. Die Militärs trieben die Mädchen und jungen Frauen zusammen, vergewaltigten und töteten sie. Ältere Frauen, Männer und Jungen wurden an einen anderen Ort gebracht und dort verbrannt. Man weiß von 268 Menschen, die damals ermordet wurden.
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EL SALVADOR
FMLN fällt auseinander
(Lima, 13. Juli 2005, na).- Die linksgerichtete FrenteFarabundo Martí para la Liberación Nacional (FMLN) sieht sich derzeit mit zahlreichen Austritten ihrer aktiven Mitstreiter konfrontiert. Darüber hinaus hat die Partei selbst den Ausschluss wichtiger Führungspersonen und Mitglieder beschlossen. Allein im Juni verließen vier Abgeordnete, zwei Bürgermeister und mehr als 350 führende Vertreter die Bewegung. Sie zählten sich zur „Fuerza de Cambio“, dem gemäßigten Flügel der FMLN, der sich als Gegenpol zur orthodoxen Linie versteht. Diese dominiert in den Führungsschichten, während dem gemäßigten Flügel etwa 40 Prozent der aktiven Mitglieder angehören.
Die zahlreichen Austritte und Ausschlüsse sind das Ergebnis einer Krise, die nach der Niederlage bei den Wahlen im März 2004 ihren Lauf genommen hatte. Damals war Elías Antonio Saca als Vertreter der rechtskonservativen ARENA-Partei (Alianza Republicana Nacionalista) mit 57,7 Prozent der Stimmen zum Staatspräsidenten gewählt worden.
Von den 31 Abgeordneten, mit denen die FMLN nach der Wahl 2003 die größte Fraktion in der Nationalversammlung gestellt hatte, bleiben ihr jetzt noch 27. Zu wenige, um die Eingaben der ARENA abzublocken, die nun über 29 von insgesamt 84 Abgeordneten verfügt.
Der politische Beobachter Antonio Pérez Castillo ist der Ansicht, die FMLN müsse dringend neue führende Repräsentanten ernennen, „was in vielen Fällen die Ernennung jüngerer Vertreter bedeutet, die politisch und ideologisch weniger festgefahren sind. Die Partei muss moderner werden. Was sie braucht, ist eine effiziente und kompetente Führungsstruktur.“
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HONDURAS
Chortí-Indígenas nehmen den Kampf um ihr Land wieder auf
(Lima, 13. Juli 2005, na-poonal).- Am 6. Juni besetztenChortí-Indígenas die archäologische Ruine Copán im Westen von Honduras. Damit wurden die Auseinandersetzungen mit der Regierung erneut aufgenommen. Mit lauten Rufen „Wir wollen Land, keine Lügen“ blockierten etwa 3.000 Chorti-Campesinos den Touristen den Zugang zu den berühmten Copán-Ruinen, einer alten Maya-Stadt. Die 14 Stunden andauernde Besetzung fand als Reaktion auf den Bruch eines Abkommens statt, das die Regierung 1997 mit der Chortí-Gemeinde geschlossen hatte. In dem Vertrag war den Indígenas Land in den Gebieten Copán und Ocotepeque zugesprochen worden.
In einer Presseerklärung zu den Hintergründen der Protestaktion erklärte María Marcelina Pérez Interiano vom Nationalrat der Maya-Chortí Honduras CONIMCHH (Consejo Nacional Indígena Maya-Chortí): „Vor acht Jahren wurde ein Abkommen unterzeichnet, in dem die Regierung sich verpflichtete, uns 1.700 Hektar Land zu kaufen. Doch bis heute gab es nur leere Versprechungen.” Die Behörden hatten sich verpflichtet, das Land in zwei Etappen zu kaufen. Unterdessen wurde mit den vorherigen Besitzern die Nutzung des Landes durch die Chortí für eine Übergangszeit von drei Jahren vertraglich vereinbart. Die Besitzer des Landes erhielten jedoch bis heute kein Geld. Diese fordern nun den Rückzug der Chortì von ihren Ländereinen. „Der Regierung ist es egal, ob unser Volk verhungert“, so Isidoro Vásquez. „Wir Chortí ernähren uns von der Landwirtschaft, vom Mais- und Bohnenanbau. Ohne Land können wir nichts aussäen.“
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NICARAGUA
Interamerikanischer Gerichtshof verurteilt Regierung
(Fortaleza, 19. Juli 2005, adital-poonal).- DerInteramerikanische Gerichtshof für Menschenrechte IAGMR verurteilte den Staat Nicaragua aufgrund der Verletzung der Rechte indigener Kandidaten und Kandidatinnen der Organisation Yabti Tasba Masraka Nanih Asla Takanka (Yatama) während der Bürgermeisterwahl im Jahr 2000. Die Indígenas durften damals nicht an der Wahl teilnehmen. Das Gericht erklärte in seinem Urteil vom 23. Juni, dass die rechtlichen Garantien, der juristische Schutz, die politischen Rechte und das Recht auf Gleichberechtigung, die in der Amerikanischen Menschenrechtskonvention AMRK festgeschrieben sind, verletzt worden seien.
Das Zentrum für Gerechtigkeit und Internationales Recht CEJIL (Centro para la Justicia y el Derecho Internacional) und das nicaraguanische Menschenrechtszentrum CENIDH (Centro Nicaragüense de Derechos Humanos) erstatteten am 14. November 2003 Anzeige beim IAGMR. Auch die Interamerikanische Menschenrechtskommission hatte den Staat Nicaragua am 27. Juni des gleichen Jahres vor diesem Gericht angezeigt. Der Grund war, dass die Wahlkommission (Consejo Supremo Electoral) Yamata die Teilnahme an der Wahl versagte, obwohl die Organisation alle Voraussetzungen erfüllte.
Yatama ist eine indigene Organisation, die sich schon lange für die Rechte der indigenen Bevölkerung an der Atlantikküste im Land einsetzt. Sie fördert die Beibehaltung deren Strukturen und traditioneller Bräuche. Vom Gericht wurde anerkannt, dass „der Ausschluss der Kandidatur besonders Mitglieder der indigenen Gemeinde, die von dieser Organisation vertreten waren, betroffen habe und sie damit einer Ungleichbehandlung ausgesetzt waren.“
Das Gericht vertrat die Auffassung, dass der Staat die politischen Rechte sowie das Recht auf Gleichbehandlung der Indígenas verletzt habe, weil er von der Organisation gefordert hatte, sich als politische Partei zu organisieren und die traditionelle Struktur aufzugeben. Das Gericht forderte nun von Nicaragua eine Änderung des Wahlgesetzes, um Mitgliedern indigener Gemeinden die Teilnahme an Wahlen nach ihren Traditionen, Sitten und Gebräuchen zu ermöglichen.
Durch eine weitere Reform des Wahlgesetzes soll die Wahlkommission verpflichtet werden, ihre Entscheidungen zu begründen. Das Gericht erklärte, dass „unabhängig von der Gesetzgebung jedes Staates die Wahlkommission einer juristischen Kontrolle unterworfen sein soll, um beurteilen zu können, ob die Entscheidungen der Wahlkommission rechtens sind und den Mindeststandards der Amerikanischen Konvention entsprechen“. Nicaragua muss damit einfache, schnelle und effektive Rechtsmittel festlegen, um die Entscheidungen der Wahlkommission kontrollieren zu können und damit die Menschenrechte zu gewährleisten.
CEJIL erklärte, dass das Urteil des Gerichtshofes entscheidend sei, um die Rechte indigener Völker zur gleichberechtigten Teilnahme an Wahlen zu garantieren, die ihre Organisationsstruktur, Sitten und Gebräuche respektieren. Es stelle einen wichtigen Schritt zur Förderung der politische Vertretung der Indígenas dar, damit diese Interventionsmöglichkeiten hätten bei Entscheidungen, die sie betreffen.
Die Urteile des Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte sind bindend für alle Mitgliedsländer der Organisation Amerikanischer Staaten OAS (Organización de Estados Americanos), die dessen Kompetenz anerkannt haben.
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KOLUMBIEN
Spanische Aktivistin von Paramilitärs bedroht
(Fortaleza, 20. Juli 2005, adital).- Kolumbianische undeuropäische Organisationen berichten in e
inem Kommuniqué, dass eine spanische Aktivistin von einer paramilitärischen Gruppe mit dem Tode bedroht worden sei. Estibaliz Madariaga ist Mitglied im Europäischen Solidaritätsnetzwerk Kolumbien (Red Europea de Hermandad y Solidaridad con Colombia). Seit dem 13. Juli hat sie E-Mails mit Drohungen erhalten. In der ersten Mail hieß es, dass ihre vorgesehene Reise nach Kolumbien in Bogotá enden werde.
„Wir werden dir ein paar Schüsse in den Kopf verpassen, damit du sie dann anzeigen kannst, so wie ihr eine Menge Lügen über uns anzeigt. Aber dieses Mal wirst du wirklich etwas anzuzeigen haben,“ heißt es in der Nachricht, die vom Block „Martín Llanos“ von den Vereinten Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens AUC (Autodefensas Unidas de Colombia) aus Bogotá unterzeichnet ist. Estibaliz Madariaga hatte vor, auf Einladung einer kolumbianischen Organisation mit einem Kooperantenvisum nach Kolumbien zu reisen, um in einem Projekt der Erwachsenenbildung zu arbeiten.
Die Organisationen bekunden ihre Solidarität mit und volle Unterstützung für Estibaliz Madariaga sowie mit allen anderen in Kolumbien tätigen Kooperanten. Sie seien zudem verwundert darüber, dass die Unterzeichner der E-Mails sowohl den genauen Reisetermin kennen als auch wissen, dass die Aktivistin nicht zum ersten Mal nach Kolumbien reist. Diese Informationen waren einzig der kolumbianischen Botschaft in Spanien übermittelt worden, wo Estibaliz Madariaga ihr Kooperantenvisum beantragt und erhalten hatte.
„Wir sind besorgt angesichts des Widerspruchs, dass die spanische Regierung zwar 100 Millionen Euro Entwicklungshilfe für Kolumbien zahlt, ihre Kooperanten aber nicht die nötigen Garantien zur Durchführung ihrer Arbeit genießen. Der in Kolumbien vorangetriebene Friedensprozess sichert weder den Respekt der Menschenrechte noch ein Ende der Gewalt noch die Überwindung der Straflosigkeit. Dies aber wäre notwendig, um den Opfern Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung zu garantieren“, erklären die Organisationen.
Sie verurteilen den Mangel an Garantiemaßnahmen für die Durchführung der internationalen Kooperationstätigkeit in Kolumbien sowie die Tatsache, dass die Morde an internationalen Entwicklungshelfern wie Iñigo Egiluz und Daniel Gillard bisher straffrei geblieben sind. Auch weisen sie darauf hin, dass die Repressions- und Drohstrategie der paramilitärischen Gruppen in Kolumbien häufig mit Wissen und stillschweigender Billigung der Sicherheitsorgane der kolumbianischen Regierung ausgeübt wird.
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VENEZUELA
Verschwiegener Rassismus
Von José Orozco
(Caracas, 13. Juli 2005, na-poonal).- Auf die Frage an Einheimische, ob es in Venezuela Rassismus gäbe, käme vermutlich eine Antwort wie „wir sind alle gemischt“ oder „hier geht es um Klassenunterschiede, nicht um Rassismus“. Diese Aussagen könnten von einem falschverstandenen Nationalismus ergänzt werden, der die irrtümliche Anwendung US-amerikanischer Konzepte auf Venezuela kritisiert, da sich hier Weiße, Schwarze und Indígenas frei und als Gleiche mischen würden.
In Venezuela, wie auch in den meisten anderen Ländern Lateinamerikas, hat der Mythos des Mestizentums die großen Unterschiede verdeckt, an deren Anfang die verschiedenen Hautfarben und Ethnien stehen. Wenn alle Menschen Mestizen sind, dann sind alle gleich – und Rassismus ist unmöglich. Die Diskrepanz zwischen diesem Mythos und der Realität fällt besonders beim genaueren Betrachten verschiedener Stadtteile von Caracas ins Auge, wie z.B. des reichen Palos Grandes mit seinen mehrheitlich weißhäutigen Bewohnern und Bewohnerinnen und des Petare-Stadtteils, in dem hauptsächlich arme Leute mit dunkler Hautfarbe leben. Im Grunde genommen reicht es, den Fernseher anzuschalten, um angesichts weißer Schauspieler und Nachrichtensprecher den Unterschied zwischen dem Gesagten und der Wirklichkeit zu erkennen.
Die offizielle Leugnung des Rassismus im Land hat die Arbeit einer ganz jungen Bewegung zurückgeworfen, die sich dem Thema Rassismus angenommen und gerade erste Erfolge zu verzeichnen hat. Während auf der zwischenmenschlichen Ebene rassistische Einstellungen an der Tagesordnung sind, verrichten auf der Makroebene die Strukturen der Institutionen die rassistische Arbeit der Diskriminierung. Milco Chacoa, ein afrovenezolanischer Aktivist, benennt die Folgen eines staatlich geförderten Rassismus: „Nicht zufällig leben in den ärmsten Gebieten vor allem afrikanischstämmige und indigene Gemeinschaften.“
Der erste Schritt bei der Lösung eines Problems ist, seine Existenz zu erkennen. „Das Thema zu benennen ist der erste Schritt, um einen Dialog zu initiieren,“ sagt Habida Bangura, Beraterin des UN-Kinderhilfswerks UNICEF in afrovenezolanischen Fragen. Obwohl die Regierung unter Präsident Hugo Chávez mehr für die Anerkennung der afrovenezolanischen Bevölkerung als ihre Vorgängerinnen getan hätte, müsse dies sowohl rechtliche als auch faktische Konsequenzen haben. „Es hat noch keine ausdrückliche Anerkennung gegeben,“ so Chacoa.
Jesús “Chucho” García, der wichtigste afrovenezolanische Aktivist und Akademiker führt aus, dass „in keinem Gesetz das Wort ‚Afro’ vorkommt und es kein staatliches Programm gibt, das einen Bezug zu den Menschen mit afrikanischen Wurzeln hat“. Als konkreten Schritt fordern afrovenezolanische Aktivisten und Aktivistinnen eine Volkszählung, die nicht nur die Anzahl afrikanischstämmiger Menschen erfassen soll, sondern auch deren soziale Lage. Aktuelle Zahlen weisen einen Anteil der Schwarzen von etwa 10 bis 15 Prozent an der Gesamtbevölkerung aus. „Es ist wie bei einem medizinischen Check: zuerst müssen die Probleme erkannt werden, damit sie danach behoben werden können,“ sagt Chacoa.
Nach einer ganzen Reihe von Veranstaltungen zum 150. Jahrestag der Abschaffung der Sklaverei in Venezuela hat die afrovenezolanische Gemeinschaft Grund zur Hoffnung. Im Juni errang sie einen bedeutsamen, wenn auch bescheidenen Erfolg: die Einsetzung einer Regierungskommission zur Rassendiskriminierung im Bildungswesen. Das venezolanische Bildungssystem wird von den Aktivisten und Aktivistinnen als eine wichtige Arena im Kampf um ihre Rechte angesehen. „Die Bildung ist von besonderer Bedeutung, da dort [rassistische] Einstellungen reproduziert werden,“ sagt die afrovenezolanische Psychologin Nirva Camacho.
Der fehlende rechtliche Rahmen ist ein wichtiges Hindernis im Kampf gegen den Rassismus. Allerdings profitieren afrovenezolanische Menschen nach einer langen Geschichte des sozialen Ausschlusses immer mehr von der Orientierung der Regierung Chávez hin zu mehr Demokratie und zu mehr Beteiligung der Bevölkerung bei gesellschaftlichen Entscheidungen. „Der Rassismus steht im Widerspruch zur Demokratie“, sagt Chacoa. „Das Ziel des Rassismus ist es, andere auszuschließen. Das Ziel der Demokratie ist es, andere einzubeziehen.“
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BRASILIEN
Aktive Katholikin entlassen
(Fortaleza, 19. Juli 2005, adital-poonal).- Die Leiterinder Organisation „Katholikinnen für das Recht auf Entscheidung“ CDD (Católicas pelo Direito de Decidir) in Brasilien Regina Soares Jurkewicz wurde aus dem Theologischen Institut der Di&
ouml;zese San Andrés mit Sitz in São Paulo entlassen. Grund der Kündigung war die Veröffentlichung einer Untersuchung der Religionssoziologin zur nachlässigen Haltung der katholischen Kirche bei Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen und Kinder. Regina Soares hatte die Strategien der Kirchenführung erforscht, mit denen Opfer zum Schweigen gebracht und schuldige Pfarrer geschützt wurden. Die Untersuchung ist Teil ihrer Doktorarbeit im Bereich Religionswissenschaft. Soares hatte acht Jahre lang in dem Institut gelehrt.
In einem Brief, der von dem Rektor des Instituts Pedro Teixeira unterzeichnet ist, heißt es: „Wir respektieren die Freiheit ihres Denkens, aber wir stimmen darin nicht mit Ihnen überein. Das schafft einen unversöhnlichen Konflikt.“ Die von Soares untersuchten Fälle zeigen, dass die katholischen Würdenträger aus Angst vor Skandalen sexuellen Missbrauch vertuschen und eines Vergehens beschuldigte Pfarrer lediglich in eine andere Pfarrei versetzen. „Es gibt eine große moralische Verirrung in einigen Bereichen der katholischen Kirche. Deren Auffassung wird jedoch nicht vom Rest der Kirchengemeinden geteilt,“ meint María Consuelo Mejía, Direktorin von CDD (Católigos por el Derecho para Decidir) in Mexiko.
Durch das Vertuschen von Fällen sexuellen Missbrauchs durch die Kirche verlor die Institution an Glaubwürdigkeit und Anerkennung. Das zeigt eine Umfrage, die CDD-Mexiko im Jahr 2003 durchführte. Die Umfrage wurde in Bolivien, Kolumbien, Mexiko und Brasilien umgesetzt. Der Prozentwert der Unterstützung für die katholische Kirche bewegt sich dabei zwischen zehn und fünfzehn Prozent. Das bedeutet, dass mehr als 80 Prozent der Kirchengemeinden nicht mit den Ansichten zur Sexualmoral übereinstimmen. Keine befürwortet, dass weiterhin Fälle sexuellen Missbrauchs vertuscht werden.
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Demonstration gegen polizeiliche Gewaltverbrechen in São Paulo
(Fortaleza, 19. Juli 2005, adital-poonal).-Menschenrechtsorganisationen organisierten am 19. Juli eine Demonstration gegen polizeiliche Gewaltverbrechen im Bundesstaat São Paulo. Demonstranten füllten die Straßen im Zentrum der Landeshauptstadt und forderten die Aufklärung von Verbrechen, die von Polizisten verübt wurden, sowie die Bestrafung der Schuldigen.
Bei einem der jüngsten Vorfälle polizeilicher Gewalt wurden Tereza Rodrigues Francisco do Nascimento und ihre beiden Kinder in einem Vorort der Stadt Diadema in der Region São Paulo ermordet. Einige Polizisten stehen im Verdacht, für diese Tat verantwortlich zu sein. Die Demonstranten forderten, dass der Fall ordnungsgemäß untersucht wird und die Schuldigen bestraft werden, um eine Exempel zu statuieren. Die Menschenrechtsorganisationen, die im Bundesstaat São Paulo aktiv sind, beklagen die Straflosigkeit von Verbrechen, in die Polizisten verwickelt sind. Opfer dieser Verbrechen sind fast immer schwarze und arme Personen, die am Stadtrand leben. Sie sind von jeder gleichberechtigten Behandlung im brasilianischen Staat ausgeschlossen. „Das Bedauerliche ist, dass die Politik der öffentlichen Sicherheit im Bundesstaat São Paulo den Schutz der Menschenrechte nicht achtet und damit zur Stärkung der Straflosigkeit beiträgt“, bestätigt der Abgeordnete Ítalo Cardoso. Cardoso ist Präsident der Menschenrechtskommission des Parlaments von São Paulo. Er nahm wie auch Kardinal Don Claudio Humes aus São Paulo an der Demonstration teil.
Bei der Aktion wurde auch an andere Verbrechen erinnert, durch die mehrere Menschen ermordet wurden, die im Zentrum der Hauptstadt auf der Straße gelebt hatten. Diese Vorfälle sind inzwischen ein Jahr her. Die Verantwortlichen wurde jedoch bis heute nicht identifiziert.
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URUGUAY-ARGENTINIEN
Streit um den Bau von Papierfabriken
(Montevideo, 15. Juli 2005, comcosur).- Der Bau von zweigroßen Papierfabriken an der Küste von Fray Bentos in Uruguay hat zu heftigem Streitigkeit zwischen den Regierungen von Uruguay und Argentinien geführt. Die argentinischen Regierungsvertreter befürchten mögliche Umweltschäden, die der Bau der Fabriken in Uruguay auch auf argentinischem Territorium haben könnte.
Der uruguayische Außenminister Reinaldo Gargano erklärte, dass sein Land über die technischen Fähigkeiten verfüge, um die Fabriken und deren Folgen für die Umwelt zu kontrollieren. Sein argentinischer Kollege Rafael Bielsa sagte, dass das Verhältnis zwischen den beiden Staaten extrem angespannt sei, nachdem Uruguay sich der Einrichtung einer aus Vertretern beider Länder bestehenden Kommission zur Untersuchung der Umweltfolgen widersetzt habe.
Dies sei aus Protest geschehen, weil Argentinien die Weltbank gebeten habe, die Finanzierung des Projekts auszusetzen. Bielsa fügte hinzu, dass sein Land nun vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag klagen wolle. Auch im eigenen Land muss sich die Regierung von Tabaré Vázquez dem Widerstand verschiedener Organisationen stellen. Auf zahlreichen Demonstrationen wurde auf die umweltschädlichen Folgen der geplanten Fabriken hingewiesen. Trotzdem ratifizierte der uruguayische Präsident die Fortsetzung der Bauarbeiten. Uruguayische Politiker vermuten, dass Argentinien in Wirklichkeit die Investitionen, die in das Projekt fließen, allein für sich behalten wolle. Vom argentinischen Botschafter wurden diese Vermutungen jedoch vehement zurückgewiesen.
Einigen Quellen zufolge wird die Regierung des Präsidenten Vázquez den finnländischen Bauträger Botnia um eine finanzielle Garantie bitten. Nach Angaben von Alicia Torres, Direktorin für Umweltschutz, handelt es sich bei dieser Garantie um eine beträchtliche Summe. Die Regierungsangestellte fügte hinzu, dass „man von Botnia die Einhaltung der gleichen Umweltschutznormen verlangen wird, die auch in der Europäischen Union gelten“. Aber auch in Europa werden bereits bei kleineren Papierfabriken dieser Art die Umweltfolgen in der Natur und der menschlichen Gesundheit spürbar.
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CHILE
Neue Dokumente über Colonia Dignidad
(Buenos Aires, 18. Juli 2005, púlsar-na).- In derColonia Dignidad des deutschen Sektenpredigers Paul Schäfer wurden mehr als 40.000 Dokumente entdeckt, die damals überwiegend vom Befehlskommando Süd (Comando de Operaciones Sur) und der Regionalen Brigade (Brigada Regional de la Inteligencia) der Geheimpolizei Dina erstellt wurden. Nun werden die Dokumente von der dafür zuständigen Behörde der Zivilpolizei untersucht. Die Register legen detailliert dar, was mit den Verhafteten und dann Verschwundenen der auch Villa Baviera genannten Kolonie geschah und wie dort vorgegangen wurde. Zudem sind die Namen der Peiniger genau dokumentiert.
Am 15. Juli, kurz nach der Verhaftung von Paul Schäfer, entdeckte die Untersuchungsbehörde der Polizei die mehr als 40.000 Dokumente und Aufzeichnungen. Diese erbrachten weitere wichtige Einblicke über die Abläufe innerhalb der Villa Baviera sowie über repressive Maßnahmen und Folterinstrumente, deren „Verwalter“ von 1974 bis 1978 Manuel Contreras Sepúlveda war.
Insgesamt 112 Personen verschwanden nach dem Staatsstreich von 1973 auf dem Gelände der Colonia Dignidad. Hunderte wurden von der Dina ver
haftet und gefoltert. Bis heute wurden jedoch keine konkreten Spuren aufgedeckt, die die Peiniger entlarven könnten. Die Namen der Gefangenen, die der Mittelsmänner und auch die derjenigen, die die Verhöre geleitet hatten, werden derzeit jedoch einer nach dem anderen von den Behörden analysiert.
Die Dokumente liegen im Kartenformat vor und sind auf Schreibmaschinen geschrieben. Dort finden sich die „Geständnisse“ der Gefangenen, die unter dem Druck der Folter erpresst und zu „Intelligenztests“ gezwungen wurden. Auch Richtlinien zur Rekrutierung neuer Aktivisten für die Erweiterung der Dina sind verzeichnet.
Bei den Dokumenten handelt es sich um die Archive von Organisationen des Geheimdienstes Dina, die mit der Repression der sechsten (Hauptstadt: Rancagua) und achten Region (Hauptstadt: Concepción) Chiles beauftragt waren. Ihr Sitz war im Inneren der Colonia Dignidad in einem Haus von Paul Schäfer.
Die Dokumente über die Dina sind jedoch nicht die einzigen verborgenen Akten, die in halbvergrabenen Containern der Colonia lagern. Unter den 40.000 Schriftstücken fanden sich auch Dokumente der ehemaligen Politischen Polizei (Policía Política), die zwischen 1967 und 1970 operiert hatte. Die Aufzeichnungen beziehen sich auf politisch aktive gegnerische Personen und Angehörige der deutschen Enklave.
Neben der Entdeckung dieser zahlreichen Dokumente wurde Mitte Juni dieses Jahres auf dem Areal der Colonia Dignidad das wohl historisch bedeutendste Waffenarsenal Chiles aufgetan. Zahlreiche Container mit Kriegswaffen – Gewehre, Maschinengewehre und Raketenwerfer – die unter Augusto Pinochets Diktatur von der Geheimpolizei benutzt worden waren, wurden gefunden. Sie lagerten bislang unentdeckt auf dem Gebiet der Colonia Dignidad.
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Senatoren bewilligten die Freilassung politischer Gefangener
(Buenos Aires, 20. Juli 2005, púlsar).- Nach derVerabschiedung durch die Senatorenkammer hat die Exekutive nun das Gesetz zur einstweiligen Freilassung der politischen Gefangenen, die im Hochsicherheitsgefängnis von Santiago de Chile inhaftiert sind, verkündet. Das kürzlich beschlossene Gesetz statuiert die einstweilige Freilassung lebenslänglich verurteilter politischer Gefangener nach Verbüßung einer zehnjährigen Haftstrafe.
Die Gesetzesvorlage wurde mit den Stimmen der Senatoren der Concertación, der Coalición Oficialista und der ultrarechten Unión Demócrata Independiente mit 22 zu 17 Stimmen angenommen. Nur zwei Senatoren der Unión Demócrata Independiente stimmten gegen die Vorlage, weil, so die Begründung von Andrés Chadwick, „wir nicht dafür sind, Verbrechern Vorteile zu gewähren“.
Das Gesetz begünstigt Fedor Sánchez, Pablo Vargas Lóüez, Claudio Melgarjo Chávez und Hardy Peña Trujillo. Die vier wurden von der Anwendung eines vorherigen Gesetzes ausgeschlossen, durch das bereits letztes Jahr die Mehrheit der politischen Gefangenen in die Freiheit entlassen wurde. Vargas, Melgarejo und Peña waren bis zum 6. Juli für 53 Tage in einen Hungerstreik getreten, um die Parlamentarier zur Annahme des Gesetzes zu bewegen.
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LATEINAMERIKA
16. Gipfeltreffen der Andengemeinschaft
Von Dana Cufré
(Berlin, 20. Juli 2005, npl).- „Wir sind immer noch in einem kolonialen System gefangen.“ Der venezolanische Präsident Hugo Chávez fand deutliche Worte bei seiner Antrittsrede als Präsident der Andengemeinschaft (CAN) am Montag (18. Juli) in Lima. Weder sei es den Andenländern gelungen, innerhalb des kapitalistischen Systems wirtschaftlich voranzukommen, noch seien Armut und soziale Ungleichheit wirksam bekämpft worden. Stattdessen werde man immer noch „vom Norden“ dominiert, so Chávez, mit einem deutlichen Fingerzeig in Richtung der USA. Doch auch einen Lösungsvorschlag hatte der linkspopulistische Regierungschef mit im Gepäck: Das Erdgas- und Erdölunternehmen „Petroandina“ werde den Staaten wirtschaftliche Unabhängigkeit zurückgeben und damit aus der Misere helfen. „Ecuador produziert Öl und importiert Benzin. So kann es nicht weitergehen,“ so Chávez.
Die Gründung von „Petroandina“ ist zwar nur ein Ergebnis des 16. Gipfeltreffen der CAN, sicher jedoch das Wichtigste. Hier sollen in Zukunft die Energieunternehmen der fünf Mitgliedsländer Venezuela, Peru, Kolumbien, Ecuador und Bolivien zusammengeschlossen werden. Ähnliche Vorhaben existieren bereits mit „Petrosur“ für Südamerika und mit „Petrocaribe“ für den karibischen Raum. „Die Initiative von Präsident Hugo Chávez und seiner Regierung ist sehr wichtig, denn unsere Länder verfügen mit 55 Prozent über die größten Reserven an Öl, Erdgas und Kohle in ganz Lateinamerika“, betonte der Generalsekretär der CAN Allan Wagner bereits im Vorfeld des Treffens.
Folge war, dass die anderen beim Gipfel behandelten Themen – Drogenbekämpfung, Demokratie, Entwicklung und Infrastruktur – eher in den Hintergrund gerieten. Zwar wurde am Samstag im Beisein der EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner eine Absichtserklärung für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und der CAN beschlossen. Höhepunkt war nach den dreitägigen Verhandlungen zwischen verschiedenen Ministern und Fachleuten jedoch zweifelsohne die Zusammenkunft der Präsidenten am Montagabend. Bei diesem Anlass gab der bisherige Präsident der CAN, der peruanische Präsident Alejandro Toledo, im Beisein der Regierungschefs der Mitgliedsländer und Sondergesandten aus den übrigen Ländern Lateinamerikas das Zepter für das kommende Jahr an den venezolanischen Regierungschef weiter. Lediglich der bolivianische Präsident Eduardo Rodríguez reiste wegen der angespannten Lage in seinem eigenen Land nicht nach Lima an.
Trotz der Eintracht und feierlichen Stimmung in dieser von offizieller Seite als „historisch“ bezeichneten Zusammenkunft bleibt die Umsetzung von „Petroandina“ für die Zukunft ungewiss. Denn die CAN, der älteste regionale Staatenverbund auf dem amerikanischen Kontinent, ist hauptsächlich ein Zusammenschluss der ärmeren südamerikanischen Staaten. Außer Venezuela verfügt kein Land über die wirtschaftlichen Ressourcen, um das nationale Energievorkommen ohne die Hilfe ausländischer Investoren zu fördern bzw. zu entdecken. Hinzu kommt, dass Bolivien, das nach Venezuela über die größten Erdgasvorkommen Lateinamerikas verfügt, zunächst lediglich einen Beobachterstatus behält. Kritiker gehen deshalb davon aus, dass Chávez im Laufe seiner Präsidentschaft zwar weiterhin die Einigkeit der Andenländer herausstreichen wird. Wie viel davon jedoch in die wirtschaftliche Tat umgesetzt wird, ist ganz andere Frage.
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BOLIVIEN
Kampf um Gerechtigkeit
(Fortaleza, 19.Juli 2005, adital-poonal).-DieFamilienangehörigen der von der Armee erschossenen Opfer des sogenannten Gaskrieges, beginnen mit Unterstützung der argentinischen Madres de Plaza de Mayo, Druck auf das Parlament und den derzeitigen Präsidenten Eduardo Rodríguez auszuüben. Ziel ist es den Ex-Präsident Gonzalo Sánche
z de Lozada und weitere Verantwortliche des Mordes anzuklagen. Zentrum des Gaskrieges im Oktbober 2003 war die Nachbarstadt von La Paz, El Alto.
Seit einem Jahr und neun Monaten kämpfen Gewerkschafts- und Nachbarschaftsorganisationen aus El Alto für eine Verurteilung von Sánchez de Lozada und weiterer Verantwortlicher, wie dem damaligen Verteidigungsminister Carlos Sánchez Berzaín und Innenminister Yerko Kukoc. Doch noch immer wurden sie nicht im Rahmen des parlamentarischen Untersuchungsprozesses zur Klärung der Verantwortlichkeit, verurteilt. Der Vorsitzende der „Vereinigung der Angehörigen der Gefallenen für die Verteidigung des Erdgases“ Asofac-dg (Asociación de Familiares Caídos por la Defensa del Gas), Néstor Salinas, erklärte, dass sie nicht aufhören würden, bis Sánchez de Lozada und seine Mittäter im Hochsicherheitsgefängnis von Chonchocoro landen.
Nach Meinung von Salinas ist der einzige, der aus dem Prozess zur Klärung der Verantwortlichkeit eine politische Aktion machen will, Sánchez de Lozada selbst. In der Form, dass er für dass Massaker vermeintliche Radikale verantwortlich machen möchte, als ob er in seiner Funktion als Oberbefehlshaber der Streitkräfte nicht angeordnet habe, dass die Armee ausrücken solle, um den bewaffneten sozialen Aufstand zu unterdrücken, der sich der für Bolivien vorgesehenen Gaspolitik widersetzte. Er erklärte, dass das einzige, was die Angehörigen der Opfer vom Oktober 2003 wollen, die Aufklärung über die Vorfälle sei, bei denen die meisten der Opfer durch Schüsse starben, die von Seiten der Armee abgefeuert wurden und nicht seitens so genannter Radikaler.
Der Vertreter der Angehörigen gab bekannt, dass seine Organisation eine Agenda aufgestellt hat, die zum Ziel hat, dass die Regierung Sánchez de Lozada nach Bolivien holt und ihn der Verbrechen, die er im Oktober 2003 begangen hat, anklagt. Er sagte, wenn er nicht für die 60 Toten in seiner Regierung verantwortlich sei, müsse er das beweisen und den Bolivianern offen ins Gesicht schauen und nicht den Kameras und Aufnahmegeräten der internationalen Medien.
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