von Cristina Fontenele
(Fortaleza, 29. September 2015, adital).- Anfang September wurde dem Senat der Vorschlag für ein Gesetz zum Schutz gegen das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen in Mexiko von einer Komission vorgelegt, die aus Menschenrechtsorganisationen und Angehörigen der Opfer besteht. Das Gesetz, das schon seit 2012 gemeinsam mit den Mitgliedsorganisationen der Nationalen Kampagne zum Schutz gegen das gewaltsame Verschwindenlassen erarbeitet wurde, soll mit der Straflosigkeit Schluss machen und fordert die Schaffung von Sonderstaatsanwaltschaften in allen mexikanischen Bundesstaaten, um gegen das Verschwindenlassen zu kämpfen.
Die Menschenrechtsorganisation Comité Cerezo aus Mexiko erklärt in einem Gespräch mit der lateinamerikanischen Nachrichtenagentur Adital, dass das Gesetz einen juristischen Rahmen biete, um einen Bundesstaat anzuklagen, der das gewaltsame Verschwindenlassen praktiziere. Es bestehe die Hoffnung, dass Mexiko sich mit diesem Gesetz an internationale Vorlagen anpasse. „Dank des Durchsetzungsvermögens und der kontinuierlichen Arbeit der Menschenrechtsorganisationen, die dieses Gesetz angestoßen haben und dank der sozialen Bewegung im allgemeinen gibt es nun die politische Möglichkeit eine angemessene Rechtssprechung zu bekommen,“ betont die Menschenrechtsorganisation.
Comité Cerezo geht von 30.000 Verschwundenen aus
Das Comité Cerezo beklagt, dass Staatsbedienstete oder Einzelpersonen mit Billigung des Staates verantwortlich für das gewaltsame Verschwindenlassen seien und dass es sich im allgemeinen um paramilitärische Gruppen handle. Noch immer gibt es keine offiziellen Zahlen zu diesem Verbrechen, aber man schätzt, dass in den vergangenen acht Jahren rund 30.000 Personen in Mexiko gewaltsam verschwunden sind.
Die Menschenrechtsorganisation erklärt: “Der mexikanische Staat vermischt mit politischer Absicht die Zahlen, um sowohl zu verschleiern, wie viele Menschen gewaltsam verschwunden sind als auch dass Staatsbedienstete für das Verschwindenlassen verantwortlich sind. Er vermischt die Zahlen von Opfern verschiedener Verbrechen, also von Entführungen, von gewaltsamen Verschwindenlassen und Vermisste und bezeichnet sie alle als nicht auffindbare Personen.“
Situation seit dem “Drogenkrieg” verschlimmert
Das gewaltsame Verschwindenlassen hat sich seit dem vom ehemaligen Präsidenten Felipe Calderón (2006-2012) propagierten “Drogenkrieg” verschlimmert. Laut Comité Cerezo sind inzwischen auch Migrant*innen, Frauen, Minderjährige und junge Leute davon betroffen. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte hat sich diese Methode auf verschiedene Länder in Lateinamerika ausgedehnt, wie El Salvador, Uruguay, Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Peru, Honduras, Bolivien, Haiti und Chile.
Laut der landesweiten Umfrage zu Kriminalität und Öffentliche Sicherheit Envipe (Encuesta Nacional de Victimización y Percepción de Seguridad Pública) aus dem Jahr 2014 geht man in Mexiko von mehr als 130.000 Entführungen im Jahr 2013 aus. In der Umfrage wird der Regierung vorgeworfen, keine Untersuchungen einleitet und die Verantwortlichen nicht bestraft zu haben. Laut Anzeigen sind es in der Mehrheit ehemalige Polizisten von Anti-Entführungseinheiten und in manchen Fällen auch amtierende Polizisten, die für die Entführungen verantwortlich sind.
Hauptsächlich Ex-Polizisten für Entführungen verantwortlich
Mit dem Vermischen der Verbrechenszahlen werden nach Meinung des Comité Cerezo “absichtlich” auch Verletzungen der Menschenrechte verschleiert, die von Staatsbediensteten begangen wurden. Die Organisation geht davon aus, dass in ganz Mexiko jede Familie schon einmal Opfer von irgendeinem Verbrechen gewesen sei. „Leider gibt es keine Zahlen oder Unterlagen die belegen, wieviele Familien schon Opfer von schweren Menschenrechtsverletzungen wurden. Schon allein mit den in Mexiko verabschiedeten Strukturreformen, das heisst mit der Verstärkung der neoliberalen Politik, durch die sich die wirtschaftlichen Lage verschlechtert hat, hat die gesamte Bevölkerung Menschenrechtsverletzungen erlitten,“ erläutert die Menschenrechtsorganisation.
Mexiko hat Empfehlungen der UN nicht umgesetzt
Der UN-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen untersuchte im Februar dieses Jahres die aktuelle Situation in Mexiko. Die Gruppe, die sich aus 10 Expert*innen verschiedener Nationalitäten zusammensetzte, überprüfte die Umsetzung des Internationalen Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen. Sie kam zu dem Schluss, dass es wenig Fortschritte gegeben habe und dass die Regierung die Mehrzahl der von der Gruppe beim letzten Besuch im März 2011 in Mexiko ausgesprochenen Empfehlungen noch nicht umgesetzt habe.
In seinem Bericht forderte der UN-Ausschuss die mexikanische Regierung auf ein einheitliches Register für verschwundene Personen zu schaffen, um so Statistiken zu erstellen, mit denen geeignete politische Maßnahmen entwickelt werden könnten, da man bisher das wahre Ausmaß dieser Geißel nicht kenne. Der Ausschuss hob den Fall des Bundesstaates Guerrero hervor, in dem vor mehr als einem Jahr 43 Studenten Opfer des gewaltsamen Verschwindenlassens wurden. Die „verspäteten und unzureichenden“ Untersuchungen seien Beweis dafür, dass die wahren Ausmaße des Problems in Mexiko nicht erkannt würden.
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