Indigene Gemeinden gegen ein Staudammprojekt

von Knut Hildebrandt

Eine Familie der Lenca. Foto: Knut Hildebrandt
Foto: Knut Hildebrandt

(Berlin, 23. Mai 2015, npl).- Von der Weltbank und anderen internationalen Entwicklungsbanken geförderte Projekte geraten immer mehr in die Kritik. Das ist mittlerweile auch bei den verantwortlichen Politikern angekommen. Im April flog Bundesentwicklungsminister Gerd Müller zur Frühjahrstagung der Weltbank nach Washington. Dort unterhielt es sich unter anderem mit Weltbank-Präsident Jim Yong Kim. Thema der Gespräche war auch, wie bei Weltbank-Projekten Menschenrechte, Umweltfragen und soziale Gerechtigkeit stärker berücksichtigt werden können.

Was aber läuft schief bei den Fortschritt verheißenden Entwicklungsprojekten? Onda-Info wollte das genauer wissen und besuchte die abgelegene Lenca-Gemeinde La Tejera in der Region Río Blanco in Honduras. Hier soll ein Wasserkraftwerk gebaut werden. Das Projekt wollten unter anderen der zentralamerikanische Infrastrukturfonds CAMIF und die holländische Entwicklungsbank FMO finanzieren.

Zu Gast bei den Staudamm-GegnerInnen

Auf einem riesigen Herd, der den Kochmaschinen aus Großmutters Zeiten ähnelt, kocht Wasser. Stolz erzählt uns Doña Edmunda, dass der Herd erst vor kurzem fertig gestellt worden ist. Don Francisco, Edmundas Mann, ergänzt: Der neue Herd ist viel effektiver und umweltschonender als die alte, offene Feuerstelle. Und er hat einen Abzug. Somit verbraucht er nicht nur weniger Holz, sondern räuchert auch nicht mehr die Küche zu, wenn dort gekocht wird. Während Don Francisco weiter von den kleinen Fortschritten auf dem Hof berichtet, bereitet Doña Edmunda Kaffee zu. Denn es werden Gäste erwartet. Edmunda und Francisco engagieren sich nämlich gegen den Bau des Staudamms „Agua Zarca“ am Río Gualcarque. In ihrer Küche sind wir mit Gegner*innen des Projektes zum Interview verabredet.

Als erster steht Lució Sánchez in der Tür. Edmunda bietet ihm Kaffee an und Don Lució gesellt sich zu uns. Lució Sánchez koordiniert die Gemeinschaftsarbeiten in La Tejera und vertritt die Einwohner gegenüber staatlichen Autoritäten. Auf die Frage, warum die Lenca-Gemeinde sich so vehement gegen den Staudamm wehrt, hat er sofort eine Antwort parat: „Wir setzen uns in Río Blanco gegen das Staudamm-Projekt ein, weil es uns keinerlei Vorteil bringt. Nutznießer ist ausschließlich die Betreiberfirma. Denn keines ihrer Versprechen halten sie ein.“

Verletzung indigener Rechte

Davon abgesehen, dass die Menschen in Río Grande wohl wenig Nutzen aus dem Staudamm-Projekt ziehen werden, wurden auch ihre grundlegenden Rechte als indigene Gemeinschaft missachtet. Laut der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation ILO muss vor der Umsetzung von derartigen Projekten in indigenen Gemeinden eine Konsultation durchgeführt werden. Diese hat vor Projektbeginn zu erfolgen, muss über dessen vollen Umfang und die Auswirkungen auf das Leben der Gemeinde informieren und eine freie Abstimmung über Annahme oder Ablehnung des Projektes beinhalten.

Dies alles hat es im Zusammenhang mit dem Staudammbau am Río Gualcarque nicht gegeben, versichert Sabino Gonzalez, ein Lehrer der Gemeinde. Das Projekt wurde hinter dem Rücken der Bewohner*innen von La Tejera vom ehemaligen Bürgermeister ausgehandelt, berichtet er weiter. Das Dorf hat auch niemals in offener Abstimmung dem Projekt zugestimmt. Im Gegenteil. Das Projekt wurde mehrheitlich abgelehnt.

Widerstand und Eskalation der Gewalt

Als trotz der Ablehnung durch die indigene Bevölkerung mit den Bauarbeiten begonnen wurde, errichteten die Bewohner*innen von Río Blanco im April 2013 eine Straßensperre und blockierten die Zufahrt zur Baustelle. Die honduranische Betreiberfirma DESA reagierte mit einer Doppelstrategie. Auf der einen Seite versuchte man, die Gemeinde zu spalten und die Zustimmung von Gemeindemitgliedern zu kaufen. Andererseits übte man verstärkt Druck auf diejenigen aus, die sich nicht kaufen lassen wollten. Dabei konnte DESA auf die Unterstützung von Polizei und Militär bauen.

Am 15. Juli 2013 eskaliert der Konflikt. Der Gemeindevorsteher Tomás Garcia wird vor dem Tor des DESA-Betriebsgeländes von einem Soldaten erschossen. Sein 17jähriger Sohn wird dabei schwer verletzt. Die beiden sind allerdings nicht die einzigen Opfer des Konflikts. Immer wieder erhalten Gegner*innen des Projektes Morddrohungen oder werden unter fadenscheinigen Vorwürfen verhaftet. Plötzlich steht ein Junge in der Küchentür. Er bringt beunruhigende Neuigkeiten. Auf dem von der DESA beanspruchten Gemeindeland am Fluss wurde ein Zaun errichtet. Sollte das das Ende des momentanen Baustopps bedeuten? Die Männer beschließen der Sache auf den Grund zu gehen. Und da es mittlerweile auch schon spät geworden ist, drängen sie nun zum schnellen Aufbruch. Schließlich liegen am nächsten Morgen gute zwei Stunden Fußmarsch vor ihnen – vom Dorf am Berghang hinunter ins fruchtbare Tal des Rio Gualcarque.

Dem Erbe der Ahnen verpflichtet

Als die Männer gegangen sind, kommt Edmundas Nachbarin Rosalina Dominguez noch auf einen Kaffee vorbei. Sie erzählt, dass ihre Vorfahren sich das Land am Rio Gualcarque durch Fronarbeit neu erarbeiten mussten. Und das, obwohl es schon seit Jahrhunderten von ihnen bewohnt und bestellt wurde. Deshalb werden die Menschen in La Tejera es um jeden Preis verteidigen. Nie wieder soll es ihnen genommen werden.

Denn die Lenca wissen, dass das Land sie ernährt. Ihre Vorfahren haben es pfleglich behandelt und haben der Erde immer etwas zurück gegeben, damit sie sich nährt und Mais und Bohnen reichlich sprießen. Sie haben Zeremonien abgehalten, damit Segen auf dem Land ruht. Und die Lenca haben ihr Land von Alters her verteidigt, um es den Nachfahren als Erbe zu überlassen.

Deshalb, fügt Rosalina hinzu, kämpfen die Lenca um ihr Land. Sie kämpfen für ihre Kinder. Denn wovon hängt ihr Leben ab, wenn nicht von der Erde? Wenn sie zulassen, dass ihr Land zerstört wird, wo werden sie jemals wieder Wurzeln schlagen? Wenn man ihnen das Wasser wegnimmt, wenn ihr Fluss stockt und austrocknet, sollen sie dann Wasser in Flaschen kaufen? „Deswegen“, unterstreicht Rosalina noch einmal, „sagen wir nein zum Staudamm!“

Diese Argumente trafen nicht bei allen beteiligten Banken auf offene Ohren. Während sich der zentralamerikanische Infrastrukturfonds mittlerweile aus dem Projekt zurück gezogen hat, hält die holländische Entwicklungsbank FMO weiterhin an ihm fest.

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