Vorwürfe gegen Peña Nieto vor Deutschlandbesuch

Von Wolf-Dieter Vogel

(Berlin, 10. April 2016, taz).- 28.000 Verschwundene, mindestens 100.000 Tote, über 280.000 Vertriebene und eine Regierung, die fast nichts gegen diese Zustände unternimmt. Vor dem Deutschlandbesuch des mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto Anfang dieser Woche haben Menschenrechtsorganisationen beider Länder schwere Vorwürfe gegen den Staatschef erhoben. Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck müssten sich gegenüber Peña Nieto dafür einsetzen, dass er die Empfehlungen von UN-Gremien ernst nehme und gegen die hohe Straflosigkeit vorgehe.

Die Menschenrechtskrise hat katastrophale Ausmaße angenommen“, kritisiert die Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko, die u.a. von Brot für die Welt, Amnesty International und Misereor getragen wird. Sie verweist auf den noch immer ungeklärten Fall der 43 Studenten, die im September 2014 von Polizisten und Kriminellen im Bundesstaat Guerrero verschleppt wurden.

GIEI kündigt Zusammenarbeit mit Regierung auf

Erst letzte Woche hat eine internationale Expertengruppe (GIEI) ihre Zusammenarbeit mit der Regierung aufgekündigt. Die von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) gestellten Jurist*innen und Psycholog*innen werfen der Staatsanwaltschaft vor, wider die Absprachen einen Bericht veröffentlicht zu haben. Zudem sei dessen Inhalt fragwürdig, da die Behörde daran festhalte, dass die Studenten auf einer Mülldeponie verbrannt worden seien. Dafür gibt es nach Recherchen der Expert*innen und rechtsmedizinischen Untersuchungen der Universität Innsbruck keine Anhaltspunkte. Kritiker*innen befürchten, dass die Regierung die tatsächlichen Hintergründe vertuschen wolle. „Es bleibt unklar, welche Rolle das Militär gespielt hat, weil die Experten keinen Zugang zur Kaserne bekommen haben“, erklärt der Amnesty-Mexiko-Researcher Carlos Zazueta. Peña Nieto sei nicht an der Wahrheit interessiert: „Ihm geht es darum, sein Land nach Außen gut darzustellen.“

Dennoch hat sich die Regierung in letzter Zeit mehrmals mit internationalen Institutionen angelegt. Jüngst versagte sie dem UN-Sonderberichterstatter über Folter, Juan Méndez, eine Recherchereise. Bereits vor einem Jahr denunzierte ein Regierungsvertreter die Arbeit des UN-Ermittlers als „unprofessionell und unethisch“, nachdem Méndez erklärte, Folter sei in dem Land weit verbreitet. Ähnlich legte sich Peña Nietos Administration mit der CIDH an.

Regierung bezeichnet Foltervorwürfe als „unethisch“

Den wirtschaftspolitischen Beziehungen hat das nicht geschadet. Demnächst verhandelt die Regierung mit der EU die Verlängerung des seit dem Jahr 2000 bestehenden Globalabkommens. Bei seinem Besuch am 11. und 12. April in Berlin und Hamburg reist der Staatschef mit einer Unternehmer*innen-Delegation an, um den Startschuss für das „Duale Jahr Deutschland-Mexiko“ zu geben. Geplant sind Konzerte und Ausstellungen, aber auch Industrie- und Tourismusmessen in beiden Ländern.

Schon jetzt ist Deutschland Mexikos fünftgrößter Handelspartner, etwa 1.700 deutsche Firmen sind dort tätig. Der für internationale Wirtschaftsbeziehungen zuständige Regierungsvertreter Francisco González hofft nun auf neue Investitionen. Auf einem Forum mit Unternehmer*innen werde man die Reformen Mexikos anpreisen, kündigt er an. Gemeint ist in erster Linie die Energiereform.

Die Mexikanische Kommission zur Verteidigung und Förderung der Menschenrechte warnt dagegen in einem Schreiben an Kanzlerin Merkel vor einer steigenden Rohstoffausbeutung, die mit dieser Liberalisierung des Energiewesens verbunden sei. Die Investitionen hätten zur Verletzung der Landrechte indigener Völker, zu sozialen Spannungen, Umweltschäden und der Verfolgung von Oppositionellen geführt. Auch die deutschen Firmen seien verpflichtet, so stellt die Gruppe klar, bei ihren ausländischen Aktivitäten die Menschenrechte einzuhalten.

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