Umstrittene Rede des Präsidenten zum 20. Jahrestag des Friedensabkommens

von Markus Plate und Oliver Lüthi

(San José, 23. Januar 2012, voces nuestras/amerika21.de).- El Salvadors Präsident Mauricio Funes hat mit seinem Auftritt am 16. Januar, anlässlich des 20. Jahrestags der Unterzeichnung der Friedensverträge, die Diskussionen um die historische Aufarbeitung der Bürgerkriegsverbrechen neu entfacht. Bei seiner Rede in El Mozote kündigte Funes unter anderem Entschädigungen für die Opfer des dortigen Massakers an.

Präsident Funes bittet Opfer um Vergebung

Im Dorf El Mozote und umliegenden Gemeinden im Departement Morazán hatte eine Spezialeinheit der salvadorianischen Armee im Dezember 1981 über 1.000 Zivilist*innen ermordet, vor allem Kinder. Es handelt sich dabei um eines der größten Kriegsverbrechen in der Geschichte Lateinamerikas im 20. Jahrhundert.

Im Rahmen seiner Rede bat Funes im Namen des salvadorianischen Staates, als Präsident des Landes und als Oberkommandierender der Streitkräfte die Familienangehörigen der Opfer um Entschuldigung: „Ich bitte die Mütter, die Söhne und Töchter, die Brüder und Schwestern um Verzeihung, ich bitte das salvadorianische Volk um Verzeihung, das Opfer dieser abscheulichen Gewalt wurde.“ Die Regierung hatte zeitgleich in der lokalen Presse die Namen der insgesamt 936 Opfer veröffentlicht, als historischer Akt der Erinnerung, wie Funes erläuterte.

Kleines politisches Erdbeben

Er übernehme die Verantwortung für den salvadorianischen Staat – ein Akt, zum dem sich seine Vorgänger bedauerlicherweise nicht hätten durchringen können. Die angesprochenen Vorgänger von Funes stammten seit dem Ende des Bürgerkrieges sämtlich aus den Reihen der rechten Partei Republikanisch-Nationalistische Allianz El Salvadors ARENA (Alianza Republicana Nacionalista de El Salvador). Funes hatte die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2009 als Kandidat der ehemaligen Guerilla FLMN (Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional) gewonnen.

Politisch viel brisanter waren allerdings waren die Aussagen des Präsidenten, in denen er die Armee und die Justizorgane des Landes dazu aufforderte, aktiv zur historischen Klärung der während des Bürgerkriegs begangenen Verbrechen beizutragen. Diese haben in El Salvador in den vergangenen Tagen für ein kleines politisches Erdbeben gesorgt und die Diskussionen um die eigene Vergangenheitsbewältigung neu lanciert.

Funes fordert Neubewertung der Rolle der Armee

Im Brennpunkt der Diskussionen steht insbesondere die Rolle der Armee. Funes forderte die Führung der Streitkräfte dazu auf, im Lichte der historischen Erkenntnisse die Vergangenheit der Armee neu zu bewerten. So forderte er, endlich davon abzurücken, militärische Führungsfiguren, die in schwere Menschenrechtsverletzungen verwickelt gewesen seien, zu Helden hoch zu stilisieren.

Das Verteidigungsministerium kündigte in der Folge die Bildung einer Kommission zur Untersuchung der Rolle der Armee während des Bürgerkriegs an. Während Parteigenoss*innen und ein Großteil der zivilgesellschaftlichen Organisationen die Bedeutung dieses Schritts hervorhoben, äußerten Vertreter*innen der rechten ARENA-Partei Kritik an Funes’ Aufforderung und bezeichneten diese als anmaßend.

Kritik am Amnestiegesetz

Ein zweiter zentraler Punkt in der Rede von Funes betraf die juristische Aufarbeitung der während des Bürgerkriegs begangenen Menschenrechtsverletzungen. Funes forderte die Justizorgane des Landes auf, ihren Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung zu leisten. Der Präsident bezog sich damit direkt auf das geltende Amnestiegesetz, das vermeintliche Kriegsverbrecher*innen vor Strafverfolgung schützt.

Funes verwies darauf, dass die entsprechende Regelung nicht mit den geltenden internationalen Rechtsnormen vereinbar sei. Die Rechtmäßigkeit des Amnestiegesetzes war in der Vergangenheit bereits von verschiedenen internationalen Menschenrechtsorganisationen und auch von der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte CIDH (Comisión Interamericana de Derechos Humanos) in Frage gestellt worden.

Druck auf Justizorgane

Während sich Menschenrechtsorganisationen und Befürworter*innen einer umfassenden Aufklärung der Kriegsgräuel durch den Auftritt von Funes gestärkt sehen, äußerten sich Vertreter*innen des Obersten Gerichts und konservative Medien zurückhaltend.

Der Zeitpunkt von Funes’ Rede war allerdings geschickt gewählt und sollte ohne Zweifel den Druck auf die eigenen Justizorgane erhöhen, angesichts des laufenden Verfahrens um die Auslieferung der Mörder der sechs Jesuitenpater an der Zentralamerikanischen Universität von San Salvador, im Jahre 1989. Ein entsprechendes Gesuch Spaniens wird derzeit vom Obersten Gericht El Salvadors behandelt.

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