Die schöne neue Welt von Monsanto – Gentech–Lebensmittel in Brasilien

von Lívia Duarte und Katarine Flor, Rio de Janeiro

(Rio de Janeiro, 13. August 2009, púlsar).- “Nachhaltigkeit”. Das ist das Konzept, das der Gentech–Konzern Monsanto sich auf die Fahnen geschrieben hat. Monsanto ist einer der größten Produzenten von genetisch verändertem Saatgut und den dazugehörigen Pestiziden. Ein Besuch der brasilianischen Internetseite des Konzerns führt geradewegs ins Paradies: Vor romantischen Landschaften sind bescheidene aber glückliche Menschen zu sehen. Monsanto preist Investitionen zum Schutz der Biodiversität an, wirbt für Umwelterziehung und scheint alles daran zu setzen, die Natur zu schützen.

Unterlegt wird das ganze mit traditioneller Musik aus dem brasilianischen Nordosten. Der beliebte Rhythmus begleitet einen kleinen Landwirt namens Jose Brasil, dem es gelang, mit neuartigem Saatgut sein Leben zu verändern. Natürlich handelt es sich um Monsanto–Saatgut. Das Video über Jose, dessen Nachname ganz zufällig dem Namen seines Landes entspricht, ist auch im Kino zu sehen, vor allem in Regionen, in denen Armut und familiäre Landwirtschaft vorherrschen.

Seit gut einem Jahr wirbt Monsanto für genetisch veränderte Baumwollsamen in Catuti, der Region im Bundesstaat Minas Gerais, in der Jose Brasil zu Hause ist. Am Anfang zeigt sich Monsanto generös: Die ersten Samensäcke werden gespendet. Und bei den Banken legt der Konzern ein gutes Wort ein, so dass die Kleinbauern und –bäuerinnen Kredite bekommen. Schon bei der zweiten Ernte wird alles anders. Das Saatgut hat seinen Preis und für die Nutzung der Gentechnologie muss jetzt die entsprechende Gebühr bezahlt werden.

“Die Bauernfamilien im Nordosten, die noch nie Unterstützung von außen bekommen haben, freuten sich über die Aufmerksamkeit und die Anreize,“ erklärt Helen Borborema von der LandarbeiterInnen–Gewerkschaft in Catuti. Doch mittlerweile sei die Abhängigkeit wegen der hohen Kosten und der Produktionsweise zum Problem geworden: „Zum einen sind die Familien Opfer der Abhängigkeit, zum anderen fasziniert sie diese Technologie, die Ideologie der Moderne“, ergänzt Borborema.

Nicht alle lassen sich von farbenfrohen Videos und Internetseiten beeinflussen. Umweltschützer*innen und kritische Agrarorganisationen wie die Landlosenbewegung MST laufen Sturm gegen die Verbreitung von Gentech–Produkten in der Landwirtschaft. Ganz im Gegensatz zur Monsanto–Kampagne, warnen sie vor der Gefahr für die Biodiversität und die Gesundheit aller Lebewesen, sollte der Anbau von genetisch verändertem Saatgut weiter vorangetrieben werden.

Vergangenes Jahr verklagten sechs brasilianische NGOs die Regierung ihres Landes bei der UNO, genauer gesagt bei dem Komitee, das für die Einhaltung der im Protokoll von Cartagena aufgestellten internationalen Regeln für den Umgang mit Biosicherheit zuständig ist. Sie argumentierten, dass es nicht ausreichend Datenmaterial über die Auswirkung von genetisch verändertem Saatgut gebe. Deswegen baten sie den zuständigen Minister, weitere Genehmigungen von Gentech–Maissorten zu verhindern. Obwohl das Cartagena–Protokoll just eine solche Datensicherheit vorschreibt, blieb Brasiliens Regierung bei ihrem Kurs, Anträgen auf Genehmigung transgener Samen in der Regel stattzugeben.

Im Mai dieses Jahres wandte sich die brasilianische Zivilgesellschaft erneut an die UNO. Der Internationale Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte solle Druck auf Brasilien ausüben, um den Anbau von Gentech–Pflanzen zu verhindern. Die Aktivist*innen betonten, dass die unkontrollierte Ausbreitung genetisch veränderter Organismen die Menschenrechte auf Selbstbestimmung, Ernährung auf Gesundheit in Brasilien massiv einschränkten. Sie führten aus, dass die Gentechnologie und die Bevorzugung der Agrarexportmodells zu mehr Abholzung, Landkonzentration, größerem Einsatz von Herbiziden und der Zerstörung der Subsistenzgrundlagen von Indígenas und von Kleinbauern und –bäuerinnen geführt hätten.

Die Zweifel an einer friedlichen Koexistenz zwischen traditionellen und genetisch veränderten Pflanzungen sind vor allem im Bundesstaat Paraná Anlass zur Sorge. Der Staat im Süden Brasiliens ist der größte Produzent von Getreide und organischen Körnern. Marcelo Silva, Agrarwirt im Landwirtschaftsministerium von Paraná, erklärt, warum dort die Ernten einer Kontrolle unterzogen werden. „Es wird davon ausgegangen, dass die Gentech–Kulturen die Umwelt nicht schädigen, dass sie den Einsatz von Pestiziden senken und dass sie keine Gefahr für die menschliche Gesundheit bedeuten. Aber ich bestehe darauf, dass dies nur die halbe Wahrheit ist. Und zwar deshalb, weil wir dies nicht mit Sicherheit wissen.“

Der Kampf um die Genehmigung von Anbau und Vermarktung jeder Gentech–Sorte wird in der Nationalen Technischen Kommission für Biosicherheit, kurz CTNBio (Comissão Técnica Nacional de Biossegurança), entschieden. Der Agrarlobby ist es gelungen, die Mehrheit der Mitglieder dieser Kommission zu stellen. Kein Wunder also, dass fast jeder Genehmigungsantrag, sei es von Monsanto, Bayer oder BASF, bewilligt wird. Protest im Vorfeld solcher Entscheidungen ist möglich, aber nur in Ausnahmefällen erfolgreich.

Professor Rubens Nonfre Nodari, von der Föderalen Universität von Santa Catarina, Hauptstadt des Bundesstaates Paraná, war mehrere Jahre lang Mitglied der CTNBio. Er ist ein überzeugter Befürworter des technologischen Fortschritts, plädiert aber zugleich dafür, dass dabei die Rechte aller Betroffenen gewahrt bleiben müssen. “Es geht nicht um die Sorgen derjenigen, die dagegen sind, sondern um diejenigen, die sich Sorgen um ihre Gesundheit und ihre Rechte machen.“

Nodari gibt ein Beispiel, um seinen Standpunkt zu verdeutlichen: „Ich habe in Brasilien das Recht, selbst zu bestimmen, welche Nahrungsmittel ich verzehren will. Nun legt die Kommission für Biosicherheit als Norm für den Abstand zu anderen Kulturen 100 Meter fest. Dies ist aber eindeutig nicht genug, um eine Vermischung zu verhindern.“ Also, so der Schluss von Professor Nodari, haben wir eine unzureichende Norm. Und wenn nun die Lebensmittel, die er sich aussucht, mit genetisch veränderten Kulturen vermengt sind, ohne dass dies bekannt ist, ist sein Recht auf freie Auswahl verletzt. „Es geht also nicht darum, gegen etwas zu sein, sondern darum, die grundlegenden Bürgerrechte zu garantieren“, begründet Nodari seine Haltung.

Aus diesem Grund stimmte Rubens Nodari in der CTNBio gegen die Zulassung von Gensamen. Er war Teil der Minderheit innerhalb der verantwortlichen Kommission, die die verschiedenen Argumente gegeneinander abwägt und sich nicht bestimmten politischen oder wirtschaftlichen Interessen anpasst. Es sind diese Interessen, die Ursache für die vielen Klagen und Proteste gegen die Gentechnologie in Brasilien sind.

(vgl. auch den dazu erschienenen Audiobeitrag im Rahmen der Kampagne “Knappe Ressourcen? Gemeinsame Verantwortung” des NPLA: http://www.npla.de/old/onda/content.php?id=915

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