Fünf Ex-Agenten des Diktatur-Geheimdienstes DINA zu Haftstrafen verurteilt

(Santiago de Chile, 4. Januar 2021, Prensa Latina/poonal).- Nach einem langwierigen Prozess sind fünf ehemalige Agenten der Leitung des militärischen Geheimdienstes Chiles (DINA) in Zeiten der Diktatur unter Augusto Pinochet (1973-1990) zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Sie hatten im Jahr 1975 elf Führungskräfte der Sozialistischen Partei Chiles (PS) entführt.

Wie das Onlinemedium El Desconcierto berichtete, bestätigte die dritte Kammer des Berufungsgerichts in Santiago den in erster Instanz gefällten Schuldspruch und verurteilte die Ex-DINA-Agenten Miguel Krassnoff Martchenko, Rolf Wenderoth Pozo, Manuel Carevic Cubillos, Juvenal Piña und den ehemaligen stellvertretenden DINA-Direktor Raúl Iturriaga Neumann zu Haftstrafen von je 15 Jahren und einem Tag.

Das Gericht bestätigt damit ein Urteil aus dem Jahr 2018, das Miguel Vásquez (Richter in Menschenrechtsfragen) gefällt hatte. Allerdings wurden in einigen Fällen mildernde Umstände wegen „tadelloser vorheriger Führung“ angewandt. Somit reduziert sich das ursprüngliche Strafmaß von Iturriaga Neumann von 20 auf 15 Jahre, von Wenderoth Pozo von 18 auf 15 Jahre und von Carevic Cubillos von 16 auf 15 Jahre. Das ursprüngliche Strafmaß von 15 Jahren für Miguel Krassnoff Martchenko wurde beibehalten, während sich die Länge der Haftstrafe von Juvenal Piña von 12 auf 15 Jahre erhöht hat.

Anwalt der Anklage über die Verbrechen: „Vernichtungspolitik der Diktatur“

Nelson Caucoto, einer der Anwälte der Anklage, betonte gegenüber El Desconcierto, dass mit dem neuesten Urteil eine lange juristische Untersuchung zum Ende komme. Trotzdem beklagt der Anwalt, dass weiterhin nichts über den Aufenthaltsort der Körper der Opfer bekannt ist: „Dieser Umstand beweist die brutale Effizienz der Praxis des Verschwindenlassens, die die DINA angewandt hat. Ein solch kriminelles Vorgehen zeigt die furchtbarsten Züge der Vernichtungspolitik der Diktatur“.

Caucoto erhebt außerdem Zweifel an der Reduzierung des Strafmaßes wegen tadelloser Führung, die seiner Meinung nach nicht angebracht sei. Der Anwalt kündigte an, weiterhin alle rechtlichen Hebel in Bewegung zu setzen, um zu weiteren Erkenntnissen zu kommen. Denn auch wenn 15 Jahre keine milde Strafe seien, erscheine die Art und Weise der Strafmilderung fragwürdig.

1975: ein bitteres Jahr in der Geschichte der Sozialistischen Partei

Dem Urteil zufolge sind die Beschuldigten für die Entführung und das Verschwindenlassen von elf Mitgliedern der Sozialistischen Partei im Zeitraum von März bis Dezember 1975 verantwortlich. Die Opfer waren zwischen 24 und 39 Jahre alt.  Im Laufe des Verfahrens wurden hunderte ehemalige Mitglieder der Sozialistischen Partei von José Ignacio Vásquez, Minister am Verfassungsgericht, in den Zeugenstand gerufen – darunter auch Chiles Ex-Präsidentin Michelle Bachelet, die während der Diktatur im Haft- und Folterlager Villa Grimaldi gefangen war.

Klägeranwalt Caucoto erinnerte anlässlich der Urteilsverkündigung daran, dass das Jahr 1975 für die Sozialistische Partei eine schreckliche Zeit war: Nach dem Putsch gegen Präsident Salvador Allende war die Partei gezwungen, im Untergrund weiterzuarbeiten. Die Parteiführung bestand vor allem aus jungen Menschen, verfügte jedoch über jede Menge politische Erfahrung. Der militärische Geheimdienst und andere repressive Institutionen betrieben eine intensive Verfolgung und erschwerten die Arbeit der im Untergrund operierenden Partei. Noch im selben Jahr wurde die PS dem Erdboden gleichgemacht: Nach der Festnahme der klandestinen Parteiführung fielen auch deren Nachfolger*innen und über 50 weitere Parteimitglieder der Diktatur zum Opfer.

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