Der Agrarstreik in Kolumbien sorgt für Stillstand und Bewegung

Die größte Streikwelle seit Jahrzehnten, die weite Teile Kolumbiens lahmgelegt hat, dauert nun schon über zwei Wochen an und noch immer ist kein Ende in Sicht. Inzwischen hat sich zwar die Versorgungslage mit Lebensmitteln und Treibstoff in Zentralkolumbien entspannt, nachdem die Bauernverbände dort begonnen haben, die Blockaden aufzulösen. In anderen Landesteilen, wie in Caquetá, Cauca und Huila halten bis zu 30.000 Menschen die Blockaden immer noch aufrecht.

 

Die Bewegung der Würde, die fast zehn Millionen Bauern und Bäuerinnen, Indigene und Afrokolumbianer*innen vertritt, hat den landesweiten Agrarstreik am 19. August begonnen. Einer der Hauptgründe waren die Freihandelsverträge mit der Europäischen Union und den USA, die für Bauern lebenswichtige Dinge wie Saatgut und Futtermittel verteuert haben. Sie fordern außerdem mehr Mitspracherechte, Maßnahmen gegen die Produktionskrise und Investitionen im Gesundheits- und Bildungsbereich. Dem Streik schlossen sich in den darauf folgenden Tagen Arbeiter*innen aus dem Gesundheitssektor, Fernfahrer, Bergarbeiter, Lehrerinnen und Lehrer sowie Studierende an. Protestiert wurde und wird für höhere und regelmäßige Löhne, eine Regulierung der Arbeitszeit, die Bekämpfung der Korruption, gegen den Ausverkauf des Landes an Multinationale Unternehmen und für die Rechte der Landbevölkerung.

 

Doch die Regierung redete die massenhaften Proteste klein; Präsident Santos weigert sich, an einem geforderten runden Tisch teilzunehmen und erklärte, erst verhandeln zu wollen, wenn die Blockaden beendet würden – und dann auch nur mit einzelnen Gruppen. Santos verstieg sich sogar zu der Behauptung, der Agrarstreik würde gar nicht existieren; ,,Diesen Nationalen Agrarstreik gibt es nicht. Es gibt einige landwirtschaftliche Bereiche in einigen Gegenden, die legitime Forderungen haben…“.

 

Statt Verhandlungen setzte Santos auf die Militarisierung der Straßen, Städte und Provinzen. Die Polizei, speziell die Sondereinheit ESMAD, ging mit großer Härte gegen die Demonstrant*innen vor, die sich ihrerseits mit Steinen und Molotovcocktails wehrten. Mindestens fünf Menschen kamen bislang ums Leben, teils durch gezielte Schüsse der Polizei; hunderte wurden verletzt. Eine Großdemonstration in der Hauptstadt Bogotá am 29. August mit 20.000 Teilnehmer*innen wurde von der Polizei unter Einsatz von Tränengas gewaltsam aufgelöst.

 

Am 30. August wurde die Präsenz von Polizei und Militär in den Städten noch einmal verstärkt. Verteidigungsminister Juan Carlos Pinzón brachte die Demonstrant*innen mit der Guerilla in Verbindung – eine in Kolumbien oft tödliche Unterstellung. So haben sich in der Provinz Caldas die Paramilitärs der ,,Rastrojos“ zu Wort gemeldet, welche die Aktivist*innen von der CUT, von Movice und viele weitere mit dem Tod bedrohen und sich dabei ausdrücklich auf die Aussage von Verteidigungsminister Pinzón berufen.

 

Diese Drohkulisse und die Nahrungsmittel- und Treibstoffknappheit waren wohl die Gründe, dass in mehreren Provinzen am 1. und 2. September die Blockaden aufgelöst wurden und Verhandlungen stattfanden, in denen die Regierung leichte Zugeständnisse machte. Unter anderem wurden Importbeschränkungen für bestimmte Lebensmittel versprochen. Die Aktivist*innen betonen jedoch, dass der Agrar-Streik weitergeht, auch wenn die Straßen nicht mehr blockiert werden. In anderen Provinzen gehen die Blockaden und Proteste unvermindert weiter. Inzwischen steht der Präsident unter Druck. Die Zeitungen des Landes sprechen von einer schweren Krise, in einem Jahr stehen Wahlen an und soeben hat das gesamte Kabinett den Rücktritt angeboten.

 

Die Protestierenden wollen nicht locker lassen. Sie wollen weiterhin mit Streiks, Straßenblockaden und großen Lärmdemos wie am 4. September die Regierung an einen gemeinsamen großen Verhandlungstisch zwingen.

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