Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 09. August 2005
Inhalt
GUATEMALA
HAITI
VENEZUELA
KOLUMBIEN
PARAGUAY
BOLIVIEN
BRASILIEN
PERU
ARGENTINIEN
GUATEMALA
Morddrohungen gegen Unterstützer von Exhumierungen
(Guatemala-Stadt, 2. August 2005, cerigua-poonal).- DieWitwenorganisation CONAVIGUA (Coordinadora Nacional de Viudas de Guatemala) erstattete Strafanzeige wegen Morddrohungen gegen Mitglieder der Organisation. CONVIGUA ist beteiligt an Exhumierungen in Dörfern, in denen während des Bürgerkrieges Massaker stattfanden.
Laut Everarda Tista de León, Direktorin von CONVIGUA intensivierten sich die Drohungen seit Juli vergangenen Jahres. Betroffen sind Personen, die die Exhumierungen unterstützen und Angehörige von Massakeropfern in Gemeinden von Quiché, der Costa Sur, Chimaltenango sowie Alta und Baja Verapaz. Verdächtigt werden ehemalige Mitglieder der paramilitärischen Zivilen Selbstverteidigungskräfte PAC, die in der Nähe der geheimen Friedhöfe leben, wo die Exhumierungen stattfinden.
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2005: Mehr Frauen in der Provinz ermordet
(Guatemala-Stadt, 2. August 2005, cerigua-poonal).- ImJahr 2004 hatten 52 Prozent aller ermordeten Frauen in der Hauptstadt gelebt. In diesem Jahr hat sich das Verhältnis nun umgekehrt. Die Morde in den ländlichen Gebieten haben beträchtlich zugenommen. 63 Prozent der Morde an Frauen fanden in der Provinz statt, wo nach den Untersuchungsergebnissen verschiedener Organisationen Frauen durch das herrschende Rechtssystem besonders benachteiligt sind.
Die Nationale Zivilpolizei spricht von insgesamt 232 Opfern bis zum 31. Juli 2005. Die Morde fanden in verschiedenen Departments statt, insbesondere in Escuintla, Quetzaltenango, Quiché, Izabal, Petén und Jalapa. Die Opfer waren zumeist arme Frauen, Arbeiterinnen, Indígenas und junge Mädchen.
Die Körper der toten Frauen tragen Spuren offensichtlicher Wut ihrer Mörder, häufig wurden die Opfer gefoltert, vergewaltigt oder verstümmelt. Den Berichten der fünf von der Nachrichtenagentur Cerigua ausgewerteten Tageszeitungen zufolge sind diese Gewalttaten längst nicht mehr nur auf die guatemaltekische Hauptstadt begrenzt, sondern werden auch in den ländlichen Provinzen regelmäßig von der Staatsanwaltschaft registriert.
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HAITI
Blauhelme befreien Entführte
(Fortaleza, 2. August, adital-poonal).- Nach Angaben derStabilisierungsmission der Vereinten Nationen auf Haiti (MINUSTAH) befreite diese im Rahmen ihrer Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince zwei Entführte. Zudem nahmen die UN-Soldaten mehr als 20 Personen fest, denen Gesetzesverstöße vorgeworfen werden und beschlagnahmten gefälschte Ausweise, Munition und Drogen im Viertel Bel-Air.
Eine Einheit brasilianischer Blauhelme befreite eine entführte Person während einer Routinepatrouille. Kurz zuvor hatten die Soldaten eine andere Geisel befreit, die 24 Stunden entführt gewesen war. Während der letzten Woche konfiszierten die Friedenstruppen elektronische Ausrüstung, Munition und Bankkarten. Des weiteren kündigte die Mission an, dass die Zahl der registrierten Wahlberechtigten für die Wahlen im Oktober sich auf 630.333 Personen belaufe.
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VENEZUELA
Regierung übernimmt Verantwortung für Menschenrechtsverbrechen in Vargas
(Fortaleza, 3. August 2005, adital-poonal).- Dievenezolanische Regierung hat endlich die Verantwortung für das Verschwindenlassen mehrerer Personen während der Naturkatastrophe im Bundesstaat Vargas im Dezember 1999 übernommen. In Vargas war es damals nach starken Regenfällen zu verheerenden Erdrutschen mit ca. 50.000 Opfern gekommen und die Armee unter dem damaligen Heereschef, Lucas Rincón, hatte die Aufräumarbeiten übernommen. Dabei war es zur Verhaftung und dem nachfolgenden Verschwindenlassen von Oscar José Blanco Romero und zwei weiteren Personen gekommen.
Die Regierung übernahm die Verantwortung für die Verletzung des Lebensrechtes der Opfer sowie ihres Rechtes auf physische Unversehrtheit sowie anderer in der Amerikanischen Menschenrechtskonvention, der Interamerikanischen Konvention gegen das Verschwindenlassen und der Interamerikanischen Folterkonvention vereinbarter Rechte. Aus der Presse war zu erfahren, dass die Interamerikanischen Menschenrechtskommission CIDH sich zufrieden mit der Entscheidung der venezolanischen Regierung vom 29. Juni zeigte.
Im Dezember 1999 waren Oscar José Blanco Romero, Roberto Javier Hernández Paz und José Francisco Rivas Fernández von Sicherheitskräften verhaftet, später verschwindengelassen worden. Der emotionelle und finanzielle Schaden bei den Familienangehörigen war beträchtlich. “Die staatliche Anerkennung des Verbrechens macht nun den Weg frei für Entschädigungszahlungen und für Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass sich solch ein Verbrechen nicht wiederholt.”, so die CIDH. Presseberichten zufolge hatten politische Beobachter befürchtet, die Regierung könnte sich auf eine Entschädigung der Opfer beschränken, ohne die politische Verantwortung zu übernehmen. Die aktuelle Entscheidung sei jedoch, so Carlos Ayala Corao, der Anwalt der Opfer, eine nicht wieder rückgängig zu machende Übernahme der Verantwortung für die erfolgten Menschenrechtsverbrechen, die nun juristische Konsequenzen haben werde. Über diese Konsequenzen werde das Gericht wahrscheinlich im kommenden November befinden. Unter den vom Gericht verhandelten Tatbeständen sind auch die Verantwortung bzw. die Unterlassungen von Seiten hoher Funktionäre und militärischer Befehlshaber wie der ehemalige Heere
schef Lucas Rincón.
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Wirtschaftliches Wachstum lässt Opposition schrumpfen
Von José Orozcound Alexandra Cortés
(Caracas/Berlin, 09. August 2005, na-npl). – Es ist ein Mythos, dass die venezolanische Mittelschicht sich nichts sehnlicher wünscht, als dass Präsident Hugo Chávez sein Amt niederlegt. Im Gegenteil: Der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Datanálisis zufolge, kann der für seine revolutionäre Rhetorik bekannte Staatschef neuerdings auf die Sympathie von rund 54 Prozent der Haushalte mit einem monatlichen Einkommen von bis zu 900 US-Dollar zählen.
Bereits nach dem Putschversuch der rechten Opposition gegen die linksgerichtete Chávez-Administration im Jahr 2002 haben Angehörige der Mittelschicht eine eigene NGO gegründet, um Chávez politisch zu unterstützen: Die „Clase Media en Positivo“ (Positive Mittelschicht).
Der Finanzberater Reinaldo Quijada hat in der wohlhabenden Siedlung „El Rosario“ im Zentrum der Hauptstadt Caracas sein Büro. Weit entfernt von den Armenvierteln, die an den Hängen rund um die Metropole kleben, hat „El Rosario“ nur wenig von einem Ort, an dem man sich eine Gruppe von Chávez-Anhängern vorstellen kann, die über die Revolution debattieren. Dennoch hat die „Clase Media en Positivo“, zu deren Gründern Quijada gehört, hier ihr Headquarter.
Doch Quijada ist Realist: Obwohl die Stimmen der Mittelschicht 1998 zum überraschenden Wahlerfolg des ehemaligen Oberst Chávez beigetragen hätten, seien die „bescheidenen Wohlhabenden“ in der darauf folgenden Zeit durch die Wirtschaftskrise sowie durch die linke Rhetorik des neuen Präsidenten wieder abgeschreckt worden und hätten an politischem Einfluss verloren, meint Quijada. Er konstatiert: „Die Mehrheit der Mittelschicht ist nicht explizit für Chávez. Die Mehrheit ist traditionell sehr konservativ und individualistisch. Sie ist nach wie vor blind und taub gegenüber den Problemen der Armen, für die sich Chávez nun einsetzt“.
Obwohl die Kritiker der Opposition, die mehrheitlich aus Angehörigen der oberen Einkommensklassen besteht, sich darüber beschweren, dass Chávez sie an den Rand gedrängt habe und stattdessen mit populistischen Versprechen und Projekten versuche, die verarmten Massen zu gewinnen, betonen die Vertreter von „Clase Media en Positivo“, dass es auch ihrer Klientel derzeit nicht schlecht gehe. „Mit der Absenkung des Zinssatzes unterstützt Chávez die produktiven Sektoren. Und die befinden sich in den Händen der Mittel- und Oberschicht“, berichtet Quijada.
Jüngste Maßnahmen dieser Art versteht der Analyst Alberto Garrindo als „wohlmeinende Gesten“ gegenüber der Klientel von „Clase Media en Positivo“. Dennoch „fokussiert Chávez weiterhin auf die Unterschichten“, meint Garrindo. „Die Mittelschicht ist nicht die Avantgarde für die Regierung“, fährt er fort. „Sie ist praktisch irrelevant.“
Obwohl der politische Einfluss der Mittelschicht weiterhin als niedrig bewertet wird, hat sich ihre ökonomische Situation ebenso wie die der einkommenschwachen Bevölkerungsgruppen dank der hohen Erdölpreise tatsächlich wieder verbessert. Das bestätigt auch der Direktor von Datanálisis, Luis Vicente León: „Die Venezolaner waren 2003 vierzehn mal ärmer als 1998. Aber die Mittelschicht hat sich wieder erholt und heute liegt sie nur noch vier Prozent unter ihrem Einkommen von 1998. Die unteren Einkommensgruppen sind dank der höheren staatlichen Sozialausgaben der Chávez-Regierung gegenüber 1998 sogar um einiges wohlhabender geworden.“
Auch Garrindo interpretiert das Anwachsen der Zustimmung zur Chávez-Regierung in den Reihen der Mittelschicht auf über 50 Prozent nicht unbedingt als Unterstützung aus politischen Gründen: „Möglicherweise ist ein Teil der Mittelschicht für die Chávez-Regierung, weil sie überleben will, weil sie resigniert ist, weil es keine akzeptable politische Opposition für sie gibt oder auch, weil sie Probleme vermeiden will.“ Die venezolanische Mittelschicht und Initiativen wie „Clase Media en Positivo“ werden, Garrindo zufolge, solange keine Rolle im politischen Tagesgeschehen des südamerikanischen Landes spielen, bis die Chávez-Regierung ihnen eine „ideologisch-programmatische“ Definition und einen Platz in der bolivarianischen Revolution gebe.
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KOLUMBIEN
Frauen stehen allen Verwaltungsbezirken in Bogotá vor
(Mexiko Stadt, 4. August 2005, cimac-poonal).- DerBürgermeister von Bogotá ernannte 20 Frauen zu Bezirksbürgermeisterinnen der 20 Verwaltungsbezirke der Stadt. „Ich denke, dass für eine Stadt, deren Frauenanteil 56 Prozent beträgt, diese Ernennungen angemessen sind. Das Land und die Stadt brauchen diese Führung“, sagte der Bürgermeister Luis Garzón.
Von den 20 ernannten Frauen sind fünf unter 30 Jahren. Unter den neuen Bezirksbürgermeisterinnen der kolumbianischen Hauptstadt befinden sich nach Bericht des Internetportal „Mujereshoy“ zufolge Geschäftsführerinnen von Firmen, Rechtsanwältinnen, Ökonominnen, Buchhalterinnen, Ingenieurinnen und Soziologinnen. Es sei das erste Mal in der Geschichte der kolumbianischen Hauptstadt, dass die Bürgermeisterposten aller Bezirke mit Frauen besetzt sind, ließ das Bürgermeisteramt der Sieben-Millionenstadt verlauten.
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FARC äußern sich zu möglichem Gefangenenaustausch
(Buenos Aires, 3. August 2005, argenpress-poonal).- DieRevolutionären Streitkräfte Kolumbiens FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) haben auf den Vorschlag der Regierung zur Vereinbarung eines direkten Treffens reagiert. Das Treffen soll ein humanitäres Abkommen für einen Gefangenenaustausch vorbereiten.
In einem offenen Brief vom 2. August erklärte das Sekretariat des Zentralen Generalstabs der Organisation, dass für einen solchen Schritt „der Rückzug der Regierungskräfte aus den Gemeinden Pradera und Florida“ im Departement Valle del Cauca unabdinglich sei. Ohne diese Garantie, die vom Präsidenten Álvaro Uribe gewährt werden müsse, würden die Vorbereitungen zu einem ersten Treffen im Sande verlaufen. Die FARC hätten vor über zwei Jahren drei Sprecher ernannt, die seitdem für ein solches Treffen bereit stünden.
In dem Schreiben wird eingestanden, dass die FARC sich durch die Briefe der Angehörigen der Gefangenen an Regierungsvertreter und öffentliche Persönlichkeiten veranlasst gefühlt hätten, ihren politischen Willen zur Unterzeichnung des Gefangenenaustauschs mit der Regierung zu bekräftigen. Andererseits werden die Äußerungen des Friedensbeauftragten der Regierung, Luis Carlos Restrepo, als widersprüchlich bezeichnet. Dieser habe zunächst gesagt, er sei bereit, sich mit der Guerilla zu treffen, wann und wo diese es wünsche, am nächsten Tag dann aber eingeschränkt, es werde keine entmilitarisierte Zone geben.
Dennoch bitten die FARC eindringlich, „dass wir
weiterhin alle gemeinsam mit Angehörigen, befreundeten Regierungen, der Kirche, öffentlichen Persönlichkeiten und sozialen Organisationen, die sich für die Freilassung der Gefangenen einsetzen, dieses Anliegen von gesellschaftlichem Interesse mit ganzer Kraft verfolgen.“
Die Botschaft der Guerillaorganisation wird von Beobachtern als Reaktion auf jüngste Äußerungen der Regierung angesehen. Diese hätte angedeutet, zu einem Austausch mit Vertretern der Aufständischen bereit zu sein, wobei die FARC Zeitpunkt und Ort festlegen könnten. Der Friedensbeauftragte Restrepo hatte erklärt, er sei vom Präsidenten der Republik, Álvaro Uribe, angewiesen, sich mit den FARC zu treffen, „egal wo, an dem Tag und zu der Stunde, die sie festlegen, und unter den Sicherheitsbedingungen, die ihnen Vertrauen vermitteln, und mit der nationalen oder internationalen Begleitung, die sie für angebracht halten.“
Obwohl Regierung und FARC wiederholt ihren Wunsch nach einem Gefangenenaustausch geäußert haben, hat keine Seite die Vorschläge der Gegenseite zur Konkretisierung des Vorhabens angenommen. Bisher bestehen die Aufständischen darauf, dass die Regierung alle gefangenen Guerilleros übergeben solle, einschließlich mehrerer in die USA ausgelieferter. Im Gegenzug wollten die FARC die von ihnen Festgehaltenen freilassen. Die Regierung wiederum strebt eine Freilassung nur derjenigen Rebellen an, die der Rebellion angeklagt sind. Diese sollten sich darüber hinaus verpflichten, nicht wieder zu den Waffen zu greifen und das Land zu verlassen.
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Regierung blockiert Signal des Fernsehkanals Telesur
(Buenos Aires, 3. August 2005, púlsar-poonal).-Nach kolumbianischen Presseberichten blockierte die staatliche Kommission des kolumbianischen Fernsehens CNTV (Comisión Nacional de Televisión de Colombia) dem Fernsehkanal Telecapitel den Zugang zum Satellit. Telecapital ist ein Regierungssender in Bogotá, der die Sendungen des Fernsehkanals Telesur übernimmt.
Das Vorgehen sei ein Angriff gegen den neuen lateinamerikanischen Fernsehsender, der erst vor Kurzem mit seinen Übertragungen begonnen hat. Dessen Ausstrahlung in Richtung Kolumbien sei blockiert. Deshalb habe es beinahe Auseinandersetzungen gegeben zwischen der nationalen Regierung und dem sozialistischen Bürgermeister von Bogotá Luis Eduardo Garzón, schrieb die Presse.
Die CNTV verweigerte dem Fernsehsender aus Bogota den Zugang zum Satellit. Das jedoch ist die Grundvoraussetzung dafür, dass die Sendungen von Telesur in weiten Teilen Kolumbiens empfangen werden können. „Es gibt weder einen technischen noch einen wirtschaftlichen Grund für die Ablehnung“ erklärte der Pressesprecher des Bürgermeisteramtes in Bogota einer Zeitschrift.
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Human Rights Watch kritisiert Demobilisierungsprozess
(Fortaleza, 2. August 2005, adital).- Ein neuer Berichtder Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch legt dar, dass der Demobilisierungsprozess in Kolumbien die Macht der paramilitärischen Gruppen stärke, ohne wirklichen Frieden zu fördern. Nach Gesprächen mit zahlreichen demobilisierten Paramilitärs dokumentiert der Bericht erstmalig die schlechte Durchführung der jüngsten paramilitärischen Demobilisierungen durch die Regierung.
„Die fehlende Ernsthaftigkeit der Regierung im Umgang mit der Auflösung der paramilitärischen Strukturen erlaubt dessen Kommandanten ihre politische Macht zu rechtfertigen,“ meinte José Miguel Vivanco, Direktor von Human Rights Watch der amerikanischen Staaten. „Nachdem wir mit etlichen demobilisierten Paramilitärs, Regierungsbeamten und anderen betroffenen Personen gesprochen haben, ist klar, dass der Demobilisierungsprozess von Anfang an total oberflächlich gewesen ist,“ fügte er hinzu.
Fast 6.000 Personen waren seit dem Jahr 2003 an den kollektiven paramilitärischen Demobilisierungen beteiligt. Bis April 2005 sind nur 25 Personen wegen der Verbrechen, die die Gruppen begangen haben, belangt worden. Diese Gruppen werden von den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union als terroristisch eingeschätzt.
Kürzlich demobilisierte Paramilitärs, beschrieben offen ihre Beteiligung an Massakern, Morden und Entführungen und redeten auch von der sehr lukrativen Beteiligung am Drogenhandel. Trotzdem wurde kein Paramilitär wegen dieser Verbrechen angeklagt oder wenigstens vernommen.
Laut dem Bericht geben die demobilisierten Paramilitärs weder den von ihnen unrechtmäßig angeeigneten Besitz zurück, noch geben sie wichtige Informationen über Verbrechernetzwerke und von dem die Gruppen finanziert wurden, preis. All das sollte Teil der Demobilisierung sein. Das Gegenteil sei jedoch der Fall. Die Paramilitärs würden den Prozess für sich nutzen, um ihre illegalen Güter zu waschen und ihre politische Kontrolle zu legitimieren.
In dem 64-seitigen Bericht mit dem Titel „Der Schein trügt: Die Demobilisierung paramilitärischer Gruppen in Kolumbien“ wird auch aufgezeigt, dass die Demobilisierungen nicht wirklich zum Frieden beitragen. Paramilitärische Gruppen kontrollieren weiter Gebiete, etwa wie Medellín, wo die Demobilisierung bereits stattgefunden hat. Und sie haben sich bei verschiedenen Gelegenheiten über den vereinbarten Waffenstillstand lustig gemacht, ohne dass dies größere negative Konsequenzen für sie gehabt hätte.
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PARAGUAY
Anschlag auf Basisradio
(Buenos Aires, 3. August 2005, púlsar-poonal).-Eine selbstgefertigte Bombe explodierte am Morgen des 3. August in den Räumen des Radiosenders Quebracho Poty. Das Radio hat seinen Sitz in der Pfarrei San Ramón Nonato. Die Nachrichtenagentur Jakueké vertritt die Meinung, dass der Anschlag von Arbeitern der Firma Victoria durchgeführt worden sein könnte, um gegen die Enteignungspläne von 52.000 Hektar Land der Moon-Sekte zu protestieren. Der Sender hatte über das Vorhaben berichtet. Der Senat sollte sich am Tag nach dem Anschlag mit dem Gesetzesentwurf zur der Enteignung dieser Ländereien beschäftigen.
Der Pfarrer von Puerto Casado, Martín Rodríguez, erklärte dass mehrere Unbekannte die Schlösser der Pfarrei San Ramón Nonato von Puerto Casado aufbrachen und das Gebäude betraten. Danach hätten sie die Einrichtung des Basisradiosenders Quebracho Poty in Brand gesetzt. Rodríguez vermutet, dass der Brand durch Molotow-Cocktails verursacht wurde. Der Sender sei das einzige Kommunikationsmedium der Region, schrieb die Agentur Jakueké.
Nélida Otazu, Journalistin von Radio Paí Puku del Chaco erklärte gegenüber Radio FM Trinidad, dass „die Unbekannten den Sender fast 100prozentig zerstört haben. Das Radio ist zur Zeit nicht auf dem Äther. Wir bedauern sehr was geschah und bitten, dass die Mitglieder der paraguayischen Journalistengewerkschaft sich für das Problem interessieren. Es geht ja um einen Angriff auf die Meinungsfreiheit.“
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Präsident angeklagt
(Fortaleza, 3. August 2005, adital).- Der paraguayischePräsident Nicanor Duarte Frutos sowie der Direktor des Instituts für Sozialvorsorg
e IPS (Instituto de Previsión Social), Pedro Ferreira sind der Verletzung von Arbeitsrechten sowie der politischen Druckausübung angeklagt. Grund ist der Streik vom 9. bis zum 14. Mai im IPS. Der stellvertretende Generalsekretär des Freien Gewerkschaftsdachverbandes CIOSL (Confederación Sindical de Organizaciones Sindicales Libres) sowie der Generalsekretär der Regionalen Interamerikanischen Arbeiterorganisation ORIT (Organización Regional Interamericana de Trabajadores), Víctor Báez Mosqueira, bestätigten, dass beide Amtsinhaber darauf einwirkten, einen Gerichtsentscheid gegen den Streik und damit in ihrem Sinne zu erzielen.
Während einer Parlamentssitzung trug Báez Mosqueira den Fall schwerer Arbeitsrechtsverletzung vor. Er äußerte gegenüber dem Vorsitzenden des Nationalkongresses Carlos Filizzola, dass CIOSL die paraguayische Regierung beobachten werde.
Nach Aussagen des Gewerkschafters drohten in den letzen Wochen sowohl Präsident Duarte als auch der IPS- Vorsitzende den Teilnehmern des Streiks massive Kündigungen an. Zugleich liegen Äußerungen vor, dass einige der Richter des Gerichtshofs von Abgesandten des Nationalrates vorsorglich konsultiert wurden, um ein angemessenes Urteil zu erwirken.
Mosqueira wies auch darauf hin, dass das Handeln von Ferreira, unter der Obhut von Duarte, den rechtskräftigen Vertrag des IPS verletze, die verfassungsrechtlichen Prinzipien missachte und mit diktatorischen Mitteln auf die Gerichtsentscheide in diesem Konflikt Einfluss zu nehmen versuche.
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BOLIVIEN
Evo Morales toppt
(Fortaleza, 2. August 2005, adital).- Laut einerMeinungsumfrage ist Evo Morales, der Präsidentschaftskandidat der Bewegung zum Sozialismus MAS (Movimiento al Socialismo), der Politiker mit dem größten Einfluss in Bolivien. Ungefähr 26 Prozent der befragten Personen gaben an, dass Morales durch sein Amt, seine Fähigkeiten, seinen Einfluss und sein Ansehen die mächtigste Person im Land sei.
Die Studie der Firma „Apoyo, Opinión y Mercado Bolivia“ (Unterstützung, Meinung und Markt in Bolivien) war ein Auftrag der Zeitung „La Razón“ und wurde am 1. August veröffentlicht. Die befragten Personen stammen aus den vier größten Städten des Landes. Hinter Evo Morales belegten der Unternehmer Samuel Doria Medina, der Ex-Präsident Carlo Mesa und der aktuelle Präsident, Eduardo Rodriguez Veltzé, die vorderen Plätze.
Evo Morales hat seine Kampagne für die Wahlen am 4. Dezember bereits eröffnet. Am 31. Juli wurde Morales zum offiziellen Kandidaten seiner Partei ausgerufen. Er kündigte an, sich gegen Neoliberalismus einzusetzen und die Korruption zu bekämpfen. Morales wurde als Abgeordneter und Vorsitzender der MAS von den Vereinigten Staaten bereits stark angegriffen. Der scheidende US-amerikanische Unterstaatssekretär für die westliche Hemisphäre, Roger Noriega, warf ihm vor, der Kandidat Kubas und Venezuelas zu sein und von diesen Staaten auch finanziell unterstützt zu werden.
Morales wies diese Anschuldigungen zurück und meinte dass die armen bolivianischen Bevölkerungsschichten, die ihn unterstützten, keinen finanziellen Anreiz bräuchten, um ihm ihre Stimme zu geben. Er machte außerdem deutlich, dass die Angriffe der nordamerikanischen Behörden angesichts der mehrheitlichen Ablehnung der US-amerikanischen Politik durch die bolivianische Wählerschaft ihn nur bestärken würden.
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FEJUVE fordert den vereinbarten Rückzug der Wasserfirma Aguas del Illimani”
(La Paz, 3. August 2005, bolpress-poonal).- DieFöderation der Nachbarschaftsräte FEJUVE (Federación de Juntas Vecinales) in der Stadt El Alto wird auf die Anwendung überraschender und unbekannter Druckmittel zurückgreifen, damit die Regierung wie versprochen das Wasserunternehmen Aguas del Illimani (AISA) des Landes verweist. Auch wenn es zur Zeit keinen Streik oder Demonstrationen gebe, seien solche Mittel nicht von der Tagesordnung, erklärte der FEJUVE-Generalsekretär Jorge Chura. In der FEJUVE sind 540 Nachbarschaftsräte organisiert.
Am 1. August sollte ein Übergangsprozess begonnen haben. Die vertragliche vereinbarte Kompromisslösung mit der Regierung von Eduardo Rodríguez Veltzé sieht den Rückzug der Tochtergesellschaft des transnationalen Suez-Konzerns zu diesem Termin vor. Trotzdem hatte die Regierung überraschend den Aufenthalt von AISA um 6 Monate verlängert.
Chura kritisierte die Verantwortlichen der Zentralregierung, besonders aber den Präsidenten: Wie dieser es sich als ehemaliger Richter und Mann des Rechts erlauben könne, rechtliche Vereinbarungen, die geprüft und verabschiedet wurden wie das Präsidialdekret, das den Termin für den Rückzug des Unternehmens AISA vorsieht, einfach zu unterlaufen.
Der Generalsekretär verdeutlichte, dass die Regierung Rodríguez ,ebenso wie die Vorgängerregierung unter Carlos Mesa unter Beweis stelle, dass sie bereit sei ihre eigenen Rechtsnormen zu verletzen, um transnationalen Unternehmen Vorteile zu verschaffen.
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BRASILIEN
Gewalt gegen Indígenas steigt
(Fortaleza, 3. August 2005, adital-alc-poonal).- DieGewalt gegen indigene Völker in Brasilien steigt in alarmierender Weise an. Eine Mitteilung der 16. Vollversammlung des Indígena-Missionsrats CIMI (Consejo Indigenista Misionero) behauptet, dass dieser Anstieg nur mit der Periode der Militärdiktatur (1964-1985) vergleichbar sei.
Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres wurden nach Angaben des CIMI, welcher der brasilianischen Bischofskonferenz CNBB (Conferencia Nacional de los Obispos del Brasil) nahe steht, 23 Indígenas ermordet. „Die derzeitige Indígena-Politik ist gekennzeichnet von der Rückkehr zur antiquierten Vormundschaft, Ausgrenzung und Unterwerfung der indigenen Gemeinden”, heißt es in der Erklärung der Vollversammlung, die vom 25. bis 29. Juli in Luziania im Bundesstaat Goiás tagte. Mit der Gewalt sei auch die Straflosigkeit gestiegen. Personen, die in indigene Gebiete eindrangen, zumeist Großgrundbesitzer mit Verbindungen zum Agrargeschäft, wurden nicht verfolgt.
Laut CIMI sind im brasilianischen Nationalkongress mehr als 50 Gesetzesprojekte anhängig, um die in der Verfassung von 1988 anerkannten Rechte der Indígenas rückgängig zu machen. Die Vollversammlung endete mit der Schlussfolgerung, “Gewalt, Straflosigkeit, Korruption und Autoritätsmissbrauch” seien “Teil des selben Prozesses, der wesentlich mit dem kapitalistischem, neoliberalem System verbunden” sei und ”die brasilianische Gesellschaft, besonders die armen Teile der Bevölkerung und die indigenen Völker” betreffe.
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„Lula distanziert sich von der Linken“
Interview mit OrlandoJunior über den Korruptionsskandal
Von Birgit Krug und Jessica Zeller
(Berlin, 3. August 2005, npl).- Brasiliens Präsident Luis Inácio „Lula” da Silva von der Arbeiterpartei (PT) steckt in der tiefsten Krise seit seinem Amtsantritt am 1. Januar 2003. Der Skandal um angebliche Schmiergeldzahlungen an regierungsn
ahe Kongressabgeordnete hat Mitte Juni zum Rücktritt des Kabinettschefs und der rechten Hand des Präsidenten José Dirceu und drei weiteren hohen PT-Funktionären geführt. Am 2. August legte nun auch der Chef der Koalitionspartei „Partído Liberal“ seinen Posten nieder. Orlando Junior ist Direktor der Nichtregierungsorganisation FASE in Rio de Janeiro, die sich dort mit Entwicklungs- und Menschenrechtsarbeit beschäftigt.
Sondersitzungen, Kabinettsumbildung und eine parlamentarische Untersuchungskommission: Welchen Eindruck macht auf Sie Lulas´ Strategie, den Korruptionsvorwürfen zu begegnen?
Die Regierung versucht gegenwärtig, die Verbindung mit den konservativeren Sektoren in Brasilien zu vertiefen. Dazu gehören inhaltliche Zugeständnisse an die rechten Parteien sowie Kabinettsumbildungen zugunsten des Mitte-Rechts-Koalitionspartners „Partei der Demokratischen Bewegung Brasiliens“ (PMDB). Die PMDB stellt die meisten Kongressabgeordneten innerhalb des Regierungsbündnisses.
In dem Korruptionsskandal spielt neben der PT die rechtsgerichtete Liberale Partei des Vizepräsidenten José Alencar eine wichtige Rolle. So wurden die Schmiergeldzahlungen angeblich von einer Werbefirma übergeben, deren Mitbesitzer ein enger Verwandter Alencars ist. Warum wählt Lula dann ein Bündnis mit der Rechten?
Sicher gäbe es andere Möglichkeiten, mit der Krise umzugehen. Lula geht es aber vor allem um eine sichere Regierungsbasis. Tatsächlich haben gerade die Parteien, deren Abgeordnete von der PT bestochen wurden, eine große Macht im Kongress. Sie sind zwar insgesamt nicht sehr groß, besitzen aber zusammen die Möglichkeit, Regierungsvorhaben zu blockieren. Trotzdem ist Lulas Weg eine Sackgasse. Denn damit entfernt er sich weiter von der Linken und den sozialen Bewegungen. Er distanziert sich damit von seinem ursprünglichen Programm, mit dem er Präsident geworden ist.
Was für eine Position hat die brasilianische Linke zum Thema Korruption?
Im Moment ist die Situation ziemlich hoffnungslos. Die PT hatte eine große Bedeutung in der Gesellschaft und in der linken Bewegung. All das erscheint jetzt als ein Traum, der sich langsam in Luft auflöst. Das ist natürlich sehr hart für die brasilianische Linke. Viele verlassen die PT und glauben an gar nichts mehr. Aber es gibt eine kleine Gruppe von 21 Kongressabgeordneten der PT, die sich unabhängig von anderen PT-Abgeordneten darum bemühen, dass die Hintergründe der Korruptionsvorwürfe schnell ans Licht kommen.
Wie verhält es sich mit dem Präsidenten selbst? Erscheint jetzt der Saubermann Lula als korrupter Politiker wie alle anderen auch?
Interessanterweise ist das Bild von Lula immer noch nicht angekratzt. Zwar gibt es jeden Tag mehr und mehr Leute, die glauben, dass es Korruption innerhalb der Regierung gibt. Aber man trennt Lula davon ab. Tatsächlich ist er eine Person, die sehr viel Ausstrahlung hat und über entsprechende Sympathien in der Bevölkerung verfügt. Das könnte noch eine Weile so bleiben, ist aber keineswegs sicher. Denn es gibt schließlich viele Faktoren, die dazu beitragen könnten, dieses Bild zu verändern.
Welche Rolle spielten die brasilianischen Medien. Sind sie für oder gegen Lula?
Die Medien sind von wenigen unabhängigen Organen abgesehen sehr konservativ. Sie unterstützen nur solange etwas, wie sie selbst ein Interesse daran haben. Mit Blick auf den Korruptionsskandal sind ihre Positionen geteilt, da die Regierung mit ihrem Handeln immer mehr konservative Medienbereiche integriert. Allgemein ist den Konservativen aber weniger an einer Bekämpfung der Korruption gelegen. Die Korruption gibt es ja in Brasilien nicht erst seit gestern. Die Konservativen sind vor allem daran interessiert, die PT und die sozialen Bewegungen zu spalten und zu zerstören. Es ist wirklich eine sehr harte Zeit.
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Ein Lesbenprojekt leistet Aufklärungsarbeit in Schulen
Von Birgit Marzinka
(Berlin, Juli 2005, npl).- In der Aula der Marechal-Soares-Dutra-Schule in Recife sitzen 250 Schüler*innen und rutschen ungeduldig auf ihren Bänken hin und her. Auf der Bühne steht ein großer Briefkasten mit der Aufschrift ”Homosexualität – schreib auf was du wissen willst, was du denkst”. Die 11 bis 15jährigen Mädchen und Jungen tuscheln und kichern miteinander. Sie wollen das Theaterstück endlich sehen, das schon seit Wochen auf den Plakaten angekündigt wurde. Von Sexualität solle es handeln. Los geht es mit zahlreichen kurzen Szenen: ein entrüsteter Barbesitzer, der hinter einem Mann mit rosa Schnurrbart angewidert die Theke desinfiziert. Zwei Mütter im Bus, die sich aufregen über die Freizügigkeit der Lehrerin im Biologieunterricht und dabei die unanständigen Fragen ihrer Töchter zur Sexualität wiederholen. Ein besorgter Vater, der befürchtet, dass sein Sohn schwul ist.
Das Stück wurde von den „Divas“ des „Instituto em Defesa da Diversidade Afetivo-Sexual“ (Institut für die Verteidigung der sexuellen Vielfalt) und der Theatergruppe „Loucas de Pedra Lilás“ (die Lila Verrückten) hart erkämpft. Zunächst stimmte die Schulleitung zu. Dann aber wurde es ihr zu heiß und sie blies alles ab. Doch die „Loucas“ und die „Divas“ blieben hartnäckig, und schließlich konnte das Stück aufgeführt werden.
Aufgrund einer Anfrage von vier Jugendlichen im Jahr 2003 gaben die „Divas“ gemeinsam mit den „Loucas“ zum ersten Mal einen Workshop in einer Schule. Die vier waren bei ihrer Jahresabschlussarbeit von den Lehrer*innen daran gehindert worden, etwas über die Diskriminierung von Lesben und Schwule zu schreiben. Sie wollten das Thema aber trotzdem gerne in die Schule bringen. Nach dem ersten Erfolg entwickelten die beiden Gruppen mit der finanziellen Unterstützung der deutschen Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt e.V. (ASW) das Projekt weiter. In ihren Theaterstücken und Diskussionen behandeln sie verschiedene Fragen: Ist Homosexualität ansteckend? Was kann man dagegen tun? Was sagt Gott dazu? Kriegen alle Schwulen Aids?
Für ihre Aufklärungsarbeit haben sie die Methode des Forumstheater gewählt. „Im Forumtheater wird eine Situation, in der eine Person diskriminiert wird, nachgestellt. In unserem Fall geht es um die sexuelle Orientierung,“ erklärt die Leiterin der Divas Marylucia Mesquita und fügt hinzu, „es werden unterschiedliche Punkte darin behandelt wie Familie, Arbeit, Schule, Gesundheit. Am Ende wird mit den Jugendlichen über die Szenen geredet und eine Szene herausgesucht und nochmals aufgeführt. Das Publikum kann während des Spielens einzelne Figuren darum bitten, ihre Gedanken laut zu formulieren. Danach wird gemeinsam mit dem Publikum diskutiert, wie die Figuren aus einer diskriminierenden Situation herauskommen könnten. Die Schauspielerinnen spielen die Situation verändert nochmals durch. Das Forumtheater eignet sich hervorragend für diese Arbeit.“
Neben den Workshops mit den Jugendlichen arbeiten die Pädagoginnen auch mit Lehrer*innen und Eltern. Während die Jugendlichen engagiert an den Workshops teilnehmen und heiß miteinander diskutieren, sind sie besonders bei den Lehrer*innen mit lesben- ode
r schwulenfeindlichem Verhalten konfrontiert. Immer wieder hören sie von dieser Seite diskriminierende Aussagen. So etwa die eines Lehrers, dass es „wirklich zu bedauern“ sei, „dass Homosexualität nicht mehr als eine psychische Krankheit eingestuft wird“.
„Die Arbeit ist nicht ganz ungefährlich“, meint die Divas-Pädagogin Cida Fernandez. „Wir outen uns und werden dadurch angreifbar. Eine von uns lebt sogar alleine und hat deswegen keinen persönlichen Schutz vor den machistischen und lesbenfeindlichen Angriffen, die manchmal als Reaktion auf unsere Arbeit kommen.“
Nicht nur die „Divas“ stoßen bei ihren Workshops auf Schwierigkeiten. Nur wenige Frauen können es sich leisten, als Lesbe offen zu leben. „Sich als Lesbe in Recife zu outen bedeutet, sich der psychischen Gewalt auszusetzen. Wir werden zum Beispiel als Mannweiber beschimpft. Für die meisten Menschen sind wir Lesben welche, die keinen richtigen Sex hatten, die nie 'richtig von einem Mann gevögelt wurden'. Es gibt aber auch Unterschiede zwischen den sozialen Schichten. Je nachdem, aus welcher Schicht man kommt, wird man mal mehr oder weniger akzeptiert. Zum Beispiel bei einer formellen Arbeit ist es sehr kompliziert. Wir haben Freundinnen, die aus der Arbeit in einer Bank, einem Büro oder Laden geflogen sind, als sie sich geoutet haben“, sagt Marylucia Mesquita.
Obwohl Homosexualität schon seit 1823 legal ist und ein Antidiskriminierungsgesetz existiert, kommt es wie in ganz Brasilien auch im Nordosten in der Hafenstadt Recife immer wieder zu Angriffen. So wurde im Sommer 2003 das Lesbenpaar Nancy und Maria vor ihrer Haustür mit über 30 Kugeln niedergeschossen. Für die Divas ist das einzige Tatmotiv deren offen gelebte lesbische Beziehung. Bis heute wurde der Mord nicht aufgeklärt.
Brasilien ist das Land mit der höchsten Mordrate an Lesben und Schwulen. Jährlich werden über 130 Morde registriert, nur fünf Prozent werden polizeilich aufgeklärt. Vor allem Transvestiten und Transsexuelle sind Opfer von „sozialen Säuberungsaktionen“ der Todesschwadronen. Neben den homophoben Reaktionen müssen Lesben auch mit sexistischen Angriffen rechnen. Besonders im Bundesstaat Pernambuco, in dem Recife liegt, ist die Frauenmordrate sehr hoch. Jährlich werden 200 Frauen ermordet. Die Täter sind oft Väter, Brüder, Freunde und Onkel.
Lesben und Schwule kämpfen in Brasilien nicht nur in ihren Familien gegen die Diskriminierung, sondern auch gegen die Hetzpredigen der erstarkenden Pfingstkirchen. Auch die katholische Kirche agiert gegen Schwule und Lesben. Sie setzte den brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio „Lula“ da Silva so sehr unter Druck, dass er seine Unterstützung für homosexuelle Lebenspartnerschaften zurückzog.
Als Reaktion auf die Morde an dem Lesbenpaar gründeten sieben Frauen das Divas, um gegen Lesbenfeindlichkeit zu kämpfen. Neben der Arbeit in den Schulen organisieren sie das einwöchige Kunstprojekt „Die Liebe zwischen Frauen“, das jedes Jahr Ende August stattfindet. Doch ihr Hauptaugenmerk sind die Schulen. Für Cida Fernandez ist diese Arbeit sehr wichtig, denn „jeden Tag stellen wir fest, dass die Gesetze zwar sehr wichtig sind, aber sie bringen nichts, wenn die Leute sie nicht kennen, nicht verstehen und auch nicht respektieren. Deswegen muss die Einstellung geändert werden. Das geschieht aber nur sehr langsam und beginnt in den Familien, in der Schule, auf der Straße, bei der Arbeit, also überall, wo Menschen zusammentreffen. In diesem Sinne ist die Schule ein wichtiger Ort, um Vorurteile und Diskriminierungen abzubauen.“
Wer das Divas-Projekt finanziell unterstützen möchte, kann nähere Informationen über die Homepage (www.aswnet.de) der ASW oder per E-Mail lateinamerika@aswnet.de beziehen.
PERU
Gewalt gegen Schwule, Lesben und Transsexuelle
(Fortaleza, 4. August 2005, adital-poonal).- Diesogenannten “Fiestas Patrias“ (Vaterlands-Feiern) in Peru nahm Luís Castañeda Lossio, Bürgermeister von Lima, als Vorwand, um gegen Transsexuelle, Transvestiten, Schwule und Lesben vorzugehen.. Von Belissa Andía vom Internationalen Schwulen-/Lesben-/Transsexuellenverband Lateinamerika (ILTGA-LAC) erhielt die Gruppe „Raíz Diversidad Sexual“ die Nachricht vom brutalen Vorgehen gegen Transvestiten, Transgender-Personen und Transsexuelle in der Avenida Petit Thouars in Cercado de Lima am Freitag den 22. Juli. Einheiten der städtischen Sicherheitskräfte schlugen auf transsexuelle Prostituierte ein, die am Cercado de Lima arbeiteten. Mehrere Personen wurden verletzt. Die städtischen Angestellten hielten eine Person fest und besprühten sie mit Tränengas, obwohl solcherlei Vorgehen gänzlich außerhalb ihres Befugnisbereichs liegt. Weder das Festhalten von Personen noch der Einsatz von Tränengas liegt im Zuständigkeitsbereich des städtischen Sicherheitspersonals.
Bekannt wurden diese Vorfälle durch die Bemühungen von Belissa Andía und der Bewegung “Claveles Rojos” (Rote Nelken), die mit den Betroffenen gesprochen und Wunden und Quetschungen fotografiert hatten, die die Polizei den Überfallenen zugefügt hatte. „Die Vorfälle auf der Plaza San Martín, wo die Stadtverwaltung sogar Hunde eingesetzt hat, um eine Gruppe von Schwulen und Lesben anzugreifen, verdeutlichen die systematische Agression, mit der die Stadt Lima gegen uns vorgeht und zeugt vom illegalen, repressiven und homophoben Verhalten der Leitung der Städtischen Sicherheit.”
zum
Sieben Tote und ein verhafteter Journalist nach Polizeieinsatz
(Buenos Aires, 3. August 2005, púlsar-poonal).-Sieben Tote und eine nicht geklärte Anzahl von Verletzten sind das Ergebnis des massiven Polizeieinsatzes gegen Bauern, die für die Schließung der kontaminierenden Mine Majaz demonstrierten. Ein Journalist, der die Demonstration begleitete, wurde ebenfalls festgenommen.
Die beteiligten Polizisten und Militärs, die zum Schutz des Projekts Río Blanco in Huancabamba abgestellt wurden, trieben die beinahe 10.000 Demonstranten mit Schüssen auseinander. Die Proteste richten sich gegen eine mögliche Wasserverseuchung, welche die Feldbewirtschaftung der Bauern beeinträchtigten würde.
Der Bauer Daniel Carrión versicherte, die Polizisten hätten aus einem Hubschrauber auf die Demonstranten geschossen. Diese waren am Morgen des 1. August aus den Bezirken Ayabaca (Piura) und San Ignacio (Cajamarca) zur Protestveranstaltung gekommen. Zudem verhafteten Beamte der Nationalpolizei den Korrespondent aus Ayabaca von Radio Cutivalú (Piura), Julio César Vásquez Calle, der über die Demonstration gegen das Projekt Río Blanco des Betreiberunternehmens Majaz berichten sollte.
zum
ARGENTINIEN
Bundesrichter wegen Unregelmäßigen bei AMIA-Untersuchungen entlassen
(Buenos Aires, 3. August 2005, púlsar).- DerBundesrichter Juan José Galeano wurde von einem Geschworenengericht seines Amtes enthoben. Die Geschworenen hatten Unregelmäßigkeiten bei der Untersuchung des Attentates auf den Sitz des jüdischen Gemeindezentrums AMIA vor elf Jahren festgestellt. Bei dem
Terroranschlag kamen 85 Personen ums Leben.
Zu dem Beschluss Richter Galeano seines Amtes zu entheben, kam das Gericht unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes nach mehreren Verhandlungsmonaten. Galeano habe “Geringschätzung” gezeigt als es darum ging, das “Ansehen” der Justiz zu bewahren. Für das Gericht ist erwiesen an, dass Galeano die Bestechung eines Angeklagten mit 400.000 US-Dollar organisiert hatte, damit dieser mehrere Polizisten aus Buenos Aires in den Fall verwickle. Zudem wurde festgestellt, dass das Geld aus Fonds stammte, die während der Regierungszeit von Carlos Menem vom Staatlichen Geheimdienst zur Seite gelegt worden waren.
Vergangenes Jahr entließ ein Oraltribunal alle Angeklagten aus der Haft, da ihre Beteiligung an dem Attentat vom 18 Juli 1994 aus der Perspektive des Gerichtes nicht erwiesen war. Richter Galeano wird sich nun einem Strafgericht stellen müssen. Auch bei anderen ehemaligen Funktionären der Regierung Menem wird untersucht werden, ob sie in den Fall verwickelt waren, der als die große Niederlage der argentinischen Justiz betrachtet wird.
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