Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 6. Juli 2004
Inhalt
GUATEMALA
NICARGUA
ECUADOR
ARGENTINIEN
URUGUAY
BRASILIEN
BOLIVIEN
PERU
SÜDAMERIKA
LATEINAMERIKA
GUATEMALA
Ehemalige Paramilitärs drohen mit Aktionen
(Guatemala-Stadt, 28. Juni 2004, cerigua).- Während einer Versammlung in Panajachel im Department Sololá, drohten ehemalige Mitglieder der paramilitärischen Zivilen Selbstverteidigungspatrouillen PAC (Patrullas de Autodefensa Civil), das Wasserkraftwerk zu besetzen und die Hauptverkehrsstrassen des Landes zu blockieren. Damit soll die guatemaltekische Regierung unter Druck gesetzt werden, den Zahlungen, die für die "Leistungen" der PAC während des Bürgerkrieges versprochen wurden, nachkommen.
Ein Zusammenschluss guatemaltekischer Menschenrechtsgruppen verurteilte die Drohungen und richtete an die Regierung Oscar Berger die Bitte, den Beschluss des Verfassungsgerichts anzuerkennen. Das Gericht fällte kürzlich ein Urteil gegen die Zahlung von Entschädigungsleistungen an ehemalige PAC-Mitglieder.
An der Versammlung der Ex-Paramilitärs nahm auch die Abgeordnete und wichtige Führerin der Gruppe, Rosenda Pérez, teil. Auch Roxana Baldetti und Otto Pérez Molina von der Patriotischen Partei zeigten durch ihre Anwesenheit ihre Unterstützung für die PAC
Die Vorsitzende der Menschenrechtsgruppen Ruth de Valle, nannte jedoch die von der ehemaligen PAC geforderte Vergütung illegal. Die sogenannte Entschädigung stelle zudem für die Tausende von Opfern der militärischen Unterdrückungspolitik einen Schlag ins Gesicht dar. Weiterhin meinte de Valle, die Forderungen der ehemaligen Bürgerwehr seien wohl einigen politischen Parteien wie z. B. Der Patriotischen Partei (Partido Patriota), der Republikanischen Front Guatemalas (Frente Republicano Guatemalteco) und der Großen Nationalen Allianz (Gran Alianza Nacional) zuzuschreiben.
Auch Gruppen wie das Kollektiv der sozialen Organisationen (Colectivo de Organizaciones Sociales) und das Ökumenische Forum für Frieden und Aussöhnung (Foro Ecuménico por la Paz y de Reconciliación) forderten die Regierung auf, nicht die ehemaligen Paramilitärs zu entschädigen, sondern die Opfer des Bürgerkrieges.
Mindestens 500 verschwundene Kinder zur Adoption freigegeben
(Montevideo, 27. Juni 2004, comcosur-poonal).- Nach einem jüngst erschienenen Bericht wurden mindestens 500 der 1.084 Kinder, die zwischen 1979 und 1984 – der gewalttätigsten Phase des Krieges in Guatemala – verschwunden sind, ihren Eltern durch Angehörige des Militärs geraubt und anschließend zur Adoption freigegeben.
Axel Mejía, Koordinator der Staatlichen Kommission zur Wiederauffindung verschwundener Kinder (Comisión Nacional de Búsqueda de la Niñez Desaparecida), gab an, dass mehrere hundert guatemaltekische Kinder, die Anfang der 80er Jahre adoptiert worden sind, ihren Eltern geraubt worden waren. Diese Entführungen waren eine Form der Repression gegen die indígenen Maya-Gemeinden. "Wir haben 1.084 Fälle registriert von Kindern, die zwischen 1979 und 1984 entführt worden sind. 500 von ihnen wurden adoptiert", so Mejía während eines Treffens zu diesem Thema, an dem verschiedene Menschenrechtsaktivisten aus Guatemala, El Salvador und Argentinien teilnahmen.
Die Kommission zur Wiederauffindung verschwundener Kinder, deren Hauptziel die Rückgabe entführter Kinder an ihre Eltern ist, hat sich mit Familien, z. B. in den USA und in Frankreich in Verbindung gesetzt, die entführte Kinder adoptiert hatten, ohne es zu wissen. "Die erste Reaktion (dieser Personen) ist Ungläubigkeit und sie verlangen DNA-Tests", erklärt Mejía. Er gestand ein, dass in einigen Fällen die adoptierten Kinder gar nicht zu ihren biologischen Eltern zurückkehren wollen.
Nach Informationen von Menschenrechtsgruppen gehörte die Entführung von Kindern zu einer der Strategien des guatemaltekischen Militärs. Nachdem man sie als Kriegswaisen deklariert hatte, wurden die Kinder dann in Waisenhäuser gesteckt oder religiösen Einrichtungen übergeben und anschließend von diesen Organisationen zur Adoption vermittelt.
Humanitäre Gruppen in Guatemala gehen davon aus, dass unter den 45.000 während des Krieges verschwundenen Guatemalteken und Guatemaltekinnen rund 5.000 Kinder waren. Gegenwärtig fordern viele Eltern, deren Kinder geraubt wurden, dass das Militär und die Adoptionsbehörden, die in den 80er Jahren für die Adoptionen zuständig gewesen waren, ihre Archive öffnen, damit die Kommission die vielen noch anhängigen Fälle aufklären kann.
Mejías schätzt, dass rund 70 Prozent der verschwundenen Kinder adoptiert worden sind, aber "wir müssen die Archive einsehen", um sicher sein zu können, fügte er hinzu. Die Übertragung des Sorgerechts für Kinder an Dritte, ist in Guatemala ein heikles Thema. Das Land weist die höchste Pro-Kopf-Adoptionsrate weltweit auf. Schon seit Jahren liegt im Kongress ein Gesetzesvorschlag, der dieses Problem regeln soll, auf Eis.
NICARGUA
Indigenas klagen vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag
(Montevideo, 1. Juli 2004, púlsar).- Der Rat der nicaraguanischen Indigenas (Consejo Indígena nicaragüense) kündigte an, dass er vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, die von der Regierung Enrique Bolanos nicht erfüllten Gesuche einklagen werde.
Die Indigenas fordern von der Regierung die Rückgabe der Rechte auf das Land, das sie bewohnen sowie die Autonomierechte, die sie von ihren Vorfahren geerbt hätten. Eine Vollversammlung des Rates, an der Repräsentanten von 200 verschiedenen ethnischen Gruppen teilnahmen, beschloss nun den Fall vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen.
Ein weiterer Beschluss der Versammlung war, von der Exekutive die Steuern einzufordern, die für Produktionen und niedergelassene Firmen in autonomen Territorium und auf indigenem Boden anfallen. Der Rat bekräftigte, dass "man nicht noch ein weiteres Jahrhundert warten kann, um R
echte einzufordern, die der indigenen Bevölkerung genommen wurden".
ECUADOR
Kein Geld für Renten
(Montevideo, 30. Juni 2004, púlsar).- Zwar billigte der ecuadorianische Kongress einstimmig die Erhöhung der Mindestrente auf 136 US-Dollar, die Regierung jedoch ließ wissen, dass dafür keine Mittel vorhanden seien. Durch den Beschluss wurden die Renten dem Mindestgehalt eines Arbeiters angeglichen.
Der Beschluss fiel einstimmig, obwohl von Regierungsseite angekündigt wurde, dass die Finanzierung des Gesetzes nicht abgesichert sei. Wirtschaftsminister Mauricio Yépez erklärte, dass "die Durchführung des Gesetzes einen Wirtschaftskollaps zu Folge haben kann. Die Rentenerhöhung und die Festlegung einer Mindestrente ist mit zu hohen Kosten verbunden". Auch Mitarbeiter des Instituts für soziale Absicherung machten deutlich, dass die vorgesehene Anhebung der Pensionen nicht durchführbar sei, weil ein entsprechender Finanzierungsplan fehle.
ARGENTINIEN
Piquetero ermordet
(Buenos Aires, 3. Juli 2004, adital-poonal).- Tausende von organisierten Arbeitslosen, sogenannte Piqueteros, verschiedener Organisationen forderten am vergangenen Freitag (2. Juli) bei einer Demonstration durch den Stadtteil La Boca in Buenos Aires, die Aufklärung des Mordes an Martín Cisneros.
Martín Cisneros, auch bekannt als "el oso” (der Bär) war eine Woche zuvor ermordet worden. Er war Mitglieder der Piquetero-Organisation Bündnis für Land und Wohnraum FTV (Federacion de Tierra y Vivienda) und Leiter der Volksküche "Los Pibes” im Stadtviertel "La Boca”. Demonstranten hatten schon am Vormittag nach dem Mord ein Polizeirevier besetzt, um Gerechtigkeit einzufordern.
Auch ein weiterer Mord im Stadtviertel "Tres Arroyos” führte zu massiven Protesten gegen die Polizei der Provinz Buenos Aires. Das Opfer ist ein Jugendlicher, Diego Lucena, der beim Verlassen einer Diskothek, getötet wurde.
Der Chef des 24. Polizeireviers, Cayetano Greco, wurde seines Amtes enthoben. Diese Entscheidung trafen der Justizminister, Gustavo Beliz, und der Chef der Bundespolizei, Eduardo Prado. Der mutmaßliche Mörder von Martín Cisneros, Juan Carlos Duarte, ist mittlerweile verhaftet.
Zu der Demonstration hatten der argentinische Gewerkschaftsverband CTA (Central de los Trabajadores Argentinos) und das Piqueterobündnis FTV aufgerufen. Der argentinische Präsident Néstor Kirchner hatte zugesagt an dem Tag nicht gegen die sozialen Proteste und Straßenblockaden der Piqueteros vorzugehen. In den letzten Wochen war es vermehrt zu Auseinandersetzungen zwischen Piqueteros und der Regierung gekommen.
URUGUAY
Kein Vorsprung für Mitte-Links-Bündnis bei Vorwahl in Uruguay
Von Andreas Behn
(Berlin, 29. Juni 2004, npl).- Kleiner Dämpfer für die Linke in Uruguay: Die Vorwahlen, bei denen am vergangenen Sonntag (27. 6.) die jeweiligen Präsidentschaftskandidaten der drei großen Parteien bestimmt wurden, offenbarte, dass das Mitte-Links-Oppositionsbündnis Frente Amplio (Breite Front) nicht so eindeutig in Führung liegt, wie einige Umfragen es in den vergangenen Wochen nahe legten. Zwar lag die Frente mit gut 43 Prozent vor der Nationalen Partei mit rund 41 Prozent. Doch die Colorados, die den momentanen Präsidenten Jorge Battle stellen und mit der Nationalpartei die Regierungskoalition bilden, errangen noch mal knapp 15 Prozent, womit das konservative Lager mit 56 Prozent immer noch über eine absolute Mehrheit verfügt.
Auch wenn die internen Vorwahlen getrennt abgehalten wurden, gelten sie in Uruguay als allgemeines Stimmungsbarometer für die Präsidentschaftswahl im Oktober. Eindeutig waren dabei die Ergebnisse für die einzelnen Kandidaten: Bei der Frente Amplio wurde Tabaré Vázquez als einziger Kandidat zum Präsidentschaftskandidaten gekürt. Mit 90 Prozent gewann Guillermo Stirling eindeutig die Vorwahl bei den Colorados. Doch angesichts des miserablen Abschneidens seiner Partei wird ihm das wenig nützen, zumal sich der Mitte-Rechts-Politiker Jorge Washington Larrañaga ebenso eindeutig in der Nationalpartei durchsetzte. Bei dieser Ausgangslage sind sich alle Beobachter einig, dass es neben dem Linkskandidaten Tabaré Vázquez Larrañaga von der Nationalpartei sein wird, der in die Stichwahl um die Präsidentschaft des kleinen südamerikanischen Landes gelangen wird.
Den uruguayischen Tageszeitungen zufolge steht dem Land das Duell zwischen "einem neuen Uruguay unter Vázquez" oder der Kontinuität, dem "Traditionalismus unter Larrañaga" bevor. Erstere Option vertritt der 64-jährige Arzt Vázquez, der schon als Bürgermeister die Hauptstadt Montevideo regierte. Noch nie war die Linke so nah an der Macht wie in diesem Wahlkampf. Wichtig dabei ist nicht nur, dass sich die Frente Amplio trotz heftiger interner Debatten zu einer gemeinsamen politischen Kraft entwickelt hat. Auch die politische Tendenz in der Region spielt eine wichtige Rolle: In den Nachbarstaaten Brasilien und Argentinien wurden mittlerweile die konservativen Regierungen abgewählt, und immer mehr Uruguayern ist es unerträglich, dass nur noch ihre Regierung unterwürfig die Weisungen aus Washington oder vom Weltwährungsfonds IWF entgegen nimmt.
Ex-Minister Jorge Larrañaga wird es jedenfalls nicht einfach haben. Zwar konnte er den Ex-Präsidenten Luis Alberto Lacalle in der Vorwahl klar besiegen. Doch er vertritt die alte politische Klasse aus National- und Colorado-Partei, die für die schwere wirtschaftliche Rezession der letzten vier Jahre verantwortlich gemacht wird. Und auch in Sachen Aufarbeitung der Militärdiktatur steht er für Kontinuität beim Thema Straffreiheit für Täter in Uniform. Zufall, das die Vorwahl am 31. Jahrestages des Militärputsches von 1973 stattfand. Viele Menschenrechtsgruppen, allen voran die "hijos", die Kinder von Verschwunden-Verhafteten Diktaturgegnern, nutzen die Gelegenheit, lautstark gegen das Militär und die Untätigkeit der Justiz zu demonstrieren.
BRASILIEN
Vorladung beim Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte
(Montevideo, 30. Juni 2004, púlsar).- Brasilien wurde vom Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte (Corte Interamericana de Derechos Humanos) der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) vorgeladen. Anlass ist der Aufstand im Gefängnis "Urso Branco" in Porto Velho im April dieses Jahres, bei dem 14 Gefangene umgekommen sind. Es ist das erste Mal, dass Brasilien aufgefordert wurde vor den Interamerikanischen Gerichtshof in Costa Rica zu erscheinen.
Die Einberufung zur Anhörung ergab sich auf die Bitte um Vermittlung im Fall des Gefängnisses "Urso Branco". Eingereicht wurde die Petition von der Nichtregierungsorganisation "Zentrum für Globale Gerechtigkeit" (Centro de Justicia Global) und der Kommission Gerechtigkeit und Frieden der Erzdiözese von Porto Velho. Laut "Justicia Global" wurden im Zeitraum von April 2001 bis April 2004 in Urso Branco 74 Gefangene hingerichtet. Durch die Intervention beim Gerichtshof soll die Erfüllung von Maßnahmen zum Schutz der Unversehrtheit von Gefangen
en und Angestellten des Gefängnisses garantiert werden. Die Regierung des Bundesstaates Rondônia habe weder die Auflagen der OAS erfüllt, noch die Verantwortlichen für die Toten bei dem Aufstand im April ermittelt, meinte die NGO weiter. Zudem wurde die Anpassung des Gefängnisses an internationale Normen sowie die Überwachung deren Erfüllung beantragt.
NGOs kritisieren Einbeziehung des Militärs in "spezielle Aufgaben"
(Fortaleza, 30 Juni 2004, adital-poonal).- Die Menschenrechtsgruppe "Tortura Nunca Más" (Nie wieder Folter) aus Rio de Janeiro kritisierte alle Organisationen und Vereinigungen, die Menschenrechtsarbeit leisten und gegen Gewalt tätig sind sowie drei Initiativen der Bundesregierung, die am systematischen Einsatz des Militärs in als "speziell" eingeschätzten Situationen, festhalten. Der Protest der Organisation wurde schon vom Verteidigungsministerium beantwortet: die Vorhaben seien bestätigt und absolut verfassungsgemäß.
Die Sorge der Menschenrechtler dreht sich hauptsächlich um die folgenden Punkte: die Billigung eines Gesetzesvorschlages im Senat, der das Militär autorisiert, bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens und dem Drogenhandel aktiv zu werden; die Schaffung einer militärischen Eliteeinheit, die spezielle Aufgaben haben soll, um die Sicherheit und die öffentliche Ordnung zu erhalten; des weiteren geht es um die Bildung einer nationalen Sicherheitseinheit, die beim Ministerium für öffentliche Sicherheit angesiedelt werden soll. Alle drei Initiativen wurden im Juni in der brasilianischen Presse veröffentlicht.
Trotz der Aussage des Verteidigungsministers José Veiga, dass "alle Maßnahmen von der Verfassung abgedeckt sind", betonte Elizabete Silveira y Silva, die Koordinatorin der NGO, dass es nötig sei, den Protest aufrecht zu erhalten, und dass die Konsequenzen dieser Neuerungen sehr fatal sein können.
Die Organisation kritisiert, dass "der Mythos der Unbestechlichkeit und der Kompetenz der Militärs im Vergleich mit der staatlichen Polizei" genährt werde. Außerdem präsentiere sich die systematische Einbindung des Militärs als scheinbar einzige Lösung beim Ruf nach Gesetz, Ordnung und Verbrechensbekämpfungsmaßnahmen.
Die Nichtregierungsorganisation "Soy de la Paz" aus São Paulo ist der Meinung, dass der Einsatz des Militärs in sogenannten "speziellen" Situationen ein großer Irrtum sei. Das Heer und die anderen militärischen Einheiten müssten ihre eigentliche Aufgabe besser erfüllen, rigoroser sein, auch bei der Kontrolle des eigenen Waffenbestandes, meint Denis Zisme, Koordinator der NGO.
"Wir wissen, dass der Großteil der im Drogenhandel benutzten Waffen aus Heeresbeständen kommt. Es gibt etliche Fälle von Waffenschuppen des Heeres, Lager der Luftwaffe sowie Munitionskammern die ausgeraubt wurden und Munition, die abhanden kam. Die Kontrolle darüber muss es geben. Wenn also das Militär seine eigentlichen Aufgaben gut erfüllt, ist das bereits der beste Beitrag, den es leisten kann. Und erst von diesem Punkt ab kann man darüber diskutieren, ob es noch andere Beiträge leisten kann", so Zisme.
BOLIVIEN
Spekulationen vor dem Gasreferendum
(Montevideo, 1. Juli. 2004, púlsar-poonal).- Europäische Investmentbanken und Börsenexperten prognostizieren einen Millionengewinn für das spanische Erdölunternehmen Repsol YPF, falls die staatliche Position im Gasreferendum gewinne. Laut den Schätzungen der Schweizer Investmentbank UBS wird die Volksbefragung in Bolivien einen starken Aufschwung für die Projekte von Repsol YPF bringen. Am 18. Juli soll ein Referendum darüber befinden, ob Erdgas weiterhin von transnationalen Konzernen ausgebeutet werden darf oder ob es nationalisiert werden soll.
Für die Schweizer Investoren würde eine Bestätigung durch das Referendum die Konsolidierung der dominierenden Position des spanischen Erdölunternehmens auf dem bolivianischen Markt bedeuten. Experten weisen darauf hin, dass ein positives Ergebnis des Referendums für Repsol endlich die Hindernisse, Gas in die USA und nach Mexiko zu exportieren, aus den Weg räume und der Konzern dann von höheren Einnahmen profitieren könnte. Bis jetzt sind fast ein Fünftel der Erdgasvorräte des Unternehmens in Bolivien konzentriert. Deren Nutzung war jedoch durch den Widerstand von Gewerkschaften und anderen Gruppen blockiert worden, die den Export von Rohstoffen für die Märkte in den USA und Mexiko ablehnten.
Alfonso Cortina, der Präsident von Repsol YPF sagte, dass er überzeugt davon sei, dass das Referendum ein "positives Ergebnis" bringe für das Erdölkonsortium, das dann den Gasexport nach Mexiko und in die USA erneut in Angriff nehmen will. Durch das bevorstehende bolivianische Referendum und die Aussicht Erdöl in kubanischen Gewässern zu finden, meinen Spezialisten, dass Repsol YPF 2.700 Millionen Dollar verdienen könnte.
Der bolivianische Gewerkschaftsdachverband COB entschied die von der Regierung Carlos Mesa organisierte Volksabstimmung zu behindern oder unmöglich zu machen . Die von den Gewerkschaftern geplanten Aktionen reichen von Nachtwachen vor den Wahllokalen bis zur Verbrennung der Wahlurnen. Die Arbeiter haben auch entschieden, sich bei der Befragung der Stimme zu enthalten oder einen Zettel mit der Aufschrift "Verstaatlichung jetzt!" in die Urnen zu werfen
Der Gewerkschafter Roberto De la Cruz sagte, dass damit auf die Weigerung von Präsident Carlos Mesa, geantwortet werde, die Option der sofortigen Verstaatlichung der Erdgasvorkommen in die Abstimmung einzubinden. Im Referendum sollen fünf Fragen beantwortet werden. Dabei soll die Zukunft des Erdgases im Land geplant und die Steuern für transnationale Unternehmen langfristig erhöht werden. In beiden Fällen werden schon unterschriebene Verträge mit den Unternehmern nicht angetastet.
Unterschriftensammlung für Verstaatlichung der Erdgasvorkommen
(Montevideo, 30. Juni 2004, púlsar).- Der bolivianische Gewerkschaftsdachverband COB (Central Obrera Boliviana) hat begonnen Unterschriften für die Verstaatlichung der Erdgasvorkommen zu sammeln. Die Gewerkschafter kritisieren die Fragen des für den 18. Juli angesetzten Referendums über den Umgang mit den Erdgasressourcen. Mit der Absicht vor dem Referendum noch Druck auf die Regierung von Carlos Mesa auszuüben, bestätigte Gewerkschaftschef Jaime Solares, dass die Unterschriftensammlung bereits in den Bezirken Potosí, Cochabamba und La Paz begonnen habe und auf weitere Städte ausgedehnt werde.
Die Entscheidung für die Durchführung der Kampagne sei gefallen, da nach Meinung der COB das von Regierungsseite initiierte Referendum "trügerische Fragen" beinhalte, die keinen direkten Bezug zur Verstaatlichung des Erdgases hätten. Die Gewerkschafter werden die gesammelten Unterschriften dem Nationalkongress übergeben. Die Regierung ihrerseits erhofft sich ein positives Ergebnis der Befragung am 18 Juli, um dem Parlament eine entsprechende Gesetzesvorlage über die Reformen beim Gasgeschäft vorlegen zu können. Präsident Carlos Mesa hat versichert, dass im Falle einer Niederlage des of
fiziellen Vorschlages im Referendum, er sich gezwungen sehe zurückzutreten.
PERU
Verhaftung löst Spekulationen aus
(Lima, 30. Juni 2004, adital).- Der Menschenrechtsorganisation "Instituto de Defensa Legal de Perú" zufolge haben die jüngsten Verhaftungen der Polizei im Rahmen von Antiterrormaßnahmen nichts mit einem Wiedererstarken der Guerillabewegung Leuchtender Pfad (Sendero Luminoso) zu tun. Gleichwohl könne nicht von einem völligen Verschwinden dieser Gruppe gesprochen werden.
Am 25. Juni verhaftete die Polizei nach heftigem Widerstand und durch den Einsatz von zwanzig bewaffneten Beamten die 41-jährige Rosa Calderón Lara, besser bekannt als "Camarada Gaviota” (Kameradin Möwe). Calderón Lara wird Führerschaft in der 1980 gegründeten Organisation vorgeworfen. Zeitungsberichten zufolge war sie "Teil des Mordkommandos des sogenannten regionalen Hauptstadtkomitees des Leuchtenden Pfades (Comité Regional Metropolitano de Sendero Luminoso)” und soll an verschiedenen Anschlägen auf Personen und kommerziell genutzte Gebäude beteiligt gewesen sein. Seit etlichen Jahren stand sie auf der Fahndungsliste und soll nach Angaben der Polizei in letzter Zeit damit beschäftigt gewesen sein, mit Hilfe von Sympathisanten und ehemaligen Mitgliedern den Leuchtenden Pfad in Lima wieder neu aufzubauen.
Unter anderem wird ihr vorgeworfen im März 2002 am Bombenanschlag auf die US-amerikanische Botschaft beteiligt gewesen zu sein. Das Attentat hatte für großes Aufsehen gesorgt, da es kurz vor dem Besuch des US-Präsidenten Georg W. Bush statt fand. Mit der Verhaftung Calderóns verdichten sich die Hinweise darauf, dass der Leuchtende Pfad tatsächlich wieder aktiv geworden ist, wie es die Regierung behauptet hatte. Allerdings gab die Menschenrechtsorganisation an, dass die Gesuchte aufgrund über von über zehn Jahre zurückliegender Tatbestände verhaftet worden sei.
Wilfredo Ardito, Sprecher des "Instituto de Defensa Legal de Perú", geht davon aus, dass der Leuchtende Pfad nie richtig aufgehört habe zu existieren. Seit der Verhaftung ihres Anführers Abimael Guzmán im Jahre 1992 "hat die Organisation immer wieder Anschläge verübt, manchmal auch mit Todesopfern. Der Pfad ähnelt den terroristischen Gruppen von Athen, die auch nie völlig ausgeschaltet werden konnten”.
Der Leuchtende Pfad wurde vom Professor Abimael Guzmán und einigen seiner Studenten im Jahre 1980 gegründet und folgte maoistischen und marxistischen Lehren. Nach einer anfänglichen raschen Ausbreitung im Kampf gegen Regierung und Militär, der mit zahlreichen Auseinandersetzungen und Toten einherging, kam es zu einer immer größeren Ablehnung dieser Guerillabewegung auch in der Bevölkerung aufgrund hunderter ziviler Opfer. Nach der Verhaftung des Anführers Guzmán 1992 löste sich die Gruppe offiziell auf.
SÜDAMERIKA
Südamerikanisches Integrationsabkommen tritt in Kraft
Evandro Bonfim*
(Fortaleza, 30. Juni 2004, adital-poonal).- Die tatsächliche Einheit der südamerikanischen Länder wird morgen (1.Juli) mit dem in Kraft Treten des Wirtschaftsabkkommens zwischen den Mitgliedsstaaten der Andengemeinschaft (Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Peru und Venezuela), und den Mitgliedsstaaten der südamerikanischen Freihandelszone MERCOSUR (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, mit Bolivien, Chile und Peru als assoziierte Mitgliedsstaaten) einen deutlichen Schritt voran machen.
Mit diesem Abkommen, das in der nächsten Woche protokolliert werden soll, werden zehn der 13 Länder Südamerikas in einem gemeinsamen Markt mit 350 Millionen Konsument*innen vereint sein. Sogar die traditionelle Isolierung Chiles wird damit aufgebrochen. Laut dem Generalsekretär der Andengemeinschaft Allan Wagner Tizón wird das Abkommen jedoch nur die Grundlage für die Stärkung des südamerikanischen Integrationsraumes (Espacio Sudamericano de Integración) sein, "mit einer Perspektive, die wesentlich weiter reicht als die eines Freihandelsabkommens, das per Definition nur begrenzte Ziele aufweist".
"Die fünf Säulen des südamerikanischen Integrationsraumes werden die wirtschaftliche Integration, Infrastruktur und Entwicklung, die finanzielle Kooperation, die politische Zusammenarbeit und die soziale Agenda sowie die internationalen Angelegenheiten sein", so Tizón während des Treffens der gemeinsamen parlamentarischen Kommission des MERCOSUR und des Anden-Parlaments in Santa Cruz, Bolivien.
Das Abkommen war ohne auf nähere Details einzugehen vom kolumbianischen Wirtschaftsminister, Humberto Botero, nach einem Treffen im April in Buenos Aires, nach achtmonatigen Verhandlungen angekündigt worden. Mit der Implementierung des Abkommens ist vorgesehen, dass die Länder mit einer progressiven Senkung der Zölle beginnen. Die Zeitspannen dafür variieren von sechs Monaten bis zu 15 Jahren, dabei wird sich in der Fahrzeug- und Metallindustrie die Reduktion der Zölle am meisten verzögern. Eine Liste von 6.000 Produkten u.a. Textilien, Kleidung, Früchte und generische Medikamente werden künftig zollfrei gehandelt.
Trotzdem meinen Expert*innen, dass das Abkommen mehr taktische und politische Vorteile als tatsächlich ökonomische Vorteile mit sich bringe. Dies gelte insbesondere für MERCOSUR-Länder wie Brasilien, angesichts der geringen Kauf- und Konsumkraft der Andengemeinschaft. Die südamerikanischen Länder hoffen, durch die Schaffung dieses regionalen Marktes die lateinamerikanische Verhandlungsposition in Projekten wie der Gesamtamerikanischen Freihandelszone ALCA (Área de Libre Comercio de las Américas), das v.a. von den Vereinigten Staaten angestoßen worden war, zu stärken.
Zur Zeit weisen die Handelsbeziehungen zwischen MERCOSUR und Andengemeinschaft eine Bilanz 5,7 Milliarden US-Dollar auf, die den ersteren Block begünstigt. Laut der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik CEPAL (Comisión Económica para América Latina y el Caribe) sei dieser Handelsfluss gemessen am Potential der beiden Handelspartner sehr gering und zudem asymmetrisch. So stiegen z.B. 2003 die brasilianischen Exporte (Mercosur) nach Kolumbien (Andengemeinschaft) auf 748 Millionen US-Dollar, und die kolumbianischen Exporte nach Brasilien auf 98 Millionen US-Dollar, womit das benachbarte Brasilien an 25. Stelle der Zielländer für kolumbianische Produkte steht.
*Evandro Bonfim ist Journalist bei Adital.
LATEINAMERIKA
Migration aus Lateinamerika nach Europa nimmt zu
Von Evandro Bonfim und Roberto Roa
(Brasilia, 29. Juni 2004).- Immer mehr Menschen aus Lateinamerika wandern nach Europa aus. Die meisten von ihnen sind jung und gut ausgebildet. Überraschend groß ist der weibliche Anteil – mittlerweile machen Frauen weit über die Hälfte der Emigrierenden aus.
Nach den Anschlägen im September 2001 in den USA wurde Europa das Ziel Nummer Eins der Auswanderer aus Lateinamerika und der Karibik. Schon allein wegen der Sprache werden die südeuropäischen Staaten bevorzugt: Jüngsten Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (OIM) zufolge stieg die
Zahl der Lateinamerikaner allein in Spanien von 92.000 im Jahr 1995 auf fast 515.000 Ende 2003.
Nach wie vor sind wirtschaftliche Probleme der Hauptgrund der Migration, während die Verschärfung der Einreisebestimmungen in den USA ausschlaggebend dafür ist, dass weniger Auswanderer ihr Glück nördlich des Rio Bravo versuchen. Dennoch entsprechen immer mehr lateinamerikanische Emigranten nicht dem typischen Auswandererprofil: Eine wachsende Zahl von ihnen ist überdurchschnittlich gut ausgebildet, und immer mehr Frauen suchen auf eigene Faust ein neues Auskommen. Auffällig ist auch die große Bereitschaft der in Europa Eingewanderten, einen Teil ihrer hiesigen Einkünfte in die Ursprungsländer zurück zu überweisen: Aus Spanien summierten sich die "Remesas" genannten Zahlungen an zurückgebliebene Familienangehörige auf inzwischen über eine Milliarde Euro – eine größere Zahlungsbereitschaft als seitens der gutsituierten lateinamerikanischen Migrantengemeinden in den USA.
Es wird erwartet, dass diese Auswanderungstendenz weiter zunimmt. Insbesondere der schnelle Ausbau der gegenseitigen Beziehungen, dabei vor allem das geplante Freihandelsabkommen MERCOSUR-EU, das mittlerweile intensiver diskutiert wird als die Gesamtamerikanischen Freihandfelszone ALCA, dürfte der Migration Vorschub leisten. Deswegen drängt die EU darauf, mit den Staaten Lateinamerikas Migrationsabkommen zu schließen und bewilligte dafür bereits 13 Millionen Euro. Offiziell heißt es dabei, dass dem Menschenhandel und der "illegalen Migration" vorgebeugt werden soll. Dahinter steht jedoch die klare Intention, eine Einwanderung nur nach den Erfordernissen der heimischen Wirtschaft zuzulassen.
Jahrzehntelang hatte die EU nicht akzeptiert, dass sie zu den Einwanderungsgebieten in der Welt gehört. Jetzt setzt sie darauf, in erster Linie Fachkräfte zu "importieren", weswegen ein Teil der Anfragen aus Lateinamerika auch gerne gesehen werden. Aber insbesondere in Südeuropa sollen die Arbeitsmigranten auch der Nachfrage in den Bereichen Bau, Hausarbeit und Hotelgewerbe entsprechen. Migrationsorganisationen gehen davon aus, dass diese Rechnung nur zum Teil aufgehen wird. Sie schätzen, dass nach diesem ersten Migrationsschub immer mehr Latinos und Latinas nach Europa kommen werden, weil die Einwanderer aus dieser Region – wie bereits in den USA – dazu tendieren, Verwandte und Freunde innerhalb kurzer Zeit zur Nachahmung zu motivieren.
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